06. März 2009, 11:57 Uhr MEZ - Immer noch eingeschneit

Motorlüfter läuft: Haben aus etlichen Jeep- und Nicht-Jeep-Teilen und russischen Wickelkünsten einen Lüfter selbst gebaut. Dreht zwar falsch herum, aber egal. Hauptsache der Wagen überhitzt nicht und wir können unsere Fahrt mit F2 fortsetzen. Sehen wir, ob er auch in voller Last mit Anhänger die Leistung bringt, die wir brauchen.

Ansonsten eher katastrophal: Der Schneefall und die Winde lassen kaum nach. Können nicht weg. Sitzen fest. 

Ein zweiter Konvoi aus Richtung Pevek steckt ebenfalls irgendwo zwischen 50 und 150 km von hier fest. Somit müssen schon 12 Trucks, 3 Raupen, 2 Bulldozer und ein Kettenvorausfahrzeug mit insgesamt über 30 Personen Besatzung irgendwo in der Wildnis ausharren und auf Wetterbesserung warten ... 

Was unsere Situation angeht, haben wir momentan doppeltes Risiko: Zu wenig Kraftstoff und zu extreme Strecke. Wir haben aktuell 600l fertiges Kraftstoffgemisch. Das reicht normalerweise für 300 km bis Egvekinot dicke aus. Da wir aber mit erneutem Eingeschneitsein rechnen, kann es sehr knapp werden. Wir haben nun entschieden, auf einen der Konvois zu warten. 

Kommt der Konvoi aus Pevek zuerst, tanken wir nochmals 400l zu und machen uns auf den Weg. Dann haben wir das Risiko des Eingeschneitseins zwar immer noch, aber wir können im Warmen aushalten. Sollte der Konvoi aus Egvekinot als erster durchkommen, brechen wir mit dem Kraftstoff, den wir jetzt haben, auf. Da dann der Pass einigermaßen befahrbar sein müsste, dürfte dieser Vorrat reichen. In jedem Fall müssen wir hier weg. Es ist wirklich krass. Die Männer erzählten uns, dass letztes Jahr in ganz Tschukotka so gut wie kein Schnee fiel. In diesem Jahr waren es selbst für Erfahrene enorme Schneemassen ... 

07. März 2009, 10:32 MEZ

Wir sind aufgebrochen und versuchen Egvekinot zu erreichen.

Nachdem wir es gestern schon versuchen wollten, aber nach Besichtigung des ersten Berges mit einem Kettenfahrzeug keine Chance sahen, kam heute Morgen um 10 Uhr die Meldung, dass der erste D10 Bulldozer die Mine erreicht hat. Wir hörten, dass zwei von drei Bulldozern den Konvoi rund 35 km vor Valonisti verlassen hatten, weil der Kraftstoff nicht für eine weitere Nacht gereicht hätte ...

Unmittelbar brachen wir auf, um die frisch geschobenen Spur zu nutzen. Jetzt sind wir nach 10 Stunden Fahrt ca. 45 km von der Mine entfernt. Es ist unglaublich, wie die Schneemassen aufgewühlt sind, wie die Trucks des Konvois teilweise über 1,5 m in die geschobene (!) Schneedecke eingebrochen sind. Für uns Schwerstarbeit da durchzukommen ...

Team wohlauf, Fahrzeuge ok, Kraftstoffreserve knapp, da nur noch 350 l vorhanden. Stellen die Maschinen bei jedem Stopp aus, heizen mit den Webasto Thermo-Tops, da diese nur 0,5 Liter pro Stunde verbrauchen. Außentemperatur ca. -30°C. Essensreserve für ca. 6 Tage. Wir müssen hier unbedingt raus, es ist ein Kampf sowohl gegen die Uhr als auch gegen Spritmangel. GPS-Koordinaten: N 66° 39´22" / E 178° 19´16".

08. März 2009, 07:14 Uhr MEZ - Ankunft in der Mine

Wir danken allen russischen Freunden, die wir in der Mine kennen lernen durften und die uns, wo es nur ging halfen. Angefangen von der Möglichkeit mit in den Zimmern der Arbeiter schlafen zu können, über das Hergeben der letzten 300 l Benzin, die in der Mine verfügbar waren (wir erhielten sie vom Fahrzeug des Direktors!), über die Damen, die uns die zerrissenen Kleidungsstücke nähten (), und und und ...

Dennoch sollte es weitergehen: Wir mussten unbedingt schnellstens aus dieser weißen Bergwelt raus, die uns in dieser wunderschönen Gegend im Schnee gefangen hielt wie in einem goldenen Käfig.

Bis zum Roadcamp, das wir 20 Stunden nach unserem Aufbruch aus Valonisti erreichten, war es ein Kampf gegen die Uhr und gegen den Spritmangel. Da wir vom Deutschen Wetterdienst die Warnung erhielten, dass ein Starkwindfeld (Orkan) mit heftigen Schneefällen auf uns treffen würde (und zwar am Sonntag gegen 12 Uhr), gab es nur ein Wetterfenster von 24 Stunden für uns, da raus zu kommen. 

Also winchten, fuhren und schaufelten wir von gestern 12 Uhr bis heute Morgen 8 Uhr ununterbrochen. Fuhren wir während der Fahrt schneller, um vor dem Sturm da zu sein, stieg der Kraftstoffverbrauch, fuhren wir langsam, rannte uns die Zeit weg ...

Insgesamt aber gab es nur die Devise: Wir müssen hier unbedingt raus, sollte es weitergehen. Und wir schafften es. Wir erreichten das Camp (rund 100 km) vor Egvekinot mit Beginn des Auffrischen des Windes. Wir hätten keine 2-3 Stunden später eintreffen dürfen, da es jetzt wieder so stürmt, dass man die Hand vor Augen kaum sieht. Hätten wir es nicht geschafft, wären alle Spuren des Konvois weg gewesen und wir hätten bei den neuen Schneeverwehungen in den Bergen nochmals eine Woche warten müssen.

Wir haben entschieden, den Sturm hier abzuwarten und die Fahrzeuge und Anhänger für die letzten rund 1.000 km auf russischem Boden vorzubereiten. Im Camp gab man uns freundlicherweise auch zwei kleine Räume mit Betten und sagte uns zu, die große Garage der Räumdozer mitbenutzen zu können.

Haben während unserer Fahrt Richtung Egvekinot auch den 180sten Längengrad überfahren (s. a. Karte oben). Ab jetzt sind wir im Westen und GPS-technisch geht alles wieder andersrum. GPS-Koordinaten: N 67° 01`21" / W 178° 56`00".

11. März 2009: 21:25 Uhr MEZ - Ankunft in Egvekinot

Nachdem wir gestern Nacht einen ersten Versuch, Egvekinot von dem Roadcamp aus zu erreichen, wegen Schneesturms abbrechen mussten, haben wir es heute Nacht geschafft. Sind gerade eingetroffen. GPS-Koordinaten: N 66° 21`10" / W 179° 07`00".


Anm. der Red., 14.03.09: Stand gem. Live-Tracking vom 13.03.09, 09:52 Uhr siehe Karte unten.

Wieder scheint die Verbindung abgerissen zu sein oder zumindest gab es Probleme vor Ort: Am Freitag, den 13.03. gegen 15:12 Uhr kam das letzte Live-Tracking-Signal der Expedition, die in der Zwischenzeit den Ort  Egvekinot bereits wieder Richtung Norden verlassen hatte (siehe Karte oben). 

Zum Zeitpunkt ihres letzten Live-Tracking-Signals waren sie bereits wieder zurück gefahren von ihrem zuletzt nördlichsten Punkt 4 (Karte unten). Warum sie wieder stoppen und zurück mussten, wissen wir nicht. Wir hoffen nur erneut, dass es keine ernsthaften Probleme gibt!

13.03.2009, 03:48 Uhr MEZ

Sind gestern nach offiziellen Vorgängen und dem letzten Auftanken in Russland (für 2700l Bioethanol-Gemisch) zum Roaddepartment zurückgekehrt. Soeben haben wir dann dieses Camp nahe Amguema verlassen und versuchen, das 200 km entfernte, am Nordpolarmeer gelegene Dorf Vankarem zu erreichen.

13.03.2009, 10:06 Uhr MEZ, Schwerer Rückschlag

Schwerer Rückschlag/wieder schwerer Schaden: Wieder Zubehördifferential gebrochen. Der Hersteller sagt, sie seien zu schwach ausgelegt für die Expeditionsfahrzeuge. Man hätte stärkere verwenden müssen. Standen seit Stunden irgendwo im Tiefschnee und versuchten, F2 flott zu kriegen. F2 ist der Wagen, der in Jakutsk schon eine komplette neue Zubehörhinterachse aus dem F3 erhalten hatte. Haben das Fahrzeug jetzt provisorisch rollbereit gemacht und versuchen aktuell wieder das Roadcamp zu erreichen. F1 zieht beide Hänger. Das ist eine wirklich schlechte Situation. Ich bin echt sauer. Der dritte Heckdifferentialschaden innerhalb 5.000 km.

Werden versuchen zu reparieren, da ich in weiser Voraussicht und mit Unterstützung des Differentialherstellers in den USA für viele tausend Euro Ersatzdifferentiale gekauft und diese bei meiner Rückkehr nach Russland mitgenommen habe. Ärgerlich ist vor allem, dass wir wieder mindestens zwei Tage optimalen Wetters verlieren. Was für ein Mist!

13.03.2009, 13:14 Uhr MEZ

Soeben haben wir mit beiden Fahrzeugen den 1.600 ten km (!) mit den Goodyear Wrangler MT/R mit einem Luftdruck nie über 0,5 bar ohne jeden Schaden gefahren. Zusätzlich hatten wir ab Paris an keinem Fahrzeug oder Trailer auch nur einen Reifenschaden. Das sind bisher 26.123 km unbeschadet unter härtesten Expeditionsbedingungen!

13.03.2009, 13:48 Uhr MEZ

Haben Roadcamp nach 6,5 Stunden Fahrt erreicht. Die Situation mit dem Differential ist wirklich derart ärgerlich, dass die Nerven des Teams bis aufs Äußerste angespannt sind. Zu allem Überfluss sind alle Fahrer auf den Winterwegen unterwegs und das Haus verschlossen. Stehen vor der Tür, aber ok. Außentemperatur: -32°C. Lassen nur die guten Webastos laufen, um den durch diese Havarie eh dezimierten Kraftstoff zu sparen. Wir hoffen, dass morgen jemand zurück kommt und wir in die Garage können. Sonst wechseln wir das Differenzial vor der Tür ...

14.03.2009, 23:40 Uhr MEZ

Haben unter schwierigen Bedingungen Differential gewechselt und sind nun (42 Stunden nach der Havarie) wieder aufgebrochen. Haben an einem Stück repariert und wenig geschlafen. Hoffen das Nordpolarmeer bei Vankarem zu erreichen. Wetterbedingungen ausgezeichnet: Ca. -30°C, Sonnenschein. GPS-Koordinaten: N 67° 16`57" / W 178° 39`22".

15.03.2009, 09:54 Uhr MEZ

Kämpfen uns Meter für Meter Richtung Vankarem vor. Aktuell sind wir rund 55 km vor dem Ort. Haben für 130 km bis jetzt 13 Stunden gebraucht. Seit der letzten Mine, die rund 90 km hinter dem Roadcamp liegt, gibt es nichts mehr außer einer kleinen Spur, die ein Kettenpflug hinterließ.

Fahrzeuge gehen gut durch, auch wenn wir immer wieder schaufeln und Spur brechen müssen. Wetter ist ausgezeichnet. Fast windstill und sternenklar. Fahren nur noch mit Luftdruck vorne 0.1 und hinten 0.2 bar. GPS-Koordinaten: N 67° 40`00" / W 176° 50`59".

15.03.2009, 15:04 Uhr MEZ

Geschafft! Nach 20 Stunden nonstop fahren, schaufeln, Weg suchen, Luft ablassen, winchen, etc. haben wir das von Tschuktschen bewohnte Dorf Vankarem am Nordpolarmeer erreicht. Temperatur ca. -30°C, Windstärke ca. 4, leichter Schneefall. Team wohl auf, Kraftstoffreserve ok. Legen uns jetzt schlafen. Am Morgen wollen wir die Möglichkeiten, von hier aus nach Nuteplement zu gelangen, mit Einheimischen diskutieren. Der Countdown zur Beringstraße läuft: noch rund 400 km. GPS-Koordinaten: N 67° 50`22" / W 175° 52`15".


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