Portugal  Portugal 2025

Die Stadt mit dem Loch


Mittlerweile ist der März 2025 gekommen: Nach Frankreich / Spanien 2024 treibe ich mich mit dem LERRY noch immer gern an der portugiesischen Atlantikküste herum. Dazu muss ich sagen, dass auch die Winter hier in Portugal nicht mehr so sind, wie das früher einmal war: Feuchtkaltes Wetter bestimmt hier jetzt im Winter das Klima.

Auf meiner ersten Reise mit dem LERRY nach Portugal im Winter 2020 / 2021 habe ich noch sehr viel trockeneres und wärmeres Wetter vorgefunden. Das gibt es jetzt nur noch so richtig weit im Süden Portugals. Etwa bei den Wintertouristen an der Algarve. So viel Gesellschaft will ich aber eigentlich gar nicht haben  ...

Atlantikküste: Freie Fahrt für Regenwasser ... Diverse Abbruchkanten ... Große Menge Sand oben auf die Straßen geweht
Marinha Grande mit privatem Stellplatz Endlich besseres Wetter!

In den höheren Lagen gibt es immer öfter Überschwemmungen und Schlammlawinen, wie auch in Spanien und Frankreich. Ich muss auch hier in Portugal im Winter in den höheren Lagen sehr aufpassen, um nicht einmal in eine solche Überschwemmung hinein zu kommen. Die Atlantikküste ist am sichersten: Hier kann Regenwasser schnell ablaufen!

Die Abbruchkante am Sand zeigt die Höhe, in der einmal der Strand begann. Das sind hier etwa 1,80 m an Höhe, die der letzte Sturm in etwa zwei Tagen an Sand weggespült hat. Der meiste Sand ist ins Meer gespült worden, aber eine große Menge wurde auch oben auf die Straßen geweht. Ich fahre mit dem LERRY etwas weiter nach Süden, um dem feuchten Wetter auszuweichen.

In Marinha Grande, uns bereits bekannt vom Fest der Suppen und einem Werkstattbesuch im Vorjahr, wartet ein privater Stellplatz auf uns. Das Wetter wird gleich etwas besser. Inzwischen wurde mir auch die Geschichte einer "Stadt mit einem Loch" erzählt: Von dieser Stadt hatte ich bereits gehört, von dem Loch dagegen noch nicht.

Doch vorher will ich noch einen kurzen Besuch in Caldas da Rainha machen, ebenfalls nach früherem Besuch bestens bekannt: Dort gibt es, wie wir schon wissen, eine besondere erotische portugiesische Keramik. Ein paar Stücke davon soll ich mit nach Deutschland bringen, was mich sehr an mein Abenteuer "Caldas Ceramica" vom Vorjahr erinnert. Morgen will ich deshalb früh los.

Parkplatz vor einem großen Supermarkt Eine Stadt wie jede andere?

Die baufällige Ruine des ältesten Heilbades der Welt

Da in diesem Ort kein Parkplatz für Wohnmobile vorgesehen ist, parke ich den LERRY vor einem großen Supermarkt: Es ist der 25. März 2025. Erst soll es in die Stadt gehen und danach werde ich es mir hier im Supermarktrestaurant gemütlich machen. Zu Fuß habe ich jetzt knapp zwei Kilometer vor mir, um in die Innenstadt zu kommen. Dort gibt es die Läden für gute portugiesische Keramik. Auch die traditionelle erotische Keramik - mein Ziel.

Die Stadt sieht aus wie hier jede Stadt: Den deutschen Luxus von Fahrradwegen überall sucht man fast vergebens. Im Verkehr muss man mit dem Rad mitfahren, ich laufe stattdessen. Bürgersteige sind fast immer vorhanden und auch etwa zwei Kilometer Entfernung sind ebenfalls nicht das Problem. Als ich dann die baufällige Ruine des ältesten Heilbades der Welt sehe, weiß ich, dass ich fast am Ziel bin. Später, gegen Mittag, bin ich bereits wieder zurück am LERRY: Nun habe ich Zeit ...

Die Stadt mit dem angeblichen Loch ist nicht sehr weit weg, direkt an der Atlantikküste: Peniche ...

Peniche In Consolacao Wo ist hier ein Radweg ..?
Ruhiger Strand ... ... aber kein Fahrradweg! ;-)

Noch am selben Abend erreiche ich den kleinen Ort Consolacao: Der liegt etwa neun Kilometer südlich von Peniche an der Atlantikküste. Von hier soll ein Fahrradweg nach Peniche führen, direkt am Strand entlang. Das hört sich gut an! In Consolacao ist es sehr viel ruhiger als in Peniche, so bleibe ich mit dem LERRY hier. Außerdem gibt es hier einen ruhigen Strand und ein kleines Strandcafé, der gemütliche Abend ist gesichert. Im Strandcafé wird mir allerdings dringend davon abgeraten, den Strand mit dem Fahrrad zu befahren: Das würde eher ein kilometerweites Schieben. Das stimmt, es ist kein Fahrradweg zu sehen ...

Consolacao (1) Consolacao (2)

Consolacao (3)

Wir sehen drei Bilder aus dem Ort Consolacao: Sie beschreiben diesen Ort am besten. Apartments ohne Ende und es werden immer mehr gebaut. Es gibt hier auch kein Leben, wie man das aus einer gewachsenen Kleinstadt kennt. Abgesehen von dem kleinen Strandcafé sitzt hier so ziemlich jeder Einwohner in seinem Appartment. Es gibt auch fast kein Leben auf den Straßen ...

Für heute war ich genug unterwegs: Ich mache es mir im LERRY gemütlich und lasse den Sonnenuntergang und einen Teil der Nacht auf mich wirken. Alles ist ruhig, auch hier auf dem Stellplatz der Wohnmobile. Jeder sitzt in seinem Fahrzeug. Ich würde sagen, der LERRY ist eines von zwei Wohnmobilen, die wenigstens die Einganstür geöffnet haben. Egal. Morgen früh geht es los zur Stadt mit dem Loch.

Peniche Fischereihafen

Kreisverkehr und Kreuzungen voraus ... Brücke zum Zentrum

Am nächsten Morgen bin ich unterwegs nach Peniche: Die acht Kilometer sind mit dem Fahrrad gut zu schaffen, wenn man nicht den Strand benutzt. Als ersten Eindruck komme ich am Fischereihafen vorbei. Zur Zeit liegen hier sehr viele der Fischkutter im Hafen. Das ist eher ungewöhnlich, denn heute ist ein Wochentag. Bald darauf erreiche ich die ersten Kreuzungen der Stadt, über eine Brücke fahre ich weiter ins Zentrum.

Hier in Peniche ist der Sitz des gleichnamigen Landkreises, die Stadt hat etwa 27.000 Einwohner. Das Wort Peniche ist eigentlich die Bezeichnung für einen Lastkahn. Wie kommt diese Bezeichnung hier auf die Landzunge? Im Ort soll es auch das Loch geben: Ein Lastkahn mit Loch? Seltsam ...

Peniche Rathaus Eindrucksvolle Architektur in der Frühlingssonne ...

Kurz darauf fahre ich am Rathaus von Peniche vorbei: Einige schön angelegte Bereiche wirken in der Frühlingssonne besonders gut. Peniche ist inzwischen einer der größten Häfen für die traditionelle Fischerei. Im Jahr 1988 wurde Peniche schließlich auch offiziell eine Stadt: Ursprünglich war es eine Insel vor der Küste Portugals. Erst ab dem 15. Jahrhundert bildete sich eine Landverbindung durch Strömungseinflüsse an der Küste. Dadurch konnte Peniche schneller wachsen. Im Mittelalter siedelten sich hier Seefahrer aus dem antiken Griechenland und Phönizien an. Man vermutet, dass sich der Name Peniche aus dem griechischen Namen Phoinix gebildet hat. Einen solchen Ort gibt es auf der Insel Kreta. Wie die Menschen nun mal so sind, müssen sie immer gleich Namen aus der Heimat verwenden, wenn sie in der Fremde bleiben. Die Welt ist voll von solchen Beispielen ...

Festung Fortaleza de PenicheDie Festung von Peniche, die Fortaleza de Peniche: Ich fahre links an der Festungsanlage vorbei. Der Graf von Atougia, Luis de Ataide, hat in der Mitte des 16. Jahrhunderts mit dem Bau dieser Anlage begonnen. Das war notwendig geworden, um das wachsende Peniche gegen Piratenangriffe zu schützen. Die Festungsanlage wurde im Laufe der Zeit mehrfach umgebaut und den Bedürfnissen angepasst. An der Stelle der Anlage befand sich vorher eine Burg, von der nur noch wenige Reste zu finden sind.

In der Geschichte der Festungsanlage gab es auch eine andere Verwendung: Als Gefängnis. Die Bauweise war für eine solche Verwendung ideal. Man drehte den Zweck der Anlage einfach um: War sie für den Schutz gegen Gefahren von außerhalb gebaut, konnte sie auch die Außenwelt vor dem gefährlichen Inhalt eines Gefängnisses schützen. Heute ist darin ein Museum untergebracht. Jeder kann gefahrlos hinein und wird auch wieder hinaus gelassen ...

Beeindruckende Hauswand in Peniche Erinnerungen an die Nelkenrevolution Portugals

Im Bild eine Hauswand in Peniche, kurz bevor ich die Stadt an der Südseite zur Küste verlasse: Hier erinnern verschiedene Bilder an die Nelkenrevolution Portugals. Bis zum 24. April 1974 herrschten in Portugal die Faschisten, sie ruinierten das gesamte Land. Unter dieser Diktatur entwickelte sich im Land eine ungeahnte Armut. Es herrschten Korruption, Unterdrückung und Gewalt gegen die portugiesische Bevölkerung. Am 25. April 1974 folgte dann die Revolution: Die rote Nelke wurde zu ihrem Zeichen, eine rote Nelke auch in den Läufen der Gewehre der aufständischen Soldaten. Das Land war in kurzer Zeit von der Unterdrückung durch die rechtsnationale Diktatur befreit, die Demokratie konnte kommen ...

Seither wird dieser Tag gefeiert, doch die Zeichen stehen auf Änderung. Inzwischen wählen wieder immer mehr Portugiesen die rechte Seite, sie glauben, dass Ausländer für aktuelle Probleme in Portugal, z.B. hohe Mieten und Armut, verantwortlich sind. Dabei wird das sehr oft durch Portugiesen selbst verursacht. Nur, der Staat macht ungewollt mit ...

An der Südküste bei bestem Wetter: Nahe Consolocao Wer kennt den Ortsnamen immer noch nicht ..?

Wir sehen die Südküste der Stadt Peniche bei bestem Wetter beim Ort Consolacao, wo der LERRY auf meine Rückkehr wartet. Nun mache ich mich auf die Suche nach dem Loch dieser Stadt, das an der Südküste hier zu finden sein muss. Vorbei geht es am Motorradverein von Peniche aus dem Jahr 1998.

Steinige Küstenlinie ... ... nicht gerade ideal für Radfahrer ...

Entlang der südlichen Küstenlinie der ehemaligen Insel ist es ein steiniger Weg: Die Räder des Fahrrades leiden. Der Anblick der felsigen Natur ist schon interessant: An den Felsen sind die Spuren der Zeit und des Atlantiks gut zu erkennen. In die Einschnitte der Felsenküste führen Wege nach unten. Heute ist das Meer ruhig, bei hohem Seegang kann man allerdings das Meer sehr gut bei seiner Arbeit an den Felsen beobachten. Das gesuchte Loch muss nun ganz in der Nähe sein. Im Hintergrund sieht man die Häuser am südlichen Ende von Peniche ...

Es geht nur noch zu Fuß weiter ... Ist das etwa Morla ..?

Ich gehe jetzt besser zu Fuß zur Steilküste und plötzlich stehe ich ganz unerwartet vor ihr: Morla - mein erster Gedanke! Sehr gut erinnere ich mich noch an die Unendliche Geschichte aus dem Jahr 1984. Ein Film, der alle Menschen davor warnte, ihre Fähigkeit der Fantasie zu verlieren. Darin gab es die steinalte Schildkröte mit dem Namen Morla. Nun weiß ich, was aus ihr nach den Dreharbeiten geworden ist: Natürlich, sie ist inzwischen noch älter geworden. Eine wunderbare Steinformation für Menschen, die sich ihre Fantasie erhalten haben. Das Gelände wird schwieriger, das Fahrrad parkt an einem kurzen Pfahl in der Hoffnung, dass es dort noch wartet, wenn ich zurück komme ...

Nur schmale Treppenstufen nach unten ... Kein Geländer oder eine Absicherung ... Wie mag es hier während der Hauptsaison zugehen ..?

Es gibt nur ein kleines Hinweisschild und keine Wegweiser. Nach kurzer Suche stehe ich dann vor einigen schmalen Treppenstufen nach unten: Das ist der Weg zum Loch der Stadt Peniche. Der Weg zur Gruta da Furninha, einer Grotte mit einer besonderen Geschichte. Hier gibt es nur sehr schmale, bröckelnde Stufen, kein Geländer und auch sonst keine besondere Absicherung. Man sollte hier gut zu Fuß und sicher auf den Beinen sein. Ein Fehltritt und es geht abwärts zwischen die Felsen am Wasser. Vorher ist allerdings noch ein Freiflug von mehr als 10 Metern senkrecht zu machen. Es gibt hier heute keine anderen Besucher, ein unschätzbarer Vorteil! Ich stelle mir diese Stufen während der Touristenzeit vor, immer wieder Gegenverkehr und viele Menschen ...

Schöne Plattform Richtung Meer Vorsicht beim letzten Stück des Weges! Beste Aussicht auf den Atlantik ...

Das letzte Stück des Weges erfordert viel Aufmerksamkeit: Ich taste mich durch die Felsen zur Höhle. Zur Wasserkante wurde eine schöne Plattform angebaut, es ist kein Problem, sie zu erreichen. Der Ausblick ist hervorragend, hier kommen nun noch mehrere Meter bis zur Wasseroberfläche. Bei einem richtigen Sturm erreicht der Atlantik problemlos diese Stelle hier oben: Zwei Waserabläufe am Rand der Plattform sorgen dafür, dass Wasser von oben oder unten nicht lange stehen bleibt. Durch den Seewind trocknet die Fläche sehr schnell. Ich finde keine grünen glatten Stellen.

Von der Plattform geht mein Blick zwischen die Felsen: Unter mir rauscht das Meer ziemlich laut. Da oben ist die Höhle im Kalksteinhang nun zu sehen, etwa 15 Meter über dem heutigen Meeresspiegel. Und tatsächlich: Sie wirkt wie ein Loch in der Stadt Peniche, oder besser wie ein Loch unter der Stadt ... 

Im Jahr 1884 wurde sie das erste Mal näher beschrieben. Es handelt sich um eine ganz besondere Höhle, ihre Entstehung geht weiter als 6.000 Jahre v. Chr. zurück. In dieser Zeit wurde die Höhle bereits als Behausung genutzt, es war die Jungsteinzeit. Fundstücke aus diesem Zeitalter wurden aus der Höhle geborgen und können in Peniche und Lissabon besichtigt werden. Aus der selben Zeit stammen auch Keramikstücke, es wurden hier z.B. Hängevasen mit diesem Alter gefunden. Im Laufe der Jahrtausende versandete die Höhle und wurde erst 1880 von dem Geologen Joaquim Nery Delgado wieder ausgegraben.

Die Höhle im Kalksteinhang wartet ...

Gerundete Gänge ... Grünfärbung durch Algenbildung ...

Innerhalb der Höhle erwarten mich gerundete Gänge: Ein deutliches Zeichen, dass das Meer hier regelmäßig vorbeikommt. In der Höhle ist es extrem feucht, die Grünfärbung ist ein Zeichen von Algenbildung. Von der Oberfläche sickert das Oberflächenwasser, also Regen, durch den Kalkstein. Andere Höhlen dieser Art bilden dann Säulen, hier ist das durch den Atlantik nicht möglich. Die Höhle wirkt wie ausgewaschen, als Behausung ist sie nicht mehr geeignet. Auch das Internet bricht hier drin zusammen, zu finden gibt es hier nichts mehr ...

Lateinische Inschrift! Der Ausgang naht ...

Dann finde ich doch noch etwas: Lateinische Schriftzeichen, eine Schrift, die aus der Zeit der Römer stammt. Also sind diese Schriftzeichen viel zu jung, verglichen mit der Geschichte der Höhle. Ich denke, es handelt sich selbst dabei wieder einmal um die "Sachbeschädigung" eines geschichtsträchtigen Ortes durch ahnungslose Menschen, oder?

Zeit zu gehen: Dort wartet der Ausgang, mein Fahrrad, der LERRY und ein gemütlicher Abend. Ich hinterlasse natürlich KEINE Spuren von mir innerhalb der Höhle. Dafür habe ich wunderbare Bilder ..!  


© 2025 Jürgen Sattler


Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Jürgen Sattler finden sich in unserer Autorenübersicht!