Euro-"Extratour": Litauen

Litauen:

Das geografische Zentrum Europas

N54°54.4´ E025°19.2´

 

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#2: ... Karte vom Zielort muss sein!
#3: Parken im Zentrum Europas ...
#4: Verwaltungsgebäude: Drinnen ein "Europa-Beamter" ...
#5: GPS-Koordinaten müssen fotografiert werden!
#6: Man stempelt sein Zertifikat
#7: Hier muss man gewesen sein!
#8: Münzen: Besucher lassen sie hier zurück ...


#1: Ein Monument zur Verbindung zu Europa ...(Bericht von S. Zerlauth)

31.08.2004 -- Am 01. Mai 2004 war es soweit: Die Europäische Gemeinschaft expandierte nach Osten. Wie man weiß, machten wir uns auf, die neuen Nachbarn im Rahmen unserer Reise Baltikum 2004 zu besuchen. Und so kamen wir schließlich nach Litauen, wo das geografische Zentrum Europas liegt.

Im Laufe der Geschichte war das Zentrum Europas oft in Bewegung: Abhängig von den Ansichten der Staatsoberhäupter, von der Ausdehnung der Europäischen Gemeinschaft, von der Definition, was "Europa" eigentlich darstellt oder auch abhängig von den unterschiedlichsten philosophischen, politischen oder gesellschaftlichen Meinungen.

So ist es heutzutage möglich, verschiedensten "Zentren" Europas  einen Besuch abzustatten: Zum Beispiel dem ehemaligen Zentrum der Europäischen Gemeinschaft in Belgien in Viroinval, oder einem historischen Zentrum in Deutschland bei Neualbenreuth, von dem behauptet wird, Napoleon hätte hier einen Stein zur Markierung aufstellen lassen. Dann dem neuen Zentrum der Europäischen Gemeinschaft in Deutschland bei Kleinmaischeid oder dem ehemaligen Zentrum Europas in der Ukraine im Ort Rachiv ...

Die Antwort auf die Frage "Wo liegt das Zentrum Europas" ist so verwirrend, dass der Polnische Regisseur Stanislaw Mucha genügend skurilen Stoff zu diesem Thema fand, um 2003 den amüsanten deutschen Film "Die Mitte" zu drehen.

1989 haben französische Wissenschaftler des IGN (Französisches Vermessungsamt) die Ausdehnung von Europa festgelegt: Im Norden die Inseln von Spitzbergen, im Süden die Kanarischen Inseln, im Osten die Gebirgszüge des Urals und im Westen die Inselgruppe der Azoren. Sie haben Island und Madeira mit einbezogen, Nowaja Semlja im Norden Russlands und Malta im Mittelmeer jedoch nicht. Würde man z.B. Malta noch mit einbeziehen, wäre die Auswirkung minimal, das Zentrum würde sich um nur rund 100 Meter verschieben.

Viele Vermesser akzeptierten diese Definition, und wie auch immer man die Grenzen Europas verfeinert, das Zentrum liegt stets in Litauen. Aber es verwundert kaum, dass es auch Vermesser gibt, die versuchen, das Zentrum nach Polen zu "verschieben": Es scheint eine Frage der "richtigen" Grenzbestimmung Europas und eine Frage des politischen Einflusses zu sein und keine Frage der Vermessungsmathematik.

Aber trotz alledem hat 1992 das litauische Parlament ein Schutzgebiet deklariert, das das geografische Zentrum Europas und einige umliegende bedeutende historische Plätze beinhaltet.

Am 1. Mai 2004 wurde hier ein Monument enthüllt, das der litauische Bildhauer Gediminas Jokûbonis geschaffen hat: Es ist eine weiße Granitsäule mit einer Krone aus goldenen Sternen und es soll die Verbindung von Litauen zu Europa symbolisieren.

Das genaue Zentrum ist nahe der Säule auf einer Metallplatte markiert, die sich auf einem dicken Felsen befindet, der 9 Tonnen wiegt und in der Nähe gefunden wurde. Besucher haben auf dem Stein litauische Litas-Münzen zurück gelassen: Wir legen eine Euromünze dazu als Zeichen für das vereinte Europa - muss man mehr tun für eine Euro-"Extratour"?

Der litauische Litas wurde im Januar 2002 an den Euro gekoppelt: Der Kurs wurde fixiert auf 3,45280 Litas = 1 EUR. Seit dem 27.06.2004 nimmt der Litas am Wechselkursmechanismus II (WKM II) teil, was Kursschwankungen auf ±15% begrenzt. Der Kurs erweist sich als erstaunlich stabil.

Nahe dem Felsen ist ein Haus aus Holz, in dem sich die Verwaltung des Zentrums Europas befindet. Wir treten ein und werden herzlich von einem "Beamten" auf Englisch begrüßt. Er bietet uns Souvenirs an. Viel hat er nicht: Baseballkappen von bester Qualität und ein Zertifikat, das den Besuch des Zentrums Europas bestätigt.

Das Zertifikat ist in verschiedenen Sprachen erhältlich und es gibt Rabatt, wenn man zum Beispiel für eine ganze Familie ein Zertifikat nimmt. Aber die Zertifikate sind nicht teuer: Für umgerechnet 1,50 EUR kann man es erhalten und es ist sein Geld wert, denn die Zeremonie ist sehr würdevoll und außerdem sieht das Zertifikat auch noch recht nett aus.

Wir beschließen, dass jeder sein eigenes Zertifikat bekommen soll: Der Beamte kann es kaum glauben und bietet erneut ein Zertifikat mit unser aller Namen an zum Sonderpreis. Befürchtet er, uns könnte die ganze Sache vielleicht ruinieren? Aber dann greift der Beamte zu einer Liste, ordnet dem ersten eine eindeutige Nummer zu und trägt dessen Namen, Adresse und das Tagesdatum ein. Daraufhin geht er zu einem verschlossenen Schrank, entnimmt ein Zertifikat und füllt es sorgfältig und bedächtig in schöner Handschrift aus (eindeutige Nummer, Name und Datum). Dann steht der Beamte auf und übergibt dem ersten von uns ein Siegel, das man selbst auf das Zertifikat drücken muss. Während des Vorgangs des Siegelns nimmt der Beamte Haltung an. Jeder Schritt der Zeremonie ist bedächtig und ernsthaft und sogar etwas pathetisch.

Die Zeremonie wiederholt sich in allen Schritten für den nächsten.

Zum Abschluss erstellt der Beamte eine Rechnung auf einem wirklich aufwändigen Rechnungsformular des litauischen Finanzministeriums, das auch wieder eine eindeutige Nummer hat. Es versteht sich von selbst, dass sowohl der Beamte als auch wir diese Rechnung unterschreiben müssen. Wir bekommen einen Durchschlag ausgehändigt.

Nach dem der offizielle Teil beendet ist, gibt uns der Beamte Prospekte über Vilnius and Kaunas. Er warnt uns vor Taschendieben in den Städten und er rät dringend davon ab, nachts allein durch Kaunas zu laufen.

Als wir ihm eine kleines Trinkgeld für die Kaffeekasse geben wollen, lehnt er dies strikt ab: Er ist ein aufrechter, unbestechlicher Beamter!

Betrachtet man den Aufwand, mit dem der Besuch am Zentrum Europas zertifiziert wird, kommt man zu dem Schluss, dass Litauens Bürokratie auf  Höhe des Standards der Europäischen Gemeinschaft handelt.

Die Zurückweisung des Trinkgelds ist jedoch keineswegs europäischer Gemeinschafts-Standard, aber es ist eine sympathische Geste. Jedoch geben wir uns keineswegs der Illusion hin, die anderen Beamten der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel würden sich diesen netten Beamten zum Vorbild nehmen ...  

Wir haben den Besuch am Zentrum Europas sehr genossen und wir beenden diesen Bericht mit der Einladung aus der Fußzeile des Zertifikats:

Jeder, der gerne reist, muss das geografische Zentrum Europas wenigstens einmal besuchen.

Anmerkung: Dieser Beitrag wurde beim DCP (Degree Confluence Project) als "Special visit" aufgenommen.


1. Nachtrag, Oktober ´05: Neues Beitrittsland ab 2007?

Litauen soll ab 2007 in die Europäische Währungsgemeinschaft aufgenommen werden, mehr dazu in unserem Beitrag Die "Anderen" und die "Neuen"!


2. Nachtrag, Januar ´15: Geschafft!

Mit vielen Jahren Verspätung ist es nun endlich auch diesem Land gelungen, Mitglied der "ehrenwerten Gesellschaft" zu werden. Als 19. Mitglied und letztes baltisches Land ist Litauen nun auch dabei - wieder mal ein Grund für eine neue EURO-Tour ...

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#1: Ein Monument zur Verbindung zu Europa
#2: ... Karte vom Zielort muss sein!
#3: Parken im Zentrum Europas ...
#4: Verwaltungsgebäude: Drinnen ein "Europa-Beamter" ...
#5: GPS-Koordinaten müssen fotografiert werden!
#6: Man stempelt sein Zertifikat
#7: Hier muss man gewesen sein!
#8: Münzen: Besucher lassen sie hier zurück ...