Wrackbesuch: Der Zahn der Zeit ...


Wer kann sie zählen, die geheimnisvollen Geschichten, die Gerüchte und die Fragen, die sich um die American Star ranken?

Warum lief sie wirklich auf an der Playa de Garcey im Jahre 1994, wer war damals tatsächlich an Bord, wer plünderte das Wrack später am intensivsten, wie viele Menschen kamen ums Leben im Zusammenhang mit dem Wrack seit dessen Auflaufen, was hatte es auf sich mit den merkwürdigen Stützen, die das Phantom hinten jahrelang stabil hielten, waren sie konstruktionsbedingt oder von jemandem angelegt, gab es etwa zusätzlich vom Militär angebrachte Stützen usw. usw.?

So oder ähnlich lauten die abstrusen Gerüchte und Fragen, mit denen wir ständig konfrontiert werden, und eine Frage, die sehr oft gestellt wird, lautet: Was geschah tatsächlich mit dem Heck des Wracks, warum ist es derart spurlos verschwunden? Wurde es vom Militär bombardiert? Oder liegt es gar vor Lanzarote, ist es inzwischen ein Restaurant vor Kreta oder hat man es zerstört, damit die Besucher abgeschreckt werden und nicht mehr herüber schwimmen ..?

Kurz nach dem Auflaufen: Brecher bei Westwind drücken das Heck zur Seite ... ... das schon bald in sich zusammenbricht ...

Nun, in Hinblick auf einige Fragen und Gerüchte werden wir wohl niemals eine "wissenschaftlich" überprüfbare Antwort erhalten, das Wrack wird einige seiner Geheimnisse mit ins nasse Seegrab vor der Playa de Garcey nehmen, aber vieles können wir mittlerweile sicherlich klar beantworten (Siehe auch hierzu unseren Sonderbeitrag von Bill Lee: Eine "Autopsie" durch die See).

So war das Wrack der American Star wohl unstrittig Gegenstand einiger Schießübungen des Militärs, allerdings kann man wohl kaum davon ausgehen, dass dies der Grund war, warum heute faktisch nichts mehr zu erkennen ist vom hinteren Teil des Schiffes.

Reste des Hecks noch zu erkennen ...Wie wir schon im ersten Teil unseres Berichts geschrieben haben und insbesondere auch im obigen Beitrag von Bill genau analysiert wird, rollte das Heckteil in den folgenden zwei Jahren nach dem Auflaufen auf die Backbordseite und wurde von niemandem entfernt, sondern im Laufe der Zeit von Wind, Wellen und Gezeiten zerstört.

Der Zahn der Zeit und die erbarmungslos und unaufhörlich anbrandende See leisteten hier (insbesondere bei Westwind in Anbetracht des zuletzt quer dazu stehenden Heckteils) ganze Arbeit. Und auch wenn es noch so erstaunlich ist, dass heute (nahezu) nichts mehr übrig ist vom Heck (siehe erkennbare Reste rechts auf dem Luftbild im dunklen Bereich hinter dem Wrack und insbesondere im 14. Nachtrag vom Oktober 2006), so ist die Gewalt der See doch nicht zu unterschätzen: Dies wird jedem deutlich, der einmal ein bis zwei Tage lang beobachtet, was sich hier während einsetzender Flut selbst bei verhältnismäßig schwachem Wind abspielt ...

Auch Wolfgang Peter, ehemals "Fuertewolf", den wir ebenfalls bereits im ersten Teil erwähnten, mailte uns wieder etwas zur Geschichte des Wracks und insbesondere des Hecks:

Im jahr 1994 ist das schiff nach der strandung in zwei stücke gebrochen (Anm. der Red.: siehe Foto oben links). Danach hat sich der hintere teil bei heftigem sturm zur seite bewegt (siehe Foto oben rechts aus der Cafeteria El Naufragio) und ist wie ein kartenhaus in sich zusammen gefallen. Man konnte die reste bei ruhiger see und ebbe sehen. Das meer ist hinter dem schiff recht tief und man sagte mir mal, der hintere teil war ohne den stabilen motorraum sehr schwach.

Das loch im vorderen kamin (siehe Foto unten links) wurde von einem soldaten mit einer bazooka geschossen. Ich kenne ihn, er wohnt in gran tarajal  und war damals zum manöver eingezogen worden.

Gruss von lanzarote, bis bald wolfgang. 

Typisches militärisches Ziel: Schießübung auf den Kamin ... Das "Zerfalls-Puzzle" bis Mitte 2005 ...

Ebenfalls im ersten Teil hatten wir unser "American Star Zerfalls-Puzzle" bis ca. Mitte 2005 (siehe Bild oben rechts) gezeigt, das nun jedoch nicht mehr ausreicht zur Darstellung des fortschreitenden Untergangs des Wracks. Der Zahn der Zeit hat gegen Ende des Jahres 2005 unerbittlich und ganz plötzlich zugeschlagen, wie nie während der letzten Jahre, in der das Vorderteil der American Star die Bucht beherrschte.

Unsere Bilddokumentation unten verdeutlicht sehr gut, wie sehr sich das Wrack veränderte im Vergleich zum Oktober 2004 (siehe unten und auch Luftbild oben), wo das Schiff noch gezeigt wird, wie es lange Jahre an der Playa de Garcey lag.

Im November 2005 erfolgte dann ein schlagartiger mehrstufiger Zusammenbruch, der gegen Ende des selben Monats mit dem Tropensturm "Delta" seinen bisherigen traurigen Höhepunkt fand ...

Lange Jahre vertrautes Bild: Die "American Star" im Herbst 2004

Schock 11/05: Das Wrack ist eingebrochen und zur Seite gekippt ...

Bald darauf: Kamin und hinteres Deck weggebrochen ...

Tropensturm "Delta" beginnt mit dem weiteren Abbruch ...

02/06 beim Besuch des Explorer Teams: Das Wrack nun merklich verkürzt ...

Anfang November 2005 kam die schockierende Meldung: Das Schiff ist gekippt! (Siehe 2. Bild von oben, 11/2005). Während anfangs noch einige Tage lang der Schornstein auch in dieser Position hielt, brach er dann doch mitsamt eines großen Deckbereichs einfach weg (3. Bild von oben, 11/2005). Der Tropensturm "Delta" zerrte dann weiter am Wrack (4. Bild von oben, 11/2005) und kurz darauf war dann auch ein weiterer Teil der Rückseite verschwunden (Bild 02/2006 von unserem letzten Besuch).

Die beiden Vergleichsbilder unten vom hinteren Teil des Wracks, die nur wenige Wochen auseinander liegen, zeigen, dass nun der fortschreitende Zusammenbruch wohl kaum noch aufzuhalten ist ...

Nur kurze Zeit noch ein Blechphantom: Das "Heck" vom Bugteil ...

Da das Wrack nun auf seiner Backbordseite zur See hin gekippt ist, kann mittlerweile jeder Brecher ungehindert auf Deck rollen, was bereits bei jeder normalen Flut mit größter Gewalt geschieht. Als Folge ist in kurzer Zeit nun auch ein Teil des Brückendecks auf der Seeseite heraus gebrochen (siehe Pfeil rechts im Bild unten).

Noch sind sie da, die drei markanten Masten auf dem Vorderschiff - sie trotzen aufgrund ihrer guten Abspannung mit Drahtseilen auch bei der erheblichen Schieflage des Wracks noch allen Belastungen durch Sturm und Seegang (Stand Februar 2006), doch all zu lange sollten wir nicht mehr damit rechnen. Ebenfalls noch sichtbar: Eine der beiden Antriebsschrauben, die während unseres Besuchs immer noch auf dem Vordeck des Schiffs lag (Pfeil links unten).

Wenn man bedenkt, dass das Schicksal des Hecks in ähnlicher Schräglage nach nur insgesamt zwei Jahren endgültig besiegelt war (siehe oben), dann kann man sich ausmalen, wie lange es nun noch dauern mag ...

Seeseitige Zerstörung: Das Brückendeck fast schon weg ... Und noch ein ganzes Abbild des Desasters ...

© 2006 J. de Haas, Bilder Explorer Magazin, Alexander Barczyk, Jan Liska, Stephan Roth, Hans und Natalie Lipp, Eva Walder, Antonio. Bilder mit Heckteil Wolfgang Peter ("Fuertewolf"), Cafeteria El Naufragio, Luftbild: Kristina