Spanien  Baskenland Spanien 2024/2025

(Mit wenig Vorbereitung) über den Jahreswechsel ins Baskenland


Baskenland

Das Baskenland im Norden Spaniens (Bilder: Wikipedia)Man kennt das Guggenheim Museum in Bilbao und vielleicht ist auch noch Gernika ein Begriff. Das ist erst mal alles, was man so weiß und so war das im Wesentlichen auch bei uns. Die ETA als Baskische Befreiungsbewegung ist mir auch noch bekannt, ohne jedoch davon viel Ahnung zu haben. Man könnte und sollte sich mehr anlesen, aber der Beschluss war zu spontan und so machten wir "learning by doing". Unbekanntes ist ja immer reizvoll. Was soll bei Bilbao schon großartig schief gehen? Wir flogen also am 26. Dezember nach Bilbao in die baskische Provinz Bizkaia, die den gleichen Namen wie das Meer an ihren Küsten trägt. 

Querulanten

Die Geschichte des Baskenlandes ist schon mal sehr bewegt. Nicht nur, dass es sich wie Katalonien von Spanien separieren will, es spielte auch in der jüngeren Vergangenheit, im Bürgerkrieg Spaniens mit den Franko Faschisten, eine große Rolle. Diese Geschichte ist bis heute sehr präsent, obwohl das Überbleibsel davon (die ETA), den bewaffneten Kampf 2018 aufgab und sich selbst auflöste. Terroristische Aktivitäten gibt es also zum Glück keine mehr, aber rebellisch ist man immer noch. Allein die Sprache unterscheidet sich sehr stark vom Spanischen und ist Ausdruck der Unterschiedlichkeit. "Querulanten" ist also sehr positiv gemeint, wie das Resümee es auch anderen Volksgruppen zuspricht. Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom ...

Graffiti

Willensäußerung Graffiti und Willensäußerungen

Anboto

Unsere erste Unterkunft war eine traumhaft abseits gelegene Hütte am Fuße des Anboto. Der umgebaute Schafstall bot allen Komfort, den ein verwöhnter Städter wünscht ...

Der Anboto ist ein dominantes Felsmassiv, das auch mythologische Bedeutung hat. Er liegt abseits ca. 35 km südöstlich von Bilbao. Die Distanzen im Bezirk Bizkaja sind jedoch generell kurz und überschaubar. Für Wanderer gibt es sehr viele Möglichkeiten in atemberaubender Natur. Die ersten paar Tage verbrachten wir hier in völliger Abgeschiedenheit. In einer grünen und freundlichen Hügellandschaft mit dazwischen gesprenkelten Felsen kann man wunderbar durchatmen.

Anboto Von Bilbao zum Anboto aus der Vogelperspektive

Ein angenehmer Effekt ist, dass es hier im Winter gut eine Stunde später dunkel wird als in der Mitte Deutschlands. Das Wetter war sehr angenehm und sonnig, was zu dieser Jahreszeit aber nicht typisch ist. Rechnen sollte man mit knapp zweistelligen Temperaturen und Wind von der Biskaya her, der auch mal Regen mit sich bringt.

Gernika ...

... war immer das politische Zentrum des Baskenlandes und alle mittelalterlichen Könige Spaniens machten unmittelbar nach der Krönung einen Antrittsbesuch in Gernika, um den Basken ihre Autonomie- und Freiheitsrechte, die Fueros, zu bestätigen. Das erklärt, warum ein Bürgermeister von Gernika sagte: "Gernika wurde nicht berühmt, weil es bombardiert wurde, sondern Gernika wurde bombardiert, weil es berühmt war." Das war es als politisches Zentrum des Baskenlandes und der republikanischen Bewegung. Zwar gab es eine Waffenfabrik für Pistolen, aber die Zerstörung der Stadt war kein Versehen. Franko versuchte sogar den Basken selbst die Zerstörung in die Schuhe zu schieben, um sie ihm vorzuwerfen. Wer Parallelen zur heutigen Zeit entdeckt, sieht das völlig richtig. "Die waren es selber, um uns zu beschuldigen" ist schon lange eine gängige Propagandamethode ...

Mit dem Bombardement verteilten ausgerechnet die Deutschen am 26.04.1937 die Medizin, die ihnen selbst nur wenige Jahre später gar nicht schmeckte und die als alliiertes Kriegsverbrechen bezeichnet wird. Ich empfinde Krieg generell als verbrecherisch, aber es ist scheinheilig mit dem Finger auf spezielle Verbrechen anderer zu deuten, mit denen man tatsächlich selbst begonnen hat. Die von Hitler an Franko abgestellte Luftwaffeneinheit Legion Condor bombte erstmals in der Geschichte in einem Terrorangriff eine ganze Stadt in Grund und Boden und machte Gernika dem Erdboden gleich.

Gernika Zentrum Picassos Guernica
Fenstersaal Baum von Gernika

In Gernika wird dieser Geschichte gedacht und die Bundesregierung Deutschlands hat sich in der Causa Gernika nicht mit Ruhm bekleckert. Erst 1997 gab es zumindest eine offizielle Entschuldigung für den Luftangriff der Faschisten. Apropos ... mit Coventry haben die Nazis das Gleiche gemacht, lange bevor die deutschen Städte in Schutt und Asche versanken. Nicht umsonst wurden solche Terrorangriffe im Hitler-Deutschland als "coventrysieren" bezeichnet … bis es sie selbst traf. Pablo Picasso malte direkt im Jahr 1937 nach dem Angriff das berühmte Bild, das in Gernika als gekacheltes Wandbild dupliziert ist.

Eine weitere Berühmtheit Gernikas ist das Parlamentsgebäude mit dem Fenstersaal und der berühmte Baum von Gernika, der das Symbol des Baskenlandes ist und von dem im Laufe der Jahrhunderte schon mehrere da standen, die aber immer direkte Ableger des ursprünglichen Baumes waren. Der aktuelle Baum ist von 2015. Picassos Bild heißt "Guernica". Heute heißt die Stadt Gernika-Lumo, weil zwei Städte, nämlich Gernika und Lumo verwachsen sind.

 Gaztelugatxe

Gluckgluckglaxe Die Sprache unterscheidet sich stark vom Spanischen, wie schon erwähnt. Auffällig sind die vielen X und man rätselt, wie das auszusprechen ist. Wir fanden mit der Zeit unsere eigenen Ortsnamen und tauften Gaztelugatxe kurzerhand um in Gluckgluckglaxe. Am ehesten kommt es der Sache nahe, wenn man es als "sch" ausspricht. Genau kann man das aber kaum sagen.

Gluckgluckglaxe ist auf jeden Fall einen Besuch über den sehr steilen Weg wert. Bereits der Weg zum ehemaligen Kloster ist beeindruckend und gewährt tolle Aussichten. Einen Nachmittag muss man also mindestens einplanen.

Die kleine Insel verbindet eine ca. 200 Meter lange gemauerte Brücke mit dem Festland. Einen Eindruck bekommt man, wenn man oben am Zugang schwitzende, aber breit grinsende Gesichter sieht, die von unten herauf kommen ...

Bilbao

Pintxos Theke (Bild: Wikipedia)In Bilbao selbst gibt es eine wunderschöne Altstadt, die etwas abseits des modernen Zentrums liegt. Sie ist sehr einladend. Hier kann man ausgiebig der baskischen Mittagskultur frönen … Pintxos essen (sprich: Pintschos). Pintxos sind im Baskenland das, was im restlichen Spanien Tapas sind, aber ein klein wenig umfangreicher und opulenter. Fünf verschiedene Pintxos sind ein ausgiebiges Mittagessen mit Fisch, Kartoffeln, Oliven und Käse. Manche werden sogar extra warm gemacht.

Der eigentliche Touristenmagnet ist aber ohne Zweifel das Guggenheim Museum. Man spricht im ganzen Baskenland von einem "Guggenheim Effekt", von dem touristisch der ganze Landstrich profitiert. Das ist ohne Zweifel wahr, aber ganz unumstritten scheint das Museum nicht zu sein, denn man sieht oft Graffiti oder Plakate mit "Stopp Guggenheim". Der baskische Querulant lebt!

Guggenheim Museum

Wie ist nun das Museum selbst? Nun, bei Kunst kann man sich ja sehr leicht in die Nesseln setzen. Mein persönlicher Kunstgeschmack sagt erst mal "Kunst kommt von Können". Es bleibt dem Betrachter überlassen, ob dieser (mein) Grundsatz dort gewährleistet ist. Wie gesagt, muss diesen Grundsatz nicht jeder haben. Es lohnt ich also sehr, erst den Internetauftritt des Museums zu studieren, um zu entscheiden, ob es sich für einen lohnt. Meine Meinung zum Guggenheim Museum in Bilbao ist: Kann man sich sparen, es sei denn man steht auf Architektur. Die Kunst ist zum größten Teil ins gigantische aufgeblasener Kinderkram, der nur wirkt, weil er groß und in diesem Gebäude ist. Manchmal macht eben der Ort die Kunst. Das Gebäude ist in meinen Augen die eigentliche Kunst. Es ist ein phänomenaler, toller Entwurf und es verleiht den Arbeiten im Gebäude ihren Status und ihr Flair. Ohne diese Säle und ohne das Ambiente wäre vieles profan.

Innen im Museum ist es Pop Art … draußen auf der Straße sind es ordinäre Graffiti. Ähnliches mit der Stahlplastik von Richard Serra. So etwas basteln Schüler aus Karton und es ist dann ein schlecht gebasteltes Labyrinth. Vergrößert man es um das hundertfache und nimmt massive zentimeterdicke Stahlplatten anstatt Karton, dann ist es Kunst, um die man ein Gebäude herum bauen muss, da nichts davon transportabel ist. Immerhin verweist es auf den Eisenbergbau und die Eisenverhüttung, die hier früher eine Tradition hatten. Aber ich bin ja nur ein Laie und habe keine Ahnung von Kunst. Für mich stellt sich trotzdem immer die Frage: Würde das auf einem schnöden Krankenhausflur als Kunst erkannt werden? … oder als Dekoration ..?

So respektlos und querulatorisch wie die Basken bin ich als Bayer auch ...

Guggenheim Museum: Kunst-Gebäude ... Architektur Kunst ... Pop Art Echtes technisches Kunstwerk: Desmodromische Ventilsteuerung ...

So manche mechanische Ingenieursarbeit ist deshalb für mich mehr Kunst, als ein von handwerklichen Dilettanten in Auftrag gegebenes "Kunstwerk". Mein liebstes Beispiel ist die desmodromische Ventilsteuerung meiner Ducati 900 Supersport. Ein wahres Kunstwerk! Wenn man weiß, bei welchen Temperaturunterschieden das mit geringsten Toleranzen bei hohen Drehzahlen laufen muss, bekommt man einen Eindruck, was Wissen und was Können ist ...

Bermeo

Blick auf Bermeo an SilvesterUnsere Unterkunft bei Bermeo bot einen tollen Blick über die Stadt. Gerade an Silvester gefällt so etwas besonders. Bei der Gelegenheit muss man erwähnen, dass es vergebliche Liebesmüh ist, für Silvester ein Restaurant zu suchen. Traditionell bleibt alles geschlossen, weil die Menschen zuhause bleiben wollen. Vor und in Bars wird aber ausgiebig gefeiert.

Es fiel uns extrem auf, dass am nächsten Tag keinerlei Feuerwerksmüll zu finden war. Die Basken sind saubere Leute!

Mundaka mit Surfern

Mundaka, Silvestersurfer Gesurft wird durch den Wind und den Wellengang von der Biskaya her ganzjährig. In den Orten am Meer Neoprengestalten mit Brett zu begegnen, ist alltäglich.

Fazit

Als Resümee bleibt mir nur zu sagen, dass mich das Baskenland sehr positiv überrascht hat. Es ist wirklich eine tolle Gegend innerhalb Spaniens, die man gar nicht wirklich mit Spanien in Verbindung bringt. Weder klimatisch, noch geschichtlich, noch mental oder von der Landschaft her. Der Baske ist in Spanien, was der Bayer in Deutschland oder der Schotte in GB ist: Aufsässig, rebellisch, querulatorisch und äußerst sympathisch halt. Zu empfehlen ist dieser Landstrich unbedingt. Unsere Unterkünfte waren noch dazu beide ein Glücksfall. Naturerlebnis ist garantiert, das Meer ist nicht weit und Bilbao ist eine tolle Stadt, auch ohne Kuckucksheim Museum ... sorry ... Guggenheim natürlich! 


© 2025 Sigi Heider


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