Alltag in Alanya ...

Mit Hasan habe ich einen Glücksgriff gemacht (oder er mit mir, je nachdem wie man es betrachtet ). Durch ihn habe ich die Möglichkeit, mehr Kontakt zu den Alanyanern zu bekommen. Man muss wissen, dass es nicht einfach ist, Kontakt zu diesen stolzen und selbstbewussten Menschen zu bekommen. Sie akzeptieren auch nicht jeden, der von außen in die Gruppe hinein kommt. Aber ich glaube, dass ich auf einem guten Weg bin. Nur die türkische Sprache ist im Moment noch das Problem. Aber ich hoffe, dass ich mich in einigen Monaten bereits etwas verständlicher machen kann ...

Noch ein paar Worte zum Thema Toleranz und menschliches Miteinander: Ich sitze oft im Café und genieße meinen Cay. Ich beobachte gerne die Menschen in meiner Umgebung. Und dabei ist mir immer wieder aufgefallen, dass es keinen stört, wie jemand aussieht, was er trägt, wie er sich bewegt, was er macht usw. Da kommt eine mittelalte Frau in rustikaler Bauernkleidung neben einer adrett und modisch angezogenen jungen Frau den Weg herunter: Keiner dreht sich nach diesen beiden um. Genau so wenig wie der Bauer in seiner Calvar (die türkische Hose mit tief liegenden Schritt) oder der gut angezogene Businessmann. Alle werden so akzeptiert und toleriert wie sie sind.

Ich kenne das aus Deutschland etwas anders: Da wurde oft genug geschaut, oder besser gesagt gegafft, getuschelt und gelächelt. Diese Erfahrung habe ich oft genug gemacht, wenn ich mit meiner "etwas anders aussehenden" Freundin in einer münsterländischen Kleinstadt durch die Fußgängerzone gelaufen bin.

Hier in der Türkei ist es nicht so und deshalb angenehmer. Auch ich werde so akzeptiert wie ich bin und wie ich aussehe. Ein Tourist wird es nicht so ERLEBEN, da er nicht die Zeit hat ...

Grillen auf dem "Hügel" Rodeln angesagt ...

Ich höre immer wieder von den mir bekannten Türken, wenn du mal Probleme bekommst, egal welcher Art, wir helfen dir. Oder Hasan hat bei einem Treffen einmal gesagt, dass wir zu seiner Familie gehören. Das beruhigt mich.

Aber jetzt wieder zu den Ausfahrten: Samstagabend um 22:00 Uhr ruft erneut Hasan an. Sonntagmorgen um 11:00 Uhr Treffen bei ihm zu Hause. Da wir diese Spontanität schon kennen, haben wir uns vorsorglich mit Grillgut und Zubehör eingedeckt - Hasan will mit uns auf einem "Hügel" grillen.

Sonntagmorgen fahren wir zu seinem Haus und sind überrascht, dass kein anderer Mitfahrer da ist. Er sagt, dass er einen ruhigen Tag mit uns verleben möchte. Ok, denke ich, mal sehen was da kommt. Und tatsächlich, seine Frau, die jüngste Tochter und der jüngste Sohn fahren mit. Sonst niemand.

Wir fahren von Oba (Vorort von Alanya) aus in die Berge: Beim Herumfahren um einen umgestürzten Baum reiße ich mir den außenliegenden Filter der Luftansaugung ab. Der wird eingesammelt und weiter geht’s: Mein Navi zeigt an, dass wir auf 850 m Höhe sind und schon fahren wir über eine geschlossene Schneedecke. Die ist ca. 50 cm dick und hart gefroren. Die Autos müssen gut ackern, aber endlich haben wir unser Ziel erreicht, 1.200 m hoch ist der "Hügel", ein herrlicher Platz zum Grillen. Die Sonne wärmt uns auf. Aus dem Auto hole ich eine Kunststoffmatte und "rodele" einen kleinen Hügel hinunter ...

Schon haben die Kinder von Hasan Spaß und machen es mir nach. Ein kleines Lagerfeuer wird angezündet, der Grill fertig gemacht und der "ruhige" Nachmittag kann beginnen. Nach drei Stunden verabschiedet sich die Sonne langsam und es wird kalt. Alles wird wieder eingepackt und es geht zurück ins Tal. Wir verabschieden uns herzlich und bedanken uns für diesen angenehmen Tag. Ich verabrede mich noch mit Hasan für den nächsten Tag, dann soll er das Getriebe der Zicke überholen ...

Montagmittag bringe ich ihm die Zicke. Dienstagnachmittag schaue ich kurz in der Werkstatt vorbei: Das Getriebe liegt in Einzelteilen auf einem Tisch. Die Synchronringe sind verschlissen, einer ist sogar gebrochen. Auch einige Lager werden getauscht, aber sonst ist alles noch im grünen Bereich. Die Ersatzteile kommen per Kurier aus Ankara.

In der Werkstatt ... Getriebe zerlegt ...

Markise gefunden!

Dann entdecke ich bei ihm in der hintersten Ecke noch eine Markise von Overland: Ich frage Hasan, ob ich die bekommen kann. Da er keinen anderen Interessenten hat, gibt er sie mir. Auch der Preis von 150 Euro ist in Ordnung: Sie ist fast neu, vielleicht ein- oder zweimal gebraucht. Ich schnalle sie direkt auf den Gepäckträger der Zicke.

Mittwochnachmittag ist die Zicke fertig: Wir machen eine Probefahrt, alles in Ordnung. Beim Schalten flutschen die Gänge ohne Geräusche nur so rein ...

Aber was eine richtige Zicke ist, sie hat immer wieder kleine Überraschungen parat: Am nächsten Morgen bemerke ich am rechten Vorderrad eine kleine Pfütze. Meine Zicke ist inkontinent, denke ich. Im Alter kann das schon mal vorkommen. Ich schaue nach und stelle fest, dass am Bremsschlauch eine Flüssigkeit herunter tropft. Sollte das Bremsflüssigkeit sein? NEIN, es ist Wasser, Kühlwasser.

Ich atme einmal tief durch und versuche das Leck zu orten. Ich tausche den Deckel vom Ausgleichsbehälter, aber der ist es nicht: Ein kleiner Riss im Kunststoff des Ausgleichsbehälters lässt langsam aber sicher den Wasserspiegel absinken.

Mein Sommerhaus ...Bei Hasan bekomme ich einen guten gebrauchten Behälter, den ich sofort einbaue. In den nächsten Tagen kontrolliere ich öfter den Kühlwasserstand. Alles wieder ok, kein Wasserverlust. Die Zicke ist wieder dicht ...

In den nächsten Wochen sind wieder Arbeiten an meinem Sommerhaus angesagt: Die rustikale Treppe muss begehbar gemacht werden und einige Holzarbeiten sind fällig. Auch ist das Dach ein wenig reparaturbedürftig. Auf jeden Fall will ich diesen Sommer wieder öfter dort wohnen.

Jetzt heißt es erst einmal anfangen damit: Aufräumen ist angesagt. Aber das Wetter macht mir wieder ein Strich durch die Rechnung, es regnet. Also setze ich mich bei Hasan (ein anderer Hasan, dieser besitzt das Restaurant oberhalb meiner Hütte ) ins Lokal und quatsche ein bisschen mit dem Personal, mit Hasan und einem Nachbarn. Dieser Hasan vom Restaurant spricht deutsch, seine Kellner lernen von mir Deutsch und ich von ihnen Türkisch ...

Was ich ebenfalls gelernt habe, ist Zeit zu haben - einen Cay ausschlagen ist unklug. Da ich auf diesem Wege auch an Informationen herankomme, die für mich eventuell wichtig sein könnten. Also spielt Zeit keine übergeordnete Rolle ...

Im Mai möchte ich mit der Zicke einen "kleinen" Ausflug nach Deutschland machen. Sechs Wochen will ich meine Familie und Freunde besuchen. Aber die türkischen Vorschriften machen mir einen dicken Strich durch die Rechnung, ich darf die Zicke und meinen Anhänger nicht mitnehmen. Die Zicke hat eine Aufenthaltsgenehmigung von erst einmal einem Jahr (bis Dezember 2017). Wenn ich mit ihr das Land verlasse, darf sie die nächsten sechs Monate nicht mehr ins Land - ich schon, da ich ein Ikamet habe.

Taschen vom Dorfschneider ...Was für eine ein Sch.....! Ich hatte mich schon so auf den kleinen Ausflug gefreut. Nun muss ich den Flieger nehmen und auf meine geliebte Zicke verzichten. Sie wird für meinen Auslandsaufenthalt beim Zoll abgestellt. Aber ich lasse sie nicht allein, maximal zwei Wochen, dann hole ich sie wieder beim Zoll ab ...

Im Basar von Alanya habe ich den Schneider Ahmet kennengelernt, der mir nach meiner Vorgabe Taschen näht. Als erstes habe ich von den hinteren Fenstern eine Schablone gefertigt. Hier sollen rechts und links zwei Taschen - hängend vor den Fenstern - montiert werden, jeweils mit vier kleinen aufgesetzten Taschen. Mit dem Ergebnis bin ich zufrieden.

Jetzt bekommt er noch den Auftrag für zwei weitere Taschen: Diese werden unter dem Bett verstaut und nehmen Schuhe o. ä. auf. Weitere Taschen sind auf meiner "to do Liste" schon vermerkt.

Und wieder geht’s mit Hasan (1) und Süleyman in die Berge: Wie gehabt wird alles für´s Grillen mitgenommen. Als wir von der Hauptstraße abbiegen, fahren wir "mal wieder" durch Schnee. Als es überhaupt nicht mehr weiter geht - Hasan hat seinen Disco festgefahren und muss mittels meiner Winde wieder rausgezogen werden - drehen wir unsere Fahrzeuge.

Mein Holzlieferant Süleyman ...Dabei fahre ich mich diesmal fest und werde durch Hasan wieder flott gemacht. Beim Drehen auf dem recht schmalen Weg weist mich Hasan beim Rückwärtsfahren ein. Plötzlich schreit jemand. Ich bleibe sofort stehen und frage, was los ist. Dabei sehe ich, dass meine Hinterräder unmittelbar an der Kante zum Abgrund stehen: Keine fünf Zentimeter weiter und ich wäre mit dem Hinterteil der Zicke abgerutscht. Hasan lacht und meint, ist doch nicht so schlimm. Der Baum, ca. 10 m weiter unten, hätte mich doch aufgehalten ... Anschließend bauen wir unser Grill Equipment mitten auf dem Weg auf und es wird ein entspannter Nachmittag.

Morgens habe ich nach einem Unwetter mit Regen und Sturm wieder Wasser im Fußraum. Ich kann die Ursache nach einigem Ausprobieren endlich finden: Unterhalb der Windschutzscheibe liegt der Wischermotor (Fahrerseite) und eine andere verschraubte Blechplatte (Beifahrerseite). Diese werden erst einmal abgedichtet, da die Moosgummidichtung schon etwas porös ist. Dann wird auf der Fahrerseite ein kleines Loch in der Wasserablaufrinne gefunden. Läuft Wasser über die Windschutzscheibe in diese Wasserrinne, dann tropft es eben durch dieses Loch auf eine Kabeldurchführung und von dort geht es weiter in den Innenraum.

Schnell ist Karosseriedichtmasse besorgt, bei Hasan alles sauber und trocken gepustet, Dichtmasse drauf und es heißt, den nächsten Regen abzuwarten. Der Mitarbeiter Ömer schaut mich an und lacht, er meint, es sei fast unmöglich, einen Land Rover dicht zu kriegen. Mehmet Ali sagt, das Problem hätten alle älteren Discos. Ich will dieses Problem aber nicht haben, da es nervt. Ich habe bei Hasan schon einige Discos gesehen, die unter dem Teppichboden im Fahrerraum total vergammelt waren, durchgerostet, so dass man bis auf die Straße schauen konnte. Da ich keinen Teppichboden oder ähnlich saugendes Material mehr im Innenraum habe, hoffe ich, dass ich davon verschont bleibe. Schließlich will ich mit der Zicke noch ein paar Tage Spaß haben!

Da ich mit der Zicke die Türkei nicht verlassen kann, bleibt sie bei meinem Auslandsaufenthalt nun für zwei Wochen bei Hasan wegen einiger Wartungsarbeiten und Reparaturen. U.a. werden die Gummis für die Achsaufhängung, Stoßdämpfer, usw. getauscht. Die Zicke soll endlich wieder in der Spur laufen. Die Gummis sind zum Teil rissig und haben Spiel, was sich natürlich beim Fahren bemerkbar macht. Bremsen nachschauen, Differenzialöl wechseln, usw. Dann dürfte ich wieder einige Zeit Ruhe haben. Muss das aber noch mit dem Zoll absprechen ...

Mein Schrauber Hasan ... ... und seine Mannschaft
Verdammt langer Defender! ... auch von unten ...
Umbauten im Programm Überwiegend knackige Defender ...

MIT DIESER ZICKE WIRD ES NICHT LANGWEILIG: Hätte ich ein anderes Gefährt, was wäre das ein langweiliges Leben! Über die Zicke kann man sagen was man will, aber im Gelände macht sie eine sehr gute Figur und da ist sie oft und gibt ihr bestes. Hier in Alanya gibt es viele Land Rover, aber überwiegend Defender. 90er, 100er, 110er, 120er, 130er. Normalerweise gibt es ja nur die 90er, 110er, 130er. Hier werden sie aber gekürzt oder verlängert, so wie man es eben haben will. Deshalb auch die Zwischengrößen. Den längsten Defender habe ich bei Hasan gesehen: Locker sieben Meter lang, Radstand von knapp fünf Metern. Soll als WOMO ausgebaut werden. Ich frage mich nur, wie der in der Stadt zurecht kommen will!

Ich werde den Umbau weiter verfolgen und nach und nach darüber berichten. Das Projekt interessiert mich natürlich. Vielleicht kann ich meinen Senf zum Innenausbau noch dazu geben, da sie hier nicht oft damit zu tun haben. Aber Hasan hat zur Zeit noch weitere Umbauten im Programm, siehe oben ...


Seit August 2016 lebe ich nun in Alanya und bin zufrieden. Langweile kommt nicht auf. Auch durch das Sommerhaus, das immer wieder nach Reparaturen schreit, es ist eben 150 Jahre alt. Dann kommen die Ausflüge ins Hinterland von Alanya dazu. Und nicht zu vergessen die Ausfahrten mit Hasan und Konsorten. Wenn mal nichts anliegt, streune ich durch die Stadt, trinke Cay, esse was und erfreue mich an dem Wetter. Da ich den Strand unmittelbar vor der Haustür habe, besuche ich ihn auch öfter mal und nehme ein Bad ...

Baden: Mein Swimmingpool ... ... und Ausflüge: Stau in den Bergen ...

Aufgrund der politischen Lage hatte ich die Befürchtung, dass es für die Ausländer schwieriger werden könnte. Aber das ist nicht der Fall. Ich selbst habe einen Vorteil, ich werde oft als Türke gesehen. Allerdings sind die Menschen hier vom Tourismus abhängig und können es sich deshalb mit den Touristen nicht verscherzen. Über den Winter wurden einige Geschäfte geschlossen. Jetzt warten sie natürlich auf eine bessere Saison. Ob die jedoch besser wird, wage ich derzeit zu bezweifeln ...

Bis zum nächsten Mal!Ich bin oft allein unterwegs und habe noch nie das Gefühl gehabt, dass ich nicht willkommen bin. Man ist fast schon übertrieben bemüht, mich zufrieden zu stellen. Dabei kommt das Gefühl auf, dass sie sich irgendwie für die derzeit bekannten Entgleisungen entschuldigen möchten. Aber wie dem auch sei, ich wohne jetzt hier und nun sollen die mal zusehen, wie sie mit mir und der Zicke zurecht kommen!

Zum Schluss noch eine kleine Wahrheit, die ich irgendwo mal gelesen habe:

Kein normal funktionierender Autofahrer unserer Leistungsgesellschaft würde sich je solch eine Zicke zulegen. Nur rettungslos mit dem Reisefieber infizierte Individuen, die einen steten Drang verspüren, sich den Erwartungen anderer Menschen zu widersetzen, werden sich solch eine Zicke kaufen und damit immer wieder einen Ausbruch aus der allumfassend geregelten Gesellschaft suchen.

Wenn du denkst, Abenteuer sind gefährlich, versuch's mal mit Routine. Die ist tödlich.

In diesem Sinne bis zum nächsten Mal
Ludwig „Hauy“ Hauhoff


© 2017 Ludwig Hauhoff  (Hauy)



Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Hauy in unserem Magazin:

Und seine Berichte zur Punktesammlung mit besonderen Punkten Europas: 


© 2017 Ludwig Hauhoff  (Hauy)