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Teil 2: Die Städte

Die nun folgende Reise durch die Osttürkei wird ohne An- und Rückreise etwa 6 Wochen dauern und keinen einzigen vollen Ruhetag beinhalten. Zahlreiche Städte, Ausgrabungsorte, Bergstraßen und Naturräume werden wir sehen, zahlreiche Polizeikontrollen überstehen, einige Begegnungen erleben, Vögel beobachten. Dies alles hintereinander wie ein Tagebuch zu beschreiben, gäbe einen Text, den keiner mehr lesen will ...

Deshalb will ich jetzt, also ab Konya, den streng chronologischen Erzählfaden verlassen und die folgenden Teile des Reiseberichts mit Mut zur Lücke auf bestimmte Themen beschränken, beginnend mit den Städten, die wir besuchen. Ein weiteres Thema führt über berühmte und kleinere archäologische Fundorte in die Frühgeschichte der menschlichen Zivilisation und am Schluss kommen unsere Fahrabenteuer und naturnahen Nachtplätze.

Konya

Konya war als Treffpunkt mit den Reisefreunden geplant und als unser Einstieg in die Osttürkei gedacht. Wie am Ende des ersten Teils schon erwähnt, kommen wir an einem Freitagmittag an und stellen uns zu den anderen Reisemobilen auf den Parkplatz hinter dem Hilton Garden Hotel. Es gibt am Rand der Altstadt auch einen großen regulären und kostenlosen Wohnmobilstellplatz, auf dem vermutlich die Tupperschüsseln stehen (abfällige Bezeichnung für die Weißware, die Wohnmobile von der Stange ). Und auch jeder andere öffentliche Parkplatz in der Stadt könnte als Übernachtungsstellplatz dienen. Die Türken sind äußerst tolerant in dieser Beziehung nach dem Motto: "Wenn´s dir nicht zu laut ist hier, bitte ..."

Stellplatz neben Hilton und Panorama Museum Vorn Nationalstolz, hinten das türkise Wahrzeichen der Stadt

Aber hinter dem Hilton ist der beste Platz: Erstaunlich ruhig für ein Stadtzentrum, der Muezzinruf hält sich im Rahmen und die interessanten Orte sind gleich um die Ecke. Und Höhepunkte gibt es viele hier.

Zuerst besuchen wir aber das Basarviertel: Wir schlendern durch die Straßen und querverbindenden Gassen und wundern uns, was es hier so alles gibt. Die Läden sind typisch orientalisch nach Warensegment angeordnet, das heißt, in einer Gasse haben alle Läden fast die gleiche Ware und die gleichen Preise. Bei wem soll ich da einkaufen? Das Feilschen um den Preis wird hier im Gegensatz zu Marokko kaum oder sehr unauffällig durchgeführt. Wir ernten jeweils ein verlegenes Lächeln ohne Entgegenkommen, wenn wir Preise drücken wollen. Wobei wir erkennbar blutige Laien sind auf diesem Gebiet ...

Und natürlich gibt es etwas zu Essen im Basar. Keine Haute Cuisine, sondern türkisches Fastfood, aber uns schmeckt es gut, verschiedene Salate sind immer dabei und die Kosten sind wirklich mäßig. Ebenfalls dazu gehört zum ersten Gang in die Stadt der Besuch einer großen Moschee, hier der Sultan Selim Moschee. Wir genießen die Stille und lassen den riesigen Raum auf uns wirken.

Eingang in den Basar Türkisches Fastfood Ruhe und Besinnung in der Sultan Selim Moschee

Das überall präsente Thema der Stadt ist die Geschichte von Mevlana aus dem 13. Jhdt. und seinem Orden der tanzenden Derwische, der sich von hier aus über die ganze Türkei verbreitet hat. Mehrere sehenswerte Museen wie das Panorama und das Kültür Evi widmen sich dem Thema und sind wie auch das frühere Kloster des Ordens wirklich fußläufig von unserem Parkplatz erreichbar.

Mein wichtigstes Ziel hier ist es aber, einer Aufführung der tanzenden Derwische beizuwohnen, die ich 2014 leider verpasst hatte. Diesmal hatte ich schon zu Hause recherchiert, dass immer am Samstag eine touristische Darbietung geboten wird, weshalb wir rechtzeitig angereist sind. Nicht auf dem Schirm hatte ich aber, dass jeden (?) Freitagabend eine Vorführung im kleinen Saal des Konya Kültür Evi stattfindet. Wir wären rechtzeitig dagewesen, haben es aber aus Unkenntnis leider verpasst. Das Ambiente dort ist um Längen intimer und mystischer als im 1500 Menschen fassenden großen Rundell im Kulturzentrum, das wir am Samstagabend buchen. Erst am Sonntag beim Besuch des Kültür Evi, einem kleineren und offenbar älteren Museum auf halbem Weg zur Mevlana Kuppel wird uns dieser Umstand bewusst. Dies nur als Tipp für Konya Besucher: Freitag ankommen lohnt sich ..!

Zuerst die Ehrerbietung an den Meister Versunken drehen die Derwische ihre Kreise Im Orchester dominiert die türkische Rohrflöte … Im Foyer wird eine solche Ney Flöte an Erich verkauft
Im Panorama Museum Weitere Szene ... Ordensniederlassungen in anderen Städten im Modell

Nach der Aufführung schlendern wir noch durch die Eingangshallen im Kulturzentrum und Erich wird magnetisch von einem Verkaufsstand für die türkische Ney Flöte angezogen. Der Verkäufer erklärt Bauweise und Bedeutung des Instruments und spielt einige einfache Tonfolgen vor: Ganz einfach kommt ein schöner Klang zustande. Erich kauft so ein Teil, schon bald wird er uns darauf vorspielen!

Das Panorama Museum direkt neben unserem Stellplatz gehört auch zum lohnenden Pflichtprogramm für Touristen und ist bekannt für das umlaufende Szenario: Vor gemaltem Hintergrund mit verschiedenen Szenen aus dem früheren städtischen Leben stehen lebensgroßen Wachsfiguren und Requisiten in beeindruckender Qualität. In einem Innenhof sind Modelle vieler Niederlassungen des Mevlana Ordens in anderen Städten aufgebaut. Sehr praktisch – muss man doch so nicht extra dort hinfahren ...

Eindeutiger Besuchermagnet für Türken ist das ehemalige Stammkloster des längst über die ganze Türkei verbreiteten Ordens, welches inzwischen das größte Museum der Stadt ist und unter der türkisgrünen Kuppel auch den Sarkophag von Mevlana beherbergt. Für gläubige Muslime gehört ein Besuch des Ordensgründers zum Pflichtprogramm und entsprechend voll ist es dort. Trotzdem, es ist und bleibt ein Highlight, sogar kostenlos.

Der Komplex des ursprünglichen Mevlana Klosters Mevlanas Sarkophag unter der grünen Kuppel Andere Sarkophage mit den Filzhüten der Verstorbenen
Nett gemacht, weniger professionell Versammlungsszene

Dann muss noch das ältere Museum erwähnt werden, das in Google Maps den Namen Konya Kültür Evi trägt und recht unauffällig beschildert auf halbem Weg von unserem Parkplatz zur Mevlana Kuppel steht. Fast hätten wir es deshalb übersehen. Das sollte man aber nicht, enthält es neben dem schon erwähnten kleinen Tanzsaal der Freitagsdarbietung doch eine nette Sammlung von Modellen aus dem historischen Alltag der Region. "Älteres Museum" bedeutet auch das Fehlen einer modernen Besucherführung und damit nur kurze Texte ausschließlich in Türkisch. Egal, vieles ist selbsterklärend.

Intermezzo Kappadokien

Damit wollen wir es aber belassen mit Konya und an Catal Höyük sowie am Meke-Krater vorbei zum nächsten Touristen-Hotspot kommen: Kappadokien. Aber für diese Region bräuchten wir deutlich mehr Zeit. Erstens um den total überlaufenen touristischen Hotspots auszuweichen und zweitens, um das derzeitige Sturmwetter aussitzen zu können. Bei den vorherrschenden Windgeschwindigkeiten ab 50 km/h startet nämlich kein einziger Ballon und damit fehlt eine Hauptattraktion: Die Hundertschaft von bunten Heißluftballons am Morgenhimmel. Dass deswegen auch weniger Touristenbusse in Göreme stehen und weniger Stau auf den Hauptwegen besteht, also davon merken wir nichts. Neben den immer dominierenden asiatischen Touris sind heute viele spanische Laute zu hören. Morgen vielleicht wieder Amerikaner oder Franzosen, jeden Tag anders.

Massentourismus in Göreme ... ... aus der Nähe ...
Kaya Camping: Schöne Lage oberhalb von Göreme Abhänge oberhalb Göreme Felsenturm Ortahisar Kalesi Georgische Sängerinnen

Hauptsächlich wegen der Waschmaschine gehen wir hier auf einen Campingplatz: Kaya Camping in Göreme, wie vor 10 Jahren. Aber der deutschsprachige Besitzer hat den Platz offenbar verkauft und der Käufer muss nun auf Teufel-komm-raus seine Investitionen refinanzieren – durch uns Touristen. Neben einer recht hohen Übernachtungsgebühr verlangt er für einen Waschgang beispielsweise 10 Euro und erlaubt dafür nur das Wollwaschprogramm! Also 40°C und ganz wenig Bewegung der Wäsche: Das hätten wir per Hand sauberer hinbekommen. Kaya Camping ist offenbar keine Empfehlung mehr!

Fast jeder Ort hier hat seinen Burghügel. Der Felsenturm in Ortahisar gefällt uns am besten und wird natürlich bestiegen. Eine Gruppe junger Georgierinnen mit einigen höhenängstlichen Mädels behindert und verzögert zwar den Aufstieg, oben angekommen revanchieren sie sich aber mit einem schönen Chorgesang georgischer Lieder. Die dürfen uns gerne wieder einmal im Wege stehen!

Berühmt sind auch die unterirdischen Städte in Kappadokien: Wir besuchen eine der kleineren Anlagen, die Stadt Özkonak, etwa 10 km nördlich von Avanos und damit schon etwas außerhalb des touristischen Mainstreams. Und das reicht uns auch, nach dem Motto: eine unterirdische Stadt gesehen – alle gesehen. Sie unterscheiden sich nämlich fast nur in der Größe der Anlagen.

Jeder kennt aus Kappadokien die phallusartigen Steingebilde, die besonders konzentriert im sogenannten Love Valley herumstehen und als Hintergrund für türkische Hochzeitsfotos dienen. Da müssen wir natürlich auch noch vorbei, obwohl wir aus dem Alter heraus sind, als diese Symbole noch peinliche, und deshalb heimliche Gefühle erregten ...

Love Valley Antikes Kloster Gümüsler von oben ... ... und von unten ...
Einzigartige erhaltene Fresken Der Blick aus der Nähe lohnt sich ... Weiterer Ausschnitt ...

Kappadokien in südlicher Richtung verlassend kommen wir an einem wirklich sehenswerten antiken Kloster in Gümüsler vorbei: Dort wurde in die mächtige Steinschicht von oben eine würfelförmige Vertiefung mit Kantenlänge von geschätzt 15 Metern geschnitten und von dieser Vorhalle ausgehend eine weitläufige unterirdische Anlage ausgehöhlt. Die dort noch erhaltenen Fresken mit christlichen Heiligen sind in Zahl und Qualität durchaus etwas Besonderes ...


© 2025 Sepp Reithmeier, Fotos: Sepp Reithmeier, Erich Junker