Schweiz

Viel zu erledigen:

Ein (verlängertes)
Wochenende am Matterhorn ...


Viel zu erledigen ...Schon seit Jahren schwelt der Wunsch, einmal mit dem Glacier Express durch die Schweiz zu reisen ...

Schon Monate vor dem geplanten Reisetermin versuchen wir also Plätze zu reservieren und auch Hotelzimmer. Aber irgendwie ist immer alles schon ausgebucht und das, was noch frei ist, befindet sich in einer Preisklasse, die man eher als "Enteignung" bezeichnen kann.

Was also tun? Nach einigem Googeln stoßen wir auf die Agentur Switzerland Travel Center und schicken eine E-Mail mit unseren Wünschen:

Anreise per Flug über Zürich nach St. Moritz, Übernachtung dort, anschließend Fahrt mit dem Glacier Express bis Zermatt und dort weitere drei Übernachtungen, außerdem noch eine Fahrt mit der Gornergratbahn und Rücktransfer zum Flughafen.

Schnell kommt nun ein Angebot, der Preis ist ebenfalls unschlagbar und so erfüllen wir uns Ende Juli 2017 endlich auch diesen Wunsch ...

Die Anreise ist absolut problemlos: Vom Flughafen mit dem pünktlichen Zug (da ist man als Passagier der Deutschen Bahn wirklich nicht verwöhnt) geht es nach Chur, wo uns der Zug nach St. Moritz erwartet. Zu unserer großen Überraschung steht da bereits der Glacier Express mit seinen Panoramawaggons. Für "normale" Reisende wie uns gibt es hier aber nur ein paar Standardwaggons. Da die Strecke landschaftlich aber sehr schön ist, macht es überhaupt nichts aus, das Stück Chur - St. Moritz zweimal in unterschiedlichen Richtungen zu fahren. Im Zug gewöhnen wir uns schon mal an das Schweizer Preisniveau: Zwei Dosen Bier à 0,33 l und zwei Butterbrezen kosten umgerechnet mal eben 20,- EUR ...

Der Himmel ist verhangen und es nieselt leicht, als wir in St. Moritz auf 1.822 m ü. M. in dem dreiflügeligen Bahnhof ankommen, der 1927 anlässlich der Winterolympiade auf den Fundamenten des alten Bahnhofs errichtet wurde.

Drei Minuten Taxifahrt zum Traditionshotel Hauser kosten 15,- EUR. Dort erwartet uns ein besonderes Zimmer: Es ist mit Arven- (Zirben) und Lärchenholz verkleidet und auch die Möbel sind aus diesem Holz gefertigt. Der aromatische Duft der Arven, das Pinosylvin, erfüllt den ganzen Raum, ein Geruch, der bei Menschen das Wohlbefinden fördern soll. Bei uns klappt es hervorragend. Die Bäume, deren Holz hier verarbeitet wurde, waren mindestens 250 Jahre alt und wurden gemäß dem Mondkalender bei abnehmendem Mond geschlagen. Dann soll das Holz stabiler und widerstandsfähiger sein ...

Kein UFO, sondern die Chesa Futura Schiefer als man meint: Der Turm der Mauritiuskirche
Erinnerungen an einen Unfall: Cresta Run, nichts für schwache Nerven ... Startbereich des Eiskanals im Sommer ...

Trotz Nieselregen beginnen wir unseren Rundgang durch den Ort, der fast ausgestorben erscheint. Einsam ziehen wir durch die Gassen hinauf zur Chesa Futura, einem modernen Wohnhaus, das von Sir Norman Foster erbaut wurde. Der futuristische Bau auf Stelzen zeigt mal wieder, dass Sir Foster als Meister der Wölbungen gilt, erinnern wir uns doch an seine Metrostationen in Bilbao und an die Kuppel des Reichstages in Berlin.

Zeitungsnotiz 1907Weiter geht es zum berühmten schiefen Turm - 33 Meter hoch - ein Überbleibsel der Mauritiuskirche aus dem 15. Jhdt., die 1890 abgerissen wurde. Mit 5,5° Neigung ist er sogar noch schiefer als der berühmte Schiefe Turm in Pisa (4°).

Unweit davon befindet sich der Bylandtbrunnen, der am Eingang des Kulmhotels errichtet wurde. Er erinnert an den Grafen Bylandt, der hier 1907 beim Cresta-Run (einer tollkühnen Art von Schlittenrennen) tödlich verunglückte. Wie gefährlich Cresta-Runs sind, lässt die nebenstehende Nachricht aus dem London Standard vom 19.02.1907 erahnen ...

Cresta Wettwerbe gibt es hier auch heute noch: Aber nur Männer dürfen teilnehmen, Frauen wird die Teilnahme seit 1929 bis heute verweigert wegen eines vermuteten hohen Brustkrebsrisikos. Man muss also nicht bis Saudi-Arabien reisen, um solchem Schwachsinn zu begegnen ..!

Das bringt uns zur Geschichte von St. Moritz, die geprägt ist von Engländern und Bergsteigern und Wintersport.

Der Ort mit seinem See, durch den der Inn fließt, war schon in der Bronzezeit bekannt, auch wegen seiner Heilquellen. Aber erst im Jahr 1856 wurde hier das erste Hotel eröffnet. In der Zeit von Queen Victoria liebten es die Engländer, hier die Berge zu erklimmen und Wintersport zu betreiben. Die englischen Touristen sind auch verantwortlich dafür, dass hier das Bobfahren erfunden wurde. Sie fanden das Schlittenfahren mit dem Holz aus den Wäldern einfach toll und fingen an, auf der Straße von St. Moritz nach Celerina mit Schlitten runter zu brettern, was die Pferde der Kutschen und Fuhrwerke scheuen ließ. So begann der Bau der Bobbahn, die am 01.01.1904 eingeweiht wurde. Sie befindet sich nahe am Golfplatz und ist gleichzeitig der letzte verbliebene Natureiskanal.

Mit 130 km/h sausen hier die Bobschlitten ins Tal: Im Winter dürfen mutige Touristen sogar mitfahren, ein kurzes, teures Vergnügen in 75 Sekunden über 1.612 m zu einem Preis von ca. 250,- CHF. Viel zu sehen gibt es im Sommer nicht an der Bobbahn, denn sie wird jeden Winteranfang aus Holz, Wasser, Eis und Schnee neu errichtet. Zweimal fanden hier die Olympischen Winterspiele statt: In den Jahren 1928 und 1948.

Wenn man schon bis zum Golfplatz und zur Bobbahn gekommen ist, lohnt es sich auch den Druidenstein zu besuchen, der hier im 1. Jhdt. vor Chr. auf 3 kleinen Steinen errichtet wurde: Es handelt sich um eine Kultstätte der Kelten, die einst die Schweiz bewohnten. Die Nord-Süd Neigung des Granitbrockens ist so ausgerichtet, dass das Sonnenlicht zur Sommersonnwende genau senkrecht auf den Stein fällt. Da er ein wenig versteckt liegt, gibt es hier seine Koordinate: 46° 30' 5" N, 9° 50' 45" E.

Weiter spazieren wir zum See und an der Chesa Veglia vorbei, dem Kontrastprogramm zur Chesa Futura, einem alten Holzbauernhaus aus dem Jahr 1658, das seit 1936 ein Restaurant beherbergt.

Wahrzeichen in St. Moritz: Evangelische Kirche und Olympiastadion Der Graubündner Steinbock am St. Moritzer See ...
Druide samt Stein ... Der Glacier Express erwartet uns ...

Wir erreichen unser Hotel, in dessen Restaurant ein Tisch für uns reserviert ist: Die Reservierung erweist sich als gute Idee, denn die Straßen sind zwar leer, aber das Restaurant ist brechend voll. Wir haben uns für dieses Lokal entschieden, da es lt. Tripadvisor zu den drei besten des Ortes gehört und auch weil hier kein spezieller Dresscode verlangt wird. Denn etliche andere Restaurants erwarten, dass sich der Gast in Schale wirft. Ob dieser Anspruch auch in Zukunft aufrecht erhalten werden kann, erscheint allerdings insgesamt fraglich ...

Wer hier essen geht, steht vor einer schwierigen Entscheidung: Die Preise sind sehr hoch und man muss überlegen, ob man für 30,- EUR eine Pizza Magherita essen oder dann doch lieber mehr Geld ausgeben will und dafür leckere Spezialitäten probieren. Letzteres ist die klügere Entscheidung, denn der preisliche Unterschied zwischen einer total überteuerten Pizza und einem cremigen Geschnetzelten mit Rösti ist nämlich gar nicht so groß ...

Wir sind mit dem Essen rundum zufrieden und auch der Graubündner Rotwein, ein Pinot Noir von Liesch aus dem nahen Malens überzeugt.

Am frühen nächsten Morgen erwartet uns ein tolles Frühstücksbuffet und kurze Zeit später bringt uns der Hotel Shuttle zum Glacier Express, wo wir diesmal im Panoramawaggon Platz nehmen können. Es kann losgehen!


Hinweis: In diesem Bericht sind hinter den umrahmten anklickbaren Bildern abweichende Großbilder hinterlegt!


© 2018 Sixta Zerlauth