Frankreich  Frankreich 2015: Canal du Midi

"Entstressen" auf der BUCK DANNY ..?


Der Kanal und seine Geschichte

Bei unserer Fahrt mit dem Hausboot BUCK DANNY befinden wir uns auf einem ganz außergewöhnlichen historischen Wasserweg: Auf dem im 17. Jahrhundert als Meisterwerk des Franzosen Pierre-Paul Riquet konzipierten Canal du Midi, der auch "Kanal der zwei Meere" genannt wird.

Jahrhundertelang war insbesondere Wein auf dem Canal du Midi transportiert worden und warum sollten wir uns deshalb in Verbindung mit einer Weinreise durch den Languedoc-Roussillon nicht einmal selbst einen ganz intensiven Eindruck von diesem Kanal verschaffen, der heute als einer der schönsten Wasserwege der Welt gilt?

Kanal der zwei Meere ... Canal du Midi und sein Speisepunkt (Historische Wikipedia-Karte bearbeitet)

Zur Bezeichnung "Kanal der zwei Meere" ist eines sofort auf unserem Bild oben links zu erkennen: Der Canal du Midi, der vom Mittelmeer bei Sète über Agde, Béziers und Carcassonne bis Toulouse verläuft, schafft gemeinsam mit dem Canal de Garonne von Toulouse aus bis Bordeaux eine Verbindung zum Atlantik.

Bereits in der Antike und auch schon im Mittelalter hatte man darüber nachgedacht, wie man auf dem kürzesten Weg vom Mittelmeer aus den Atlantik erreichen könnte. Natürliche Gewässer reichten für eine derartige Verbindung nur zum Teil aus und die technischen Anforderungen an die Realisierung einer Durchquerung von Südfrankreich erwiesen sich als zu gewaltig. Andererseits waren bei der Umrundung der iberischen Halbinsel jedoch Tausende von Kilometern zurückzulegen - ein gefährliches und kostspieliges Unterfangen, das nur mit hochseetauglichen Schiffen möglich war.

Erst der im Jahr 1609 in Béziers geborene Steuerbeamte Pierre-Paul Riquet war es, der seine Obsession zum neuen Beruf machte und seine im Selbststudium erworbenen wissenschaftlich-technischen Kenntnisse dafür einsetzte, eines der gewaltigsten Vorhaben seiner Zeit zu realisieren. Von Riquet stammt auch die Idee der Wasserversorgung des Kanals, den er in langjähriger Arbeit zusammen mit den dafür erforderlichen Bauwerken wie insbesondere Brücken und diversen Schleusenkonstruktionen als "Kanal des Südens" konzipierte: Ein zunächst "Canal Royal" genannter Anschluss des Mittelmeers an den Fluss Garonne bei Toulouse mit dem Ziel einer weiteren Verbindung Richtung Atlantik. Die Vor- und Bauarbeiten an der ersten Ausbaustufe dauerten rund 15 Jahre von 1665 bis zur Eröffnung im Jahr 1681.

Das einstige achteckige Speisepunkt-Bassin bei Naurouze: Heute ein Park ...Der seinerzeit in der ersten Ausbaustufe fertiggestellte Kanal verfügte bereits über eine von Riquet genial konzipierte und getestete Wasserversorgung: Aus den "Schwarzen Bergen", den Montagne Noire nordöstlich von Revel (siehe unsere Karte oben rechts) und den dort errichteten Sammelbecken wurde eine Verbindung geschaffen zu dem tiefer liegenden Bassin und Speisepunkt des Kanals bei Naurouze, wo gleichzeitig die Wasserscheide zwischen dem Atlantik und dem Mittelmeer liegt.

Bei dieser Stelle handelt es sich kanal-technisch gesehen quasi um einen "Pass" in einer Höhe von 190 m. Der Sage nach fand Pierre-Paul Riquet einem Gefühl folgend genau die Stelle, wo eingeleitetes Wasser sowohl in die eine als auch die andere Richtung fließt.

Das ehemalige achteckige Bassin am Speisepunkt wird heute aufgrund von Pumpen nicht mehr benötigt und ist auf unserem Luftbild rechts als mittlerweile bewachsener Park erkennbar, in dessen Nähe sich heute ein Obelisk zum Gedenken an den Erbauer Riquet befindet.

Von diesem Speisepunkt des Kanals bei Naurouze aus fließt das Wasser dann einerseits südöstlich in Richtung Mittelmeer über die erste Schleuse La Mediterranée, andererseits nordwestlich in Richtung Atlantik über die erste Schleuse L´Océan. Beide Schleusen verfügen jeweils über eine Einzelkammer, in der es bereits rund 2,60 m vom Speisepunkt aus abwärts geht.

Viele besonders zu erwähnende Sehenswürdigkeiten des Kanals stammen aus der Zeit nach dem Erbauer Riquet: So bewährten sich in der Folgezeit z.B. die von ihm konzipierten Flussquerungen des Kanals durch Verschlickung und Versandung nicht, so dass später auch Aquädukte für den Kanal und andere Lösungen gefunden wurden. Auch die Kanalversorgung bei Naurouze musste in der Folgezeit angepasst werden, da sich hier ähnliche Probleme ergaben.

Statue von Pierre-Paul Riquet in seiner Geburtsstadt Béziers Die berühmte Rundschleuse von Agde ... Fluss-Kanalquerung von Libron Auf der Kanalbrücke von Béziers
Der Tunnel von Malpas ... Historische Straßenbrücke: Gegenverkehr unerwünscht! Diverse Konstruktionen längs des Kanals ... Unteres Becken einer Zweikammerschleuse ...

Besonders verdient um den Erhalt des Kanals, der seit seit 1996 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, machte sich auch der berühmte Festungsbauer Vauban, der uns von Luxemburg bis zum französischen Belfort und zuletzt sogar in Coullioure bereits mehrfach begegnet ist bei unseren Reisen. Vauban veranlasste diverse Umbauten und Verbesserungen des Kanals einschließlich Brücken- und Tunnelbauten nach dem Tod von Riquet bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts.

Der im Jahr 1680 verstorbene Pierre-Paul Riquet wurde insgesamt nicht allzu glücklich mit seiner genialen Konstruktion: Er hatte nicht nur sein ganzes Vermögen in dieses gigantische Vorhaben gesteckt, das er gegen alle jahrelangen Widerstände vorantrieb, sondern erlebte selbst tragischerweise auch nicht die Eröffnung "seines" Kanals. Erst rund ein halbes Jahr nach seinem Tod wurde dieser offiziell eröffnet, der Kanalbau wurde bis dahin von einem seiner Söhne fortgesetzt ...


Das Explorer Team bereiste mit der BUCK DANNY nur gut die Hälfte des Canal du Midi: Vom insgesamt rund 240 km langen Kanal mit seinen insgesamt 63 Schleusen war es "nur" der rund 125 km lange Abschnitt von Agde (Kilometermarke PK 231) bis Carcassonne (PK 106). Diese Strecke hat insgesamt 22 Schleusen, davon 13 mit nur einer Kammer, 6 Schleusen mit 2 Kammern, 2 Schleusen mit 3 Kammern und schließlich die berühmte Schleusentreppe von Fonsérannes mit 7 Kammern (die einst 8 Kammern hatte): Diese Schleusentreppe gilt als Riquets imposanteste Konstruktion, die seinerzeit alle Kritiker zum Schweigen bringen sollte. Hieraus ergibt sich heutzutage auf diesem Abschnitt die Summe von insgesamt 38 Schleusenkammern, die alle (aufwändiger) aufwärts zu schleusen sind.

Zwei geeignete Kanalführer ... Navigationsdetails: Ausschnitt der `fluviacarte´
Genaues Fahren angesagt ... So etwas hat immer Vorfahrt ... Stress an der Schleusentreppe von Fonsérannes ... Nerviges Anlegen und Warten an fast jeder Schleuse: Wann geht es weiter?
Versteckt hinter Bäumen: Das Wasserkeilhebewerk von Fonsérannes Infotafeln zu Entfernungen: Ein Besatzungsmitglied eher zu Fuß zur nächsten Schleuse ..? Abzweig zum Canal de la Robine Richtung Narbonne

Die Einzelschleuse mit dem größten Hub ist L´Orb bei Béziers, der Geburtsstadt von Pierre-Paul Riquet, sie überwindet eine Steigung von 6,19 m in einer einzigen Kammer, die nachfolgende Schleusentreppe von Fonsérannes schafft dann weitere 13,60 m Steigung, wozu sie allerdings 7 Kammern benötigt. Das auf einem Nebenarm zur Schleusentreppe befindliche "Wasserkeilhebewerk" stammt aus den 1980er Jahren und stellt den gescheiterten Versuch dar, die Konstruktion Riquets durch eine moderne Lösung zu ersetzen. Seit einem Unfall nach Versagen der Hydraulikbremsen des Gerätes im Jahr 1984 ist das Hebewerk allerdings außer Betrieb und kann heutzutage wohl als eine Art Industriedenkmal angesehen werden.

Der mit Sicherheit angenehmste Abschnitt auf der vom Explorer Team mit der BUCK DANNY befahrenen Etappe ist wohl ziemlich einzigartig auf dem Kanal: Nach der Schleusentreppe folgt eine Strecke von rund 54 km (PK 206,5 bis PK 152,3) ohne eine einzige Schleuse - man lernt hier eine solche Passage unendlich zu genießen! Allerdings ergibt das für die restlichen rund 70 km der gefahrenen Strecke eine Schleusendichte, die das Vergnügen insgesamt arg reduziert: Rechnet man die oben gezählten 38 Schleusenkammern auf diese Strecke um, ergibt sich im Durchschnitt eine Schleusenkammer pro 1,8 km ...

Zusätzlich existieren auf der gesamten gefahrenen Strecke aber auch noch jede Menge andersartige Besonderheiten, die es zu beachten gilt: Eine Unzahl kleiner Brückendurchfahrten, eine Engstelle für eine Flussquerung, ein Viadukt für eine Flussüberquerung wie das hinter Béziers, eine Engstelle mit Tunnel bei Malpas sowie etliche Spitzkehren mit weiteren Engstellen. Die berühmte Rundschleuse von Agde, die auch noch einen dritten Ausgang für Seeschiffe zum Fluss l´Hérault hat, muss man auf der genannten Strecke nicht queren, da der Starthafen von Agde direkt dahinter liegt.

Für die erforderliche Navigation auf dem Kanal empfehlen sich zwei Publikationen, die bei der Reise an Bord mitgeführt wurden und die alle wesentlichen Details des Kanalverlaufs zeigen (siehe Bilder oben): Zum einen der Kanalführer "Canal du Midi" der Éditions Du Breil (ISBN 2-913120-38-5) und die "fluviacarte" Canal du Midi der Éditions De L´Écluse (ISBN 978-2-916919-39-3).

Die Tourübersicht:

Und ein Jahr später:


Hinweis: In diesem Bericht sind hinter den umrahmten anklickbaren Bildern abweichende Großbilder hinterlegt!


© 2016 J. de Haas