Unterwegs im Südwesten ...

Als ich im Jahr 2008 zum ersten Mal hier war, gab es ca. 800.000 Touristen im Jahr. Jetzt sind es fast drei Millionen und das merkt man auch sehr deutlich. Eine riesige Tourismusindustrie ist hier mittlerweile entstanden. Trotz aller Nachteile hat das aber auch gemeinsam mit den Maßnahmen der Isländer dafür gesorgt, dass die Finanzkrise wirklich überwunden zu sein scheint. Die Isländer haben die kriminellen Verantwortlichen dafür nämlich einfach eingesperrt und die Banken nicht verstaatlicht, sondern bankrott gehen lassen. Damit haben dann all die blauäugigen und gierigen Anleger gezahlt, die offenbar nicht wussten, wohin mit dem vielen Geld und sich von den hohen Zinsen blenden ließen. Somit wurden nicht die Steuerzahler herangezogen wie im Rest Europas ...

Nach Silvester in Reykjavik fuhren wir mit dem Leihwagen in Richtung Vik: Ich wollte die Wasserfälle auf dem Weg dorthin wiedersehen und vielleicht das berühmte Flugzeugwrack im Sólheimarsandur noch einmal besuchen. Es war ein strahlend schöner Sonnentag und er bescherte uns Bilder in atemberaubendem Licht vom Skógafoss und auf die Halbinsel Dyrhólaey ...

"Grüner Troll" am Seljalandsfoss Skógafoss Dyrhólaey

Aus dem Besuch des Flugzeugwracks wurde allerdings diesmal nichts, denn vier Stunden Tageslicht sind eben nur vier Stunden. Am nächsten Tag fuhren wir zurück zum Gullfoss auf der N1 in einem extrem heftigen Schneesturm und hatten Glück, dass wir noch durchkamen, denn laut Aussage meines Kumpels wurde kurz hinter uns die Straße gesperrt.

Egal, geile Bilder waren im Kasten! Beim Seljalandsfoss war der Sturm schließlich vorbei und ich schaute mal, wie weit ich mit dem gemieteten Fiat 500 4x4 in Richtung Þórsmörk kommen würde. Ich war überrascht, wie weit das war, denn inzwischen hat man große Teile des Weges nach Þórsmörk asphaltiert und perfekt geschottert ...

Noch unterwegs bei bestem Wetter ... Schneesturm auf der N1 um 9:30 morgens

Die erste Flussdurchfahrt, an der ich umkehren musste, war viel weiter hinten im Tal als erwartet. Bei vielen Überquerungen vor dieser Stelle war das Flüsschen jetzt einfach in eine Stahlröhre gequetscht und Schotter darüber geschüttet worden. Auf diese Weise sind jetzt ehemalige Furten auch für die vielen Leihwagen befahrbar.

Eigentlich wollte ich zum Gigjökull und mir anschauen, wie es mittlerweile auch da aussieht. Dort gab es vor dem Ausbruch des Eyjafjallajökull eine wunderbare Gletscherlagune, die ich seit meinem Besuch im Jahr 2009 kannte (Bild unten rechts).

Beim Ausbruch des Vulkans kam durch den Gigjökull der Gletscherlauf herunter und mit ihm so viel Geröll, dass die Lagune vollständig mit Kies aufgefüllt wurde. Dieser Gegensatz beeindruckte mich damals sehr, denn die vom Ausbruch betroffene Landschaft rund um den Gigjökull, war zentimeterhoch mit Vulkanasche bedeckt und sah aus wie eine Mondlandschaft … völlig lebensfeindlich.

Ein Youtube-Video zeigt mit einer einer Timelaps-Aufnahme den Gletscherlauf an der Lagune fast aus der gleichen Perspektive wie die Aufnahme aus dem Jahr davor ...

Grün bahnt sich seinen Weg durch den Zement ... Gigjökull und Lagune im Jahr 2009

Vorher konnte man die Lagune als eher lieblich bezeichnen und nun war sie grau in grau im Schotter verschwunden. Die Vulkanasche des Eyjafjallajökull muss man sich vorstellen wie Zement: Die gleiche graue einheitliche Farbe und genauso fein wie Zementpulver und auch relativ schwer. Als wir damals nach Þórsmörk fuhren, um auf den Fimfördurhals zur Ausbruchsstelle hoch zu steigen, waren wir innerhalb weniger Minuten durch den Staubwind völlig grau im Gesicht. Sogar die Mechanik meines Kameraobjektivs streikte vor lauter Staub. Nicht nur der europäische Flugverkehr hatte ein Problem, sondern riesige Flächen waren im Jahr 2010 von der Asche bedeckt und für sämtliche Landwirte im Umkreis war das eine Katastrophe.

Das war erst einmal das Ende, denn jede Vegetation wurde darunter erstickt, zum Teil auch Hausdächer eingedrückt. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass die Asche ein sehr guter Dünger war … es hätte bei fluorhaltiger Asche auch ganz anders sein können. Das befürchteten viele und sahen große Landstriche vergiftet und tot. Bereits 2013 war ich schon im Sommer dort, also drei Jahre nach dem Ausbruch und man sah nicht eine Spur mehr von der Asche. Das Grün bahnte sich seinen Weg durch den Zement und wuchs wie wild ..!

Der Gullfoss im Eis ist noch viel beeindruckender als sonst schon: Wir waren auch an der kleinen Schlucht im Süden des Wasserfalls, durch die sich sein ganzes Wasser zwängt. Man glaubt es kaum, sie war meterdick zugefroren. Unter dem Eis musste also immer noch das gesamte Wasser des Gullfoss durch und die Schlucht ist eh schon eng ...

2000: Aufstieg am Eyjafjallajökull als nachhaltiges Erlebnis ... Weg nach Þórsmörk Unterhaltung unterwegs ...
Strukturen ... Am Gullfoss Schlucht ...

Am Tag danach war der Schneesturm wie weggeblasen (Achtung Wortspiel ) und der Strokkur wieder in ganzer Pracht sichtbar: Ich konnte ein tolles Bild im Gegenlicht erwischen, als er gerade eine Fontäne ausstieß. Island wird ja gern als das Land der Geysire bezeichnet. Dabei gibt es nur einen einzigen und das ist der Strokkur, ein paar hundert Meter neben dem inzwischen inaktiven Geysir gelegen. Der benachbarte Geysir selbst ist der Namensgeber aller heißen Springquellen dieser Welt, aber leider springt seit gut 80 Jahren dort gar nichts mehr. Zum Schluss gab es nur noch Eruptionen des Geysir, wenn man eimerweise Seife ins Loch kippte, um die Oberflächenspannung des Wasser herabzusetzen. Das löste ihn noch aus, aber von selbst tat sich nichts mehr.

Dies ist auch verständlich, wenn man sich vorstellt, wie aktiv der Untergrund ist: Jedes kleine Erdbeben kann die Wege des Wassers im Untergrund stark verändern und somit über das Vorhandensein von Geysiren oder heißen Quellen entscheiden. Es ist also nicht nur zu erwarten, dass bestehende verschwinden, sondern auch dass neue entstehen. Im Norden am Myvatn ist ein unterirdischer kleiner See, in dem ich vor Jahren noch baden konnte. Inzwischen ist er nach einem Erdbeben so heiß, dass man nur noch völlig gerötet und gut gesotten heraus kommen würde. Wie sagen die Isländer? Man steigt erst aus dem Hotpot, wenn man gut durchgegart ist und man wie bei den Schafen das Fleisch leicht von den Knochen schütteln kann ...

Strokkur Vereistes Gras in der Dampffahne ...

Beim Geysir war deutlich zu erkennen, dass ein Ende der "Tourismusfahnenstange" noch nicht erreicht ist: Überall im "Golden Circle" wird gebaut wie wild, die haben wohl noch sehr viel vor. Mein Kumpel hat viel amerikanische Kundschaft, laut seiner Aussage sind Flüge aus den USA so günstig, dass es sich für Amerikaner lohnt, übers Wochenende mal schnell nach Island zu fliegen. Amerikaner und Asiaten mit den unvermeidlichen und allgegenwärtigen Selfie Sticks sind überall zu sehen. Ebenfalls überall werden Touren mit fetten Allradlern angeboten, die Touristen für Snowmobil Touren auf die Gletscher bringen. Es ist auch ein alltägliches Bild geworden, dass Touristen für schöne Bilder mit ihren Leihwagen mitten auf der Straße einfach stehen bleiben. Die Isländer machen echt was mit derzeit ...

Bei Þingvellir sieht man nun auch Taucher: Es ist mittlerweile zum beliebten Areal für diesen Sport geworden, weil es hier in den Kontinentalspalten derart sauberes Wasser gibt, dass unter Wasser Sichtweiten bis zu 50 m bestehen ...

Zungenbrecher eher für Einheimische ... Englische Beschriftungen für Tourists: MAN KAT ...
Dämmerung in Þingvellir ... Nun auch Taucher unterwegs ... Links Amerika, rechts Europa ...

Überall an den Sehenswürdigkeiten gibt es inzwischen kostenpflichtige Parkplätze und Absperrungen, Asphaltierungen, Wege, Kioske und Toiletten. Krýsuvík war früher noch richtige Natur und ist jetzt teilweise asphaltiert mit Parkplatz. Von seiner Schönheit hat das viel gekostet, aber im Hinblick auf die Besucherzahlen haben die Isländer das offenbar "gut hingekriegt" ...

Ich habe hier auch eine Deutsche mit einem sehr frühen "Ninety" kennengelernt. Mein "One Ten" und der "Ninety" waren ja die erste Generation der schraubengefederten Land Rover nach den blattgefederten Serie-Modellen. Ab 1992 hießen sie dann Defender xxx mit dem jeweiligen Radstand in Zoll. Insofern erkannte ich den "Ninety" sofort als etwas Besonderes. Mit Kennerblick habe ich ihr natürlich gleich die Geschichte von der Restauration meines alten "One Ten" erzählt, da ihr Auto auch nicht mehr wirklich frisch aussah. Es war ein ehemaliger Leihwagen aus Akureyri, er stand das ganze Jahr auf der Insel und wurde von ihr nur gefahren, wenn sie da war. Ein toller alter Ninety Modelyear 1984. Einer von den ersten und damit nur ein Jahr jünger als meiner …

Krýsuvík Ninety in Krýsuvík
Blaue Lagune und ihr "Abwasser" ... Geothermie-Kraftwerk im Jahr 2009 "Grüner Troll" und sein Badezimmer ..?

Bevor wir nach Krýsuvík kamen, fuhren wir natürlich auch an der Blauen Lagune vorbei. Wir entschieden, nicht hinein zu gehen und es wäre auch kaum möglich gewesen: Sie war bereits für Tage ausverkauft, kostete stolze 61,- CHF (ca. 54,- EUR, Stand 11/18) Eintritt und war gerammelt voll mit Touristen. Früher gab es für Isländer Voucher in den Tageszeitungen, womit sie dann für 50% des Preises hinein konnten. Inzwischen rollt der Touristenrubel aber wohl so mächtig, dass die Betreiber das nicht mehr nötig haben, die "Badeanstalt" ist auch so nun immer bestens gefüllt. Ganz schön viel Geld, wenn man bedenkt, dass die Blaue Lagune ja auch nur das Abwasser des daneben liegenden Geothermie-Kraftwerks ist!

Vor der Blauen Lagune gibt es ein großes Lavafeld, das aus vielen Blasen und Höhlen gebildet wird: Die Blasen entstehen, wenn die flüssige Lava über feuchte Flächen fließt. Das Wasser verdampft unter der Lava und bildet mit seinem Druck die Höhlen, die manchmal beeindruckende Größen erreichen. Bei sehr großen Blasen (wie z.B. im Norden am Myvatn), die oben einstürzen, spricht man dann von Pseudokratern, weil sie aussehen wie Vulkane, aber keine sind. Kein Wunder, dass solche Felder voller Blasen für die Isländer oft die Wohnungen von Trollen und Elfen sind. Sie wissen genau, dass unter jedem Hügelchen eine Höhle ist und bezeichnen diese Lavafelder deshalb gerne als Elfenstädte ...


© 2019 Sigi Heider