01. März 2009: Die Plackerei nimmt kein Ende ...

Haben 4 Stunden geschlafen. Dann wieder Plackerei ohne Ende. Die nächsten schweren Steigungen, wir sind jetzt ca. 500 m von der ersten Passhöhe entfernt, schaufeln und winchen seit Stunden. 

Geht nur so: F1 rückwärts versuchen hochzukommen, wenn geschafft, Spur brechen nach unten, dann T1 hoch, dann F1 zurück und F2 Gespann absichern oder hoch winchen …

Meldung überholt vor dem Absenden: Haben soeben mit beiden Gespannen erste Passhöhe erreicht! Die Pacific Ocean Wasserscheide! GPS-Koordinaten: N 67° 52´23" / E 176° 05´51".

01.03.2009, 06:08 Uhr MEZ

Haben auch zweiten Pass überwunden. Sind jetzt vor drittem Pass. Wetter hat aufgeklart. Exakt wie vom Deutschen Wetterdienst vorausgesagt, haben wir ab heute Mittag einen kurzen Hochdruckeinfluss in unserem Fahrgebiet. D.h. seit Tagen sehen wir zum ersten Mal wieder die Sonne. Schutzhütte noch nicht erreicht. Sind jetzt bei GPS-Koordinaten: N 67° 40‘11" / E 176° 39‘53".

01.03.2009, 10:18 Uhr MEZ

Haben Schutzhütte 30 km vor drittem Pass erreicht. Hier ist ein Bulldozer stationiert. Müssen überlegen, wie es weiter geht. Der Pass ist zugeschneit. Laut dem Dozerfahrer keine Chance durchzukommen. Er hat den Pass heute Morgen freigeschoben, über 5 m Schneehöhe. 

Allerdings direkt hinter ihm durch starken Wind wieder zugeweht. Hat jetzt keinen Sprit mehr, nur soviel, dass der Dozer nicht abgestellt werden muss. Kann den Pass nicht nochmals frei machen. Kraftstoff trifft erst in ca. 5 Tagen ein. Sche***.

Die beiden Männer, die hier seit 5 Jahren in der Einsamkeit leben, sind sehr freundlich. Haben warmes Essen erhalten und Infos ausgetauscht. Zwei LKW mit insgesamt 20 Personen an Bord, die einige Tage vor uns gefahren sind, sind bisher nicht in Valonisti (Mine rund 170 km Richtung Egvekinot von dieser Schutzhütte entfernt) eingetroffen. 

Man versucht herauszufinden, wo sie sind. Eine Kommission, die von Egvekinot Richtung Pevek aufgebrochen ist, steht rund 250 km von hier und kann ebenfalls nicht weiter. Wir werden jetzt die Nacht hier bleiben und morgen versuchen, den Pass zu erreichen. Dann sehen wir was geht und was nicht. Könnte schlimmstenfalls bedeuten, dass wir aufgrund der Stürme hier festsitzen. Diese Gegend hier ist wirklich Wahnsinn. Gigantische Weiten, teilweise Schneeverwehungen der Größenordnung eines Hauses.

Ansonsten: Team erschöpft aber wohlauf, Kraftstoffreserve 500 Liter plus zwei halbe Haupttanks, Essensreserve ok, Fahrzeuge ok - auch wenn ich heute einen sehr harten Einschlag mit F1 in eine Wehe zu verzeichnen hatte und ein Abrutschen in den Graben. GPS-Koordinaten: N 67° 29´57" / E 176° 41´49".

02.03.2009, 00:09 Uhr MEZ

Heute Morgen hatte Schutzhütten-Team Funkkontakt nach Valonisti, nachdem die Verbindung gestern Abend immer wieder abgerissen ist. Hörten, dass ein Rettungstrupp auf dem Weg zu den zwei eingeschneiten Trucks ist, die vor uns sind. Die Rettungsmannschaft ist um 4 Uhr heute Morgen aufgebrochen und hat in 5 Stunden 30 km geschafft.

Wir brechen jetzt auf, um die Gelegenheit zu nutzen. Wenn wir es nicht schaffen, ist ein Rettungstrupp wenigstens in der Nähe. Haben jetzt noch 170 km bis Valonisti vor uns. Während des Funkverkehrs bat man uns - sollten wir die Eingeschneiten vor dem Rettungsteam erreichen - um Kontaktaufnahme per Satellitentelefon, um eine Einschätzung zu erhalten, wie es den Personen geht.

02.03.2009, 06:37 Uhr MEZ

Haben soeben nach 6,5 Stunden schaufeln und winchen bei bestem Wetter die von der Schutzhütte 19 km entfernte Passhöhe des so genannten dritten Passes nach Pevek erreicht. Geil!

Ein schier unglaublich schönes Panorama hier oben! Die Spuren des Dozers waren stark zugeweht. Lediglich die 3-4 Meter tiefen "Tunnel", die er gegraben hatte, waren noch nicht zu. Luftdruck F1 0,2 bar vorne und hinten. Temperatur ca. -35°C. Da wir unterwegs aus meinen beiden Dachtanks und meinem Hecktank durch Schrägstellen des Fahrzeugs so ziemlich die letzten Liter rausgeholt haben, haben wir immer noch 500 l Kraftstoffreserven plus je einem halben Tank. GPS-Koordinaten: N 67° 21´07" / E 176° 49´0".

Anm. der Red.: Wer sich schon einmal etwas näher einstimmen will auf die nächsten Zielgebiete des Teams, kann dies z.B. hier tun für Egvekinot oder Uelen!

02.03.2009, 15:57 Uhr MEZ

Haben soeben den 1000sten Kilometer härtester Offroad-Strecke, Schnee und Eis mit Temperaturen niemals höher als -20°/max. -56°C mit 0,5 bar oder weniger mit den 8 MT/Rs an den beiden Fahrzeugen ohne jeden Schaden gefahren! Danke Goodyear!

Sind durchgekommen bis zu der Stelle, wo die Trucks eingeschneit gewesen sein mussten. Die Spuren, die wir sahen, deuteten darauf hin, dass sie als erstes von einem russischen Kettentransportfahrzeug erreicht worden sein mussten. Ca. 10 km weiter trafen wir dann auf das größte CAT Kettenfahrzeug der Welt - einen D10. Wirklich unglaubliche Dimensionen. Alleine der Fahrerkabinenboden befindet sich in gut 4 Metern Höhe. Der Einfachheit halber zieht er hinter sich einen riesigen Schlitten her, der gleichzeitig ein Haus, ein riesiges Tanklager und Schneepflug ist ...

Da der D10 die Strecke schon einmal befahren hat, entschieden wir uns - wie die befreiten Trucks es auch taten - ihn zu überholen. Sind nun auf immer noch schwerer Strecke noch rund 25 km von Valonisti entfernt. Stecken in extrem starkem Schneesturm. Keine 1-2 m Sicht. Haben uns im "Whiteout" unter größten Anstrengungen noch eine Steigung hochgekämpft, um eine sichere Position zu haben und nicht von Schneemassen eingeschneit zu werden. Weiter kommen wir nicht, da vor uns jetzt die Ural Trucks stecken und die Strecke blockieren. Müssen auf Dozer warten, der die Trucks freischaufelt. 

Haben sichere Position auf Bergrücken, Kraftstoffreserve 320 l und 2 halbe Tanks, Essensreserve ok, der Sturm wütet derart, dass man kaum stehen kann. Man wird umgeweht oder fällt hin. Irre, das Team ist zwar erschöpft und sehr angespannt, aber wir haben deutlich an Sicherheit gewonnen. Die Entscheidung heute aufzubrechen hat sich als absolut richtig erwiesen. Wir haben in meinen Augen die einzige Chance zum Erreichen Valonisti genommen. Früher oder später keine Chance.

Der Sturm wütet so stark, dass der Schnee durch die geschlossenen Türen dringt. Es ist -24°C. Bei Wind mit ca. 35-38 km/h ist das allerdings wie -60°C. Handschuhe, Jacken, Mützen in Minuten steif gefroren mit dicker Schneekruste. Stehen ungefähr seit 15 Minuten an dieser Stelle. Links neben mir hat sich bereits eine ca. 50 cm hohe und ca. 3 m lange Verwehung gebildet. GPS-Koordinaten: N 66° 30´33" / E 177° 16´45".

03.03.2009, 00:49 Uhr MEZ

Expedition steckt gemeinsam mit Anderen in heftigstem Schneesturm fest. Nichts geht mehr. Nachdem der D10-Fahrer die ganze Nacht versucht hat, durch die Schneemassen zu brechen, hat er gegen 7 Uhr zunächst aufgegeben. Solch einen Sturm - sagen selbst diese erfahrenen Fahrer - haben sie bisher nur einmal im Leben erlebt. Es war unglaublich heftig und ist es momentan immer noch - wobei es scheint, als ob nun eher der Wind gefallenen Schnee verwirbelt, als dass neuer hinzukommt. Laut Auskunft der 20 km entfernt liegenden Mine, von der sie aufbrachen, kann keiner sagen wie lange wir ausharren müssen, bevor sie versuchen weiter zu kommen. Es gibt null Sicht. Alles, aber wirklich alles, ist weiß. "Whiteout" heißt diese gefürchtete Situation ...

Gestern Nacht spielten sich noch unglaubliche Szenen ab: Eine davon war, dass der Truckbus, in dem wir die 20 Personen vermuteten, zurück gelassen wurde. Wir wissen nicht, ob sich Personen darin befanden. Er konnte nicht aus den Schneemassen befreit werden. Ein weiterer 8x8 Truck wurde frei geschoben. Um nun an den riesigen Schneekratern vorbeizukommen, die er bei der Aktion hinterließ, fuhr der D10 eine Schleife durch den Tiefschnee. Dabei zerrte er noch hinter seinem Schlitten einen Uraltruck 6x6 mit, der dabei auf die linke Seite fiel. Ich rannte, fiel, robbte mich durch die Rinne, um im wahrsten Sinne des Wortes zu ertasten, ob wir da durch kommen würden.

Zum Glück war durch den breiten Schneeraumschlitten rechts gerade soviel Platz, dass unsere Wagen nicht in die Rinne fielen, die dem Ural zum Verhängnis wurde. Als wir in höchster Anspannung versuchten, dem CAT zu folgen - was nur in der Untersetzung und im 1. oder 2. Gang ging, wurden unsere Motoren plötzlich heiß. 

Wir öffneten im Sturm die Motorhaube und sahen, dass der Motorraum - obwohl von allen Seiten spezialisoliert - über und über mit Eis bedeckt war. Wie durch unsere Türen, hatte der Sturm in den Motorraum gedrückt. Das Eis, das sich bildete, hatte dann die Elektrolüfter festfrieren lassen. Wir fuhren weiter, um den CAT nicht zu verlieren, immer an der Grenze zum roten Bereich.

Aktuell funktioniert mein Lüfter wieder, wohingegen F2 noch ohne ist. Es ist wirklich der Hammer hier. Aktuelle Position: Geschätzte 4-6 km von der letzten Positionsmeldung entfernt (kein GPS-Empfang) Richtung Valonisti. Insgesamt eingeschlossene Personen an dieser Stelle: 10 in 5 Fahrzeugen, keine Verletzten o.Ä., Kraftstoffreserve Jeeps zusammen noch 320 l, Essenreserve EE-Team für 7-8 Tage, bestehende Funkkommunikation mit Mine in 20 km durch CAT-Fahrer, bestehende Satellitentelefonkommunikation. GPS-Koordinaten: N 66° 29´20" / E 177° 23´13".

03.03.2009, 08:23 Uhr MEZ

Es geht immer noch nichts. Stehen nach 12 Stunden immer noch an gleicher Stelle. Sturm ist wieder intensiver geworden. Mussten tanken. Haben jetzt zwei volle Fahrzeughaupttanks und noch ca. 200 l Reserve, d.h. noch einmal Haupttanks auffüllen + Rest für Fahrt. Kraftstoff reicht somit noch für 96 Stunden. Essensreserven ok, Trinken wird knapper. Schmelzen Schnee.

Haben uns jetzt ein Notzelt aus russischem Zeltstoff, den wir für schlimmste Fälle dabei haben, über die Fahrzeugmotorhauben gebaut, da immer mehr Schnee in Motorraum und Fahrgastraum eindringt.

03.03.2009, 12:01 Uhr MEZ

Kraftstoffreserven Bulldozer werden knapper. Dozerteam hat sich daher für Aufbruch entschieden. Sind nach 20 Stunden Stillstand gestartet. F2 wird durch den defekten Lüfter permanent sehr heiß, haben Isolationsmatten ausgebaut, Kühlergrill. Aber es wird schwer werden, den Pass so zu schaffen ...

03.03.2009, 17:45 Uhr MEZ

Haben es geschafft: Sind in der Mine Valonisti angekommen. Die kleine - aus der Situation des Eingeschneitseins - entstandene Gemeinschaft von 10 Männern, hatte gerade angefangen, sich gemeinsam auf evtl. schwierige Tage einzustellen (Essen wurde zusammen getragen und geteilt. Wir stellten den Topf/die Männer des Trupps schmolzen Schnee, gemeinsam kochten wir, etc. etc.), als sie sich auch schon wieder auflöste.

Wir gratulierten und verabschiedeten uns achtungsvoll voneinander in dem Wissen, jeder hat diese schwierige Situation sehr gut gemeistert. In 9 Stunden legten wir die 18 km zurück, die uns von der Außenwelt trennten. Meter für Meter: 2 m vorwärts = 1-2 m Schneehöhe beseitigen. Teilweise grub sich der CAT aber auch bis übers Dach in den Schnee ein. Ich zog Kaspars Gespann mit dem F1-Gespann etwa die Hälfte der Strecke, die andere versuchte er so gut es irgend ging, knapp unter dem roten Bereich zu fahren. Er ist ein wirklich guter und sehr besonnener Fahrer ...

Das Wetter hat sich zwischenzeitlich zu unserem großen Glück auch ein wenig beruhigt. Es windet zwar noch, aber vergleichsweise schwach bei mäßigem Schneefall. Freuen uns nun nach 6 anstrengenden Tagen und Nächten im Auto nachher auf eine Dusche. GPS-Koordinaten: N 66° 24´55" / E 177 34´59°.

05.03.2009, 00:54 Uhr MEZ

Versuchen aktuell den Lüfter von Kaspar zu reparieren. Ohne Lüfter keine Weiterfahrt. Kann F2 Gespann nicht über hunderte von km ziehen. Haben Fahrzeug sonst soweit instand gesetzt nach Schäden durch den Sturm (alles Eis aus Motorräumen, Lüftungen, Ansaugrohren, etc. entfernt). Hoffen noch heute aufbrechen zu können.

05.03.2009, 11:57 Uhr MEZ: Gefangen zwischen Bergen

Das geht an die Nerven: Hier geht nichts. Einerseits versuchen wir, mit allem möglichen Tricks einen 12V Lüftermotor aufzutreiben und umzubauen, andererseits sind die Wetterverhältnisse rund 30 km außerhalb der Mine wieder derart krass, dass wir hier nicht wegkommen. Ein Konvoi, bestehend aus zwei D10 Bulldozern, einem vorausfahrenden Kettenfahrzeug und 7 Trucks, die auf dem Weg von Egvekinot in die Mine sind, ist seit mehreren Tagen von Schneemassen eingeschlossen. Keiner weiß, wo er feststeckt. Man vermutet rund 32 km vor Valonisti in einem Tal vor dem gefürchteten Pass. Es gibt keinerlei Funkkontakt zu den Eingeschlossenen und aus Sicherheitsgründen brechen von der Mine keine Dozer auf. Es geht einfach gar nichts. Selbst ein Voraus-Kettenfahrzeug mit sehr erfahrenen Fahrern, das heute nach Süden aufbrechen wollte, hat abgebrochen und ist zurückgekehrt. Sch***


Anm. der Red.: Wie geht es weiter?

Im Moment sitzt das Team noch fest bzw. hat keine weiteren Kurzmeldungen mehr abgesetzt. In Anbetracht des bisherigen Kurses (siehe Kartenbild oben) stellt sich die Frage, inwieweit Matthias Jeschke und sein Team tatsächlich noch bis Uelen fahren wollen, so wie ursprünglich geplant, da es bis dahin sicherlich noch etliche Tage dauern würde, insbesondere bei den derzeitigen Wetterverhältnissen.

Wie wir beim Start in die erste Etappe des neuen Jahres angemerkt haben, wurde der geplante Kurs vom Team bereits schon einmal geändert, als Magadan ausgelassen wurde und es direkt Richtung Pevek ging. Möglicherweise wird auch nun eine Änderung ins Auge gefasst und eine andere Überquerung der Beringstraße geplant, worüber wir allerdings derzeit nur spekulieren können, da uns keine derartigen Informationen vorliegen.

Eng wird es im Zeitplan auf jeden Fall (siehe Auszug oben), weil die Abfahrt von Uelen bereits für den 04. März 2009 geplant war (Stand 23.01.09). Da allerdings ein großer Puffer eingeplant wurde mit einer Ankunft erst am 03. April 2009, ist hier noch alles möglich. Auf jeden Fall wünschen wir der Expedition schon jetzt alles Gute und vor allem: Es bleibt spannend!


© 2008-2009 Extrem Events