Novembertage des Wandels ...

So war es am Anfang vom Ende, und so war es auch wieder am wirklichen Ende


November 2005: Sicher ist es kein Zufall, dass der November schon immer ein sehr harter Monat war für das Wrack der American Star, und noch härter wurde es offensichtlich während der letzten beiden Jahre ...

Während die Überreste der  American Star bis zum Jahr 2005 nahezu unverwundbar erschienen, da doch der Bug fast 10 Jahre lang in aufrechter Stellung den Gewalten der See getrotzt hatte, wurde das ab 2005 schlagartig anders. Wie schon in unserem Beitrag über den "Zahn der Zeit" und auch in der "normalen" fortlaufenden Historie des Wracks beim "Anfang vom Ende" dargestellt, vollzogen sich jeweils im November schlimme Veränderungen an der American Star.

Aber beginnen wir im Jahr 2005! Bisher hatten wir nur eines gewusst: Im November 2005 hatte das Wrack den "richtigen", nämlich den hinteren Schornstein verloren. Dieser hatte jahrelang am hinteren Teil der verbliebenen American Star den Naturgewalten aufrecht über der See thronend getrotzt und wurde bis zuletzt noch von übrig gebliebenen Pfeilern des Maschinenraums abgestützt. Manche der vielfältigen Sagen rund um das Wrack wollten diese Stützen gar dem Militär zusprechen, das sie angeblich dort angebracht haben sollte - nur ein Beispiel für die teils absurden Märchen, die sich fernab der Realität um das berühmte Wrack gerankt hatten ...              

Der Schock ist unvergessen: Sie war erstmalig gekippt ...

Doch diese Pfeiler waren das letzte gewesen, was vom ehemaligen Maschinenraum des Schiffes übrig geblieben war, wie Bill Lee´s Bericht über die Autopsie des Wracks zeigt. Nachdem sie endgültig ihren Dienst versagten, brach die gewaltige Bugsektion des Schiffes erstmalig seit Jahren in Richtung zur Seeseite zusammen - wir werden niemals vergessen, wie geschockt wir seinerzeit im November 2005 waren, als uns das obige "historische" Bild von Stephan Roth erreichte, der mit Besuchsdatum 07.11.05 lakonisch vermeldete: "Leider muss ich euch sagen, dass das Schiff nicht so gut "da steht". Es ist wohl ein paar Grad gekippt."

Drei Tage zuvor, am 04.11.05, hatte bereits Jens Schmidt Bilder vom neuen Zustand des Wracks gemacht, die wir ebenfalls veröffentlichten in unserer schon erwähnten Historie. Mittlerweile wissen wir genau, dass in der Zeit vom Nachmittag des 03.11.05 bis zum Vormittag des 04.11.05 der erste große Zusammenbruch der Bugsektion erfolgte (siehe dazu den 2. Nachtrag unten).

Aber wie ging es danach genau weiter? Bisher konnten wir berichten, dass bereits wenige Tage nach dem erschütternden obigen Bild der hintere Schornstein, jahrelang eine Art "Wahrzeichen" des Wracks, verschwunden war. Dies zeigen unsere seinerzeit veröffentlichten Fotos von Hans Lipp vom 19.11.05.

Doch nun wissen wir es noch genauer: Vor wenigen Tagen erreichte uns der Bericht von Carlo Feuser, einem deutschen Grenzschutzbeamten, der ohne es zu wissen ausgerechnet in diesen dramatischen Tagen rund um das Wrack vor Ort war, und das auch noch sowohl in der Luft als auch zu Lande. Wir bedanken uns für diesen weiteren Puzzlestein und die eindrucksvollen Fotos, die uns Carlo geliefert hat - die Geschichte des Verfalls kann nun noch genauer geschrieben werden ...


Ich bin seit 1979 beim Bundesgrenzschutz, jetzige Bundespolizei. Im Jahr 2005 war ich im Rahmen des Schengener Abkommens für 4 Wochen bei der spanischen Guardia Civil, hier wurde ich auf Fuerteventura eingesetzt. Im Rahmen der Streifentätigkeit mit einem Quad sah ich zum ersten Mal die American Star. Fasziniert von dem Wrack wurden die ersten Bilder geschossen. Erreicht haben wir die American Star über das Übungsgelände des spanischen Militärs.

Wenige Tage später war eine Streife mit dem Helikopter BO 105 angesagt. Bei sonnigem Wetter starteten wir von Flugplatz Puerto del Rosario in Richtung Süden. Vorbei an der südliche Spitze von Fuerteventura ging es im Tiefflug über die sagenumwobene Villa Winter in Richtung Ayui. Hier lag sie, die American Star. Während des Überfluges konnten Bilder gemacht werden.

Im nächsten Jahr geht es wieder nach Fuerteventura, mittlerweile waren es schon drei Mal, aber die American Star werde ich wohl so nicht mehr sehen.

Mit freundlichen Grüßen Feuser, Carlo

Carlo Feuser hat Fuerteventura Erfahrung: Verheiratet mit einer Spanierin und so natürlich auch spanisch sprechend war er bereits mehrfach auf der Insel - inzwischen als deutscher Grenzschutzbeamter dort unten vor Ort gut bekannt, nicht nur wegen seiner deutschen Uniform. Im so genannten Auslandspool der Bundespolizei war er auf Fuerte eingesetzt, um die spanischen Kollegen im täglichen Streifendienst zu unterstützen. 

Gemeinsam mit der Guardia Civil waren Hubschrauberflüge zu absolvieren, da die Ostküste Fuerteventuras täglich auf Anlandungen von Bootsflüchtlingen  aus Afrika hin abzusuchen ist, die sich ununterbrochen in Richtung der Hochburgen verlockender westlicher Zivilisation auf den Weg machen ...

Doch nicht nur mit dem Hubschrauber waren Carlo und seine Kollegen unterwegs - aufgrund seines Interesses an der American Star, die er durch unsere Webseite erstmalig kennen gelernt hatte, konnte er die Streife zu einem Ausflug an die Westküste bewegen, wo sie sonst nach Carlo´s Angaben nie hingekommen wäre. Auch unternahm er dabei, wie oben in seinem Kurzbericht erwähnt, eine "Bodenoperation" mit einem 6x6 Quad: Eine Streifenfahrt zur Playa de Garcey konnte so am 12.11.05 unternommen werden, bei der die Aufnahmen unten von einer Anhöhe aus gemacht wurden. 

Wie wir wissen, war zu diesem Zeitpunkt das Wrack erstmalig gerade ein paar Tage zur Seite gekippt - ein Sachverhalt, der den Streifenbeamten vor Ort zum Zeitpunkt ihrer Patrouille noch unbekannt war ...                     

Noch ist er dran ... Die American Star immer noch mit hinterem Schornstein ...
Carlo Feuser vor Ort mit der Guardia Civil ... Blick von der nahen Anhöhe auf das Gelände rund ums Wrack ...

Doch das allein noch nicht genug: Bereits drei Tage später, am 15.11.05, ist Carlo wieder vor Ort, diesmal im Hubschrauber der Guardia Civil, auch dieses Mal wissen die Insassen nicht, dass sich gerade Wesentliches getan hat am Wrack: Der hintere Schornstein ist soeben abgebrochen, was unbemerkt bleibt. Während der Runden über dem Schiff entstehen fantastische Fotos (siehe unten), die sehr genau die "frische" Bruchstelle am hinteren Teil des Wracks zeigen und die gewaltigen Zerstörungen, die der Verlust des "echten" Schornsteins verursacht hatte.

Und dank der packenden Bilddokumente von Carlo wissen wir es nun so genau wie noch nie zuvor. Dieser zweite wesentliche Zusammenbruch des Wracks ereignete sich innerhalb von höchstens 3 Tagen: Genau zwischen dem 12.11. und dem 15.11.05 ...           

Diesmal unterwegs im Helikopter ... Der "echte" Schornstein ist verschwunden ...

Die Zerstörungen sind gewaltig ...


November 2007: Fast genau zwei Jahre später - wieder schreiben wir November und wieder bahnt sich eine dramatische Veränderung am Wrack an, man kann wohl sagen, dass es diesmal wahrscheinlich die vorletzte ist ...

Am Nachmittag des 21.11.07 befinden sich Kim Ole Kay und seine Familie an der Playa de Garcey und sie können bei Ebbe großartige Fotos des Wracks machen (siehe unten), das zum Greifen nah vor ihnen zu liegen scheint. Der heftige Wellengang, der auf den Bildern erkennbar ist, veranlasste uns dazu, aus einer von Kim´s Bildserien eine Animation herzustellen ...

Hi,
ich verfolge von Zeit zu Zeit die Geschichte der American Star bei euch auf der Homepage und war auch schon mehrmals selbst vor Ort, das letzte Mal am 21.11.2007. Wir hatten Glück, denn das Wasser war sehr niedrig, so dass man sehr nah ans Wrack heran kam. In jedem Fall war am 21.11. (kurz nach 17 Uhr Ortszeit) der Mast definitiv noch vorhanden. ...

Wir sind am 21. ein wenig über die Insel (und zum Abschluß zum Wrack) gefahren, weil zu wenig Wind zum Kitesurfen war. Am nächsten Tag war ein wenig mehr Wind, aber stürmisch war es nicht und auch ansonsten war das Wetter gut (sonnig und warm). ... Der Wellengang war (für die allg. gute Wetterlage) für mein Empfinden recht stark und durch den extrem niedrigen Wasserstand sind die Wellen immer mit recht großer Wucht gegen das Wrack geschlagen. ... Mir war vor Ort schon aufgefallen, dass am hinteren Ende des Wracks (ganz links auf den Fotos) deutlich Bewegung an dem freistehenden Teil des aus dem Wasser ragenden Rumpfes zu verzeichnen war, aber es "federte" immer wieder zurück im Takt der Wellen ...              

Sonniger Nachmittag ....

... das Wrack scheinbar zum Greifen nah ...

Auffällig: Hoher Wellengang ... Wieder einmal ein Anfang vom Ende ...

 Am Vormittag des nächsten Tages, am 22.11.07, befindet sich unser Leser Peter Schmolke ebenfalls an der Playa de Garcey: Er weiß in seiner Mail von schlechtem Wetter in der Nacht davor zu berichten. Der Zeitraum vom 20.11.- 27.11.07 wird von Urlaubern in Foren später als "kanarischer Winter" bezeichnet werden ...

Hallo Jürgen, 
in der Nacht vom 21. zum 22.11.07 war ein starker Sturm mit viel Regen (erster Regen seit einem halben Jahr). Die Zufahrt zum Strand war total weggespült. Auch für einen Jeep, glaube ich nicht befahrbar. Direkt vor dem eigentlichen Strand war ein großer See ...

Das wirklich Erstaunliche auf Peters Bildern: Das hintere Bruchstück des Wracks hat sich in der Nacht vom 21.11.07 zum 22.11.07 auf die Seite geneigt und der letzte Mast ist verschwunden (siehe unten) - nur noch die aus militärischen Gründen verstärkte Bugpartie des Schiffes ragt nun noch einigermaßen sichtbar aus dem Wasser - wie lange noch? Erstmals können wir damit einen weiteren wesentlichen Zusammenbruch des verbliebenen Wracks auf den Tag genau bestimmen ...           


Anmerkung der Red.: Während wir die letzte entscheidende Veränderung des Wracks und den ersten großen Zusammenbruch der Bugsektion (siehe 2. Nachtrag unten) nun mittlerweile taggenau bestimmen können, haben wir rund um den Abbruch des hinteren Schornsteins ebenfalls im November 05 auch nach Carlo Feuser´s Bericht noch eine Bandbreite von 3 Tagen. Deshalb möchten wir alle Leser aufrufen, die im Zeitraum vom 12.11.05 - 15.11.05 Fotos vom Wrack gemacht haben, sich mit uns in Verbindung zu setzen: Vielleicht können wir ja auch dieses Rätsel noch gemeinsam und endgültig lösen ..!       


1. Nachtrag, Januar ´08: Abbruch des hinteren Schornsteins - wir grenzen weiter ein ...

Nur wenige Tage vergingen, bis uns die erste Lesermail zu unserem American Star Puzzle erreichte: Thomas Kattau schickte uns Bilder vom 13.11.05, und auch auf diesen ist der hintere Schornstein noch vorhanden. Und was man auf Carlo´s Bildern nicht ganz so deutlich sieht: Der Ausleger des linken Ladebaums hängt bereits über zur Seeseite.

Nun wissen wir es also genauer: Der hintere Schornstein samt großer Teile der Aufbauten verschwanden in den zwei Tagen vom 13.11.05 bis zum 15.11.05 - also nur 10 Tage nach dem ersten großen Zusammenbruch der Bugsektion (siehe unten) ...

Immer noch da ... ... der hintere Schornstein am 13.11.05 ...

Hallo,
ich habe auf eurer Homepage im Kapitel "Novembertage des Wandels" euren Aufruf gelesen Fotos vom Nov. 2005 zu senden.

Meine Frau und ich waren am 13.11.2005 bei der American Star. Wie man auf den Bildern erkennen kann, war es ziemlich stürmisch und soweit ich es beurteilen kann war der angesprochene hintere "echte" Schornstein an diesem Tag noch vorhanden. Vielleicht konnte ich euch helfen. Würde mich freuen wenn ich durch meine Bilder etwas zu eurer tollen Homepage beitragen könnte.

 Gruss Thomas Kattau


2. Nachtrag, April ´08: Datum vom Zusammenbruch der Bugsektion jetzt auch bekannt!

Leser Georg Jacobi, eigentlich damals noch kein "Fan" des Schiffes, sondern mehr zufällig aufgrund eines Tipps zur Playa de Garcey gelangt, überraschte uns mit einem sehr schönen Video vom 03.11.2005. Was er zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht wusste: Er hatte "historische" Aufnahmen gemacht ...

... Wir sind (noch) gar nicht so Amstar-"Fans"; wir kamen fast zufällig aufgrund eines Tipps zur Playa de Garcey, da wir viele landschaftlich wilde und einsame (und damit typische) Ecken von Fuerteventura erkunden wollten. Doch der Anblick des Wracks und seines Zerfalls, der vor dem inneren Auge sofort Geschichten aus dem Leben dieses Luxusliners evoziert, hat uns sehr beeindruckt ...

Auch Georgs Partnerin hatte Bilder vom Wrack aufgenommen, und das Kameradatum der Bilder belegte genau wie die Tagebuchaufzeichnungen von Georg die Sensation, die wir ihnen erst mitteilten: Beide waren an diesem Donnerstag noch gegen 17:00 Uhr vor Ort und wussten zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht, was sich in den nächsten Stunden bis zum Vormittag des Folgetages hier abspielen würde: Der erste große Zusammenbruch der Bugsektion der American Star nach nun mehr als 10 Jahren.

Sicherlich hätte jeder Eingeweihte, der dieses bevorstehende Ereignis an jenem Nachmittag geahnt hätte, die Nacht an der Playa de Garcey verbracht ...

Auch Jens Schmidt wusste noch nichts von diesem Ereignis, nämlich dem gerade erfolgten Zusammenbruch des Wracks in der Nacht vom 03.11.05 auf den 04.11.05, als er am Vormittag des 04.11.05 am Strand erschien - erst einige Tage später sandte er uns seine Bilder ...  

Gerd Jacobi wusste nicht, dass es bald krachen würde ...

Aber am nächsten Tag war der Zusammenbruch sichtbar ...


© 2008 Explorer Magazin, Bilder 2005: Stephan Roth, Carlo Feuser, Thomas Kattau, Jens Schmidt, Georg Jacobi
Bilder 2007: Kim Ole Kay, Peter Schmolke