Auf nach Islay
Ab nun lag die NC500 hinter uns. Heute geht es in Richtung Oban. Am dortigen Flugplatz werden Rundflüge über die Inseln angeboten und so ergab es sich, dass wir zu einem genau passenden Tag und - viel wichtiger - zum genau passenden Wetter da waren.
Der Rundflug mit einer kleinen zweimotorigen Maschine bot so
eine Konzentration an Schlössern und Burgen von oben, dass ich ab
sofort wohl nicht mehr nur von einer "Destillerietour" reden konnte.
Aber Schlossbesichtigungen, sogar von oben, waren jetzt dann auch mehr als
ausreichend. Allerdings selbst ich konnte Schlossbesichtigungen auf diese
Weise durchaus angenehm finden ...
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Eines meiner Ziele war ja die ganze Zeit die Insel Islay (sprich "Eila"): Von dort kommt der Whisky, der mir am besten schmeckt. Sie drängt sich also für Destilleriebesuche förmlich auf. Leider ist aktuell ein Schiff der Fährlinie kaputt und darum kann man nicht einfach in den Hafen fahren und kommt dann sicher mit. Priorisiert werden Fahrzeuge ohne eigene Schlafgelegenheit und natürlich einheimische Fahrzeuge. Im WoMo können die Leute ja jederzeit übernachten, sagen die sich. Nicht falsch, aber leider gilt das auch für den Land Rover. Ich konnte aber trotzdem ein Ticket ergattern. Dem Tasting und Einkauf in ein paar Tagen stand also nichts entgegen.
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Wir hatten noch Zeit bis zur
Abfahrt bei klasse Wetter. Wir blieben einen ganzen Tag länger auf
dem Nachtplatz und lüfteten alles. Leider ist diese Fähre dann
tatsächlich auch noch ausgefallen, aber es gab Ersatz von
Kennacraig
nach Port Ellen. Auch gut. Ich musste halt von Oban nach Kennacraig
fahren und war dort für die Fähre eingebucht. Ein Zettel hing am
Fenster des Fährbüros: "Bitte nicht die Mitarbeiter beschimpfen."
Das war wohl ein schlechtes Omen und die Fährgesellschaft schien
Erfahrung mit aufgebrachten Kunden zu haben, denn auch die gebuchte
Fähre fuhr nicht, aber zumindest eine andere zwei Stunden später ...
Doch diese Fähre fuhr tatsächlich auch nicht nach Port Ellen, sondern
nach Port Askaig. Wir waren zwar bei der Ankunft verwundert, aber
egal. So groß ist Islay ja nicht, dass es ein Problem gewesen wäre.
Es ist aber seltsam, wenn man sein Navi startet und man ist gar
nicht da, wo man sich wähnt. Was für ein Tag ..!
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Vor der Abfahrt in Kennacraig hatten wir ja noch eine Wartezeit auf eine weitere Fähre und fuhren ein paar Kilometer zurück nach Tarbert: Im Hafen hörten wir grandiose Straßenmusikanten und tranken ein Guinness bei ihnen auf der Parkbank. Ein echtes Glücksgefühl bei strahlendem Sonnenschein und herrlicher Hafenkulisse! Da das Mull of Kintyre nicht weit weg war, wünschte ich mir das dazugehörige Lied von Paul McCartney von den Musikern. Ich hatte es vermutlich seit Jahrzehnten nicht gehört, aber diese Situation brachte es automatisch in mein Gedächtnis. Es passte hervorragend: Die beiden warteten offensichtlich nur auf diesen Wunsch und so hatten wir danach noch einen netten Plausch.
Endlich waren wir auf Islay. Das zu erwartende Wetter war ok und
so buchte ich drei Nächte in Port Charlotte
auf dem Campingplatz.
Port Charlotte hat eine schön zentrale Lage, darum ist alles auf der
Insel von hier aus gut und schnell erreichbar. Naja, die Insel ist
so klein, dass irgendwie alles zentral ist. Der Blick über das Meer
zeigte uns
Bowmore, und
Bruichladdich ist direkt der Nachbarort. Auf
Islay besuchte ich als erste Handlung gleich mal den
Shop von Bruichladdich und sah mich um. Mit Tasting natürlich
... der neue Octomore lag mir am Herzen.
Tasting? Autofahren? ... geht ja gar nicht!
Hier muss man gleich mal eine Abhandlung zu den bereits erwähnten
britischen Alkohol-Units und den reinen Alkoholmengen einfügen:
Ich habe mir nicht die Mühe gemacht (und das Personal im Shop auch
nicht) zu berechnen, wie viele Units denn nun eine Probierdosis sein
mögen. Aber berechnen wir doch einmal den Alkoholgehalt eines
Bieres. Die meisten Biere liegen um die 5% Vol. Alkohol. In einer
klassischen "Halbe" befinden sich also 25 ml reiner Alkohol. Eine
Tastingdosis für Whisky ist mit ca. 20 ml zu veranschlagen, eher
weniger. Ein Whisky mit 46% Vol. beinhaltet dann also 9,2 ml reinen
Alkohol. Zwei Whiskys zu probieren entspricht also nicht mal einem
ganzen Bier. Ich will hier nicht dem hemmungslosen Saufen das Wort
reden, aber dramatisieren muss man auch nichts. Es handelt sich bei
Whisky ohne Zweifel um sogenannte "harte" Alkoholika, aber die Leute
überschätzen es oft völlig, wenn man an einem Glas Whisky eine halbe
Stunde hin nuckelt und an einem Abend zwei davon trinkt ...
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Der Screenshot (Bild unten rechts) von Islay stammt von Kilchoman: Orange sind inaktive Destillerien, blau sind aktive und gelbe werden gerade gebaut.
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Unser erster Trip ging in den Norden der Insel Islay, wo wir zur Destillerie Kilchoman kamen und dort gleich mal an einer Besichtigung teilnehmen konnten. Kilchoman hatte ich bisher gar nicht auf dem Schirm, aber sie offenbarte sich als äußerst interessante Farm Destillerie. Farm Destillerie heißt in diesem Fall, dass es sich nicht um eine Jahrhunderte alte Traditionsdestille handelt, sondern um eine relativ junge Brennerei, die als Alleinstellungsmerkmal hat, dass sie sogar die eigene Gerste auf der Farm anbaut, das eigene Malz produziert und es auch trocknet und räuchert.
Obwohl der Malzboden mit seinem typischen Pagodendächlein das Symbol der meisten Destillerien ist, war es ernüchternd für mich, dass sämtliche namhaften Marken Islays (und nicht nur sie) ihr Malz bei einer großen Mälzerei in Port Ellen bekommen ... mit ebenfalls bestelltem Torfräuchergrad ... bis auf diese einzige eben.
Malz ist nichts anderes als gekeimtes Getreide: Das Gerstenmalz bei Whisky hat einen fünf bis sechs Millimeter langen Keim, bevor es getrocknet und gemahlen wird. Auf Islay wird über einem Torffeuer im Rauch getrocknet, wodurch der Rauch- und Torfgeschmack in den Whisky kommt. Ich hielt das benutzte Malz doch immer für das Herz eines jeden Whiskys und genau dieses Herz machen die gar nicht selbst, obwohl sie es mit dem Pagodendächlein auf vielen ihrer Symbole implizieren? Ich war wirklich ein wenig enttäuscht. Kilchoman ist also tatsächlich die einzige Destillerie, die einen 100% Islay Whisky brennt und das noch in einem recht modernen Gebäude. Aber auch sie machen so nur eine einzige Sorte, die 100% Islay ist ...

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Zurück auf dem Campingplatz in Port Charlotte machten wir es uns
gemütlich mit Blick übers Meer auf
Bowmore, als ein Schotte mit
einer Plastiktüte auf uns zukam: Ein Baum von einem Kerl mit
schwarzem Vollbart fragte uns, ob wir einen Fisch haben möchten. Er
kam wohl gerade von irgendwelchen Highland Games und hatte eben
einen Baumstamm weit geworfen?
Ich guckte wohl erst ein wenig
verunsichert und fragte mich, was der nun wollen würde und so hielt
er uns seine Tüte unter die Nase. Er hatte locker 7 kg Seelachs,
Makrelen und andere Fische drin und meinte, wir sollen uns einen
aussuchen. Ein schöner Seelachs gefiel uns gut und ich fragte ihn,
was er kosten soll. Er winkte empört ab, legte den Fisch auf das
Gras und meinte, er habe beim Angeln so viele gefangen, dass er sie
gar nicht essen könne ...
Es dauerte nicht lange und wir hatten eine prima Unterhaltung
über den Land Rover. Er meinte, er sei mit seinem Neffen da und der
besäße auch so eine alte Kiste. Mein Landy fiel ihnen sofort auf und
wir amüsierten uns prächtig. Ein Schotte, der laut schallend lachen
konnte und den Mund dabei so weit aufriss, dass man am Zäpfchen
vorbei fast bis in den Magen schauen konnte. Wir lachten sehr viel
und hatten eine gute Zeit.
Die genannte große Mälzerei in Port Ellen baut gerade eine eigene Schaudestillerie im Glashaus. Ich war wohl sehr begeistert von den Destillerien auf Islay und erzählte während unserer Fahrten ständig leidenschaftlich davon. Meine Freundin hörte mir immer aufmerksam zu und fragte irgendwann
"... und wo ist jetzt der seelenlose Technokrat?"
Mist, mit einem
Schlag war mein so gut gepflegtes Image als seelenloser Technokrat
ruiniert ..!?
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© 2023 Sigi Heider










