Schärenrundfahrt

Für die folgenden drei Tage hat meine Reiseleitung eine Schärenrundfahrt vorbereitet: In Laupunen geht es auf die erste Fähre, die uns in einer halben Stunde kostenlos zur Insel Jumo bringt. Dort fahren wir im Pulk der anderen Autos die schmale Teerstraße entlang und bevor wir richtig wissen, was wir hier machen sollen, stehen wir schon wieder an einem Fähranleger. Weiter geht es eine sehr kurze Fährstrecke zur nächsten Insel, wo wir den Pulk verlassen und im Ort Iniö ein wenig spazieren gehen, die Steinkirche anschauen und in einem netten Cafe etwas essen.

Am frühen Nachmittag fahren wir zu einer kleinen Bucht namens Bruddalsviken (Namen haben die hier ...) mit Bootsanlegeplatz, Schiffstankstelle und der großen Werkshalle einer Schiffswerft. Es gibt auch ein Thai-Restaurant mit diesem Namen und einen Stellplatz für etwa 8 Wohnmobile, auf dem wir uns als einziges Auto gemütlich niederlassen. Hier im Hafen ist wirklich was los und wir kommen nicht zum Lesen: Ständig fährt ein Boot ein, will tanken oder bringt Leute ans Land, andere Schiffchen verlassen den Hafen, eines davon zeigt uns Landratten mal, wie ein 130 PS Yamaha-Außenborder abzieht. Das müssen wir doch alles genau beobachten und werden andererseits auch beäugt von den "boatpeople", die - auf dem Deck ihrer Yacht sitzend, speisend und edlen Rotwein trinkend - zu uns herüber gaffen. Gleiches Recht für alle!

Wir stehen hier ganz alleine ... ... während der Hafen gut besucht ist

Am nächsten Tag geht die Schärenrunde weiter mit der längsten Fährstrecke und der einzigen, für die man bezahlen muss. Die Anwohner können somit ohne Fährkosten auf ihre Insel übersetzen, wenn sie nur von der richtigen Seite anfangen. Rundfahrer werden auf dieser Strecke mit immerhin 70 Euro abkassiert. Nach zwei weiteren kleinen Inseln und zwei kurzen Fährfahrten kommen wir ungefähr in der Mitte der ganzen Runde bei Roslax auf eine etwas größere Insel, die wir wieder genauer erkunden wollen.

Wir biegen von der Hauptroute nach Westen ab und fahren bis an das Ende der öffentlichen Straße. Hier, am scheinbaren Ende der Welt wohnen ebenfalls Finnen, ob dauerhaft oder nur vorübergehend, können wir nicht beurteilen. Die finnischen Schulferien haben ja längst begonnen und die Ferienhäuser sind alle besetzt.

Mir sind schon länger turmartige Symbole in meiner Papierkarte, der 500k von Freytag&Berndt aufgefallen, und hier nutze ich die Gelegenheit, ein solches Türmchen anzufahren und zu untersuchen. Und tatsächlich, es ist wieder ein Lintutorni mit schönem Ausblick über die Schärenwelt. Ruhige Wanderparkplätze gibt es hier mehrfach und auch für meinen Bremach finde ich ein artgerechtes Plätzchen, er will auch einmal spielen ...

Aussicht auf die Schärenwelt ... Er will ja nur spielen ... ;-)

Am Fähranleger zur nächsten Insel befindet sich ein kleinerer Campingplatz und weil wir die Fähre gerade verpasst haben und auf die nächste fast zwei Stunden warten müssten, beschließen wir, den Fahrtag zu beenden und hier zu bleiben, einen ruhigen Nachmittag zu genießen und die Infrastruktur zu nutzen. Hier treffe ich auf den ersten Finnen, der nicht Englisch spricht: Nicht zu glauben, aber es ist der Campingplatzbesitzer. Doch er weiß auch nonverbal, was wir für die 20 Euro haben wollen, führt uns zum schönsten Stellplatz mit Blick auf die vorbeifahrenden Fähren und Schiffe und freut sich über unser Lob für diese schöne Lage.

Drei Austernfischer sind unsere direkten Nachbarn: Sie regen sich furchtbar auf, wenn unser Hund ins Wasser geht und werden wohl irgendwo in der Nähe ihr Nest haben. Sehr zahlreich vertreten sind die Küstenseeschwalben, die mit ihrem eleganten und geschmeidig wippendem Flug imponieren aber mit ihrem lauten, kreischenden Gezänk schon ganz schön nerven können. Von unserem Aussichtsplatz aus beobachten wir mehrmals, wie riesige Fährschiffe vorbeigleiten und hinter einer kleinen Schäreninsel verschwinden. Im Fernglas, also mit Teleobjektiv betrachtet, meint man fast, die Schiffe fahren auf die Insel auf ...

Letzte Überfahrt ...

Am nächsten Tag nehmen wir die Fähre gegen 10 Uhr zu unserer letzten Überfahrt und wir treffen auf dem Boot ein junges finnisches Pärchen, das mit einem sehr kultigen alten Toyota - auf Rädern, größer als die meines Lastwagens - Urlaub im eigenen Land macht.

Über den Stellplatz kann man nicht klagen ... Blick auf Fähranleger und Schärenlandschaft "Unser" schönstes Sommerhäuschen, natürlich mit Sauna ... Iinteressantes Fähren-Treffen ...

Als "Allradkollegen" kommen wir Männer schnell ins Gespräch und er erzählt mir, dass er das Auto braucht, um zu dem Sommerhaus seiner Familie zu kommen, da nur ein sehr grober Weg und keine Straße dorthin führen würde. Sommerhäuser habe sie wohl fast alle, die finnischen Familien, meist aber nicht so schön gelegen und gut zu erreichen wie dieses hier, das ich am Vortag auf dem Hundespaziergang gesehen habe. Das würde ich auch nehmen ...

Finnlines nach Mariehamn ...Auf unserer etwa halbstündigen Überfahrt kreuzen wir das Fahrwasser einer der großen Schwestern von den Finnlines, die von Turku kommend über Mariehamn auf den Åland Inseln nach Stockholm unterwegs ist.

Da fällt mir prompt die Geschichte ein, wie gewisse Schiffsreisende 2014 ihren ganzen Urlaub damit verbrachten, mit diesen Schiffen ständig hin und her zu schippern. (Anm. der Red.: Diese "gewissen Schiffsreisenden" und die Tour sind dem Explorer Magazin bestens bekannt!). Wir machen das aber nicht nach, sondern gehen auf der Insel Korpoo an Land und fahren allmählich Richtung Turku ...

Von Turku nach Helsinki

In Turku, der alten Hauptstadt, erleben wir wieder ein pulsierendes Zentrum mit Geschäften aller Art, Touristenrestaurants, dichtem Verkehr, aber erstaunlich einfacher Parkplatzsuche - und sonnigem Wetter, das viele jungen Menschen auf die Straßen lockt. Nach ein oder zwei Stunden reicht uns diese Geschäftigkeit wieder und wir düsen ab, fahren 13 km nach Westen, wo in Ruissalo fast am Ende einer Landzunge ein empfohlener Campingplatz wartet. Die neue Reiseleitung, das ist längst klar geworden, legt nämlich Wert auf geordnete Verhältnisse, legale Übernachtungsplätze, saubere Sanitäranlagen und wenn möglich gute Gastronomie. Zahlen tut ja der Reisegast, und das bin ich!

Ritterspiele bei Burg Turun linna ... ... und Springreiter dort ...

Der empfohlene komfortable Platz erweist sich als riesengroß, bietet neben einem eingezäunten Hundesportplatz auch schönere Alternativen zum "dogwalk", etwa durch ein Waldstück mit Sommerhäusern oder über großen Rasenflächen, die einem Trupp von 30 Weißwangengänsen als Weidefläche dienen. Erstaunlich, wie störungsresistent diese Wildgänse hier sind, die sich erst in den letzten 10-20 Jahren in Skandinavien festgesetzt haben. Manche Camper ignorieren diese Vögel komplett und gehen auf dem Weg zur Sanitäranlage auch mitten durch den Trupp hindurch. Die Gänse lassen sich davon kaum stören, weichen nur wenige Meter zur Seite und fressen bald darauf wieder weiter. Als einziger Campingplatz nahe Turku ist er allerdings teuer (ca. 30 Euro) und voll. Viele Wohnmobilisten mögen es ja so, haben wohl Angst vor dem Alleinsein, kapseln sich auf dem Platz aber ab, indem sie im Auto vor der Glotze hocken. Wir haben aber längst festgestellt, dass die billigsten Plätze oft die Schönsten sind ...

Am nächsten Tag fahren wir noch einmal nach Turku und schauen uns ein wenig in der Gegend der Burg Turun linna um: Im Burghof findet gerade ein Mittelalterfest statt, vorwiegend für Kinder, mit lustigen Ritterspielen und Geschicklichkeitsübungen. Abends werden dann vermutlich die Teilnehmer älter, die Spielsachen größer und die Getränke schärfer ...

Das Meereszentrum Forum Marinum liegt gleich neben der Burg an der Mündung des Aurajoki und beherbergt interessante Schiffe, sowohl im Innenbereich als auch im Wasser des Flusses. Nur von außen anschauen kann man den großen 3-Mast-Segler Suomen Joutsen, der bestimmt noch seetüchtig ist und den alten Passagierdampfer Bore, der inzwischen als orginelle Herberge dient.

Aber daneben liegt auch die 130 Jahre alte Sigyn, laut Prospekt die letzte vollständig erhaltene hölzerne Dreimastbark der Welt. Sie liegt schon seit 75 Jahren hier , dient als Museumsschiff und wird aufwändig erhalten. Gegen 6 Euro Eintritt ist sie zu betreten und vermittelt einen sehr intensiven Einblick in die Welt der Seefahrt damaliger Zeiten.

Mein erster Eindruck ist der, dass die Menschen vor 130 Jahren wesentlich kleiner gewesen sein müssen als heute. Und dass sie mit viel weniger Komfort auskommen mussten. Vom Kapitän abgesehen hatte nur einer eine eigene Kabine: Der Seil- und Segelmacher schlief nämlich in einer kleinen Koje im hintersten Eck seiner Werkstatt. Sicher ein großes Privileg unter den saufenden und schnarchenden Seeleuten. Eine Kapitänskajüte habe ich mir übrigens auch größer vorgestellt, aber immerhin hat sie einen Klapptisch und ein Waschbecken. Zwei kleine Fenster erlaubten dem Kapitän den Blick nach vorne, die 4 Stufen vor der Kajüte (am rechten Bildrand) führten ihn direkt auf die Kommandobrücke. Die beiden Offiziere teilten sich eine sehr spärlich eingerichtete, schrankgroße Kammer auf der rechten Seite neben den 4 Stufen. Es hatte ja immer nur einer von ihnen dienstfrei ...

Die Sigyn, seit 75 Jahren ein Museum Werkstatt des Seilmachers ... Kapitänskajüte ... Steine als Balast, nicht sturmfest verstaut!

© 2016 Sepp Reithmeier