Zurück nach Norden

Unser Plan, die Bergstraßen Richtung Norden zu nehmen, führt uns weiter Richtung Tirana. Wir plagen uns durch den chaotischen Verkehr der Hauptstadt, den Skanderbeg-Platz umrunden wir mehrmals, was weniger mit unserer Ehrfurcht vor dem großen Feldherrn und Nationalhelden als mit den vielen, schlecht beschilderten Baustellen zu tun hat - endlich finden wir die richtige Straße Richtung Osten (Buza).

Entschädigt werden wir später durch einen sehr schönen Stellplatz und freuen uns an der schönen Aussicht und einem feinen Abendessen.

Eine schlechte Straße, nur unterbrochen von Stücken noch schlechterer Straße mit sehr tiefen Fahrrinnen, führt uns vorbei an ehemaligen Bergbaugebieten, die jetzt infolge der höheren Rohstoffpreise wieder reaktiviert werden und bringt uns holpernd weiter Richtung Norden. Wie in ganz Albanien treffen wir auch hier immer wieder auf Relikte aus der Hoxha Zeit: Bunker in verschiedenen Größen, Stollen, zu Ruinen verfallene Kasernenanlagen etc.

Andenken an die Enver Hoxha Zeit: Bunker ... Bessere Tage hatte er mal ...

In Burrel stocken wir unsere Vorräte auf, trinken unseren obligaten "kafe turko" und fahren weiter an die Küste nach Shengjin - einem Hafenort, den man nicht unbedingt gesehen haben muss. Zurück geht es schließlich nach Koman zur Fähre, die man schon gesehen haben sollte ...

Durch schönste Landschaften ...

Schon die Anfahrt ist es wert, der Ort Koman selbst zeigt nicht viel außer einer massiven Staumauer, zu deren Krone man durch einen Tunnel gelangt. Wir beschließen direkt an der Fährstation zu nächtigen, essen im Lokal vor Ort und unterhalten uns mit den beiden jugendlichen Kellnern.

Die Fahrt mit der Fähre über den Koman-Stausee ist die rund 25,- Euro allemal wert - zweieinhalb Stunden ziehen steile Felswände in einer Fjord-ähnlichen Schlucht zum Greifen nahe an uns vorbei, während wir am Oberdeck in der Sonne sitzen.

Ein Stück nach der Fähre wartet eine der schönsten Landschaften in Albanien auf uns, es geht ins Valbona Tal, das Zentrum des albanischen Wandertourismus. Hier gibt es auch schon deutlich merkbare touristische Entwicklungen, Gästezimmer, ein Hotel, Wanderkarte. Aber auch viele schöne Stellplätze in freier Natur - wir nächtigen unter Bäumen und genehmigen uns am Morgen ein opulentes Frühstück im kleinen Hotel am Ende des Valbona Tals. Eine kleine Wanderung bis in den hintersten Winkel nach Rrogam rundet das Bild ab.

Fährfahrt ... ... über den Koman-Stausee Beeindruckende Aussichten ... ... und tolle Landschaften

Eine weitere Etappe unserer Reise führt uns nach Fushe-Lura über eine etwas anspruchsvolle Straße, belohnt werden wir erneut mit einer wunderschönen Landschaft. Den durchaus lohnenden Abstecher nach Vermosh ersparen wir uns diesmal, dort waren wir schon im Jahr 2010, können es aber durchaus empfehlen.

Wir fahren dafür nach Teth, offenbar ein "Must" für die meisten Albanien-Touristen. Hier treffen wir auch eine Gruppe von deutschen Endurofahrern, die sich in einer der steilen Kehren breitmachen und das Vorbeikommen etwas mühsam machen. Auch in Teth selbst sehen wir mehr Touristen als im restlichen Albanien zusammen. Anstelle der erwarteten Steindächer sehen wir rote Blechdächer, an jeder Ecke Tafeln mit Angeboten für Camping und Zimmer. Wir beschließen, uns in Teth nicht allzu lange aufzuhalten und machen uns wieder auf den Rückweg, finden einen perfekten Stellplatz und verbringen - nach einem ordentlichen Schluck vom kosovarischen Peja-Bier - eine angenehme Nacht.

Das Ende unserer Albanien Reise naht nun schnell, ein letzter Stopp in Shkodra, wir parken direkt im Zentrum, genießen ein superbes Abendessen, trinken in der bevölkerten Fußgängerzone noch das eine oder andere Gläschen Rotwein. Man tut sich schwer, das Leben in der Stadt und das offensichtliche Lebensgefühl der Albaner mit dem, was man im restlichen Europa über das Land hört, unter einen Hut zu bringen ...

Begegnungen ...
Perfekter Stellplatz ...
Freundliche Menschen überall ...

Am nächsten Tag geht es also auf die Rückreise, nach einer problemlosen Ausreise führt unser Weg mit einem Zwischenstopp auf der Halbinsel Peljesac über die kroatischen und slowenischen Autobahnen zurück nach Österreich.

Insgesamt haben wir in diesen knapp vier Wochen rund 4.500 km zurückgelegt, unser BT 50 und unsere "tartaruga" haben sich gut bewährt - und wir haben viel von und über die Albaner, ihr Land und nicht zuletzt auch über uns und die wirklich wichtigen Dinge des Lebens gelernt ...


Allgemeines:

Reisefahrzeug: Ein Mazda BT 50 (L-Cab, sprich 1,5 Kabiner), unser Wohnraum: eine Absetzkabine von Northstar, MC 600, die kleinste aus dem Northstar Programm, mit verlängertem Alkoven.

Ein Aquarell aus Albanien ...Für die Befestigung am Mazda war gegenüber der Vorschläge etwas Bastelarbeit erforderlich:

  • Hinten wurde die eher fragile Stoßstange durch eine verstärkte aus 3 mm Niro-Stahl mit interner Verstärkung ersetzt, M10 Ringschrauben stellen die Verbindung zu den Zurrstangen der Kabine dar.
  • Vorne wurde die Befestigung nicht in die Ladefläche gesetzt, sondern durch die Ladefläche gebohrt, hier eine 5 mm Niro-Schiene durch vorhandene Bohrungen im darunter liegenden Querträger befestigt. Die Kabine wird vorne an dieser Schiene befestigt.
  • Oben auf dieser Schiene stellen zwei kleine Längsschienen den seitlichen Halt der Kabine auf unebenen Straßen sicher.
  • Ab und zu waren wir selbst überrascht, aber diese Befestigung und unsere "tartaruga" haben selbst kräftiges Durchschütteln und kleine Sprünge ohne Probleme überstanden.
  • Hinsichtlich der Elektronik haben wir die üblichen Batterieüberwachungs- und Steuerelemente (die meisten von Votronic) eingebaut.
  • Dem Mazda haben wir ein zusätzliches Federblatt gegönnt, auf Luftfedern haben wir verzichtet und sehen nach unseren bisherigen Erfahrungen auch keinen Bedarf dafür.

Reiseunterlagen: Wir hatten den Albanienführer von Volker Grundmann. Karten sind etwas problematisch, wir hatten die Freytag & Berndt Karten, die allerdings nicht immer hinreichend genau waren und eher für eine allgemeine Planung dienen können. In Verbindung mit meinem Garmin Oregon und der aus dem Internet (gratis) herunter geladenen Albanienkarte hielten sich sinnlose Umwege aber sehr in Grenzen. (Interessenten kann ich unsere aufgezeichneten tracks gern zur Verfügung stellen - obwohl das Selbsterkunden und Orientieren viel Spaß macht und als Teil der Reise unbedingt dazu gehört!).

Wer sich mehr für Kultur und Geschichte interessiert, wird um einen entsprechenden Führer nicht herum kommen, da ist der Grundmann-Führer eindeutig zu wenig. Die Fähigkeit, sich mit der einheimischen Bevölkerung mittels Handzeichen zu unterhalten, ist bei der Frage nach dem richtigen Weg sehr hilfreich.

Stellplätze: Eigentlich müsste man sagen, man kann überall stehen bleiben. Den gesunden Menschenverstand nicht ganz außer Acht gelassen, sollte es eigentlich keine Probleme geben. Wir haben stets schöne Plätze gefunden und hatten, etwas abseits von Besiedelungen, nie Probleme.

Einkaufen: Man ist sehr oft auf kleine Märkte oder Verkaufsstände am Straßenrand angewiesen. Supermärkte gibt es nur selten. Treibstoff überall, wir haben uns allerdings an den Rat gehalten, nur an größeren Tankstellen zu tanken und hatten keine Probleme mit Wasser oder sonstigen Verunreinigungen im Diesel.

Behörden / Polizei: Wie schon erwähnt war die Einreise ein problemloser Vorgang, die Zoll- und Polizeibeamten an der Grenze freundlich. Auch bei Polizeikontrollen an den Hauptstraßen werden Touristen außerordentlich freundlich behandelt und für ein rasches Weiterfahren wird gesorgt - meistens bekommt man noch ein paar Tipps für die nächsten Reiseziele mit auf den Weg.

Überall freundliche und schnelle Hilfe ... Begrüßung unterwegs von wildfremden Menschen ... Kein einziges Mal das Gefühl der Unsicherheit ...

Sicherheit: Ich weiß nicht, wie oft wir gehört haben, Albanien sei doch so gefährlich und dass man doch keinesfalls dorthin fahren könne - mag sein, oft stammt dieser Rat aber von Menschen, die Albanien nicht einmal auf der Landkarte finden. Wir hatten jedenfalls kein einziges Mal das Gefühl der Unsicherheit, kein negatives Erlebnis mit der Polizei, keine unguten Vorkommnisse in den Städten oder Dörfern. Wir wurden nicht bestohlen, wir wurden nie betrogen, an unserem Camper wurde nichts geklaut oder beschädigt.

Ganz im Gegenteil: wir haben viele freundliche Menschen getroffen, die sich freuten, dass jemand aus dem Norden es wert findet, in ihr Land zu kommen. Wenn es etwas zu helfen gab, hat man uns schnell und freundlich geholfen. Unterwegs wird man von wildfremden Menschen mit Handschlag begrüßt, Kinder stehen in den Dörfern am Straßenrand und winken. Mir fällt jedenfalls kein anderes Land Europas ein, das man (noch) auf diese Art und Weise (mit eigenem Auto/Camper) bereisen kann. Mit dem Beschiss wurden wir erst wieder im touristisch angeblich völlig unbedenklichen Nordkroatien konfrontiert.

Bild oben rechts: Unsere "tartaruga" am Strand von Tale (ein Aquarell, angefertigt von meiner Frau, in Stunden der Muße ...)


© 2012 Reinhard Temmel


Anm. der Red.: Da diese Reise etliche Orte berührt, die auch bei einer anderen Tour durch dieses Land acht Jahre zuvor im Jahr 2003 aufgesucht wurden, ist es vielleicht interessant für unsere Leser, sich auch mit diesem Reisebericht anschließend noch einmal zu befassen: