Zurück nach Mariehamn ...

Der heutige sehr lange Dienstag (19.08.), der bis in den frühen Mittwoch hineinreichen wird, soll wie folgt ablaufen: In aller Ruhe zurück nach Mariehamn, dort den Tag zubringen mit touristischen Aktivitäten soweit möglich, dann Zeit totschlagen bis 01:00 Uhr morgens, bis unsere nächste Fähre (hoffentlich) ablegt: Die M/S ROMANTIKA, das Schwesterschiff unserer schon bekannten VICTORIA I und damit ebenfalls zur Tallink Gruppe gehörend, wird uns dann nach Tallinn bringen, wo es planmäßig um 10:45 Uhr anlegen soll.

Und  damit kann man an dieser Stelle bereits kurz einen Blick auf unsere (bisherige) Fährenflotte werfen, die sich durchaus schon sehen lassen kann und bei der es sich um recht beachtliche "Klötze" handelt:

Unsere Fährenflotte -
bisher ...

Unterwegs nicht nur mit der Color Magic ...
SchiffBau Werft Länge (m) Breite (m)Tiefgang (m) Tonnage (BRZ)
COLOR MAGIC2007Turku22435max. 6,8075.156
SYMPHONY1991Turku20331,50max. 7,1058.377
VICTORIA I2004Rauma19329max. 6,5040.975
ROMANTIKA2002Rauma19329max. 6,5040.803

Wir verlassen Uddens Camping durchaus positiv gestimmt: Ein angenehmer Ort für ein paar ruhige Tage. Da wir bei unserer Rückkehr nach Marienhamn dafür sorgen müssen, dass sich die knapp 40 km lange Strecke möglichst hinzieht, wollen wir vorher noch einen kurzen Abstecher zu unserem "Alternate" machen, auf das man hätte ausweichen können, falls Uddens Camping aus irgend einem Grund nicht gepasst hätte.

Das Camp Degersand befindet sich ebenfalls auf der Insel Eckerö, und als wir nun die damals vom "Online-Reporter" Karsten angegebenen Koordinaten seines Åland Aufenthaltes vergleichen, staunen wir nicht schlecht: Genau in diesem Camp hatte Karsten vor mehr als einem Jahrzehnt zufällig auch Station gemacht, bevor er seine Heimreise fortsetzte ...

Beim Camp Degersand ...

Dieses Camp hat tatsächlich ein Restaurant, das heute aber offenbar geschlossen ist. Auf der Webseite erfahren wir, dass es "Restaurant Q" heißt und ein beliebtes Ausflugsziel für viele darstellen soll. Verwiesen wird auf ein "vom Mittelmeer" inspiriertes Menü (Spaghetti?), auf "volle Schankrechte" und die "mit größter Sorgfalt zubereitete Tasse Kaffee" samt warmem Apfelkuchen - hier wäre offenbar genau der richtige Platz für uns gewesen! Karsten hatte aber laut seinem Bericht seinerzeit hier wohl tatsächlich etwas leckeres zu essen bekommen ...

Ein heftiger Wind fegt auch hier über den Platz und macht den Aufenthalt am zum Gelände gehörenden Strand nicht sonderlich angenehm - wir beschließen unsere Rundfahrt fortzusetzen und merken uns das Camp mal vor für den nächsten Aufenthalt auf diesen Inseln ...

Vorbei an idyllischen Ecken nähern wir uns wieder der Straße 1, einer wohl einst wichtigen Poststraße (Turku-Stockholm), die heute noch mit einem speziellen Schild gekennzeichnet ist. Was besonders auffällt auf diesen Inseln: Die gemächliche Ruhe, in der hier alles abzulaufen scheint, was sich erfreulicherweise auch auf die Autofahrer überträgt. Was dem einen hier vielleicht als "Autofahrerhimmel" erscheinen mag, könnte allerdings für andere, die eher der bei uns üblichen Raser-, Drängler- und Bergaufbremserfraktion angehören, fast schon zur "Raserhölle" werden: Zumindest dann, wenn man mal einige Zeit hinter jemandem herzuckeln muss, der sich ohne ersichtlichen Grund auf Tempo 30 eingeschossen hat - aber auch das hält man aus!

Åland `Mittsommerstange´... Entlang der ehemals wichtigen Poststraße (Turku-Stockholm)

Irgendwann kommen wir auch bei langsamster Fahrt in Mariehamn an, wo wir in der Hafengegend den Explorer abstellen: Unser erstes Besichtigungsziel ist hier ist die POMMERN. Was die RICKMER RICKMERS für Hamburg ist, das stellt die POMMERN als Wahrzeichen für Mariehamn dar: Im Gegensatz zum Hamburger Segler handelt es sich hier aber um einen größeren Viermaster.

Nur 7 Jahre nach der RICKMERS gebaut, lief die ebenfalls stählerne POMMERN im Jahr 1903 in Glasgow vom Stapel und wurde auch als Frachtensegler eingesetzt. Das ehemals Hamburger Schiff geriet nach Ende des Ersten Weltkriegs als Kriegsreparation nach Griechenland und wurde dort im Jahr 1923 schließlich von einem finnischen Reeder gekauft. Von da an hatte es den Heimathafen Mariehamn, wo es auch heute wieder als Museumsschiff liegt.

Man glaubt es kaum, dass der fast 107 m lange und über 13 m breite Segler mit rund 6,80 m fast den gleichen Tiefgang hat wie die unsere Norwegen-Fähre COLOR MAGIC - wer sich das vor Augen hält, bekommt vielleicht ein Gefühl dafür, was für ein imposantes Museum der Besucher hier geboten bekommt ...

Die `Pommern´ im Einsatz als Frachtensegler ... ... und heute als Museumsschiff ...

In der Hamburger Zeit gehörte die POMMERN der Reederei F. Laeisz, bei der es Brauch war, für ihre "Flying P-Liner" einen Namen mit "P" zu vergeben. Zwei weitere berühmte "P"-Schiffe aus dieser Serie waren die PAMIR und die PASSAT, ebenfalls Viermastbarken. Als einziger derzeit noch in Betrieb befindlicher P-Liner ist die heutige Viermastbark KRUZENSHTERN mit Heimathafen Kaliningrad auf See unterwegs - deren ursprünglicher Name PADUA begann natürlich ebenfalls mit "P" ...

Wie der Zufall es will, werden wir die  PASSAT, die heute ebenfalls ein Museumsschiff ist und als Wahrzeichen von Travemünde gilt, bei Rückkehr von unserer Tour ebenfalls noch sehen - aber dazu später mehr ...

Wir machen uns auf den Weg durch die Tiefen der POMMERN, der gewaltige Kahn hat viel zu bieten, was als Anschauungsmaterial für die damaligen Verhältnisse auf See dienen kann. Man lernt viel über die 26 Mann Besatzung, über den Zimmermann, den Segelmacher, den Schiffsschmied "Donkeyman" oder auch den "Bo´Sun", wie der erfahrenste Seemann an Bord bezeichnet wurde. Im Schiff ist übrigens auch zu lesen: "Zuerst kommt der Kapitän, dann kommt Gott, dann kommen alle anderen" - fast unser Redaktionsspruch!

Auch ein Film wird gezeigt, der Originalaufnahmen einer Kap Hoorn-Umseglung enthält, bei der man nicht unbedingt mit an Bord gewesen sein muss ... 

Gute Aussicht von Bord ... Liebevoll aufbereitete Gerätschaften ... Der offene Steuerstand ... ... da muss man am Kap Hoorn nicht unbedingt gestanden haben ...
Mannschaftskajüte ... Kapitänsbad ...
Passagierkabine für 3 Reisende ... Kapitänssalon ... Unter Deck: Viel Platz für Fracht ... Museum an Bord ...

Die verschiedenen Decks enthalten unterschiedlichste Ausstellungsstücke, die über die bewegte Schiffsgeschichte berichten. Sehr beeindruckend ganz unten im Kiel die Aufnahmen der über 50 m hohen Masten des Seglers. Nach letzten Instandhaltungsarbeiten noch Ende der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts gilt die POMMERN heute als einzige im Originalzustand erhaltene Viermastbark, was auch für die Anlagen unter Deck gilt.

Im Restaurant Italia: Warten auf den Abend ...Irgendwann müssen wir auch dieses hochinteressante Schiff verlassen und noch neigt sich der lange Tag in Mariehamn bei weitem nicht seinem Ende entgegegen. Nach einem so ausgiebig wie möglichen Stadtbummel landen wir zu guter Letzt wieder im Hafenviertel, um erneut ein "Schiff" zu betreten: Diesmal ist es das italienische Restaurant "Italia", wo wir ein für heute letztes Abendessen an Land einnehmen wollen.

Die italienische Wirtsfamilie erweist sich als äußerst freundlich, auch die selbstgemachten Nudeln überzeugen, allerdings ist die "Bordatmosphäre" doch nicht so einladend, dass wir unbedingt noch sehr lange verweilen wollen ...

Am Hafen von Mariehamn ... Nur für Mitglieder ...

Der spätere Abend erlebt uns weiter im Hafenviertel, wo sich die Zeit nur sehr schleppend unserer Abfahrtzeit von 01:00 Uhr morgens nähert. In der Ferne kann man ein unaufhörliches Wetterleuchten beobachten und sich dabei nicht wirklich etwas vormachen: Es kommt genau aus Richtung Estland, genau aus der Richtung also, wo wir hin wollen - das kann möglicherweise heiter werden!

Bereits hier fällt ebenfalls auf, dass insbesondere schwedische Reisende ganz besonders dem Alkohol zugesprochen haben, was auch für Autofahrer gilt - ein Sachverhalt, der uns noch bis zur Ankunft in Tallinn begleiten wird ... 

Gespannt sind wir auf die Ankunft des Schwesterschiffs unserer geliebten SYMPHONY - wird die SERENADE hier auch heute Nacht tatsächlich rund eine Stunde vor unserer Fähre ankommen, tatsächlich anlegen und Leute herauslassen?

Wir nutzen den früheren Check-In zur SERENADE ebenfalls und als der einsame Wolf am nächtlichen Abfertigungstresen unsere Papiere sieht, meint er auf Deutsch und mit genüsslichem Gesichtsausdruck: "Oh ... ein Kleinbus ... mit kleiner Nachtmusik ... und auf die Romantika ... oh!" Irgendwie trifft er heute Nacht allerdings trotz derartiger Romantikfülle nicht ganz genau die Stimmung im Kleinbus ...

Wir streifen durch das nächtlich leere Terminalgebäude, lernen die offenbar hier bestens bekannte Terminalkatze "Astrid" kennen und schauen wie sie ebenfalls den wenigen Passagieren zu, die um diese Zeit noch unterwegs sind.

Nächtlich leeres Terminalgebäude ... Terminalkatze `Astrid´wartet noch auf Passagiere ...
Wir warten heute auf die ROMANTIKA ... Es wird Nacht in Mariehamn ... Die SYMPHONY-Schwester schafft es: SERENADE erreicht Mariehamn ... Tja, liebe SERENADE-Passagiere: Heute hätten selbst wir dabei sein können ... ;-))

Die SERENADE legt pünktlich an und ist nach 10 Minuten auch schon wieder verschwunden, außer ein wenig Güterverkehr ist wenig zu sehen, was heute Nacht auf der Insel landet oder von dort verschwindet - immerhin ist sie gekommen!

Die restliche Stunde vergeht und schon bald kann man ebenfalls pünktlich die ROMANTIKA entdecken - bei dem kurzen Halt kommen wir zusammen mit etwa fünf Fahrzeugen schnell an  Bord, bis sich wieder ziemlich dicht hinter uns die Heckklappe schließt - nun geht´s endlich Richtung Festland, auf nach Tallinn ..!

Geschafft: Nun an Bord der ROMANTIKA ... Für viele Schweden heute Nacht ein echt romantisches Plätzchen ...

Obwohl es mittlerweile schon nach 01:00 Uhr morgens ist, kann man an Bord noch einiges erleben und man merkt, dass wir auf einer gern befahrenen Strecke von Stockholm nach Estland sind: Unmengen stark angetrunkener Schweden schwanken durch das Schiff. Wir sitzen kaum 10 Minuten an der Bar, als die Security wieder einen Schweden im Vollrausch abschleppt: Eine Alkoholleiche mehr, die hier offenbar die Gelegenheit zu schätzen wusste. Besoffene quatschen derweil auf dem Gang irgendwelche Frauen an, die sich nur schwer gegen die Belästigungen wehren können.

Heftiger Seegang in der Nacht ...Der schwankende Gang etlicher Passagiere wird durch den sehr heftigen Seegang nicht unbedingt sicherer - es ist mittlerweile 02:30 Uhr am frühen Morgen des 20.08., als wir nochmals an Deck gehen: Starker Wind und heftigste Gischt empfangen uns. Eine unweit von uns querende hell beleuchtete andere Fähre scheint vor dem Bug auf- und abzuspringen, während das Wetterleuchten in unserem Zielgebiet nicht abgenommen hat.

In so einem Moment kann man sich auch auf der Ostsee sehr gut vorstellen, wie es den Passagieren einer ESTONIA ergangen sein mag - dafür muss man nicht unbedingt immer auf einer NORRÖNA im Nordatlantik Richtung Island unterwegs sein ...

Beim Anblick der Alkoholopfer in den Gängen der ROMANTIKA stellt sich schon bald eine Frage, deren Berechtigung sich im Laufe des Morgens noch erweisen wird: Werden all diese Schweden bei Ankunft in Tallinn tatsächlich wieder pünktlich in ihren Autos sitzen ..? 


1. Nachtrag, August ´15: SERENADE-Besuch ...

Durch einen Zufall fiel uns eine alte Ausgabe des Heftes Ships monthly aus dem September 1990 in die Hände. Eigentlich war es uns damals bei dieser Ausgabe um den Bericht zur SS AMERICA gegangen, der späteren AMERICAN STAR, für die wir eine Sonderseite betreiben. Dieses Schiff war 1990 genau 50 Jahre alt geworden und deshalb widmete ihr die Ships monthly eine ausführliche Geschichte (siehe Bilder unten).

Einige Seiten weiter gab es aber im Heft auch noch einen kurzen Besuchsbericht aus dem Juni 1990 (Bild ganz unten): Die Zeitschrift hatte eine Leserreise für Fähren-Enthusiasten (!) veranstaltet, bei der 50 Teilnehmer u.a. diverse Fähren besuchten. Höhepunkt der Tour war ein Besuch der Werft von Turku, in der zu dieser Zeit unsere oben erwähnte SILJA SERENADE gebaut wurde, die seinerzeit gemeinsam mit ihrem Schwesterschiff SYMPHONY neue Maßstäbe bei den Fähren setzte. Alle Teilnehmer posieren bei dem Werftbesuch stolz mit Schutzhelmen an der Heckklappe des neuen Rumpfes - und der sieht schon fast so aus wie auf unserem nächtlichen Bild aus Mariehamn ...

Inzwischen `historische´ Zeitschrift: Die `Ships monthly´ vom September 1990 ... Story über die 50jährige SS AMERICA ...

... und eine Leserreise zur Baustelle der SILJA SERENADE ...


2. Nachtrag, Mai ´18 Noch ein Flying P-Liner ...

Die PEKING auf dem Weg zum Dockschiff ...Wie oben schon erwähnt, gibt es derzeit noch einige der berühmten, über 100 Jahre alten stählernen Segler der Flying P-Klasse. Ein weiterer der Viermaster wird ab 2020 in der Nähe der oben ebenfalls bereits erwähnten RICKMER RICKERS in Hamburg zu besichtigen sein.

Wie im NDR-Bericht vom 27.04.18 zu sehen war (Bild rechts), wurde die stark renovierungsbedürftige PEKING mit einem Dockschiff über den Atlantik zur Peters Werft in Wewelsfleth überführt, um dort im Auftrag der Stiftung Hamburg Maritim restauriert zu werden.

Und für eventuelle künftige Besuche bei diesem Schiff gilt natürlich wieder: Nach dem Hafengeburtstag ist VOR dem Hafengeburtstag!


© 2015-2018 J. de Haas