Noch mehr Geschichte: Vom Channel Island Military Museum zum Grosnez Castle

St. Brélade, La Corbière, 12.10.18: Heute soll es auf Rundfahrt entlang der Westküste Richtung Norden gehen, natürlich ist auch diesmal wieder ein Militärmuseum dabei, wenn es denn schon am Wegesrand liegt und privat betrieben wird.

Wir fahren über die B35, die entlang der Westküste führt: Jede Menge Radfahrer sind hier unterwegs, die meisten von denen scheinen für die Tour de France zu trainieren wie es ausschaut. Später wird sich herausstellen, dass es sich hier um eine ausgewiesene Radstrecke handelt, aber das bemerken wir erst später.

Als wir einen der Radrennfahrer nur mit Mühe überholen können auf dieser Strecke, kommt auch schon mit entsprechender Geschwindigkeit Gegenverkehr auf uns zu. Das Überholmanöver beim Radfahrer fällt dabei wohl ein wenig eng aus, wie links von der Beifahrerseite tadelnd vermerkt wird. Dass da wohl tatsächlich etwas dran war, wird spätestens beim nächsten Halt klar: Der Radrennfahrer kommt direkt auf unseren Parkplatz gefahren und beschwert sich deutlich. Ok, peinliche Angelegenheit, kurze Erklärung, Tut uns leid, Entschuldigung, Sorry! Der Mann rast wieder weiter und wir sehen ihn später nicht mehr wieder ...

Etwas windig an der Westküste ... Blick zurück: Unser Tower wacht weiter .... La Rocco Tower und Leuchtturm mal aus anderem Blickwinkel ... Leider kein Stopp bei "The Line Up"

Also heißt es nun äußerst gemütlich auf der Küstenstrecke weiterfahren, jedoch vorher ist noch "Brandung schauen" angesagt, die vom starken Wind getrieben an der Westküste bei strahlendem Wetter aufschäumt. Der Blick fällt sofort zurück auf "unseren" Tower, der auch noch aus dieser Entfernung und Perspektive die Küstenlinie dominiert. Außerdem ist da auch noch unser Leuchtturm und der La Rocco Tower im Vordergrund zu sehen, den man ebenfalls bei Jersey Heritage mieten kann und der uns vom Ausblick unseres "Kontrollturms" sehr vertraut ist.

Wir erreichen eine Imbissbude am Strand, aber für eine eine Einkehr im Beach-Café "The Line Up" ist es noch deutlich zu früh und so geht es direkt weiter: Wir passieren den Kempt Tower, einen mittlerweile ebenfalls von Jersey Heritage für Touristenzwecke betriebenen historischen Martello-Turm, der einst im 19. Jahrhundert zur Abwehr französischer Angriffe an der Küste errichtet wurde. Dieser renovierte Turm wirkt aber bereits im Vorbeifahren nur wenig attraktiv für eine Besichtigung und so lassen wir den auch links liegen.

Nur rund drei Kilometer von unserem letzten Halt entfernt erreichen wir das "Channel Islands Military Museum" in St Ouen, das sich - wen wundert es - in einem deutschen Bunker befindet. Der ist eine Sonderkonstruktion ("Jägerstand") für die ehedem beim deutschen Küstenschutz nahezu obligatorische 105 mm Kanone K 331, die heute nicht mehr vorhanden ist.

In dieser Anlage befindet sich nun eine private militärhistorische Sammlung, die Scheinwerfer, Fernmeldegeräte, diverse Waffen, Fotos und Dokumente, Uniformen sowie weitere Ausstellungsstücke zur Ausrüstung der britischen sowie deutschen Armee enthält. Der auffällige Turm eines Renault FT-Panzers aus dem Ersten Weltkrieg krönt den Eingang des Museums, wo heute auch der Eigentümer an der Kasse sitzt und zu einigen Fragen wie zum Linksverkehr unter deutscher Besatzung kenntnisreiche und humorige Erläuterungen liefert ...

Atlantikwall wie gewohnt ... Diesmal mit beeindruckender Panzermauer ...
Lewis Tower am Militärmuseum Museum im "Jägerstand" ... Panzerturm vom Renault FT Hier wird man informiert vom Chef persönlich ...
Diverse Exponate: Uniformen ... Waffen ... ... und noch mehr Waffen ...
Fotos ... ... und zeitgenössische Dokumente ... Wer kannte vorher so etwas ..? Ganz neue Funde gibt es hier auch ...
Ganz persönlich: "Unser" Peilstand ... "Unser" Leuchtturm im Überflug ... ... und natürlich "unser" Wachmuckel ...

Für uns besonders hübsche Fundstücke im Museum: Wir stoßen dort auf Fotos "unseres" MP2 während der Besatzung, ein Gemälde mit einem zweimotorigen Bomber beim Überflug "unseres" Leuchtturms und schließlich noch ein Foto mit einem deutschen Wachmuckel, der ebenfalls zu "unserem" Leuchtturm herunter schaut - da fühlt man sich doch gleich fast wie zu Hause ..!

Der Jägerstand war Teil des "Widerstandsnestes W 26" mit einigen noch erhaltenen Stellungen. Von der beeindruckenden Panzermauer an der Küste vor dem Gelände aus hat man einen tollen Blick auf den Strand und den weiteren Verlauf der Küstenlinie. Der hinter der Befestigung ebenfalls stehende Lewis´s Tower ist auch wieder einer der historischen Martello-Türme, der während der deutschen Besetzung wie üblich erweitert wurde. Heutzutage ist auch dieser Turm ein Objekt von Jersey Heritage, das zur Vermietung an Touristen bereitsteht ...

Wir verlassen das Museum und folgen weiter der Küstenstraße: Bereits nach kurzer Strecke erreicht man von hier aus die Faulkner Fisheries, wo in einem deutschen Bunker (wo sonst? ) Fischzucht erfolgt und auch ein Fischimbiss angeboten wird. Allerdings muss der ebenfalls heute leider entfallen, da bei den Sitzgelegenheiten draußen im gnadenlosen Westwind die Fische wohl derzeit eher wegfliegen als im Magen des Gastes landen würden ...

Auf engen kurvigen Sträßchen geht es deshalb schon bald wieder weiter Richtung Nordwestspitze der Insel. Das letzte Stück bis zur Steilküste ist zwar gut einzusehen, allerdings so einspurig, dass sofort Vollgas gegeben wird, als sich am anderen Ende des Weges ein Fahrzeug anschickt, in unsere Richtung loszufahren. Wir schaffen es zuerst am Abzweig zu sein und so ist kein Ausflug in die Pampas erforderlich, bevor wir auf den Pistenparkplatz rollen.

Fisheries im Westwind ... Peilstand MP3 - nichts für uns! Grosnez Castle ... Viel Historie und weniges zu finden ...

Auf unserer linken Seite sehen wir nun auch den dritten Marinepeilstand der Insel: Der "MP3" ähnelt zwar sehr dem unsrigen, verfügt aber natürlich nicht über einen derart gelungenen "Wohnkontrollraum" ganz oben, der unseren so einmalig macht auf der Insel. Nach Rückkehr werden wir heute übrigens erstmalig feststellen, dass man von unserm MP2 aus auch den MP3 bereits mit dem Feldstecher am Horizont entdecken kann, wenn man weiß, wo dieser genau steht. Offensichtlich war bereits damals schon Sicht- und Kommunikationskontakt zwischen den beiden Peilständen vorgesehen.

Wir beschließen, eine nähere Besichtigung von MP3 ausfallen zu lassen und uns stattdessen nun auch einmal zu einer "echten" historischen Hinterlassenschaft zu begeben, nämlich den Überresten des nahen Grosnez Castle, das sich in Sichtweite vom MP3 befindet. Auch diese Ruine aus dem 14. Jahrhundert beweist, dass die Insel Jersey schon über viele Jahrhunderte hinweg aufgrund ihrer besonderen Lage im speziellen Interesse von Militärs lag.

Die wenigen Reste, die uns hier erwarten, zeigen noch deutlich, dass die Lage auf einer Klippe hoch über dem Meer einst einen vollkommenen Schutz gegen Angreifer zu bieten schien. Ein zusätzlicher Graben auf der Landseite und eine Zugbrücke sicherte die Anlage zusätzlich ab. Die Burg ohne eigene Wasserversorgung wurde dennoch Ende des 14. Jahrhunderts von Franzosen erobert und soll ein Jahrhundert später bei der Besetzung Jerseys durch die Franzosen zerstört worden sein ...

Grève de Leqc mit eigenem Turm ... Beliebte Bucht: Grève de Leqc
Auch früher Tummelplatz von Militärs ... An den "Barracken" ...

Wir wollen unsere heutige Rundfahrt abkürzen und nehmen deshalb direkt Kurs auf die Grève de Lecq Barracks an einer Bucht östlich vom Castle. Hauptgrund für unseren Stopp in der kleinen Ansiedlung am Meer sind allerdings weniger die "Barracken", einem ehemaligen britischen Militärstützpunkt an der Nordküste zur Abwehr natürlich der (na?) Franzosen und deren Invasionsplänen Ende des 19. Jahrhunderts.

Die beliebte Bucht Grève de Leqc an Jerseys Nordküste ist dagegen durchaus einen Halt wert, es gibt hier wunderbare Aussichten und auch ein Café mit windgeschützter Außenterrasse und Souvenir-Shop. Hier kehren wir ein bei Kaffee und Kuchen, bevor wir uns wieder auf den Rückweg in unsere Südwestecke machen - selbstverständlich wartet auch dort heute Abend wieder ein traumhafter Sonnenuntergang mit Meerblick und bester Verpflegung im sechsten Stock ...


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