Reise in die Finsternis ...

Wieder ist es ein Mittwoch, an dem wir unsere Reise in die Arktis beginnen: Heute ist allerdings der 17. Januar und es ist bereits nach 15:00 Uhr, als wir diesmal unseren Flug nach Oslo antreten. Noch ist es hell in München, als unser Flieger abhebt und rund zweieinhalb Stunden später wird uns die erste "Nacht" unserer Reise empfangen, als wir den Flieger in Oslo verlassen.

Wie schon bei unserer "Euro-Extratour" vor zwei Jahren geschildert, kann die Einreise nach Spitzbergen bereits im Sommer Überraschungen mit sich bringen, aber im Winter kann man damit eher schon fest rechnen. Es fängt nämlich bereits bei der simplen Anreise dahin an: Selbstverständlich gibt es um diese Jahreszeit keinen Direktflug von München in die polare Region, dafür aber von diversen Reiseportalen jede Menge aberwitziger Vorschläge, wie man auf welchen Umwegen dorthin gelangen kann. Nachdem wir über abstruse Verbindungsvorschläge ausreichend gelacht hatten, wählten wir die einzig vernünftige Kombination, die wir auch selbst zusammenstellten: Ein Flug nach Oslo mit Übernachtung dort bildet den Auftakt, am nächsten Tag geht es dann weiter Richtung Longyearbyen auf Spitzbergen.   

"Richtung Longyearbyen" ist allerdings die passende Bezeichnung, denn auch von Oslo aus gibt es im Winter keinen Direktflug nach Spitzbergen, sondern zunächst muss man mit dem Flieger zwingend nach Tromsö. Dort ist eine Zwischenlandung fällig, weitere Passagiere steigen zu und man muss die Maschine verlassen, um sich durch eine norwegische Einreisekontrolle zu begeben. Man wird selbstverständlich aufgefordert, das alles zügig hinter sich zu bringen, denn der Flieger will nach kurzem Aufenthalt an diesem norwegischen Flughafen wieder starten und endlich Kurs Richtung Svalbard nehmen ...

An der Osloer Schnellbahn ...Zunächst aber erwarten uns nach Landung in Oslo winterliche Bedingungen: Knapp 20 Minuten ist man vom Flughafen der norwegischen Hauptstadt aus mit der Schnellbahn unterwegs bis zum Hauptbahnhof, wo wir in der Nähe, kaum 10 Minuten Fußweg entfernt, ein "Selbstbedienungs-Hotel" beziehen wollen. Das Nichtraucher-Hotel "Citibox Oslo" ist ein solches, genau der richtige Ort für IT-JüngerInnen: Günstige Preise werden hier dadurch garantiert, dass man im Regelfall überhaupt kein Personal zu sehen bekommt, sondern alles am Terminal selbst regelt - natürlich genau unser Ding!

Die Zugfahrt ist erfreulich problemlos, selbst die Unterbringung von Koffern gelingt hier ganz ohne jede Schwierigkeit in der Nähe der Wagentür - lustig, wenn man dabei etwa vergleicht, zu was für Szenen solche Versuche z.B. in französischen TGVs führen können, aber dazu sicher ein anderes Mal mehr ... 

Tatsächlich ist der Weg - wenn man erst den richtigen Ausgang am Hauptbahnhof gefunden hat -, durch typisches Hauptbahnhof-Publikum nur kurz bis zur Citibox, allerdings heute leicht erschwert durch winterglatte Straßen und Bürgersteige. Alles nichts gegen das, was uns in den nächsten Tagen erwarten wird, aber das wissen wir heute Abend natürlich noch nicht ..!

Nach einigen Anläufen gelingt tatsächlich auch das vollautomatische Einchecken samt Ausdruck aller Belege und Zugangskarten und wir finden sogar problemlos das einfache, aber für heute ausreichende Zimmer ohne Zuhilfenahme des unsichtbaren Personals: Von der Möglicheit, durch Betätigen eines Notknopfes mit "Menschen" in Kontakt zu treten, müssen wir erfreulicherweise überhaupt keinen Gebrauch machen.

Selbstbedienung angesagt: Einchecken in der Citibox In der Nähe vom Osloer Hauptbahnhof ... Auch hier tierischer Empfang ... Urige Atmosphäre: Im "Egon" ...

Speiselokale sollen in der Umgebung noch bis 22:00 Uhr geöffnet haben und so erwarten wir auch hier keine Probleme. Nach einigem vergeblichen Suchen landen wir schließlich bei "Egon", einer in Norwegen verbreiteten Restaurantkette, die bis 23:00 Uhr geöffnet hat.

Mit der Speisekarte vom Tisch geht man hier zum Tresen und bestellt Essen und Getränke, teilt seine Tischnummer mit und bezahlt sofort. Serviert wird das Essen anschließend am Tisch, man kann beim Bier sogar unter drei Größen wählen. Die Wahl fällt aufgrund großen Durstes auf ein Glas mit mehr als einem halben Liter, der Preis dafür macht einem unmittelbar klar: Du bist hier tatsächlich in Norwegen!

Der nächste Morgen führt zunächst wieder zum Flughafen: Dort soll nach kurzer Schnellbahnfahrt auch gefrühstückt werden, um sich weiteren Aufwand in der Citibox zu ersparen und mehr Zeit bis zum Abflug zu haben.

Das Frühstück gelingt zwar, allerdings muss vor dem gebratenen Brot in der "Food Garage" am Osloer Flughafen gewarnt werden: Nicht für jeden empfindlichen Magen ist das auch bekömmlich ...

Kurz vor 10:00 Uhr startet unser Flieger nach Norden, nächstes Ziel also Tromsö. Ein kürzlich erschienener Zeitungsartikel über diese norwegische Region hatte behauptet, um diese Zeit würde dort bereits die Polarnacht herrschen, aber das erweist sich als Fake News: Zwar wird es während des Fluges draußen bereits deutlich dunkler, allerdings herrscht gerade Sonnenuntergang in Tromsö, als wir gegen Mittag dort einschweben - ein großartiger Anblick von Bergen und Fjorden im einsetzenden Dämmerlicht belohnt diejenigen, die beim Anflug am Fenster auf der richtigen Seite sitzen ...

Die "Food-Garage" am Osloer Flughafen Mittäglicher Sonnenuntergang: Anflug auf Tromsö Markante Tromsøbrua ... Warteschlange Tromsö-Passkontrolle ...

An Bord ergeht die Aufforderung, nach Durchführung der Passkontrollen zügig zum Flugzeug zurückzukehren, mit dem wir bereits kurz nach 14:00 Uhr in Longyearbyen ankommen wollen. Aufgrund der bei unserer letzten Reise schon erwähnten seit 2015 verschärften Grenzkontrollen beim Überqueren der abgelegensten Grenze des Schengenraums ist es auch heute von Vorteil, grundsätzlich immer und überall einen Reisepass dabei zu haben, was entsprechende Kontrollen beschleunigt.

In kürzester Zeit bildet sich im Flughafengebäude eine beeindruckende Schlange von Passagieren, die mehr oder minder murrend den Sinn dieser ganzen Aktion grundsätzlich in Frage stellen und in keiner Weise einsehen, warum man ausgerechnet hier seinen Flieger wieder für solche abstrusen Bürokratieanforderungen verlassen muss. Gut, dass an dieser Stelle nur die wenigsten wissen, dass dieses ganze Prozedere beim Rückflug noch wesentlich abstruser ablaufen wird!

Nach Durchführung der Kontrollen geht es wieder zurück zum Flieger, der am Gate nebenan wartet. Schnell haben alle Passagiere wieder ihre Plätze eingenommen und erneut heulen die Triebwerke auf: Nun geht´s endlich ab nach Spitzbergen und jetzt auch in die "richtige" Polarnacht ...

Wer will und muss hier zwischenlanden ..? Voraus die "richtige" Finsternis ...

Noch einmal rund eineinhalb Stunden dauert jetzt der letzte Flug bis zu unserem Ziel im Norden, und tatsächlich wird es nun endgültig bereits kurz nach Mittag dunkel - wir verabschieden uns von den letzten Sonnenstrahlen, die wir erst in einigen Tagen wiedersehen werden.

Draußen herrscht Nacht, als wir zum Landeanflug auf dem Flughafen Longyearbyen ansetzen und wir sind froh, dass wir den letzten Anflug hier am Polartag erleben durften, denn die großartigen Anblicke draußen der "spitzen Berge" sind noch unvergessen und trösten darüber hinweg, dass außer der Flughafenbeleuchtung am heutigen frühen Nachmittag draußen kein Licht zu erkennen ist bei der Landung außer in Richtung Hafen, dessen Umrisse wir noch bestens vom letzten Aufenthalt in Erinnerung haben.

Die Abflug- und Ankunftshalle von Longyearbyen ist uns ebenfalls noch sehr vertraut, und selbst der ausgestopfte Eisbär am Gepäckband scheint uns zuzublinzeln wie alten Bekannten.

Schnell sind wir draußen und werfen einen Blick auf den eisigen und stockdunklen Campingplatz gegenüber vom Flughafengelände - heute wird eher als im Sommer spürbar, warum bereits dieser Bereich zum Eisbären-Gefahrengebiet gehört, dessen Bewohner man sich jetzt besser denn je als wach und deshalb mürrisch-schlechtgelaunt auf dem dunklen Areal vorstellen kann ...

Die Busse zum Ort stehen wie beim letzten Mal schon bereit, schnell haben wir unsere Koffer im Laderaum verstaut und dem Fahrer dasselbe Ziel wie beim letzten Aufenthalt angegeben: Wieder geht es zum Svalbard Hotell, also alles fast schon Routine trotz der Dunkelheit ...

Angekommen! Während der nächsten Tage nur noch künstliche Beleuchtung ...
Svalbard Hotell: Innen gemütlich ... ... und außen vereist ...

Wenig später sind wir am Hotel angelangt und stellen beim kurzen Weg hinunter zur Rezeption, vor der natürlich nun mehr denn je "Schuh-Aus"-Pflicht besteht, etwas sehr Unangenehmes fest: Das gesamte Gelände scheint vereist zu sein und entpuppt sich als "arg glatt" und somit nicht ganz ungefährlich, insbesondere wenn sich einer der Reisenden dabei ganz besonders an seinen Fußbruch vom Vorjahr erinnert fühlt und ab sofort nur noch wie auf Eiern herumläuft ...

Wir beziehen ein Zimmer ganz in der Nähe unserer Unterkunft bei der Sommerreise 2016 und wollen uns danach hinaus in die gewohnt-ungewohnte Umgebung begeben, in den nun dunklen, aber trotzdem vertrauten Ort. Wir beginnen damit eines unserer Vorhaben bei diesem Trip: Wir erwarten gewisse Erkenntnisse, wie sich die nun mehrtägige Dunkelheit auf uns auswirkt, merken wir davon überhaupt etwas besonderes, oder ist der kommende Aufenthalt schlicht zu kurz, um besondere Effekte zu erzeugen?

Schnell haben wir unsere bekannten Lokalitäten aufgesucht, vorbei am Supermarkt und dem Pub Svalbar landen wir schon bald wieder im Karlsberger Pub, dem beliebten Treffpunkt im Ort. Außer der Svalbar werden wir in den nächsten Tagen die örtliche Gastronomie wieder ausführlich besuchen, wenn nicht in der Polarnacht, wann dann ..?

Wieder vor Ort: Im Karlsberger Pub ... ... und in der Svalbar ... Ehemalige Bergarbeiterkantine: Coal Miners´ Bar & Grill

Etliche Lokale sind dabei, die natürlich auch außer der Svalbar zu empfehlen sind, in der nun ein täglicher Countdown bis zum nächsten Sonnenaufgang auf einem großen Bildschirm abläuft: 27 Tage, 18 Stunden, 22 Minuten und 28 Sekunden können wir dort während eines unserer Aufenthalte sehen - für uns wird es nicht ganz so lange dauern!

Andere Lokale, die wir während dieser Tage aufsuchen, sind z.B. das ebenfalls neben dem Svalbard Hotell gelegene Restaurant Kroa oder auch das urige Lokal Coal Miners´ Bar & Grill, eine ehemalige Bergarbeiterkantine und etwas außerhalb gelegen. Aber zu derartigen Exkursionen haben wir in den nächsten Tagen noch ausreichend Gelegenheit ...


© 2018 J. de Haas