Zurück in den Süden: Flucht nach Vágar

Warum nicht nach Vágar? Immerhin ist dort der einzige Flughafen der Faröer beheimatet und die Insel ist nicht nur relativ südlich gelegen, sondern stellt nach Mykines auch noch die "zweitwestlichste" dar. Und falls das Wetter dort hoffentlich ebenfalls von der Regel gehört hat, die uns der Einheimische an der Nordspitze von Eysturoy erklärt hatte, sollte es dort eigentlich wunderbar werden! 

Also auf nach Sandavágur/Miðvágur - immerhin soll es auch hier laut Karte/3 einen Campingplatz geben. Wir erreichen den Kreisverkehr, in dem man sich entscheiden muss, ob man den neuen Tunnel zur Insel Vágar nimmt oder auf Streymoy weiter fährt nach Vestmanna.

Hindernis? Tollroad nach Vágar ... Dennoch: Auf nach Vágar!

Vor dem Kreisverkehr ist ein Schild aufgestellt, das darauf hin weist, dass man Richtung Vágar eine "Tollroad" befährt, also Maut zahlen muss. Nun, das soll uns nicht stören, so hoch kann die Maut ja wohl kaum sein und schließlich ersetzt der neue Tunnel jetzt die früher zwischen den Inseln verkehrende Fähre. Wir biegen auf die "Tollroad" ein und lesen kurz darauf ein weiteres Schild: Man solle ruhig weiter fahren und erst bei der Rückfahrt zahlen. 

Beruhigt von soviel Vorsorge und Bequemlichkeit verlassen wir den Tunnel, der laut unserem (noch anzeigenden) GPS rund 100 m in die Tiefe und ca. 5 km unter dem Vestmannasund hindurch führt.

Und in der Tat Erfreuliches erwartet uns hier "im Süden": Das hervorragende Wetter mit sonnig-blauem Himmel ist schließlich nicht zu übersehen, als wir uns Sandavágur nähern - jubiliert da etwa der "verkappte Saharafahrer" in einem ..? Und der fährt heute wirklich gern nach Vágar, der Insel, die ihren Namen nach den Buchten der drei Hauptorte Sandavágur, Miðvágur und S¢rvágur erhielt. Sandavágur selbst hat eine lange Geschichte: Eine in der Kirche ausgestellte Runentafel aus dem 13. Jahrhundert belegt, dass sich hier einst Wikinger ansiedelten. Und auch der "Vater" der faringischen Schrift wurde in diesem Ort im Jahr 1816 geboren.  

Als wir auf die Kirche zufahren, ist der Anblick beeindruckend: Das nicht nur wegen der Runentafel, sondern auch durch unzählige Postkarten-Idyllen berühmt gewordene Bauwerk leuchtet uns mit unübersehbar rotem Dach entgegen - hier scheinen wir richtig zu sein, und das noch am ersten Tag unserer Ankunft auf den Faröern! 

Postkarten-Idyll: Die Kirche von Sandavágur ...

Auch den Campingplatz finden wir recht bald, nachdem wir die Straße zwischen Sandavágur und Miðvagur ein wenig weiter gefahren sind: Auf dem Autohof von Á Giljanesi erwartet uns eine große Überraschung - nicht nur die Jugendherberge befindet sich hier, sondern auch der offizielle Campingplatz, auf dem wir uns neben Hallen und Bussen aufstellen dürfen. Aber ist das ein Problem bei diesem Wetter? Nein, auf einem solchen Campground muss man einfach mal gewesen sein und so sitzen wir bereits eine halbe Stunde später auf dem von der Sonne (wie gewohnt! ) durchgeglühten Asphalt in unseren Campingstühlen und schlürfen eine der mitgebrachten Dosen Bier ...

Noch einmal: Geeignetes Terrain für eine Euro-"Extratour" ... 

Die Faringer sind bekannt gute Geschäftsleute: Nicht nur, dass sie es irgendwie schaffen, jede Menge Touristen, die eigentlich nach Island wollen, auf ihren Inseln zwangsauszuladen - nein, sie schaffen es auch noch, eine gewisse Monopolstellung bei Campingplätzen in Anbetracht des verbotenen "wilden" Campings zu nutzen. So erweist sich das wirklich exotische Autohof-Camp auch als eines der teuersten - allein schon Grund genug, noch an diesem ersten Abend auf den Inseln eine faringische Euro-"Extratour" zu starten ...

Camping auf dem Autohof ...Zwar ist der Euro hier kein Thema, aber in jedem Fall ist die schöne Aussicht etwas für Camping-Snobs auf diesem Platz: Der abendliche Blick bei Wein (aus dem Ein-Liter Kanister) und Sturmkerzenschein bis zur südöstlichen Nachbarinsel Koltur lässt fast vergessen, das man auf einem Asphalthof sitzt. Ach ja, der Wein: Irgend etwas ist schon merkwürdig, mit dem Wein. Er schmeckt zwar, aber dennoch, etwas stimmt nicht. Liegt es nur am fehlenden Weinkeller

Nun, es fällt nicht richtig auf an diesem ersten Abend und es würden noch Tage vergehen, bis wir in Island endlich wissen, was da nicht stimmt ...

Di 26.08.03: Der zweite Faröer-Tag ...

Es ist was los auf dem Autohof-Camp am frühen Morgen: Geweckt werden wir von den zarten Klängen einer Flex, mit der in unmittelbarer Nähe des Redaktionsfahrzeugs der zweite Bus des Autohof-Unternehmers repariert wird: Á Giljanesi scheint ein echtes Imperium hier zu unterhalten, neben Gästehaus, Jugendherberge und Campingplatz betreibt man offenbar mehrere Busse, mindestens ein Taxi und eine gut besuchte Autowerkstatt - ein wirklich idealer Platz, wenn man z.B. einen Getriebeschaden bei seinem Campingaufenthalt hat!

Die sanitären Anlagen des Camping-Idylls sind sehr zufriedenstellend und auch das Frühstück an Bord schmeckt uns trotz offener Heckklappe - nur draußen sitzen möchte man an diesem Morgen nicht so recht, man kann sich aussuchen, ob dies an dem frischen Morgenwind bei leichter Bewölkung liegt oder an den vorbei eilenden Blaumännern und ihren Gerätschaften ...

Wir verlassen das gastliche Camp und machen uns wieder auf den Weg: Diesen zweiten und für lange Zeit sicher letzten Abend auf den Faröern (aber man weiß ja nie - vielleicht folgt dann doch noch irgend wann mal ein Kurzbesuch in einem Winter?) wollen wir an einem schon bekannten Ort zubringen: Unserem idealen "wilden" Campingplatz von 1997!

Doch vor der Rückkehr nach Streymoy müssen wir hier auf Vágar noch einiges erledigen: Z.B. den Flughafen der Insel besuchen und Richtung Westen bis zu den vorgelagerten Inseln gelangen ... 

Am Flughafen von Vágar ... ... ist das Koma nicht weit ...

Der "Airport" ist schnell erreicht: Ein kleiner Flughafen erwartet uns, an dem gerade Reisende abgeholt werden von einem Busunternehmer: Richtig, unser schon bekannter Campingplatzbetreiber Á Giljanesi fährt gerade vor mit dem einen der beiden uns sehr gut bekannten Busse - hier ist die Welt noch kleiner als woanders!  

Am Flughafen von Vágar gerät man sehr schnell ins Koma: Genau so und nicht anders heißt der Ankunftsbereich, wie uns das "Arrival"-Schild verrät. Nach dem Start einer der beiden Maschinen, die während der nächsten Stunde die Inseln verlassen, fahren auch wir weiter: Nach so viel Einsamkeit während der letzten Tage genug internationales Flair!

Die Anfahrt wert: Das Panorama von Tindhólmur und Gáshólmur ...Die Fahrt geht weiter gen Westen: Durch S¢rvágur müssen wir durch und dann erreichen wir wieder einmal einen Fjord. Und bald darauf sehen wir sie: Die beiden Inseln Tindhólmur und Gáshólmur liegen unverkennbar vor uns (Karte/4).

Das spektakuläre Felsentor ist wirklich einen Ausflug an diesen Ort wert und die Anzahl der Bilder, die wir hier schießen, ist wieder mal viel zu hoch: Das nächste Überspielen auf den PC ist überfällig.

Doch vor der Rückkehr nach Streymoy müssen wir noch sehen, was aus dem legendären Anleger der Fähre Vágar-Vestmanna geworden ist. Bis vor kurzer Zeit musste damit noch jeder, der die Faröer mit dem Flugzeug erreicht hatte, gemütlich auf die andere Insel schippern, um von dort aus mit dem Auto z.B. in die Hauptstadt Tórshavn gelangen zu können.

Am alten Fähranleger auf Vágar gegenüber von Vestmanna gähnende Leere (Karte/5): Da, wo einst die Taxen standen und man sich in die Warteschlange auf die kleine Fähre einreihen konnte, hat der nostalgische Besucher heutzutage freie Bahn: Wir öffnen die Schranke und fahren mit dem Explorer auf die Rampe hinauf - allein auf weiter Flur machen wir unser Erinnerungsfoto an alte Zeiten, als noch Fähren fuhren und die Fahrt vom Flughafen in die Hauptstadt noch ein kleines Abenteuer war ... 

1997: Fähre von Vestmanna ... ... nach Várga: Heute nur noch Erinnerung ...

Aus nostalgischem Schwelgen werden wir brutal herausgerissen, als wir wenige Meter hinter dem Abzweig vom Fähranleger zum neuen Tunnel das Preisschild der "Tollroad" lesen: Wirklich "toll", was man hier abdrücken soll - Autos bis 6m Länge zahlen 180 dkr (!), also über 20,- Euro! 

Man kann ganz ungeschminkt von Wegelagerei sprechen: Diesen Betrag hätten wir selbstverständlich (?) nicht bezahlt, falls wir davon vorher gewusst hätten, aber die Information über die "Toll"-Gebühren erhält man sicherlich aus gutem Grund erst hier und nicht bereits vor der Fahrt nach Vágar - die Rückfahrt erweist sich somit als teure und wohl vorsätzliche Falle. Wieder einmal stellt sich die Frage, ob man zum "verkappten Saharafahrer" geworden ist, denn derartige Carnétgebühren war man hier eigentlich bisher noch nicht gewöhnt ...

Carnet oder Wegelagerei oder beides ..?Nur kurz überlegt der Fahrer, ob er nicht einfach auf der Spur durchbrettern soll, die für Inhaber einer Dauergenehmigung vorhanden ist. Aber dann hält man doch an und eine Uniformierte tritt aus ihrem Häuschen: Offensichtlich gewöhnt an Begeisterungsstürme aus den Fahrzeugen antwortet sie auf alle in Englisch vorgetragenen Vermutungen, dass es sich hier ja wohl um ein Falle handele und anderes, immer nur mit "Yes", während sie auf den Automaten weist, an dem man sein Ticket ziehen kann - die Frau versteht ihr Geschäft ...    

Die Fahrt durch den Tunnel in der Gegenrichtung erscheint deutlich kürzer - kann sein, dass dies an der Geschwindigkeit liegt, die auch ein Pickup mit Wohnkabine erreicht, wenn ein Fahrer mit Bleifuß am Steuer sitzt?! 

Aber nun soll es wirklich auch bei uns mal "kostenlos" werden: Beim nächsten nun natürlich "wilden" Campingplatz geht es fast schon um´s Prinzip ... 


© 2004 Text/Bilder J. de Haas