Vom Traum zur Wirklichkeit

Über die Entstehung eines "Sternchens" ...


Vorbemerkung

Die nachfolgende mehrteilige Fortsetzungsgeschichte soll so etwas wie eine Kurzanleitung im Verwirklichen von Träumen sein: Denn unser Autor Ulrich Dolde beschreibt hier, wie er seinen uralten Traum vom Allrad-Wohnmobil wiederentdeckte und ihn in die Realität umsetzte. Die ersten beiden Teile widmet er dem Ausbau seines Wohnmobils. Ein Mercedes Benz 914 AK, den er aus dem 20-jährigen Dornröschenschlaf eines Kampfmittelbeseitigungs-Geräts beim Niederländischen Heer erlöst hatte, auf dass einmal ein bisschen Action in dessen und sein Leben kommen sollte.

Zunächst führt uns Ulrich im Zeitraffer durch den Ausbau seines "Sternchens" und erläutert ihn auch ausführlich unseren Lesern.

Natürlich kann man das noch viel ausführlicher machen und ein ganzes Buch über einen solchen Ausbau schreiben. Was er übrigens auch getan hat und falls es unsere Leser interessiert, kann man am Ende dieses Beitrags weitere Details dazu erfahren.

Für alle, die nicht gleich vollständig der Ausbauwut verfallen, soll der folgende Überblick genügen, um zu zeigen, wie man einen solchen Ausbau (auch) machen kann. Denn selbstverständlich gibt es genauso viele Wege zum eigenen Traum-Wohnmobil, wie es Träume und Mobile gibt ...

Mit dem "Sternchen" unterwegs ...Der letzte Teil dieses Beitrags (siehe unten) enthält die Fortsetzung des Ausbaus und dessen Ende. Ergänzen wollen wir dazu noch, dass sich Ulrich, seine Lebensgefährtin Edith und das "Sternchen" nach der Bauphase auf Reisen begaben, wo sie das neue Gefährt mehrere Monate lang auf Herz und Nieren erfolgreich testen konnten.

Wir wünschen wie immer viel Spaß beim Lesen, beim Träumen und vielleicht auch beim Sammeln von Inspirationen für das eigene Wunschmobil oder die eigene Traumreise ...

Und hier der Bericht:


Ein alter Traum wird neu belebt ...

Eine dicke Staubschicht hatte sich auf meinem 20 Jahre alten Traum breit gemacht: Das tägliche Leben, der Job, das Funktionieren in unserer Gesellschaft mit all ihren Konventionen hatte sich über meinen Traum gelegt wie dichter Nebel über eine Herbstlandschaft.

Doch dann kam der Anruf von Frau Krause von der Süddeutschen Klassenlotterie! Nein, ich hatte nicht im Lotto gewonnen, denn ich hatte noch gar nicht gespielt. Frau Krause´s Ansinnen war eher vertrieblicher Art: Sie wollte mir schlicht ein Los zu verkaufen. Normalerweise würge ich solcherlei Telefonate innerhalb von wenigen Sekunden ab. An diesem Tag hatte ich aber gerade nichts Besseres zu tun, als mich in die Welt der Hoffnung entführen zu lassen ...

So ließ ich sie ihr Los lobpreisen, aber zuhören tat ich kaum. In vorauseilendem Gehorsam war meine Phantasie bereits in die (hoffentlich) nahe Zukunft enteilt, um den Bären schon zu verteilen, bevor er erlegt war. "Was würdest du tun, wenn du eine Million im Lotto gewinnen würdest?" war die Frage, die ich mir mental stellte, während die gute Frau mit blumigen Worten ihr Los anpries. Die Antwort schoss mir nur Millisekunden später durch den Kopf:

Wohnmobil kaufen und die Welt bereisen

Und da war er wieder: Der seit langem verschüttete Traum, von dem Frau Krause ohne ihr Wissen den Staub des Vergessens geblasen hatte. Den träumte ich bereits seit den frühen 20ern meines damals noch jungen Lebens wieder und wieder. Immer dann, wenn es gegen Ende eines Urlaubes auf den Heimweg ging, trieb mich die Sehnsucht einfach weiter: Weiter zum nächsten Ziel, zur nächsten Bucht, zum nächsten Surfstrand, über die nächste Grenze in das nächste Land.

Damals, als ich noch mit einem alten MB 206 Hanomag-Kastenwagen durch Jugoslawien dieselte, mit meinem VW-Bus Griechenland und die Türkei bereiste, mit den Wohnmobilen meines Bruders durch Spanien, Portugal oder Korsika tingelte - damals träumte ich den Traum, der seit langem vergessen schien ...

Erstes "Wohnmobil": Ohne Fenster, ohne Isolierung, Lenkung "ohne Worte" ... Zweites Wohnmobil: Mit Echtholz-Schreinerausbau der totale Luxus ...
Mit MB 608 vom Bruder: Erster Besuch in Tarifa 1991 ... Luxusklasse: Mit Bruders Iveco Clou auf Korsika ...

So hatte ich es schließlich Frau Krause zu verdanken, dass mein alter Traum plötzlich wieder jung und frisch vor mir stand und nichts von seiner Attraktivität eingebüßt hatte: An einsamen Stränden zu surfen, alleine auf dem Wasser zu sein und so lange zu bleiben wie ich wollte, das war mein Traum!

Da traf es sich gut, dass ich just wenige Tage zuvor meinen Job an den berühmten Nagel gehängt hatte: Ich saß quasi vor einem leeren Schreibtisch und dachte gerade darüber nach, mein Leben neu zu gestalten, als Frau Krause mit Ihrem Lotto-Los-Vertriebs-Telefonat in mein Leben platzte.

Lonely surfer am einsamen Spot: "Weiße Düne", Dakhla, WestsaharaEs vergingen ein paar Tage, in denen mich die neue alte Idee immer wieder beschäftigte. Noch war ja nichts passiert, außer dass ich Frau Krause tatsächlich ein Los abkaufte - was sich im Nachhinein als Flop für mich erwies - aber Frau Krause sicherlich den gerechten Lohn für ihre unbewusste Inspirationsarbeit einbrachte. So konfrontierte ich meine Lebensgefährtin Edith, mit der ich seit zwei Jahren zusammen lebte, erstmals mit meiner Vision:

"Was hältst Du davon, wenn wir uns ein Wohnmobil kaufen und in ferne Länder reisen?"

Zu meiner großen Verblüffung war sie total begeistert! Jetzt hatte ich ein Problem: Ihre Begeisterung zwang mich förmlich dazu, mir tatsächlich ernsthaft Gedanken über die Umsetzung meiner Vision zu machen. Was hinderte mich? Ich hatte keinerlei Verpflichtungen. Keine Immobilie, die abzuzahlen war, keine Schulden, keine Kinder, noch nicht mal einen Hund oder Goldfisch, der mitzunehmen oder in Pflege zu geben wäre.

Die unendlichen Weiten des marokkanischen Universums ...Wenn nicht ich, wer dann? Wenn nicht jetzt, wann dann?  Das waren meine beiden finalen Fragen, die ich mir stellte.

Ach nein, die allerletzte war die der Finanzierung: Ich hatte nämlich nicht gerade das Kleingeld herumliegen, mit dem ich ein Wohnmobil hätte kaufen und losziehen können. Ich hatte aber etwas Geld für meine Altersvorsorge zurückgelegt, das ich "eigentlich" nicht angreifen wollte. Aber wie das so ist, wenn in einem Satz ein "eigentlich" steckt ...

Kurzerhand war die Entscheidung getroffen, dieses Geld für den Kauf eines Wohnmobils und für unsere erste Reise von mindestens 1-2 Jahren zu investieren. Unsere ersten Ziele sollten Indien und Nepal sein, das wir auf dem Landweg über Türkei, Iran, Pakistan erreichen wollten.

Stellte sich nun die Frage, was es denn für ein Wohnmobil sein sollte - womit wir uns dem eigentlichen Thema nähern.

Warum ein Allrad-Wohnmobil?

Die Schweinewiese in Tarifa nach einem Sauwetter ...Ein Allrad-Wohnmobil ist kein Auto und auch kein Wohnmobil, sondern eine Lebensphilosophie: Als Windsurfer und Kitesurfer habe ich schon mit Mitte 20 davon geträumt, irgend wann einmal mit einem Allrad-Fahrzeug all die unberührten Strände in der Welt "abzugrasen", wild zu campen wo man will, einfach dort zu bleiben, wo es einem gefällt, wo der Wind bläst, es eine tolle Bucht und eine schöne Welle gibt.

So war Allrad bereits in die Serienausstattung meines Traumes eingebaut, da ich ja all die sandigen Spots an den Meeren dieser Welt durchpflügen wollte. Allrad hilft aber auch da, wo es feucht wird. Man denke nur an die berühmte "Schweinewiese" in Tarifa, die nach einem kräftigen Regenfall ihren Namen nicht zu unrecht trägt, wenngleich er davon kommt, dass dort hin und wieder nicht nur Kühe weiden, sondern auch Schweine anzutreffen sind ...

Sich mit einem 2-Wheel-Drive durch diesen Morast zu wühlen, hat schon mit viel Gottvertrauen zu tun. Aber häufig reicht schon eine nasse Wiese, dass aus dem 2-Rad-getriebenen Mobil eine Immobilie wird: Der Feldweg, der ins Irgendwo führt, die Sandpiste runter zum Strand, all diese kleinen und großen Abenteuer versagen wir uns aus Angst um unser Auto oder die Mühen, da nur noch mit fremder Hilfe wieder raus zu kommen ...

Natürlich bietet unser gepflastertes und überreglementiertes Europa kaum noch die Chance, sich in die Büsche zu schlagen. Aber die Betonung liegt hier vor allem auf dem "kaum". Denn wer suchet, der findet: Lest euch die Reiseberichte derer durch, die in Norwegen, Schweden oder Finnland abseits der Hauptrouten unterwegs sind. Schaut euch an, was es in Albanien, Rumänien oder Bulgarien zu entdecken gibt.

Fahrt in die Türkei, in die Ukraine, macht die Nordumrundung des Schwarzen Meeres oder die Südumrundung Islands. Oder entdeckt Portugal, die Pyrenäen und Nordspanien, so wie wir es auf der Rückreise von unserer Marokko- und Westsahara-Tour erlebt haben. Mit Dutzenden von traumhaften Stauseen, an denen wir mutterseelenallein am Ufer standen, Lagerfeuer machten, grillten, badeten und die "Freiheit des Seins" genießen konnten ...

LKW-Versenken in Kärntner Kiesgrube ...Ja, es ist viel verbaut in Europa. Aber gerade das ist es, was uns Allradler dazu zwingt, über Alternativen nachzudenken: Wenn du in Marokko wohnst, bist du nach zweimal Umfallen auf irgendeiner Piste. Und wenn du es willst, auch daneben. In Europa gibt es kaum noch Pisten, und ein Daneben schon gar nicht.

Wenn du in Europa über "alternative Reisen" nachdenkst, dann denkst du im Grunde über ein "alternatives Leben" nach. Und das ist es, was den Allrad-Wohnmobilisten in seiner Seele kennzeichnet. Ein Allrad-Wohnmobil ist eine Lebensphilosophie. Die gelebte Freiheit weiter zu kommen, als es uns die Erbauer der Asphaltbänder erlauben. Es geht in den seltensten Fällen darum, auch noch den letzten Dünenhang erklommen oder das schlammigste Flussbett durchquert zu haben. Das suchst du gar nicht, wenn du dein ganzes Leben in den 8 oder 10 Quadratmetern hinter dir her schleppst.

Ein Allrad-Wohnmobil bietet dir die Möglichkeit, dahin zu kommen, wo die Masse der Menschen "leider" draußen bleiben muss. Und je häufiger du diese Möglichkeiten wahrnimmst, desto häufiger wirst du deine Karre irgendwo ausgraben müssen. Denn du bringst dich in Situationen, in die du ohne Allrad nie gekommen wärst. So behaupte ich mal, dass Allradler häufiger buddeln, als Einachs-getriebene Wohnmobilisten. Aber dadurch erleben wir halt auch mehr!

Aber ein Allrad-Wohnmobil kann dich auch irgend wie mit deinem Lebenskonzept  konfrontieren: Es gibt dir die Möglichkeit, aus dem "normalen" Alltagsleben auszusteigen und ein anderes, ein "alternatives" Leben zu leben. Ob du diese Möglichkeit nutzt, steht auf einem anderen Blatt. Aber sie zu haben weckt Träume. Und träumen heißt leben. Denn wer keine Träume mehr hat, ist eigentlich schon tot. Deshalb ist ein Allrad-Wohnmobil vielleicht die wirksamste Methode, sich selbst am Leben zu erhalten und selbiges auch gleich in Frage zu stellen ...


© 2011 Ulrich Dolde