Wracksuche: Die "Rose of Sharon" ...

"Da gab es doch auch ein `viertes´ Wrack, oder ..?"


Gruseln im Süden ...Februar 2004: Wir sind auf dem Rückweg aus dem Süden. Wer nach vielen Jahren hier zum ersten Mal wieder her fährt, kann das Gruseln lernen - die "Gran Canariasierung" Fuerteventuras kann wohl kaum in einer Region besser beobachtet werden als hier. Von der Costa Calma bis Morro Jable zieht sich eine nicht enden wollende Reihe von Betonsilos und hässlichen Asphaltbahnen entlang - Jandia Playa ist heute ein geeignetes Symbol für ungebremst und krebsartig wuchernden Tourismus ...

Hier im Süden ist nichts mehr davon zu finden: Nein, diesmal meinen wir nicht den natürlichen Charakter, den sich diese Insel noch bis in die achtziger Jahre selbst in dieser Region bewahrt hatte, diesmal meinen wir die Reste des "vierten" Wracks der Insel, das eigentlich ihr zweites war.

In den Jahren 1986 bis 2003 konnte man an dieser Stelle die Rose of Sharon finden, ein vielen Touristen des Südens bekanntes Wrack, das anfangs noch durch seine beiden weithin sichtbaren Masten am Strand auffiel, selbst wenn man nur auf der Straße entlang fuhr - ein Schiff, das zwar Jahre später als die Jucar an der Küste der Insel auflief, aber bereits lange vor der American Star und erst recht vor der Massira I ganz im Norden. Somit ist die Rose of Sharon also nicht das vierte, sondern eigentlich das zweite Wrack der Insel.

Zwar ist sie das einzige Holzschiff unter den vieren (), aber das rechtfertigt natürlich in keiner Weise, sie in unserer Geschichte der Wracks von Fuerteventura nicht zu erwähnen. Da mittlerweile eine ganze Reihe von Lesern nach ihr gefragt haben, wollen wir uns nun auch mit diesem Schiff etwas näher befassen.

Fährt man von Morro Jable kommend nach Norden an der Jandia Playa entlang, ereicht man zunächst den Westteil der Playa del Matorral, der dicht bebaut ist und in gnadenloser Schönfärberei von örtlichen Publikationen lediglich als "relativ belebt" bezeichnet wird. In Richtung Osten wird es "relativ" ruhiger und wir erreichen die Region, in der sich bis März 2003 die Reste der Rose of Sharon befanden (siehe Karte unten links).

Mit Hilfe von Google Earth können wir uns problemlos ein Bild der Lage machen (unten rechts), das auch verblüffend übereinstimmt mit den Fotos, die uns zur Verfügung stehen ...

An der östlichen Playa del Matorral ... So sieht es Google beim Anflug ...

Gerüchte und "Informationen" finden sich etliche im Internet, wenn man heutzutage die Rose of Sharon sucht: Da gibt es z.B. eine Kanarenseite, die weiß, dass hier "der in den 30er Jahren in Deutschland gebaute Schoner »Rose of Sharon«" lag oder aber den Bericht, der die Rose - ebenso wie die Jucar - als "hässlichen Metallklumpen im Meer" beschreibt - mit anderen Worten, wir finden die übliche Mischung aus Wahrheiten, Spekulationen, Märchen und Humbug ...

Kurzer Bericht: Yacht, 14/6, Jahrgang 1990 ...Doch es ist klar: Auch in diesem Fall, wie schon bei der Massira I, der Jucar und auch der American Star, bleibt vieles im Dunkeln, wenn man heute die Geschichte des Wracks nachträglich aufrollen will.

Wir schauen uns dazu zunächst eine kurze Meldung in der Zeitschrift Yacht Nr. 14 des Jahrgangs 1990 an. Unter dem Titel "Das Ende einer Yacht" finden wir die folgende Nachricht:

"Jetzt kommt die Rettung für den englischen Toppsegelschoner `Rose of Sharon´, der 1986 auf Fuerteventura (Spanien) gestrandet ist, zu spät. Dabei haben sich nicht nur Crew und Eigner, sondern auch viele andere Segler Gedanken über die Bergung gemacht. Die Strandung an der Ostküste der Kanarischen Insel hatte das 37 Meter lange Schiff relativ gut überstanden. Es wurde erst ein Jahr später von riesigen Atlantikwellen auf den Strand gehoben und von der Brandung langsam in den Sand gegraben. So begann der unaufhaltsame Untergang der `Rose of Sharon´. Heute ist der Schoner nur noch ein von Wind und Wellen zerschlagenes Wrack."

Soviel zu der Meldung in der Zeitschrift Yacht, in der sich bereits im Jahr 1976 sechsmal Anzeigen finden, die die Rose of Sharon betreffen - ein Indiz für heftige Aktivitäten in Sachen Eignerwechsel.

Die neuen Eigner sind es dann wohl auch, die schließlich vor Fuerteventura mit dem Schoner auflaufen: Und um einen solchen handelt es sich bei der Rose of Sharon, also um ein Segelschiff mit zwei Masten, bei dem hier der vordere kleiner ist als der hintere. Wie wir insbesondere auf den frühen Fotos des Schiffs erkennen können, ist es ein so genannter "Rahschoner", da die Masten (quer verlaufende) Rahtopps führen. Aus diesem Grund kann die Rose of Sharon alternativ auch als "Toppsegelschoner" bezeichnet werden, wie dies im obigen Artikel der Yacht der Fall ist.

Doch was geschah nun tatsächlich damals? Hans-Jürgen Mey berichtet dazu, der uns die Bilder vom "Tag danach" zur Verfügung stellte, die vermutlich im Jahr 1986 von Bernhard und Martha Meinke aufgenommen wurden (genaues Datum unbekannt). Die Crew aus Norddeutschland soll seinerzeit nicht unbedingt den Eindruck erweckt haben, all zu viel von der "christlichen Seefahrt" zu verstehen. Angabegemäß wurde zunächst versucht, das Schiff zu leichtern, wobei Treibstoff abgepumpt und alle schweren Ausrüstungsgegenstände von Bord geholt wurden, was mit einem Radlader geschah. Abends soll dann eine Fete am Strand organisiert worden sein, um Geld für das Flottmachen des Schiffes zusammen zu bekommen ...

An Land und am Ende: Die "Rose of Sharon" ...

Wenn dieser Ablauf zutrifft, war zu diesem Zeitpunkt allerdings eh nichts mehr zu retten: Von Land aus war keine Hilfe möglich, und eine Bergung zur Seeseite hin hätte den Einsatz von Hochseeschleppern bei Hochwasser erfordert, und die hätten erst einmal von weit her anreisen müssen - zu entsprechend hohen Kosten. Nach Meinung von Hans-Jürgen war das Todesurteil für das Schiff bereits mit dem ersten Landkontakt unterschrieben: "Was der Sand erst mal gepackt hat, gibt er normalerweise nicht mehr frei. Das weiß jeder halbwegs erfahrene Skipper."

Die letzten Bilder mit beiden Masten ...Nachdem die Rose of Sharon tatsächlich nicht mehr zu retten ist, schreitet der Zerfall des Holzschiffes zunächst einmal schnell voran: Britta Schaa, langjährige Fuerteventura-Reisende und Übersetzerin unserer englischen American Star-Seite, sieht das Wrack zum ersten Mal im November/Dezember 1987: Achtern ist der Schoner nun bereits teilweise im Sand versunken und Teile sind heraus gebrochen. Die Bilder von Britta gehören zu den letzten, die das Schiff noch mit beiden intakten Masten zeigen (für Großbild auf Bild rechts klicken).

Bereits Anfang der neunziger Jahren zerfällt das Wrack vollständig: Wieder sind Bernhard und Martha Meinke auf ihrer Lieblingsinsel vor Ort, als sie das Wrack erneut besuchen und das Bild unten entsteht: Charakteristisch für diese Zeit ist der abgeknickte vordere Mast (Fockmast) und der bereits verschwundene hintere Mast (Großmast).

Dieses Bild der Rose of Sharon findet sich in etlichen Publikationen weltweit, darunter auch im oben erwähnten Artikel der Zeitschrift Yacht des Jahrgangs 1990.

Im Hintergrund des Meinke-Fotos unten, entstanden Jahre nach der Strandung der Rose of Sharon, zeigt sich auch Anfang der neunziger Jahre immer noch eine weitgehend unverbaute Landschaft - von den heute dort beherrschenden Betonklötzen der Ibero-Hotels ahnt man zu dieser Zeit noch nichts ...

Im weiteren Verlauf der neunziger Jahre verschwindet auch der abgeknickte Fockmast und das Wrack wandelt sich zum beliebten Kinderspielplatz: Auf den Bildern unten von Ute Wildschütz mit spielenden Kindern aus den Jahren 1993 bis 1998 ist dies sehr gut festgehalten. Jemand hat die Reste in der Zwischenzeit umgetauft: In weißer Farbe prangt nun CUXHAVEN an der Seite (siehe Bild unten rechts) - ein Hinweis auf vergangene Geschichten ..?

Der Rumpf des einst 37 Meter langen Schiffes ist nun nur noch in Bruchstücken vorhanden und die seitliche Beplankung fehlt bereits zu wesentlichen Teilen. Ute erinnert sich: "Für die Kinder war es immer ein toller Spielplatz, aber wenn die Flut sich zurückzog musste man immer aufpassen, da war es dann ganz schön glitschig ..."

Fockmast noch vorhanden ...

Beliebter Kinderspielplatz ...
"Umgetauft" in Cuxhaven ...
Abenteuerspielplatz bei Ebbe ...

Die letzten Reste der Rose of Sharon hielten sich trotz Wind und Wellen und der Tatsache, dass hier "nur" ein Holzschiff verrottete, noch relativ lange: Wenngleich auch der Zerfall recht früh einsetzte, waren die Reste des Rumpfes auch noch zu Beginn des neuen Jahrtausends an der mittlerweile von Touristen überschwemmten Ostküste der Jandia Playa zu sehen. Zu den letzten Bildern, die den Rumpfrest relativ "komplett" zeigen, gehören die von Günter Gollem (Bild unten links) und Frank Grüber (auf Bild unten rechts klicken): Sie fotografieren das Wrack noch einmal recht eindrucksvoll am nahezu leeren Strand - wir schreiben mittlerweile Ende des Jahres 2002 ...

Die letzten Bilder ... ... das Wrack im November 2002 ...

Danach verliert sich die Spur der Rose of Sharon im Sand der Jandia Playa: Bis zum März 2003 ist sie hier noch zu sehen, dann ist sie weg. Wer sie wann genau endgültig zerlegt und beseitigt hat, wissen wir trotz laufender weiterer Recherchen bis heute noch nicht genau - aber dass es nicht allein Wind und Wellen zuzuschreiben ist, dass die hölzernen Reste nun nicht mehr da sind, ist doch recht wahrscheinlich ...


1. Nachtrag, März ´07: Weitere Dokumente des Zerfalls ...

Leser Thomas Boscheinen meldete sich mit Bildern aus der Zeit recht kurz vor dem endgültigen Verschwinden der Wrackreste - dem Jahr 2001. Und die Stimmung des Zerfalls ist wohl gut getroffen ...

Ich habe Ihnen einige Fotos aus 2001 beigefügt. Sie sind leider noch nicht digital, sondern aus dem Fotoalbum abgescannt. Zu erkennen ist die Isolierung mit bituminierten Styroporplatten. Vorhanden war noch teilweise die weiß lackierte Holzinnenverkleidung und Elektrik. 2005 waren noch einige Bruchstücke aus der Decksbeplankung am Strand zu finden. Dieses Jahr war der Ort völlig leer.

Mit Grüßen
Thomas Boscheinen

Zerfall ...
Unter Deck ...

2. Nachtrag, September ´13: Noch mehr Erinnerungen ...

Leser Udo Filz war mehr oder weniger zufällig auf unsere "Wrackseite" gestoßen und hatte mit Interesse auch den Bericht über die Rose of Sharon gelesen:

Ich kann mich noch sehr gut an das Wrack erinnern und habe noch diese Bilder gemacht, damals mit Dias. Der Scan ist leider nicht so berauschend, aber vielleicht können Sie die Bilder verwerten. Aufnahmezeitpunkt: November 1987.

Aber klar, lieber Udo Filz, hier sind zwei der damaligen Dias:

Wieder November ... Diesmal im Jahr 1987 ...

3. Nachtrag, Juli ´22: Abgetaucht und aufgetaucht ...

Im Juli ´22 erreichte uns eine Mail von Maik Hollmann, in der er vermutete, das Wrack der Rose of Sharon etwa 30 Meter vom Strand entfernt im Wasser bei einem Schnorchel-Ausflug gefunden zu haben. Und diese Vermutung traf tatsächlich zu, wie sein Video beweist ...

Wrackstelle Dezember 2000 Wrackstelle März 2007 Wrackstelle Juli 2017

Wir haben uns daraufhin mit Google Earth diesen Strandabschnitt im Laufe der Jahrzehnte etwas genauer angeschaut (Ausschnitte oben) und sind dabei u.a. auf Bilder aus den Jahren 2000, 2007 sowie 2017 gestoßen, die zunächst noch das deutlich erkennbare Wrack zeigen (Dezember 2000) sowie später in den Monaten März 2007 und Juli 2017 zumindest noch offensichtliche Trümmerteile vor dem aktuellen Strand. Wie man sieht, holt sich das Meer langsam aber sicher Teile des Strandes zurück und hat dabei auch die Reste der Rose of Sharon verschlungen.

Zur genauen Stelle, an der das Video von Maik entstanden ist, hat er uns ebenfalls einen Google Earth Ausschnitt geschickt, der auch den Stand Juli 2017 zeigt, aber noch mit entsprechender Markierung versehen ist und auch die dort in der Nähe befindlichen Anlagen und Gebäude enthält (Bild unten links). Die Geschichte seiner "Entdeckung" hat uns Maik auch noch gleich mitgeliefert und uns damit auf den aktuellen Informationsstand in Sachen Rose of Sharon gebracht.

Lieber Maik, vielen Dank für deine netten Zeilen und natürlich das Video und wir wünschen dir auch bei den weiteren geplanten Entdeckungen viel Erfolg. Und selbstverständlich werden wir auch gerne weiter darüber berichten!


"Nach den Jahren der Reisebeschränkungen lag wieder ein Familienurlaub an. Meine Freundin und ich haben lange überlegt, wo es hin gehen soll: Ich wollte meinen Tauchschein machen und meine Freundin wollte Sonne und Strand. Nun war meine erste Wahl Ägypten, wegen dem Tauchen. Ich wurde aber überstimmt und so ging es für uns alle zum ersten Mal nach Fuerte.

Nach dem erfolgreichen Abschluss des Tauchscheins war für alle Familienzeit angesagt und wir sind zum Strand gegangen, der direkt vor unserem Hotel liegt. Die Zeit einer Ruhephase unserer zwei Kinder nutzten meine Freundin und ich, um den Strand weiter in nördlicher Richtung zu erkunden, wo uns auf dem Rückweg ein dunkler Fleck an der Wasseroberfläche aufgefallen war. Es musste dort also ein anderer Untergrund als Sand sein.

Die GoPro und die Schnorchelmaske, welche wir zum Fische beobachten und filmen dabei hatten, waren dann schnell geholt und startklar gemacht. Das Ergebnis ist das übermittelte Video vom 15. Juli. Da es leider nicht möglich war, irgendwo Flossen aufzutreiben, ist es bei diesem Video geblieben. Auch ein weiterer Besuch des Wracks am Folgetag war wegen des starken Wellengangs leider nicht möglich. Und am 17. Juli folgte dann bereits der Tag unserer Abreise ...

Ich wusste bis zum Zeitpunkt der "Neuentdeckung“ von keinem Wrack auf  Fuerte. Mein Interesse lag ausschließlich bei den dort lebenden Fischen. Die Vermutung hinsichtlich des Wracks war das Ergebnis von anschließenden Recherchen. Bei genau diesen Recherchen bin ich über euer Explorer Magazin "gestolpert", wo ich auch die umfangreichsten Informationen erhalten habe. Das ist auch der Grund für die Kontaktaufnahme gewesen. Wer sich so viel Mühe macht und so umfassend informiert, dem liegt die Geschichte der "Rose" wohl am Herzen.

Abschließend bleibt nur zu sagen, dass wir zwar das erste, aber nicht das letzte Mal auf Fuerte gewesen sind. Ich hoffe auf ein Wiedersehen mit der "Rose" im nächsten Jahr. Dann aber mit geeignetem Equipment ..."

Abgetaucht: Die "Rose of Sharon" ...

Start: Auf das Video klicken (© Maik Hollmann)


© 2006-2022 Explorer Magazin, Fotos: Bernhard Meinke, Britta Schaa, Ute Wildschütz, Günter Gollem, Frank Grüber, Thomas Boscheinen, Udo Filz, Tauchvideo: Maik Hollmann