Das Zelt: "Tinde 3" - Erfahrungen - Der erste Eindruck ...

Das Zelt wird in einer robusten Hülle aus schwarzem Cordura Nylon geliefert, innen ist die Oberfläche glatt beschichtet und wasserdicht. Ein nass eingepacktes Zelt dürfte so also nicht gleich das übrige Gepäck durchnässen. Auffällig sind zwei außen angebrachte Kompressionsriemen. Ein pfiffiges Detail, das es ermöglicht, die an sich schon kleine Verpackung (eine Rolle von 60 x 15 cm) noch einmal zu komprimieren. Ein stets um Platz im Boot ringender Wanderpaddler wie ich weiß das zu schätzen! 

Auch fiel mir sofort auf, dass die Hülle nicht so "Leberwurstpellen ähnlich" eng ist wie die meisten Zeltverpackungen, die mir bislang untergekommen sind. Ein einmal ausgepacktes Zelt scheint dann plötzlich nicht mehr da hinein zupassen. Nicht so diese Hülle, ich denke ein halbwegs sorgfältig zusammen gepacktes Zelt passt gut hinein mitsamt Häringen, Spannschnüren, der Mittelstange und sogar dem Gummihammer ...  

Der erste Aufbau, noch etwas faltig das Ganze ...Stichwort Mittelstange: Es handelt sich hierbei um mehrere sauber verarbeitete, starkwandige Alurohrabschnitte von maximal 59 cm Länge, die sich trickreich ineinander stecken lassen und so ein Rohr von 59 cm Länge und 1,5 Kg Gewicht bilden. "Nestbar" heißt das auf Neudeutsch. Es handelt sich hierbei um die Stange in extra stabiler Ausführung, die kaum kaputt zu bekommen ist. Der Hersteller bietet auch eine Leichtgewichtsversion an, die nur 500 Gramm wiegt, aber natürlich Abstriche in der Stabilität nötig macht. 

Und trickreich ist wörtlich zu nehmen: Es braucht schon ein paar Augenblicke des Nachdenkens, um die Stangen in der richtigen Art und Weise zusammen zu pusseln. Das soll keine Kritik sein, nur ein Hinweis genau aufzupassen, wenn man die Stange das erste Mal entwirrt und zusammenbaut. Dann eine Überraschung - die Häringe sind völlig unerwartet wirklich brauchbar ...  

Es handelt sich um gelb verzinkte V-Profil Stahlhäringe, die gut für Rasen und mittelharte Böden taugen. Erwartet hatte ich - wie bei bisher den meisten meiner Zelte aufgefunden - diese unsäglichen Drähtchen, die den Namen Häring nicht annähernd verdienen und nur dazu taugen, direkt entsorgt zu werden. Soweit der erste Eindruck, jetzt ging es an den ersten Aufbau und dann würden wir weiter sehen.

Als ich die Zelthaut ausgelegt hatte, fielen mir ein paar lange Gurte auf, die unten am Zelt heraushängen. Ich schaute nach und sah, dass diese Gurte die vier Ecken des Zeltes überkreuz miteinander verbinden. Nun, das macht den Aufbau noch leichter: Einen Häring in die erste Ecke gesetzt, dann die gegenüber liegende Ecke gegriffen und soweit auseinander gezogen, bis der Gurt dazwischen leicht gespannt ist. Nun die nächste Ecke soweit gezogen, dass die Umrisskante des Zeltes zwischen Häring 1 und 3 einen rechten Winkel bildet. Den letzten Häring dann auf der anderen Seite nach Ausziehen der vierten Zeltecke gesetzt. Die Plane bildete nun in der Grundfläche ein Quadrat. 

Rauchabzugsloch, noch ohne Abdeckhutze ...Als nächstes den Reißverschluss geöffnet und die zuvor zusammengesteckte Zeltstange mit der Spitze mittig in die Stoffscheibe gesetzt, die die Spitze des Zeltes bildet. Mehrere Gurte verbinden den Zeltstoff mit dieser Scheibe. Die Stange wird dann aufgerichtet und mittig auf das am Boden liegende Gurtkreuz gesetzt. Da das schon unter leichter Spannung geschieht, steht das Zelt schon ganz passabel in Form.

Tatsächlich hatte diese Aktion gerade mal 3 Minuten gedauert. Beim nächsten Mal geht das schneller, die entsprechende Aussage des Herstellers stimmt tatsächlich. In der Zeltspitze war nun das große Loch des Rauchabzugs zu erkennen, Loch ... upps, ich hatte vergessen, die Hutze aufzusetzen!

Nun, das kann man nachholen, wenn man von außen die Hutze mit einer Stange, einem langen Ast oder z.B. dem Paddelschaft über die Zeltspitze stülpt. Bei einer Höhe von 2,75 Metern reichen da wohl auch die längsten Affenarme nicht. Besser geht es natürlich, wenn man sie direkt beim Einsetzen der Zeltstange aufbringt. Als nächstes kann man nun in aller Ruhe die weiteren Häringe setzen, die das Zelt endgültig stabilisieren. Auch die Sturmabspannung kann, wenn nötig oder gewünscht nun angebracht werden.

Mein Eindruck war, dass das Zelt bereits  mit den 8 Häringen am Bodenbereich schon so gut steht, dass man für eine Nacht oder bei ruhigem Wetter die Sturmabspannung nicht unbedingt braucht. Nun inspizierte ich in aller Ruhe die Details des Zeltes. 

Man merkt schnell, dass da die Erfahrung von Leuten eingeflossen ist, die wissen was sie tun: Die Schlaufen der Häringe sind stabile, fest mit der Plane vernähte Gurte mit Spannschnalle. Man kann also ohne den Häring neu setzen zu müssen nachspannen. Die Verbindung zur Zeltplane ist sehr gut vernäht. Ich kenne genug Zelte, bei denen diese Verbindung schnell ausreißt, die zumeist nur aus einer dünnen Schlaufe mit eingenähtem Gummiring besteht. Entweder segnet der Gummiring oder die Halteschlaufe das Zeitliche. Diese Gefahr besteht hier wohl nicht, das Ganze ist bestens gelöst. 

Was weiterhin sofort auffällt: Das Zelt hat in Bodennähe ein Fenster.Praktisches Detail: Fenster in der Zeltwand ... Rechts neben dem Eingang ist ca. 50 cm über dem Boden ein rund 60 x 30 cm großes durchsichtiges Kunststofffenster eingenäht. Mit einer Abdeckklappe ist es von innen verschließbar. Das ist ein sehr praktisches Detail, das ich von anderen Lavvus bisher nicht kannte. Man bekommt ja ohne Sicht nach außen nicht viel mit, was sich so in der Umgebung tut ...

Der Eingang ist in voller Breite mit feiner Mückengaze versehen: Man kann bei schönem Wetter eine Seite des Zeltes fast völlig aufklappen und hat trotzdem den Innenraum geschützt vor den Blutsaugern. Gleichzeitig aber hat man dann eine gute Lüftung, die besonders bei warmem sonnigem Wetter sicher auch nötig ist. Das extrem wasserdichte Gewebe lässt keinen Luftaustausch zu und das Zelt würde sich in eine Sauna verwandeln. 

Zum Glück aber kann die aufsteigende warme/heiße Luft auch aus dem Rauchabzug in der Zeltspitze entweichen, sofern man die Hutze geöffnet hat. Warm wird es aber trotzdem. Aber alles zusammen geht eben nicht, absolute Wasserdichtheit und extremes Leichtgewicht lässt sich noch nicht mit atmungsaktiver Eigenschaft wie bei einem Stoffgewebe kombinieren. Aber selbst Stoffzelte werden in der Sonne natürlich auch warm. 

Der Abbau geht erwartungsgemäß auch sehr leicht vonstatten. Meine Einschätzung, dass sich das Zelt wieder gut eintüten lässt, bestätigte sich. Ich hatte extra nicht besonders sorgfältig gepackt und gefaltet und bekam alles ohne zu krampfen in die Transporthülle ... 

Erfahrungen ...

Nun folgte der erste "Außeneinsatz", nach über 2.000 Km Fahrt war ich endlich wieder in meinem Lieblings-Kanurevier angekommen, dem Rogenreservat im schwedischen Härjedalen.

Nach zwei Portagen: Erstes Lager in traumhafter Lage, Zelt steht auf Torfmoos ...Inzwischen habe ich damit schon mehrere Portagen, sprich Gepäck- und Bootschlepperei zwischen den Seen gemacht: Die Zeltrolle ließ sich gut auf meinem alten Tragegestellrucksack an der Kraxe festmachen und war so einfach zu transportieren. Volle Punktzahl für die Handlichkeit! Nun kam der erste Aufbau im "Einsatz". Da ich ja nun wusste, dass es die Hilfsgurte gibt und wozu sie dienen, stand das Zelt in kürzester Zeit. Das ist wirklich toll, wie schnell das geht. Nun, ich saß jetzt im Mückenland, sozusagen im Mutterland aller Mücken, und legte die unten angebrachte Schmutzkante sorgfältig nach innen und "beschwerte" sie ringsum mit Ausrüstungsteilen und diversen Paddelklamotten ... 

Alles sah dicht aus und war es auch: Als bei einsetzender Dämmerung die Sauggeschwader anrückten, saß ich mit offener Zeltfront, aber natürlich geschlossener Mückengazetür im Zelt. Und das war und blieb völlig mückenfrei - auch hier die volle Punktzahl.

Die Hutze hatte ich natürlich angebracht und den Schlitz zugezogen. Heizen war noch nicht angesagt. Da ich nicht sicher war, ob sich da oben nicht doch ein paar Mücken durchmogeln können, hatte ich in der Zeltspitze eine Halterung mit einer brennenden Mückenspirale aufgehängt. Im Freien taugen die nicht wirklich, aber der Qualm, der nun oben in der Spitze stand, und nur langsam abzog, tat hier nun doch sicher seine Wirkung. Das habe ich aber nur einmal gemacht, in den folgenden Nächten kam auch keine Mücke rein - es war also wohl doch nur Voodoo ...

Leider war das Wetter nicht sehr stabil und am späten Abend kam plötzlich heftiger Wind auf. Da ließ der Regen auch nicht lange auf sich warten. Ich setzte schnell auch noch die Häringe für die Sturmabspannung nach: Kaum war ich damit fertig, gab es einen Schauer, der sich gewaschen hatte, dazu heftige Windböen, die ordentlich am Zelt rüttelten.

Alles kein Problem, das Zelt ist stabil und absolut dicht. Für Touren, bei denen man nicht die Zeit mit Zeltauf- und -abbau verplempern möchte und außerdem noch komfortabel im Zelt stehen will, gibt es nichts Besseres als diesen Zelttyp. Platzmäßig hatte ich, da solo unterwegs, einen Tanzsaal zur Verfügung. Man bedenke, dass die Kantenlänge 2,75 Meter und die Diagonale satte 3,89 Meter beträgt! Zu zweit ist immer noch reichlich Platz fürs Gepäck und auch zu dritt lässt sich im "Tinde 3" noch gut schlafen. Mit Einschränkungen beim Gepäck sind aber auch 4 erwachsene Schläfer sicher kein Problem. Aber für mich ist mit das wichtigste, dass man das Zelt absolut einfach auch alleine aufbauen kann! 

Alles dicht: Blick von innen durch die Mückengazefront ... Perfekter Aufbau, auch auf steinigem Grund ... Kann man noch schöner stehen ..?

Ein paar Worte auch zur Sturmabspannung; sehr gut dabei, dass diese Leinen schon fertig am Zelt eingeschlauft sind. Wenn man die werksseitigen kunstvollen, die Leinen einkürzenden Wickelknoten einmal geöffnet hat, wird man sie später kaum wieder so schön hinbekommen. Braucht man auch gar nicht, einfach die Seilspanner bis zur Schlaufe ziehen, und die so verkürzte Leine noch einmal die halbe Länge durch die Schlaufe fädeln und schon hängt sie nicht mehr bis zum Boden. Geht schnell und die Leinen verheddern nicht. Man kann sie so am Zelt hängen lassen, ohne dass sie stören, wenn man sie nicht braucht.

Natürlich wollte ich auch testen, wie es sich mit offenem Feuer im Zelt lebt. Gegen Ende meiner Kanutour wurden die Nächte bereits schon frisch, unter 10°C ist im Sommer schließlich schon unverschämt! Also wurde mein kleiner Hobo Ofen, auf dem ich während der ganzen Tour gekocht habe, ins Zelt geholt. Ich sage nur: Klasse! Wenn der Ofen gut brannte und genug Hitze lieferte, um den wenigen Rauch der entstand mit nach oben zu ziehen, war es im nu gemütlich und warm. 

Da ich der dünnen Zelthaut nicht "zu nahe treten" wollte, achtete ich darauf, dass das Feuer direkt in der Nähe der Mittelstange brannte und nicht zu groß wurde. Mit einem Hobo hat man das gut unter Kontrolle. Auch hier die volle Punktzahl, das ist wirklich eine andere Dimension des Wohnens im Zelt. Die etwas umständliche Bedienung der Schnüre an der Hutze von außen ist wie ich finde nicht so schlimm. Das Preis-Leistungsverhältnis dieses Zeltes ist so gut, dass man über solche Kleinigkeiten hinwegsehen kann. Nachdem ich nun das Zelt neunmal hintereinander auf- bzw. abgebaut habe, kann ich sagen, dass ich von dem Zelt wirklich begeistert bin.

Platz satt ... Auch Feuer im Zelt kein Problem ... ;-))

Der Importeur des Zeltes hatte mir den Tipp gegeben, die Aufbauhilfsgurte am Boden mit Schnappverschlüssen (wie man an sie z.B. an Rucksäcken und modernen Gürteln findet), trennbar zu machen. Das ist eine wirklich gute Idee, denn diese Gurte verschmutzen zum einen, weil man darauf herumtrampelt, zum anderen sind sie aber auch eine Stolperfalle, wenn man etwas schluffig umhergeht. Noch ein Tipp von mir: Die Mittelstange neigt dazu, mit der Zeit und je nach Beschaffenheit des Untergrundes einzusinken und dadurch das Zelt zu destabilisieren.

Das Zelt fällt deshalb natürlich nicht in sich zusammen, aber wenn die Seitenwände nicht mehr schön straff stehen, liegt die Hutze nicht mehr faltenfrei an und den Mücken öffnen sich die Türen zum Buffet. Ich hatte mir eine 8 x 8 cm Unterlage aus Alublech mit einem Zentrierzylinder aus Kunststoff gemacht, der in das untere Rohr eingesteckt wird. Damit konnte ich sogar auf torfmoorigem Untergrund stehen. Inzwischen fand ich im Campingzubehörhandel etwa bierdeckelgroße Kunststoffscheiben mit einer Vertiefung, die auch das Rohr zentriert. Bei einem Preis von unter 3 Euro lohnt der Selbstbau also nicht.

Mein Fazit: Wer ein leichtes und gleichzeitig sehr gut verarbeitetes Zelt sucht, das Stehhöhe bietet, Feuer im Inneren erlaubt, mückendicht ist und noch dazu sensationell schnell aufzubauen, der kommt um das "Tinde 3" nicht herum!


© 2007 Bernd van Ooy (Lodjur)