Cuneo / Südliches Piemont (29.09. - 05.10.17)

Heute räumen wir unser Basecamp in Salbertrand. Am Wochenende wird der Trubel im Susatal und auf den diversen Offroadstrecken stark zunehmen. Darauf können wir gut verzichten. Unser nächstes Ziel ist der Camping il Melo in Peveragno bei Cuneo. Kurz vor 12 Uhr rollen wir vom Platz und fahren erst einmal mautsparend auf der Landstraße in Richtung Turin.

Das superklare Wetter, das mich am Morgen noch kurz an die Jafferau-Straße denken ließ, trübt sich bereits in Susa ein. Aus der Poebene zieht mächtig viel Dunst das Tal herauf und der blaue Himmel ist schnell Geschichte. So wird der Abschied aus dem Susatal leichter und kurz vor Turin geht es dann wieder auf die Autobahn. Wir sind noch vor 15 Uhr in Peveragno und müssen tatsächlich auf die Einfahrt warten, da die Rezeption erst wieder Punkt 15 Uhr besetzt ist.

Der Platz ist klein und wir finden rasch einen passenden Stellplatz. Allerdings ist der Dunst zu einem dicken Hochnebel geworden und wir haben den Eindruck, dass es bereits dämmert. Bald ist alles aufgebaut und wir gehen zu Fuß für einen ersten Eindruck ins Dorf. Dort ist alles sehr provinziell und die Häuser sind zum Teil in schlechtem Zustand. Als wir uns dem Marktplatz nähern, sehen wir aber eine nette Konditorei und wir kaufen Brot und Süßkram. Die Biscotti sind gleich weggeputzt und schmecken super ...

Dann noch bei einem Metzger frische Mortadella gekauft und um die Ecke ein Käsespezialitätengeschäft geplündert, so kann man es aushalten! Den Käseladen mit der super freundlichen Bedienung würden wir am liebsten mit nach Hause nehmen. Zurück am Platz braten wir Kastanien, essen Piemontesischen Käse und trinken einheimischen Wein. Am Abend bellen rundherum zahllose Hunde wie verrückt und zwei Esel schreien immer wieder herzzerreisend ihr Lied ins Tal. Die Nacht bleibt dann aber doch sehr ruhig.

Andächtige Stille ... ... im Kartäuserkloster Alte Gemäuer ...

Der Morgen beginnt ebenso hochnebelig wie der Tag gestern zu Ende gegangen ist. Nach einem Frühstück beschließen wir die nähere Umgebung zu erkunden und fahren ins Pesiotal, das gleich beim Nachbarort südwärts führt. Kurz vor dem Ende des Tals befindet sich die Certosa die Pesio, ein Kartäuserkloster, das von Missionsmönchen betrieben wird. Das trübe Wetter und die alten Gemäuer zaubern eine ganz eigene Stimmung und versetzen uns in andächtige Stille.

Norwegisches Flair ...Später fahren wir zum Talschluss, wo ein Naturschutzgebiet mit diversen Wanderwegen angelegt ist. Wir entscheiden uns für einen halbstündigen Marsch zu einem Wasserfall, der mit fast norwegischem Flair auf Besucher wartet ...

Nach einer guten Stunde sind wir wieder beim Auto und fahren weiter nach Piozzo. Auf dem Weg sehen wir ein älteres Paar mit ihrem Fiat Panda am Straßenrand. Sie sammeln Kastanien und wir beschließen es ihnen gleich zu tun. Vorsichtig fragen wir, ob das denn kein Privatgelände sei und man hier sammeln darf. Wortreich erklären sie uns, dass man die heruntergefallenen Kastanien ja nicht einfach liegen lassen kann und dass wir ruhig welche nehmen sollen.

Kaum sind die beiden weggefahren und wir bücken uns nach den ersten Kastanien, als ein rostiger Fiat mit einer Vollbremsung neben uns zum Stehen kommt. Mit Schwung stürzt eine Bauersfrau auf uns zu, die uns mit wasserfallartigen italienischen Beschimpfungen überzieht: Ob das denn unser Land ist, fragt sie und ob wir das wohl dürfen ..?

Die Sache ist schnell geklärt, die Bäume sind natürlich Privatbesitz und wir entschuldigen uns so wortreich wie es unser spärliches Italienisch zulässt. Demütig lassen wir die aufgelesenen Kastanien wieder auf den Boden fallen. Wir fragen nach, ob wir die Kastanien auch kaufen können. Nach etwas Palaver landen wir bei ihr auf dem Bauernhof und bekommen ein gutes Kilo für 4 Euro. Immerhin werden wir mit "buon viaggio" freundlich verabschiedet. Dennoch bleibt ein fader Beigeschmack darüber, dass wir uns von den beiden Alten zum Narren halten ließen.

Jetzt geht es aber weiter nach Piozzo: In dem kleinen Ort auf einem Hügel im Tal des Tanaro (tolle Kreidehänge!) ist einmal im Jahr die "Fiera della Zucca", das Kürbisfest. Bereits am Fuß des Hügels müssen wir unser Auto auf einem großen Parkplatz stehen lassen und zu Fuß den Weg nach oben antreten. Die Besucher, die uns entgegenkommen, schleppen derweil kiloweise Kürbisse, meterlangen Lauch und andere Spezialitäten zum Parkplatz. Das Kürbisfest ist wirklich sehenswert und wir schaffen es nicht, alles anzuschauen.

Viele Touristen haben sich nicht hierher verlaufen und so bekommen wir einen guten Eindruck von Land und Leuten. Wir stärken uns mit einem typischen Kürbisrisotto und kaufen natürlich auch den berühmten und extra patentierten Risottokürbis aus Piozzo.

Fix und alle kommen wir um 18 Uhr zurück zum Platz und braten unsere frisch "gekauften" Kastanien. Dazu gibt es - wie sollte es anders sein - Wildschweinsalami, regionalen Käse und Wein ...

Eindruck von Land und Leuten ... ... beim Kürbisfest Fiera della Zucca
Diverse Spezialitäten ... Kürbisbrot ... ... und Kürbisgänse Kein Kürbiskäse!  

Am nächsten Tag ist der Himmel wieder mit einer zähen Hochnebeldecke überzogen: Mir geht das langsam auf die Nerven und ich schlage vor, Richtung Westen ins Sturatal zu fahren, um eventuell der Sonne entgegen zu kommen. Von Demonte aufwärts in Richtung Maira-Stura-Kammstraße kommen wir immer mehr in die Wolken und das Thermometer fällt auf 7°C. Wir sehen rein gar nichts vom Himmel und brauchen sogar ab und an den Scheibenwischer. Kurz vor dem Colle Valcavera kommen dann doch noch die ersten Sonnenstrahlen durch und verbreiten eine tolle Stimmung in diesem Hochtal.

Als wir am Pass auf die Maira-Stura-Kammstraße einbiegen, offenbart sich eine mit Nebelfetzen und sonnigen Stellen durchsetzte, fantastische Berglandschaft. (Über die Sperren an den Sommerwochenenden hatten wir uns im Voraus informiert. Ende September hatten wir somit auch am heutigen Sonntag freie Fahrt ).

Für die nächsten 14 Kilometer brauchen wir wieder mehrere Stunden, denn unzählige Fotos wollen geschossen werden ..!

Ab und an muss meine Beifahrerin zum Einweisen aussteigen, da die Straßenbreite durch Hangrutschungen und Geröll für unseren Land Rover etwas schmal geraten ist. Wieder haben wir es mit viel Geröll und zum Teil spitzen Steinen zu tun, so dass wir teilweise kaum über 10 km/h schnell sind. Am Colle del Preit erreichen wir die asphaltierte Straße und fahren zuerst nach Canosio hinunter, um dann über das Marmoratal wieder hinauf zum Colle Esichie zu gelangen.

Unterwegs mit Nebelfetzen und "Sonnenflecken" ... Ausreichend Schilderwald ... Freie Fahrt am Sonntag ..?
Immer entlang am Abgrund ... Imposante Durchfahrt ... Wann genau kommt hier immer der Gegenverkehr? Weiter Blick und unzählige Fotos
Durch Hangrutschen und Geröll ... Wenn schon kein Gegenverkehr ... ... dann wenigstens ein paar Wanderer! ;-))

Dort ist es extrem neblig und unser Weg ins Granatal beschert uns Sichtweiten, die nicht wirklich Spaß machen: Selbst vom malerischen, direkt neben der Straße liegenden Kloster San Magno ist rein gar nichts zu sehen. Erst gegen 18 Uhr sind wir wieder am Platz. Wir sind hundemüde, aber vollgepackt mit atemberaubenden Eindrücken ...

In der Nacht geht die Temperatur auf 11°C zurück, aber der Morgen beginnt wieder grau in grau. Allerdings scheint der Himmel etwas heller zu werden als gestern. Ein Blick auf das Wetterradar verheißt jedoch keine Wolkenlücken. Gegen 11 Uhr machen wir uns zu Fuß auf den Weg nach Peveragno. Wir brauchen Brot und Ricotta. Als wir im Ort ankommen, sind wir etwas überrascht: Es ist Markttag und rund um den kleinen Hauptplatz haben ein paar Stände aufgebaut. Neben Brot und Ricotta gibt es noch Gemüse, Obst und Kaninchenfleisch für uns. Heute Abend wollen wir ein Curry machen.

Am Nachmittag fahren wir ins nahe gelegene Cuneo, um die Altstadt zu erkunden: Wir sind mächtig überrascht, als wir auf den Hauptplatz kommen, der rundherum mit großen Laubengängen eingefasst ist.

In Cuneo ... Die Reiseleitung studiert den Stadtplan ...
Ein renovierter Palazzo neben dem anderen ... Klein-Turin ..?
Hauptachse der Altstadt und Fußgängerzone Läden konkurrieren ... Am Montag vieles geschlossen ...

Es kommt regelrecht Großstadtflair auf und wir fühlen uns, als wären wir in in Klein-Turin gelandet. Heute am Montag haben alle Museen geschlossen und auch sonst ist herzlich wenig los. Eine Bar und Pasticceria an der anderen konkurriert mit bekannten Läden der allgegenwärtigen Ketten. Die Via Roma ist die Hauptachse der Altstadt und eine Fußgängerzone. Hier reiht sich ein renovierter Palazzo an den anderen und wieder sind auf beiden Seiten lange Laubengänge angelegt. Allerdings in deutlich niedrigerer Art als am Hauptplatz in der Neustadt. Nach fast zwei Stunden haben wir genug und fahren wieder zurück zum Camping, um das Abendessen zu kochen. Gleich duftet es nach gebratenem Kaninchen und das Gemüse wartet fein geschnitten auf dem Tisch, um in ein schmackhaftes Curry verwandelt zu werden. Morgen soll es endlich sonniger werden und wir wollen dann die Gegend um Alba und Barolo erkunden ...

Am nächsten Morgen ist es genauso grau und trist, wie die Tage zuvor. Temperatur 14°C und Hochnebel in schickem "grigio-totale". Da hilft nur ein ausgedehntes Frühstück: Ziegenricotta mit selbstgemacher Marmelade, Lindenhonig, Piemonteser Käse, rote Weintrauben und verschiedene Sorten Brot vom lokalen Bäcker ...  


© 2018 Matthias Bernhard