Anreise

"tartaruga"-Idylle ...Unsere erste Tagesetappe soll uns vom Südosten Österreichs durch Slowenien über die kroatische Autobahn und über den schmalen bosnischen Korridor zu unserem ersten Etappenziel, das Neretva-Delta, führen. So gegen 17:30 Uhr rollen wir dann auch tatsächlich entlang der Neretva Richtung Norden und finden ein kleines Hotel, in dem wir übernachten. Nicht allerdings ohne zuvor den lokalen Wein und köstliche Froschschenkel zu verkosten ...

Vorbei an Dubrovnik geht es am nächsten Morgen weiter durch Montenegro: Wir haben noch vom Vorjahr eine Straßenbenutzungsvignette - der nette Verkäufer an der Grenze hatte uns damals für einen einzigen Transittag eine Jahresvignette für 80,- (achtzig!!) Euro verkauft, da unser Mazda als Klein-LKW typisiert ist. In diesem Jahr haben wir dem guten Mann einen Strich durch die Rechnung gemacht und unsere Reise so geplant, dass wir diese Vignette noch nutzen können.

Obwohl landschaftlich zwar schön, gibt die montenegrinische Küste wegen des chaotischen Bauwahns trotzdem nicht allzu viel her, weshalb wir beschließen, hinter Kotor die alte Militärstraße nach Cetinje und von dort über Virpazar weiter Richtung Skutari-See zu nehmen. Wenn man es nicht allzu eilig hat, eine landschaftlich sehr reizvolle Alternative.

Wir nächtigen am Ufer des Skutari-Sees in einem mörderischen Klima, das ich eher in Mittelamerika oder Zentralafrika erwarten würde: ca. 36°C (Mitte September!) und rund 90-95% Luftfeuchtigkeit - wir erfahren, dass das durchaus übliche Verhältnisse hier sind. Diese Temperatur und die eher ausgelassenen Tschechen, die in der Dunkelheit eintreffen und sich unmittelbar neben uns breit machen, sorgen nicht unbedingt für einen angenehmen Schlaf ...

In Albanien ...

Die tausend Augen von Berat ...Etwas missmutig machen wir uns am nächsten Tag auf, um über Ulcinj - hier heitern mich köstliche Cevapcici am schönen Markt wieder auf - endlich nach Albanien zu kommen. Die Formalitäten am Grenzübergang Muriqan sind, ebenso wie im Vorjahr, rasch und unbürokratisch erledigt, die Beamten sehr zuvorkommend. Aber wir erleben schon die erste Überraschung in Form einer Horde deutscher Motorradtouristen: In kleine Gruppen unterteilt, treffen sich beim Grenzübergang insgesamt so an die 50 Motorräder samt der dazugehörigen Fahrer ...

Gleich hinter der Grenze noch ein kurzer Abstecher ins Ortszentrum von Shkodër, wir brauchen noch Bargeld. Ein ATM/Bankomat von Raiffeisen versorgt uns mit 20.000,- Lek (ca. 150,- Euro), mehr gibt's nicht auf einmal, es reicht aber zunächst für einige Tage.

Den ersten Tag in Albanien beenden wir am Strand von Tale: Mehrere Kilometer Sandstrand, kein Hotel, dafür allerlei Plastik. Wir nächtigen ganz am nördlichen Ende, hier ist es ruhig und es gibt kaum Plastikmüll. Wir bleiben insgesamt zwei Tage, werden von Einheimischen freundlich begrüßt und nutzen die Zeit zur Planung der nächsten Tage. Von nun an soll es eher ins Gebirge gehen, weg von der Küste und den Hauptstraßen. Bei unserer Planung lassen wir uns vom Albanienführer von Volker Grundmann inspirieren - wir halten uns nicht sklavisch daran, kommen aber doch immer wieder in die Nähe der vorgeschlagenen "roten Routen".

Über Durres geht es vorbei an Tirana über Petrele zu unserem ersten größeren Etappenziel. Berat, Stadt der tausend Augen - gemeint sind die den Hang hinauf gebauten Häuser mit unzähligen Fenstern. Die Altstadt mit den schmalen Gässchen und weißen Häusern ist durchaus sehenswert, erste Hotels bieten Zimmer an. Angenehme Cafés laden zum Sitzen und Schauen ein, Kirche und Moschee stehen einander gegenüber ohne groß Notiz voneinander zu nehmen. Ab und zu begegnet man einzelnen Touristen.

Von Berat geht es weiter Richtung Süden, nach Kelcyra. Spät am Nachmittag finden wir einen schönen Stellplatz auf einer Kuppe, in der Nähe ein vor sich hin bröckelndes Partisanendenkmal. Wir genießen die Aussicht, eine Flasche Wein und einen herrlichen Sonnenuntergang ...

Furten, Schlammpassagen und mehr ...

Leichter Wind kommt auf, es beginnt zu nieseln, wir verziehen uns in unsere "tartaruga". Allmählich - wir haben uns schon unter unsere warmen Decken verkrochen - entwickelt sich der leichte Wind zum starken Wind, wenig später zum Sturm, draußen schüttet es inzwischen. Heftiges Rütteln am Gestänge unseres Aufbaus macht Schlafen unmöglich - wenn es nur nicht so schütten würde ...

Kuppenplatz mit schöner Aussicht ..?Unser Kuppenplatz mit schöner Aussicht erweist sich nun als wenig vorteilhaft: Irgendwann siegt dann doch die Vernunft über die Bequemlichkeit und wir verlassen mitten in der Nacht das warme Bett um den Stellplatz zu wechseln - mein Fluchen geht im Lärm des Sturms unter. Gott sei Dank hatte ich am Nachmittag einen kleinen aufgelassenen Steinbruch gesehen, den wir jetzt in stockdunkler Nacht suchen. Hier finden wir schließlich einen windgeschützten Platz und verbringen trotz heftigem Regen eine ruhige Nacht.

Am nächsten Morgen hat sich der Wind gelegt, es regnet aber noch immer. Wir machen uns auf den Weg: Es dauert nicht lange, blockieren zwei Fahrzeuge den Weg - ein vollkommen überladener Lieferwagen steckt bis zur Bodenplatte im Schlamm - ein Mercedes, Type "uralt", versucht ihn wieder flott zu machen - vergeblich. Da kommt so ein österreichischer 4x4 doch gerade recht! Allerdings, im strömenden Regen und knöcheltiefem, lehmigen Schlamm auf steiler Straße kann auch unser Mazda nicht helfen - die Kupplung raucht, das Abschleppseil reißt, umsonst. Aber man bedankt sich freundlich und weiß den Versuch zu schätzen.

Für uns selbst bedeutet das Weiterkommen kein Problem, außer dass Auto und Kleidung vor Dreck kaum mehr zu erkennen sind - und es regnet weiter. Die Straße wird enger, langsam wird uns etwas mulmig. Neben der Straße geht es steil in eine Schlucht hinunter. Die ersten größeren Steine liegen auf der Straße, die eigentlich nur mehr ein schmaler Weg ist, ab und zu heißt es aussteigen, Steine wegräumen, ich dachte nicht, dass ich unseren Spaten tatsächlich brauchen würde. Gott sei Dank kommt uns auf der abschüssigen, schmalen und rutschigen Straße niemand entgegen ...

Nach Stunden endlich: die Straße wird weniger steil, später zeigen sich sogar Reste von Asphalt - wir atmen auf. Zu früh, wie sich wenig später zeigt. Der Wasserspiegel auf der Straße steigt - der Straßenverlauf unter dem schlammigen Wasser nicht immer eindeutig zu finden. Wir sind froh, als wir endlich einem Mitsubishi L200 begegnen, dessen Fahrer offensichtlich ortskundig ist und dem wir folgen. Schwupps, biegt der Bursche doch glatt ab und da stehen wir, Wasser weit und breit. Mittlerweile fahren wir in einem Bach (wenigstens in Fließrichtung). Von der Seite kommen Seitenbäche, erste dicke Äste und Bäume schwimmen daher, kein anderes Auto weit und breit - was tun?

Eigentlich hätten wir stehen bleiben sollen, doch das würde wahrscheinlich bedeuten, dass das Auto absäuft und so schnell nicht mehr zu gebrauchen sein würde. Also entscheiden wir, weiter zu fahren, ohne zu wissen, wie es nach den nächsten hundert Metern aussieht. Das Wasser steigt weiter - braune Wände aus Wasser spritzen links und rechts hoch - plötzlich verlieren wir im Schlamm den Bodenkontakt - die Räder drehen durch, ich sehe uns schon der braunen Brühe dahin treiben. Doch dann endlich wieder ordentlicher Bodenkontakt, wir rauschen durch den Wildbach - teilweise extrem tiefe Schlaglöcher, die ich im trüben Wasser natürlich nicht sehe, machen die Sache auch nicht angenehmer. Nach schier endlos anmutender Zeit steigt die Straße endlich wieder an, es schüttet zwar noch immer und kein anderes Auto weit und breit, aber wenigstens haben wir wieder festen Boden unter den Rädern. (zu dieser Episode gibt es leider keine Fotos! ).

Im Süden

Nach dieser Erfahrung fahren wir fast beschwingt weiter bis nach Kelcyra, atmen einmal kräftig durch, gönnen uns einen "kafe turko" und sind froh, wenigstens nicht wie geplant den Osum Canyon gefahren zu sein.

Stadtbesichtigung ... ... und mehr ... ... in Gjirokaster Steinbogenbrücke in Benja ...

Weiter geht es nach Gjirokaster, wo wir im Regen ein Hotel suchen und wegen unseres Weinkonsums bei einem Wirt in der Altstadt offensichtlich in nachhaltiger Erinnerung bleiben - er winkt uns jedenfalls am nächsten Tag freudig zu und lädt uns zum Umtrunk ein ...

Der nächste Morgen entschädigt für viel Ungemach: strahlendes, kühles Wetter, glasklare Luft, großartige Fernsicht. Wir besichtigen Gjirokaster und fahren später wieder zurück über das bereits bekannt Kelcyra, sodann über Permet weiter Richtung Südosten. Unterwegs gibt es noch einen kleinen Abstecher nach Benje (Benja) zu einer eleganten Steinbogenbrücke, die sich malerisch über ein kleines Flüsschen schwingt.

Wagenwäsche muss sein ...Bei dem durchdringenden Schwefelgeruch muss man nicht lange rätseln: hier gibt es (warme) Schwefelquellen - es gibt auch kleine Steinbecken zum Baden, wir verzichten allerdings dankend. In der Nähe gibt es dafür schöne Möglichkeiten zum Übernachten.

Nach der Wagenwäsche in einem "Lavazh", einem wegen der vielen ungepflasterten Straßen in Albanien weit verbreitetem Gewerbe, geht es Richtung Nordosten, parallel zur griechischen Grenze nach Korca. Unterwegs besichtigen wir einige wirklich sehr eindrucksvolle Kirchen und begegnen einigen Deutschen in einem Bremach und einem wahrlichen Monstrum von MAN-Expeditionsfahrzeug.

Platz mit Aussicht ...Von Korca, einer quirligen Stadt, geht es weiter Richtung Devoll-Schlucht: Die ist wirklich beeindruckend und nach den Niederschlägen der letzten Tage gerade erst wieder befahrbar.

Links von uns zeigt sich am gegenüber liegenden Flussufer ein sehr schöner Stellplatz - eben, schattig - nichts wie hin. Plötzlich höre ich seitlich hinten ein eigenartiges rhythmisches Geräusch: pfft, pfft, pfft …

Ein Schnitt von einigen cm an der Außenseite eines Reifens lässt die Luft in wenigen Sekunden entweichen - Reifenwechsel ist angesagt, was die Laune schlagartig senkt. Mit dem Reservereifen ab nach Gramsh, der nächsten größeren Ansiedlung: Zum Glück gibt es hier einen "Gomestere", der doch glatt einen passenden Reifen hat, diesen sofort am Straßenrand montiert (nach 18:00 Uhr!) und 20 Minuten später geht es weiter. Der Reifen zwar uralt, hat wenig Profil, aber er hält bis nach Hause (um ehrlich zu sein, ist er jetzt noch montiert). Die Nacht verbringen wir im Hotel, trinken ein paar Gläser vom Tirana-Bier und haben noch das Glück, bei einer privaten Feier mit Musik und Tanz dabei sein zu können ...


© 2012 Reinhard Temmel