Jack London: Biographie eines Abenteurers ...

Von Dr. Bernd A. Weil


Für jeden Freund der Schlittenhundeszene, Alaskas oder des Yukon-Gebietes steht der Name Jack London für Freiheit und Abenteuer, Goldrausch und Überlebenskampf, Draufgängertum und faszinierende, aber raue Natur ...

Jack London wurde am 12. Januar 1876 in San Francisco geboren als uneheliches (und ungeliebtes) Kind der zierlichen Spiritistin und Hausiererin Flora Wellman und des herumziehenden irischen Astrologen, betrügerischen "Hypnotiseurs" und Journalisten William Henry Chaney (Spitzname "Professor" - er hieß eigentlich O'Haney und leugnete die Vaterschaft).

Er wuchs in armen Verhältnissen in Oakland (Kalifornien) auf. Ursprünglich hieß er Johnnie Griffith Chaney, trug jedoch später den Namen seines verwitweten Stiefvaters, des Bürgerkriegsveteranen John London, den seine Mutter Flora 1876 heiratete und der den Jungen adoptierte, der nun "Jack" gerufen wurde.

Jack London besuchte nur kurz die Volksschulen in Alameda und Oakland (bis 1889), führte dafür ein unstetes und abenteuerliches Leben, das ihm die Stoffe für seine zahlreichen Romane lieferte. Schon mit 10 Jahren auf Bücher versessen, war er während seiner Schulzeit unter anderem Zeitungsjunge in San Francisco und Eisträger, danach Hilfsarbeiter in einer Oaklander Konservenfabrik, in der er 1890 bereits mit 14 Jahren mehr als 16 Stunden täglich schuften musste. 

Als Austernräuber (1891) auf seiner heruntergekommenen Schaluppe "Razzle Dazzle" in der Bucht von San Francisco warf man den "Prinz der Austernpiraten" oder "Frisco Kid" - wie er sich nannte - mehrfach ins Gefängnis, wo die Lage für ihn oft erträglicher war als draußen. Von seiner anschließenden Tätigkeit als Patrouillenführer der Fischereistreife handeln seine Erzählungen "Tales of the Fish Patrol" (1905; deutsch: "Austernpiraten"). - Der sechzehnjährige Jack durchlitt seine ersten Alkoholexzesse und Selbstmordabsichten.

Im Jahre 1893 heuerte Jack als Schiffsjunge (oder Matrose?) auf dem Schoner "Sophie Sutherland" an und ging bis August nördlich der Bonin-Inseln auf Robbenjagd. Wieder in Oakland, arbeitete er unter sehr schlechten Bedingungen in einer Jutemühle, bildete sich abends fort und gewann mit der Erzählung "Taifun vor der japanischen Küste" im November 1893 seinen ersten literarischen Wettbewerb.

1894 versuchte sich Jack als Heizer und Kohlenschlepper im Kraftwerk der Oaklander Straßenbahn. Um diesem tristen Leben zu entfliehen, schloss er sich in Iowa der sozialrevolutionären "Armee" der Arbeitslosen um "General" Kelly an, die einen "Marsch" (eigentlich mit der Eisenbahn) in Richtung Washington unternahm, den Jack allerdings schon bald abbrach. Statt dessen fuhr er 1894/95 alleine als Eisenbahntramp ("Hobo") illegal kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten, landete im Gefängnis und kehrte schließlich als Heizer an Bord eines Schiffes nach Oakland zurück, wovon später sein autobiographischer Roman "The Road" (1907; deutsch: "Abenteuer des Schienenstranges") ausführlich berichtet. 

In Oakland holte er 1895 das Abitur nach, besuchte danach die Universität Berkeley und arbeitete in einer Dampfwäscherei. Seine schriftstellerischen Versuche blieben zu dieser Zeit noch erfolglos ...

Nachdem ihm Anfang 1897 die Universität Berkeley die Prüfungszulassung mit fadenscheiniger Begründung verweigerte, weil er die Studiengebühren nicht aufbringen konnte, floh Jack London wieder einmal in ein Abenteuer und beteiligte sich 1897/98 in Alaska und im Yukon Territory mit den ersten Goldsuchern ("stampeders") am Klondike-Goldrausch. Im Oktober 1897 meldete er im "Mining Office" der neu gegründeten Stadt Dawson City 500 Fuß eines "Goldfeldes" als "Claim Nr. 54" an der linken Gabelung des Henderson Creek an, aber das vermeintliche "Gold" erwies sich als wertloses "Mica" ("Katzengold"). 

Weil frisches Gemüse und Kartoffeln fehlten, erkrankte Jack London vor allem wegen des Mangels an Vitamin C an Skorbut und musste im Juni 1898 Abschied von Dawson nehmen. Krank und mit nur 4 ½ Dollar in den Taschen, aber inspiriert von zahlreichen Abenteuergeschichten, kehrte er nach Oakland zurück, absolvierte eine Ausbildung zum Briefträger bei der Post, wurde aber nicht in ein Arbeitsverhältnis übernommen und musste sich und seine Mutter wieder mit miesen Gelegenheitsjobs durchbringen. Er war jetzt 24 Jahre alt und hatte schon mehr gesehen und erlebt als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben. 1899 gelangen ihm, der sich fortan als Schriftsteller bezeichnete und täglich bis zu 2.000 Wörtern schrieb, auch die ersten literarischen Veröffentlichungen in mehreren Zeitschriften, obwohl er von vielen Verlagen noch immer über 300 Absagen im Jahr erhielt.

Jack London heiratete 1900 die Lehrerin Elizabeth ("Bessie") Maddern, mit der er zwei Töchter, Joan und (Little) Bess, hatte. Sie wohnten in Oakland. 

1901 trat Jack der neu gegründeten Sozialistischen Partei bei und kandidierte erfolglos bei der Bürgermeisterwahl in Oakland (wie nochmals 1905). - Er begann im Sommer 1903 eine Affäre mit der fröhlich-frechen Charmian Kittredge, ließ sich von Bess scheiden und ehelichte Charmian im November 1905, die zur Vorlage vieler Frauengestalten in seinen Büchern wurde ...

Der von Rudyard Kipling, Robert Louis Stevenson, John Milton, Karl Marx, Charles Darwin, Friedrich Nietzsche und Herbert Spencer beeinflusste, überzeugte Sozialist Jack London kämpfte stets auf der Seite der "Underdogs" gegen Ungerechtigkeiten und Unterdrückung: Um das Leben der Obdachlosen in England kennenzulernen, lebte er von Juli bis September 1902 mit ihnen in den Slums des Londoner East Ends und schrieb darüber den politischen Roman "The People of the Abyss" (1903; deutsch: "Menschen der Tiefe", 1928). - Später folgte der Zukunftsroman "The Iron Heel" (1907; deutsch: "Die eiserne Ferse", 1922), die Geschichte des sozialistischen Märtyrers Ernest Everhard und zugleich die Schreckensvision eines heraufziehenden Faschismus.

Der Zeitungszar William Randolph Hearst schickte Jack London Anfang 1904 als einzigen Korrespondenten vor Ort zum Russisch-Japanischen Krieg (1904-1905). Jack geriet an der Front in Korea kurzzeitig in japanische Gefangenschaft, wurde ausgewiesen und ging nach Kriegsende auf eine Vortragsreise durch die USA im Auftrag der "Socialist Party", deren Mitglied er bis acht Monate vor seinem Tod 1916 war.

Jack London in "The Klondike" Nachdem Jack 1905 die "Hill Ranch" im Moon Valley bei Glen Ellen (Kalifornien) gekauft und mit Charmian dorthin umgezogen war, unternahmen die beiden eine ausgedehnte Reise: Im April 1907 brachen sie an Bord seiner kleinen, 1906/07 selbst entworfenen, fast 30.000 Dollar (heute ca. 1,5 Mio. $) teuren Segelyacht "Snark" zu einer auf sieben Jahre geplanten Weltumsegelung auf, die ihn unter anderem mit der hawaiianischen, polynesischen und melanesischen Kultur in Berührung brachte und die sie 1909 wegen mehrerer Schäden am Boot in Sydney abbrechen mussten. 

Da Jack und Charmian 1908 an Pellagra ("Mais-Aussatz") erkrankt waren, einer schweren Stoffwechselstörung aus Mangel an Vitamin B2 als Folge einseitiger Ernährung durch Cerealien (z.B. Mais), mussten sie im Juli 1909 wieder nach Oakland zurück reisen. Das literarische Ergebnis dieser Reise durch den Südpazifik waren die "South Sea Tales" (1911; deutsch: "Südseegeschichten").

Zwischen 1900 und 1916 schrieb Jack London 152 Kurzgeschichten, hunderte von Zeitungsartikeln und mehr als 50 Bücher (darunter 19 Romane), von denen einige in über 70 Sprachen übersetzt und über 50 Verfilmungen gedreht wurden (zweimal sogar mit Jack London als Schauspieler). Als weltberühmter Autor erhielt er bis zu 10.000 Briefen (!) im Jahr. Jack war ein regelrechtes "Arbeitstier", schlief nur rund fünf Stunden pro Nacht, hielt sein morgendliches Schreibpensum von 1.000 Wörtern ein, konstruierte sein "Wolfshaus" (1910-1913) und arbeitete an der Gestaltung und Bewirtschaftung seiner "Beauty Ranch" in Glen Ellen (Kalifornien), die ihn fast 80.000 US-Dollar (heute: ca. 4 Millionen $) kostete. 

In der Nacht vom 21. zum 22. August 1913 brannte das "Wolfshaus" unmittelbar vor der Fertigstellung bis auf die Grundmauern nieder. Die Ursache des verheerenden Brandes, der Jack London stark deprimierte und - mangels einer Versicherung - finanziell fast ruinierte, war vermutlich Brandstiftung oder aber eine Spontanentzündung der in die Holzritze gesteckten Öllappen, die sich in der Sommerhitze selbst entflammten ...

Von April bis Juni 1914 ging Jack im Auftrag von "Collier's Weekly" als Kriegsberichterstatter nach Mexiko, um über die Rolle des US-Militärs in der "Villa-Carranza-Revolte" zu recherchieren. - 1915 und 1916 war er zweimal für mehrere Monate mit Charmian auf Hawaii, um seine zunehmende Verbitterung und Depressionen zu bekämpfen.

Abenteuer, Überlebenskampf, extreme Höhen und Tiefen, Besessenheit und Untergang kennzeichnen Leben und Werk Jack Londons. Mit seinen Abenteuerromanen, Reiseerzählungen und Tiergeschichten wurde er zum meist übersetzten amerikanischen Erzähler. In seiner ersten Kurzgeschichtensammlung "The Son of the Wolf" (1900; deutsch: "Der Sohn des Wolfs", 1927), seinem Roman "Burning Daylight" (1910; deutsch: "Lockruf des Goldes", 1926) und seinen Erzählungen "South Sea Tales" (1911; deutsch: "Südseegeschichten") verarbeitete er eigene Reiseerlebnisse.

Die von Darwin und Nietzsche geprägten Führergestalten und "Übermenschen" bei Jack London folgen ihren Instinkten und den Naturgesetzen gemäß dem sozialdarwinistischen Recht des Stärkeren ("survival of the fittest"), wie zum Beispiel in den bekannten und verfilmten Romanen "The Call of the Wild" (1903; deutsch: "Der Ruf der Wildnis", 1907) und "The Sea Wolf" (1904; deutsch: "Der Seewolf", 1926), ein Roman über den Konflikt zwischen einem zynisch-brutalen Kapitän und einem Schiffbrüchigen, in dem Jack seine eigenen Erfahrungen als Robbenfänger verarbeiten konnte. 

Auch sein Roman "White Fang" (1906; deutsch: "Wolfsblut") hat den Rückfall des Menschen aus der Zivilisation in die Barbarei sowie den Überlebenskampf des auf sich gestellten Einzelnen inmitten der Wildnis zum Thema. - Anders jedoch in dem zweiteiligen Roman "Smoke Bellew" (1912; deutsch: "Alaska-Kid" und "Kid & Co."): Dort lassen sich die beiden Hauptfiguren nicht vom allgemeinen Goldfieber in Alaska packen, sondern sie helfen einem alten Goldgräber, nach jahrelanger erfolgloser Suche einen guten Claim abzustecken. Darin kommt Londons Sozialismus gepaart mit dem Sozialdarwinismus des Nordens zum Ausdruck.

Die Ärzte rieten Jack London immer wieder, weniger zu arbeiten, den Alkohol zu meiden, dem er seit 1910 immer stärker zusprach, und eine Diät zu halten. Er hielt sich keineswegs daran, klagte am 22. November 1916 nach dem Abendessen über starke Verdauungsbeschwerden und starb kurz darauf im Alter von nur 40 Jahren auf seiner "Beauty Ranch" in dem kleinen Ort Glen Ellen im kalifornischen Sonoma County (Heute befindet sich hier der "Jack London State Historic Park" mit einem sehenswerten Museum).

Auf Jack Londons ehemaliger Ranch in Glen Ellen, wo man auch die Ruinen des abgebrannten "Wolfshauses" sehen kann, befindet sich auch das angebliche "Grab" des Abenteurers, der hier aber nicht bestattet wurde, weil er sich hat verbrennen und seine Asche verstreuen lassen. Im dortigen Museum findet sich auch die zunächst von drei, dann von vier Ärzten unterzeichnete Sterbeurkunde, in der festgestellt wurde, dass Jack London nach dem Dinner am 21. November über akutes Unwohlsein klagte, trotz der am folgenden Abend ab 18:30 Uhr anwesenden Ärzte schnell das Bewusstsein verlor und schließlich am 22. November 1916 um 19:45 Uhr verstarb ...

In fast allen Biographien wird ungeprüft behauptet, Jack London habe sich selbst das Leben genommen. Er litt die letzten sechs Jahre vor seinem Tod an Niereninsuffizienz, wahrscheinlich hervorgerufen durch Pellagra, eine Mangelkrankheit, die sich auch seine Ehefrau Charmian in der Südsee 1909 zugezogen hatte. Als Todesursache nennt das ärztliche Gutachten eine gastrointestinale Urämie (Harnvergiftung) als Folge falscher Ernährung, die das Nierenversagen hervorrief.

Auf dem Fußboden neben seinem Bett fanden sich zwei leere Phiolen mit den Aufschriften "Morphiumsulfat" und "Atropinsulfat", aber keine Spritze. Wahrscheinlich haben die Ärzte diese Medikamente gegen die starken Schmerzen verabreicht. Möglicherweise hat aber ein Reporter die Ampullen gesehen und daraus die reißerische Story vom "Selbstmord" des draufgängerischen Helden Jack London fabriziert, die seither ein "Biograph" vom anderen ohne Überprüfung abgeschrieben hat.

Jack London hinterließ Romane, Dramen, Erzählungen, Kurzgeschichten, autobiographische Schriften und soziologisch-philosophische Texte. Als meist gelesener Autor seiner Zeit war er trotz der zum Teil enormen Verkaufszahlen seiner Bücher fast ständig verschuldet, da er in seiner zweiten Lebenshälfte sehr verschwenderisch lebte.

Für ihn bestand der Hauptunterschied zwischen Mensch und Tier darin, dass das Tier bloß existieren, der Mensch aber leben möchte. Sein Traum höchsten Glücks war die Vorstellung, in einer wild galoppierenden Herde von 40 Pferden zu leben. In seinem Roman "Der Ruf der Wildnis" (1903) erzählt er die Geschichte des Hundes "Buck", der wieder zum Wolf wird. Umgekehrt handelt "Wolfsblut" (1906) von einem Hund, der die menschliche Zivilisation und nicht die Wildnis sucht, denn der Mensch ist das "Tier, das über alle andern herrscht". - Die unglaublich rasante und widersprüchliche Lebensgeschichte Jack Londons ist weitgehend identisch mit der seines Romanhelden "Martin Eden" (1908/09), der ebenfalls von einem Leben in armen Verhältnissen zu einem anerkannten Schriftsteller aufsteigt ...


© 2001 Dr. Bernd A. Weil, Fotos Jack London: The Bancroft Library


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