Moin Gewitter-Explorer,

sorry wegen der Verspätung, aber ich hatte gestern einfach überhaupt keine Lust mehr, mich hinters Notebook zu klemmen. Das GPS ist wieder aufgetaucht, die Brille habe ich schon lange wieder. Das war doch in Bad Kissingen, erinnerst Du Dich nicht mehr?!

Dass erhebliche Kosten aufgrund der Berichterstattung auf mich zukommen, ist mir durchaus klar. Ich rechne jedenfalls mit einer hohen Telefonrechnung. Hatte ich aber alles schon mal. ... Viel schlimmer kann es diesmal eigentlich auch nicht werden. Irgendwie muss ja die teure deutsche UMTS-Infrastruktur finanziert werden, und wenn´s von Skandinavien aus ist.

Vermutlich verteilt sich der Urlaub auch auf zwei Rechnungen. Ich glaube, Vodafone schickt sie immer so um den 20. rum. Falls ich am Ende aber finanziell völlig ruiniert sein sollte, werden mir die Leser sicherlich mit Solidaritäts-Bieren unter die Arme greifen, damit rechne ich fest! :-) ...

So, anbei sind noch zwei Tage üble Raserei in Schriftform.
Machet mal juut!

Gruß vom Südfinnland-Karsten

Anm.der Red.: Man würde heutzutage Karsten schon vor der Abreise zu einem ausführlichen UMTS Flatrate Vergleich raten: Mit einer Dauerverbindung fürs mobile Internet wäre er wohl in Anbetracht seiner Surf-Gewohnheiten am besten gefahren. Unabhängig von seiner Online-Zeit und auch den Downloadmengen an uns und andere Empfänger wäre er stets sendebereit gewesen.

Doch eines hätte auch er beachten müssen bei seinen Aktivitäten vor Ort: Etliche UMTS-Anbieter stellen im Rahmen ihrer Verträge zwar ein unbegrenztes Datenvolumen zur Verfügung, jedoch reduzieren sie dann ab einem bestimmten Datenvolumen des Downloads die Übertragungsgeschwindigkeit bis hin zur Speed eines GPRS. Zum Glück aber hat unser Autor mit derartigen Überlegungen z.Z. kein Problem bei seiner Reise und kann sich so ungestört auf seine Berichterstattung an uns konzentrieren!


20. Tag - Di, 24.06.03

Ich habe die ganze Nacht schlecht geschlafen, bin deshalb schon um sechs Uhr morgens aufgestanden und blättere bei einer Tasse Espresso in meinem Reiseführer.

Wie anfangs erwähnt, habe ich ja keine feste Reiseroute, war mir auch nicht sicher, ob ich es überhaupt bis Finnland schaffe. Nun, ich habe es geschafft und allmählich muss ich mir auch Gedanken über den Rückweg machen. Am liebsten wäre ich über St. Petersburg und die baltischen Staaten nach Hause gefahren. Da ich aber nicht einmal einen Reisepass besitze, kann ich diese Route wohl vergessen ... 

Natürlich könnte ich ab Helsinki mit der Fähre nach Hause fahren, doch ich habe eine bessere Idee: Die Aland-Inseln liegen zwischen Finnland und Schweden und sollen laut Reiseführer in jeder Hinsicht reizvoll sein. So etwas habe ich gesucht. Erstens kann ich da noch ein paar Tage ausspannen, und auf der Rückreise sehe ich noch etwas von Schwedens Ostküste, von der ich ja auf der Fahrt in den Norden gar nichts mitbekommen habe.

Weiter durch Südfinnland ...So fahre ich also immer Richtung Südwesten, zum Teil über E-Straßen, wann immer es geht aber die kleinen Nebenstrecken. Ich begegne einem verirrten Toyota Landcruiser in der höher gelegten Wüstenausführung mit Sandblechen: Er wirkt in dieser wüstenlosen Landschaft fast ein wenig bizarr, wird in dieser Hinsicht aber bei weitem vom "Nordkapp 2003-Team" übertroffen, deren Fahrzeuge ich neulich vor dem Arktikum in Rovaniemi gesehen habe: Ein Pickup, an dem ein spießiger Wohnwagen hing, dazu zwei Fahrer mit geländegängigen Motorrädern.

Eine wahrhaft wahnwitzige Fahrzeugzusammenstellung, aber mit zahlreichen Sponsoren, wie man an den vielen Aufklebern sehen konnte. Eine Webadresse ist mir zwar nicht aufgefallen, aber vielleicht war es ja knallharte Konkurrenz, die wie ich jeden Tag ihre Erlebnisse erbarmungslos ins Notebook hackt ...

In Multia finde ich schließlich einen Platz für die Nacht (N62°24.478' E024°48.888'). Es ist ein schöner Campingplatz, mit viel Schatten unter Kiefern, direkt am See gelegen. Klar, dass ich da direkt mein Boot auspacke - und siehe da, mein GPS findet sich genau dort, wo ich vermutet hatte: In der Utensilien-Tasche des Bootes.

Ich paddle noch ein wenig über den See, der in meiner Karte nur namenlos eingezeichnet wurde. Wie schon auf dem Kemijoki, sind auch hier außer mir keine Paddler, aber zahlreiche Motorboote unterwegs.

21. Tag - Mi, 25.06.03

Schon gestern war am Nachmittag Klimaanlagenwetter, heute ist es aber noch heißer: Sicherlich 20° bis 22°C Außentemperatur, würde ich schätzen.

Ich suche immer noch ein Land, wo ganzjährig Temperaturen zwischen 15° und 20°C herrschen: Das wäre zumindest temperaturmäßig mein Traumland! 

Dieses Land gibt es meines Wissens aber leider nicht, also kühle ich mein Auto auf eine angenehme Temperatur herunter, lege eine CD ein und fahre weiter in Richtung Südwesten, auf die Stadt Rauma zu. Es geht fast die ganze Zeit durch Wälder, an vielen Sommerhäusern vorbei. Hier verbringen offenbar viele Bewohner der großen Städte den Sommer.

Touristen sind hier nach wie vor erstaunlich selten anzutreffen: Auf dem letzten Campingplatz war ich der einzige Nichtfinne, auch auf der ganzen heutigen Strecke kommt mir nur ein einziges deutsches Auto entgegen. Touristen scheint es prinzipiell wohl mehr in den hohen Norden zu ziehen, oder sie verteilen sich hier einfach viel besser.

Über Nebenstrecken in den Süden ...Die gleiche Erfahrung hatte ich ja auch schon im Nachbarland gemacht: Süd- und Mittelschweden ist nicht so überlaufen wie der ganz hohe Norden. Die wenigsten Touris habe in Lapplands Süden getroffen.

Auch auf meinem heutigen Camp (N60°31.918' E021°22.279') sind außer mir nur Finnen. Der Süden ist also noch ein echter Geheimtipp für Leute, die zwar ihrer Landsleute überdrüssig, aber nicht unbedingt zivilisationsmüde sind ...

Das finnische Tütenfutter hat meine Tests übrigens in dreierlei Hinsicht bestanden: Erstens habe ich heute nach langer Übersetzungsarbeit herausgefunden, dass es gar kein richtiges Tütenfutter ist. Es sind Fertigeintöpfe, zu denen eigentlich noch 300 Gramm Fleisch gehören. Erstaunlicherweise schmecken sie aber auch ohne Fleisch, und noch erstaunlicher: Man wird davon auch tatsächlich satt. Okay, normalerweise macht man daraus ja auch Essen für vier Personen.

Hungern muss ich also auch heute nicht, und so kann auch dieser Abend mit einem gemütlichen Kampf gegen die Mücken ausklingen.

Da es ja offensichtlich echt ein Thema ist, noch ein paar Details zur Mückenabwehr: Neben den Räucherspiralen habe ich einen "Autan Active Stift" dabei. Davor hat bisher jede Mücke vollständig kapituliert. Zwar fliegen sie bis auf wenige Zentimeter heran, schwirren dann aber direkt wieder ab. Allerdings scheinen die Mücken von Tag zu Tag schlimmer zu werden. Bis vor ein paar Tagen waren bedeckte Körperteile noch kein Thema, nun stechen sie schon durch dünne Kleidung. Gut möglich, das man im späteren Sommer nicht mehr mit harmlosem Autan auskommt und zu härteren Mitteln greifen muss: Ein solches habe ich für den Ernstfall natürlich auch noch dabei ...

22. Tag - Do, 26.06.03

Da hätte ich sie doch fast verpennt, die Eurotour-Finnland! Aber zum Glück hat mich die Redaktion in München noch rechtzeitig erinnert. Was würde ich eigentlich ohne die Redaktion in München machen? (Anm. der Red.: Einfach einen ganz gemütlichen, ruhigen Urlaub ... )  

Die finnischen Münzen habe ich zwischenzeitlich fast alle beisammen, und das einzig fehlende 5 Cent Stück treibe ich am Kiosk des Platzes problemlos auf. Kurz vor Aland, gerade noch auf wirklich finnischen Boden, mache ich dann die Fotosession.

Nachdem die Fotos im Kasten sind, geht es weiter zur Fähre nach Osnäs. Dort ist erstmal Warten angesagt, fast eine Stunde in der Mittagssonne. Ein Aland-Reisender braucht viel Zeit und Geduld, wird dafür aber auch mit einer wunderbaren Landschaft verwöhnt.

Die Fahrt auf der Fähre nach Brändo führt durch eine einzigartige Landschaft, bestehend aus wahnsinnig vielen kleinen Felsen-Inseln, Klippen und Schären. Spontan würde ich am liebsten in mein Paddelboot steigen und alle kleinen Inseln einzeln besuchen. Das würde aber wohl eine ganze Weile dauern, denn laut Reiseführer besteht Aland aus mehr als 6500 Inseln, von denen selbstverständlich nur wenige bewohnt sind.

Nach der kurzen Strecke über Brändö geht´s gleich weiter auf die nächste Fähre nach Kumlinge. Ich weiß nicht, wo ich Aland einordnen soll: Diese Inseln sind ganz anders als der Rest Skandinaviens, erinnern mich ein wenig an das dänische Bornholm, sind aber doch auch wieder anders als das. Aland ist eben einfach Aland und mit nichts zu vergleichen!

Schattenparker ...

Nach einem kurzen Abstecher nach Seglinge baue ich mein Zelt auf dem einzigen Campingplatz von Kumlinge auf (N60° 13.528' E020° 44.345'). Viele Gesichter, die ich schon auf der Fähre gesehen habe, treffe ich hier wieder. Besonders viele Urlauber verirren sich aber nicht hierher, und wieder sind, abgesehen von mir, nur Finnen auf dem Platz.

Leider hat der Platz keinen Zugang zum Meer, was wirklich schade ist, denn ich wäre zu gerne ein wenig zwischen den Inseln umher gepaddelt. Dafür habe ich aber einen wunderbaren Schattenplatz, und das ist doch auch schon viel wert, gerade an heißen Sommertagen wie heute ...

23. Tag - Fr, 27.06.03

Fähre fahren ist eine komplizierte Angelegenheit, besonders wenn man den Fahrplan nicht kennt. So vertrödle ich heute erstmal ein paar Stunden am falschen Hafen, schaffe es dann mit einer anderen Fähre aber doch noch zur Nachbarinsel Föglö.

Wieder gehe ich auf den einzigen Campingplatz der Insel. Normalerweise würde ich nicht dort bleiben, denn es gibt hier keine Schattenplätze und die wirklich guten Plätze am Wasser sind auch schon vergeben. Aber er hat immerhin Zugang zum Wasser, und deshalb nehme ich ihn trotzdem. Es bläst ein frischer Wind, so kann man es auch in der Sonne gut aushalten.

Im Paddelparadies ... Nach einem kurzen Imbiss setze ich mich ins Boot: Meine Einschätzung war richtig, die Aland-Inseln sind ein hervorragendes Paddelrevier! Es ist einfach herrlich hier. Zwar paddelt man irgend wie in der Ostsee, aber doch nicht so richtig, denn freie Sicht aufs Meer habe ich zu keiner Zeit.

Es ist ein einziges Geflecht aus Wassergräben zwischen kleinen Inseln, auf denen man auch schön anlegen und sich ausruhen kann. Ich bin nicht der einzige Paddler hier. Einige Fahrzeuge auf dem Platz haben Kajaks auf den Dach. Auf dem Wasser treffe ich aber keinen von denen, hier ist genug Platz für alle da.

Der kräftige Wind sorgt für hohe Wellen und wie üblich stellt mein Boot seine Stärken und Schwächen gleichermaßen unter Beweis. Aber ans Nasswerden habe ich mich zwischenzeitlich gewöhnt, nehme es gelassen und setze mich in ruhigeren Gewässern erst mal auf eine Insel zum Trocknen hin.

Hier lebt man wahrlich in einem Paradies, soviel steht fest. Jeder kommt hier auf seine Kosten, Segler ebenso wie Paddler und auch Radfahrer haben hier ihre Freude. Ganze Gruppen von Radfahrern sind ebenfalls unterwegs. Es ist auch nicht erstaunlich, denn so gute Bedingungen wie hier gibt es für sie selten: Erfreulich wenig Verkehr, die Landschaft ist traumhaft schön und auf den Fähren hat man immer genug Zeit, sich von der letzten Insel-Etappe zu erholen.

Nach vierstündiger Paddelei habe auch ich etwas Erholung nötig. Der Abend verläuft echt gemütlich. Mücken gibt es wegen des Windes fast keine, und die wenigen die trotzdem kommen, kann man bequem erschlagen ... 


Nachtrag, 29.06.03, 21:20 Uhr:

Bis jetzt erhielten wir keine Nachricht mehr von Karsten. Wollen wir hoffen, dass er nur ein wenig schwächelt gegen Ende seiner Reise und dass er nicht mitsamt seinem Stearns irgend wo aufgelaufen ist zwischen Finnland und Schweden - oder noch schlimmer: Dass ihn Vodafon nicht einfach abgeschaltet hat! 

Karsten, wir sind in Gedanken bei dir ..!

Und noch ein Nachtrag, 23:30 Uhr:

Nun wissen wir warum Karsten nichts von sich hören ließ: Er war offenbar damit beschäftigt, die neue Ausgabe des Explorer Magazins herunter zu laden und zu lesen! UNGLAUBLICH!

... Hat übrigens nur knapp 20 Minuten gedauert, die neue Ausgabe samt Bildern runter zu laden. :-) Schöne Artikel dieses Mal. Am besten ist der Spionageteil von Kissingen. Ich wäre vor Lachen fast vom Autositz gefallen, obwohl ich den Gag ja schon kannte. - Völlig unauffällig begeben sich die Spione ... oder so ähnlich ...

Aber nach Karstens Mail kam dann doch noch das erwartete Tagebuch!


24. Tag - Sa, 28.06.03

Obwohl ich zwischenzeitlich den Fahrplan für sämtliche Fähren habe, klappt es auch heute nicht so wie es eigentlich soll. Zur erwarteten Zeit wartet keine Fähre am Anleger: Was ist nun schon wieder schief gelaufen? Ah, es ist Samstag, und samstags fährt diese Fähre nun mal nicht. Wochentage haben bei mir schon in normalen Zeiten nur eine sehr geringe Bedeutung, im Urlaub vergesse ich sie aber vollständig ...

Etwas später als geplant komme ich in Alands Hauptstadt Mariehamn an. Ein schönes kleines Städtchen, das wie mein Reiseführer zu Recht schreibt, "maritimes Flair" besitzt. Hunderte Yachten liegen am Osthafen, während am Westhafen vor allem Fähren abfahren. 

Mein Blick bleibt an einem Wasserflugzeug hängen: Da würde ich wirklich gerne mal mitfliegen. Und tatsächlich kann man es für Rundflüge buchen. Aber der Schalter ist nicht besetzt, im nahegelegenen Museum weiß man auch nicht Bescheid. Am örtlichen Flughafen hat die Gesellschaft ihren Hauptsitz, aber auch dort ist niemand zu sehen. Leider wird es also nichts mit einem Rundflug!

In der Innenstadt werden offenbar Fälschungen der Süddeutschen Zeitung verkauft, denn die Schlagzeile "Rot-Grün und Union bilden Reformkoalition" kann einfach nicht stimmen. Ich kaufe trotzdem eine, auch wenn es die Ausgabe vom vergangenen Mittwoch ist. Aber wen interessiert das schon bei einer Fälschung!

Strandcamp ...Ich verlasse die Hauptstadt und fahre zur ehemals russischen Festung Bomarsund. Viel ist davon nicht übrig geblieben, denn Franzosen und Briten haben sie 1854 mittels Bomben ziemlich vollständig zerstört. Die wenigen Mauerreste, die heute noch in die Landschaft ragen, lassen aber Rückschlüsse auf die ursprüngliche Größe dieser Ringfestung zu. Sie beherbergte einst 2500 Soldaten und war mit 115 Kanonen bestückt. Zwei davon kann man auch heute noch sehen - also Kanonen, nicht die Soldaten!

Danach wird es Zeit, ein Camp zu suchen. Doch kein Platz scheint mir gut genug an diesem Tag. Schließlich finde ich einen bei N60° 09.400' E019° 35.946'. Es ist ein wirklich schöner Platz, direkt am Meer, wo man auf Wunsch auch ein leckeres Abendessen serviert bekommt ...

Erstmals kommen heute die Sandheringe zum Einsatz, ein frischer Wind bläst alle Mücken fort - es ist der erste Abend an dem ich keinerlei Mückenschutz brauche.

So kann auch dieser Abend gemütlich ausklingen, die neue Ausgabe vom Explorer Magazin ist raus, da bleibt vor lauter Lesen keine Zeit mehr fürs Schreiben. Deshalb kommt dieser Tag etwas verspätet ...

Nachtrag, 01.07.03, 13:20 Uhr: 

Ob Karsten schon zu Hause ist und uns vergessen hat beim herzlichen Empfang durch seine Weißbierflaschen?? Wir werden sehen!


© 2003 Karsten Franke


Nachtrag, Juni ´04: Mittlerweile hat Karsten noch ein weiteres Feature zu seiner Reise nachgereicht, diesmal zu den  Aland-Inseln. Auch dieses haben wir sofort in die Rubrik Reiseziele gepackt: