Wer Wein sucht, der Wein findet ...

Es regnet und im Süden soll das Wetter noch schlechter sein, wie man erfahren kann. Aber das hält uns nicht davon ab, auf unseren beliebten Nebenstrecken Kurs auf Harkany zu nehmen. Überall wachsen Walnussbäume, aber wir wissen nun, dass man die Nüsse am Straßenrand besser liegen lässt. Obwohl die Landschaft schön ist, verbreiten die Straßendörfer eine traurige Stimmung: Neben sehr gepflegten Häusern nimmt die Anzahl der herunter gekommenen Häuser in Richtung Süden zu. Schief hängen die Rollläden vor den Fenstern, die Gärten sind verwildert. Viele Häuser tragen das Schild "Elado" (zu verkaufen). Man sieht kaum Menschen auf den Straßen und wenn, dann sind sie alt. Geschäfte gibt es kaum. Die Auswirkungen der Landflucht sind hier extrem sichtbar. Wovon mögen die verbliebenen Menschen hier leben? Tourismus wohl kaum, denn der konzentriert sich auf die Bäder.

Der Busverkehr scheint aber gut zu funktionieren, es gibt ein recht dichtes Haltestellennetz und man sieht auch Busse, die unterwegs sind. Wahrscheinlich sind diese Busse die einzige Möglichkeit für viele, von einem Ort in den nächsten zu gelangen.

Schilder gibt es, aber trotzdem muss suchen ... Schulen und Bilbliotheken bieten den Internetzugang für die Bürger ...

Da wir nun seit Tagen unterwegs sind, möchten wir gerne unsere Emails abrufen. In Ungarn soll es öffentlich zugängliche Internetterminals geben und man kann überall auch Hinweisschilder entdecken. Aber es scheint, als ob die Schilder ins Leere führen: Wie mag so ein "eMagyarorszag pont" in Ungarn aussehen? Ein Internetcafé? Wohl kaum. In Kadarkut schließlich führen alle Schilder zur Schule: Nun, wir halten an. Am Eingang steht eine Wachperson, wir fragen "Internet?". Sofort werden wir zu einem jungen Mann geführt (älterer Schüler), der sich unserer annimmt und uns in einen Raum führt - mit Internetterminals. Er ist scheinbar der Internetbeauftragte und spricht nur Englisch und kein Deutsch, was in Ungarn ausgesprochen ungewöhnlich ist.

Ein Schüler muss seinen Platz räumen: Zwar ist die Geschwindigkeit deutlich unter ISDN, aber für unsere Emails reicht es vollkommen. Beim Rausgehen fragen wir nach dem Preis. "Nothing" lautet die Antwort. Man verweigert hier auch die Annahme eines Obulus für die Kassenklasse, für die Kaffeekasse oder für die Schule. Kostenloser Internetzugang für die Bürger muss kostenlos sein und bleiben! Da bleibt hier und heute nur unser herzlicher Dank ...

Ein Stück lang gilt es nun die Nebenstrecken zu verlassen und weiter geht es in Richtung Pesc auf der Straße Nummer 6 oder Sechs oder Sex, an der leicht bekleidete Damen mit Regenschirm ihren Service anbieten.

Nach Harkany lockt uns nicht das Thermalbad, sondern vor allem die Tatsache, dass sich dort nicht weit entfernt das berühmteste Rotweinanbaugebiet von Ungarn, nämlich "Villany/Siklos" befindet, durch das die erste Weinstraße Ungarns führt. Außerdem ist  Harkany nur 5 Kilometer von der kroatischen Grenze entfernt - das muss sich doch positiv auf das Essen auswirken!

Der Campingplatz ist leicht zu finden und sehr groß: Neben einem Schweizer und einem Österreicher stehen hier wieder einmal nur Deutsche. Am Bach warten schon die Mücken und obwohl uns ein Landsmann versichert, dass weiter weg vom Bach die Mücken genau so zahlreich sind, stellen wir uns weiter weg und tun damit das Richtige: Die Mücken sind hier deutlich weniger bemerkbar. Langzeitcamper berichten, dass die Mückenplage so schlimm war, dass bereits Touristen entnervt abgereist seien. So schlimm wäre es noch nie gewesen. Aber jetzt ist alles schon viel besser, denn vor zwei Wochen sei alles vom Flugzeug aus eingesprüht worden. Wie beruhigend, dass es schon zwei Wochen her ist! Es ist vielleicht besser, dass man heute Abend nicht weiß, welches Giftzeug an dieser Stelle abgelassen wurde ...

Hier muss es schon längere Zeit geregnet haben, denn der Boden ist aufgeweicht und manch umgepflügter Stellplatz erzählt Geschichten von durchdrehenden Rädern mit durchgedrehten Fahrern ...

Auch wenn die Lokale zu sind, zum Kochen findet man nachts noch genug!

Es ist Nachsaison, am Abend findet man kaum ein offenes Lokal. Und wenn auch auf dem Schild eine Öffnungszeit bis 23 Uhr steht, so machen die wenigen offenen Lokale doch um 21 Uhr zu. Das Lokal neben dem Platz sieht nett aus: Es gibt Rotwein aus Villany - er ist ordentlich, aber auch das ist heute Abend wohl kaum der Wein, der die Gegend so berühmt macht. Ansonsten gibt fast nur Gerichte aus der Friteuse: Alles wird paniert, ins Fett und dann ohne jegliche Deko auf den Teller geworfen. Wir wagen uns an das so genannte "Gegrillte", wovon wir aber künftigen Besuchern abraten müssen: Ein ziemlich fettes Nackensteak biegt sich aus den Beilagen hoch mit einem "strengen" Geschmack. Der Einfluss Kroatiens hat bis in diese Küche offensichtlich nicht gereicht ...

Das Wetter bleibt trüb und regnerisch, es hat 11°C  - ein idealer Tag, mit dem Bus nach Villany zu fahren. Der Busbahnhof ist nahe beim Campingplatz und wenn man den Toilettenbeschriftungen glauben kann, handelt es sich hier um ein internationales Verkehrsdrehkreuz. Der Fahrplan ist nicht leicht zu verstehen, aber wir interpretieren ihn richtig und sitzen schon kurze Zeit darauf im Bus nach Villany über Siklos.

Am Busbahnhof ... ... findet man jede Menge Abfahrtzeiten ...
Busfahren in Ungarn ... Mal sehen, was man hier aus den tollen Trauben schafft ...

Kurz hinter Harkany beginnen die Weinberge und lassen auf einiges hoffen. Siklos erweist sich als eine einzige Baustelle und wir sind froh, dass der Bus uns sicher durch die Umleitungen fährt.

Kaum sind wir in Villany angekommen, wird schon deutlich, dass man sich hier auf Weintourismus eingestellt hat: Fast jedes Haus an der Hauptstraße ist ein Weinlokal. Trotz Nebensaison haben sie geöffnet.

Doch zuerst besuchen wir das Weinmuseum und lernen viel über die wechselreiche, Jahrhunderte alte Geschichte des regionalen Weinanbaus. Tafeln in Deutsch bringen dem Besucher Geschichte und Geschichten näher: So wurde diese Region einst Prinz Eugen, "dem edlen Ritter" geschenkt für seine Verdienste gegen die Türkenherrschaft. Ebenso werden die Verdienste der Deutschen gewürdigt, die sich ab dem 18. Jahrhundert hier ansiedelten und auch der Kampf der berühmten Winzerfamilie Teleki gegen die Reblaus gegen Ende des 19. Jahrhunderts findet seine Erwähnung. Im Weinkeller  des Museums gibt es allerlei Gerätschaften zur Weinherstellung zu sehen sowie eine beeindruckende Sammlung alter Weine, die wohl nie mehr entkorkt werden ...

Viel Information - auch auf Deutsch! Welche Tropfen mögen hier wohl gereift haben?

Doch nun genug studiert, es ist Zeit zu Probieren. Das Wetter ist kühl und regnerisch und lädt nicht wirklich ein, draußen zu sitzen. Das erste Lokal ist ebenso voll wie die dort eingekehrte laute und ausgelassene Touristengruppe. Da wir noch ganz nüchtern sind, überlassen wir ihnen das Lokal und finden zunächst einen netten überdachten Platz draußen. Und da bekommen wir sie, eine Rotwein-Cuvée mit herrlichem Bukett und köstlichen Aromen, nach französischer Methode im Barrique ausgebaut. Auch wenn der Wein im Vergleich zum sonstigen Angebot im Land um ein Vielfaches teurer ist, lohnt er sich, denn das Leben ist ja bekanntlich zu kurz, um schlechten Wein zu trinken. Aber das soll natürlich nicht die einzige erfolgreiche Kostprobe bleiben: Wir ziehen um in ein weiteres gemütliches Lokal mit flackerndem Kamin, um auch dort zufrieden bei weiterem guten Rotwein den Tag zu genießen.

Fazit: Die Reise bis hierher hat sich durchaus gelohnt und zu dieser Jahreszeit sind die Touristen nur in so kleinen Mengen unterwegs, dass man sich in der nötigen Ruhe an den köstlichen Rotweinen laben kann ...

Diese Weine werden wohl nie ein Weinglas sehen! Jedes Haus ein Weinstübchen ...

Prost!


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