Anreise durch Finnland (2): Vom Polarkreis nach Norden ...

Mo. 17.07.00

Geplant für heute: Rund 300 km, leider wieder auf der Hauptstraße. Die E 75-4, die hier um Keml  herum auch 926 heißt, ist unsere heutige Leitlinie - wieder nur Verkehr ohne Ende. Zu unserer Ehrenrettung muss man darauf hinweisen, dass wir diese Hauptrouten nur deshalb fahren, weil wir in endlicher Zeit (sprich: unserer Planung) bis zum Nordende Europas vordringen wollen und weder Rentner noch Lehrer sind (der Hinweis sei uns verziehen!) - deshalb müssen wir das alles in nur wenigen Wochen durchziehen ...

Entlang des Kemijoki sind wir deshalb unterwegs, wir treffen dennoch auf die erste Elchkuh am Wegesrand, sie mampft vor sich hin, während wir Richtung Rovaniemi weiter fahren auf der 926 ...

Vorbei an Rovaniemi geht es diesmal, wo wir in diesem Jahr nicht anhalten. Wir kreuzen den Polarkreis und können endlich das fehlende Bild schießen vom "NAPAIIRI", dem finnischen Polarkreis ...

Auch die Polarkreis-Werkstatt vom Weihnachtsmann (Santa Claus) im Santa Park (N66°32.578´ E025°50.683´), dem absoluten Rummel-Ort, erreichen wir heute. Beim hiesigen Postamt sollen jedes Jahr Tausende Briefe von Kindern der ganzen Welt abgefertigt werden. Es gibt hier jede Menge von Geschäften, die alles mögliche an den Mann oder die Frau zu bringen suchen. Nach den nötigen Einkäufen heißt es "Nur schnell weg von hier" - doch die Hauptstraße wird uns (leider) so schnell nicht los ...

Endlich nun dieses Jahr: Ein Bild am finnischen Polarkreis ... Die älteste Kirche Lapplands (1689) ist recht unauffällig ...

Das Runway-Stück auf der E75-4 Richtung Norden (N67°04.569´ E026°33.636´) verwundert uns und lädt zum Anhalten ein. Welche Geschichte mag sich hinter diesem Straßenstück verbergen, das auch für die Landung größerer Flugzeuge ausreicht und vermutlich dafür auch ausgelegt wurde?

Durch die Tiefen des nun nördlicher werdenden Lapplands fahren wir Richtung Sodankylä - der Ort ist am Fluss Kitinen gelegen und beherbergt die angeblich älteste Gemeinde Finnlands. Wir suchen dort sehr zielgerichtet die älteste Holzkirche Finnlands und Lapplands aus dem Jahr 1689 (N67°24.856´ E026°35.619´), ein beeindruckendes Areal (samt beeindruckenden Wildcampern in der Nähe der Kirche - schrecken DIE vor nichts zurück??).

Bei Sodankylä soll es sich angabegemäß um das "Kälteloch" Lapplands handeln, also um den Ort, wo es nirgendwo im Winter kälter sein soll - eine Behauptung, die wir auf unserer Reise (mit mindestens +25°C  überall) sicherlich nicht werden belegen können! Schon im 16. Jahrhundert soll Sodankylä ein wichtiger Treffpunkt der Waldsamen gewesen sein ...

"Nach Norden" lautet unser Ziel - sollte man zufällig irgendeine wichtige Erscheinung am Wegesrand übersehen, können wir nichts dafür - von der Hitze und Mücken gehetzt - also von den Furien schlechthin, kann man nicht mehr auf alles achten, was sich unterwegs anbietet. Traurig, aber wahr, wir brettern dahin - Verkehr, Temperatur, Mücken, das Weiterkommen steht auf dem Programm - sind das die selben verachtenswerten Touris, die auch auf der E6 zum Nordkap brettern könnten, ohne die wesentlichen Dinge am Wegesrand zu sehen??

Nach ca. weiteren 30 km entlang des Flusses erwartet uns dann doch das nächste Camp in Petkula (Camp 3) (N67°41.104´ E026°47.539´), am Ufer des Kitinen gelegen. Dieses Camp kennt kein Reiseführer, ist es ein echtes Domizil "in the middle of nowhere"? Wir werden auf unserer Tour noch andere Orte kennen lernen, die diesen Titel mindestens genau so verdienen, doch heute haben wir den ersten gefunden. Ein malerisches Camp, für das man die Hauptstraße verlassen muss, um es zu ereichen - und dann ist man in der echten Wildnis Lapplands direkt neben der Hauptstraße!

Wir fahren runter zum Flussufer, wo auch die Sauna qualmt (in Finnland qualmt alles - natürlich unter anderem gegen die Erzfeindinnen - die Mückenweibchen!). Hier haben sich auch die einheimischen Camper niedergelassen. Zwischen Rezeption und Flussufer gibt es nur malerischen Campground, aber außer einem Motorradfahrer sehen wir niemanden, der sich dorthin traut. Das muss der wahrhaft biblische Fluch sein - traumhafte Landschaft, die sich niemand aufzusuchen traut! Auch als der Berichterstatter zum Kiosk geht, um dort wahrhaft billige Biere zu erstehen (erst hinterher merkt er, dass es sich um wahrhaft leichte, nahezu alkoholfreie Biere handelt!), begleiten ihn ganze Schwärme aggressiver Mückenweibchen, die einem fast den Fußweg vom Fluss hierher verleiden können ...

Myriaden verfolgen ihn - blöder Touri kämpft am Kitinen-Fluss ...Es folgt der Versuch eines Sitzplatzes am Flussufer - es herrschen  wieder weit über 20°C, aber etwas Wind geht und man hat für eine halbe Stunde oder so ein überschaubares Gefechtsfeld vor der Nase. Was hier im Wind anfliegt, kann man auch erlegen - fast schon eine Idylle!

Doch nach dem Abendessen kommt das (nicht) Unerwartetete: Der Wind lässt nach! Was nun folgt, ist beispielhaft für die ersten Tage unseres Trips: Ein kurzer Spaziergang entlang des Kitinen wird zunehmend zur Jogging-Strecke, man kann es schon einen wissenschaftlichen Versuch nennen, heraus zu finden, bei welcher Laufgeschwindigkeit ganze Trauben und Schwärme von Mücken noch folgen können.

Um es vorweg zu nehmen: Sie halten bei jeder Geschwindigkeit mit, und da man (kaum richtig angezogen wegen der Wärme) auch noch tüchtig schwitzt beim Laufen, sammeln sie sich bei jedem Halt um so dichter - landen überall, in allem, Mund, Nase, Ohren, Mütze, und wieder läuft man, denn das Mückennetz wollte man schließlich heute Abend nicht anziehen ... Am Schluss stellt sich heraus: Sie haben gewonnen - der organisierte Rückzug beginnt!

Eine Frage war geblieben bis heute: Wo sind die Mücken bei Aufkommen von Wind? Doch das Problem ist nun auch gelöst: Sie sitzen alle im Windschatten vom Explorer, und da wir den mit der Nase in den Wind drehen, heißt das, sie sitzen am Eingang hinten am Mückennetz und versuchen jeden nach innen zu begleiten - nett, wie sie sich am Rücken festkrallen, um hinein zu gelangen!

Noch lange wird sich die Besatzung damit vergnügen, einzelne Eindringlinge zu fangen und abzuschlachten - Gewalt und Brutalität sind heute abend im Restlicht der fast nicht mehr untergehenden Sonne angesagt: Der Highlander wäre stolz auf uns!


Di. 18.07.00

Heute nur 180 km? Sicher kein Problem für Kilometerfresser! Es muss nicht erwähnt werden, wir fahren weiter entlang der E75 (Noch einmal: Man verzeihe uns dafür wegen unseres Zieles!) - vorbei an Vuotso geht es Richtung Tankavaara.

Unser nächster Halt: Das Goldmuseum in dieser Ortschaft (N68°10.846´ E027°05.935´). Da einige Flüsse Finnlands goldhaltig sind, was bereits im 19. Jahrhundert entdeckt wurde, kamen viele Goldsucher in diesen Teil des Landes und suchten dort ihr Glück. Die 1870 hier gegründete Goldwäscherei erfreut sich auch heute noch eines regen Interesses der Besucher. Wir werden fast fehlgeleitet wegen der merkwürdigen Beschriftung an der Straße, aber dann stehen wir auf dem Platz: Unser PC muss heute dringend aufgeladen werden, und so fällt es eigentlich kaum auf, dass es hier wieder ziemlich rummelig ist. Alle Besucher des Goldgräbermuseums kommen raus mit Mückenhüten - die werden dort scheinbar verkauft und auch gern genommen ...

Wir verzichten auf einen Besuch des Touri-Rummels und fahren weiter - Ivalo im Norden ist nicht mehr weit!

Es ist 13:00 Uhr finnischer Zeit (MESZ +1): Die Temperaturanzeige am Straßenrand zeigt sage und schreibe + 27°C!
In Ivalo, die angabegemäß die größte Gemeinde in Nordlappland sein soll, besuchen wir die Tankstelle (Skandinavische Spritpreise brauchen wir trotz Diskussion um Brummi-Blockaden und Öko-Steuer hierzulande wirklich nicht - insbesondere wenn man einen Pickup mit 13l Durchschnittsverbrauch fährt!).

Mitten in Ivalo treffen wir auf den auch hierzulande offensichtlich unvermeidlichen, aber mit englischen Verhältnissen wirklich nicht vergleichbaren Kreisverkehr: Denn der hier ist der Lagerplatz der örtlichen Rentiere, von denen sich immer neue einfinden, kaum dass sie die Kollegen in der City sehen!

Kein Witz oder Touri-Arrangement: Rentiere am Kreisverkehr in Ivalo ...

Weiter geht´s durch erbarmungslose Hitze. Kurz vor Inari liegt das "Bärennest" (N68°48.992´ E027°18.958´), eine Felshöhle, zu der 152 Stufen führen. Dort sollen einer Legende zufolge während eines Unwetters ein Bär und ein Mensch friedlich gemeinsam übernachtet haben. Das Bärennest ist eine geologische Besonderheit, eine sogenannte Gletschermühle. Dieses ist ein großer Fels, der von kleineren Felsen, die ein Gletscher mitführt, ausgehöhlt wird. In der Eiszeit wurde der große ausgehöhlte Felsen auf einen Hügel geschoben, wo er kopfüber liegen blieb. Wir laufen hinauf - muss man wohl gesehen haben, oder?

Leider kein Ruhetag erwartet uns am Inari-See, die eventuell vorgesehene Bootsfahrt zur Friedhofsinsel oder eigene Paddelei entfallen. Von Inari aus gibt es zwar einen Pfad zu einem Samen-Freilichtmuseum und zum ältesten Gebäude Lapplands, einer Kirche, die man auch per Schiff erreichen kann, weiterhin ist der Inari-See Finnlands drittgrößter See und hat ca. 3000 Inseln, von denen einige den Samen heilig sind, aber wir können dem hiesigen Campingplatz nichts, aber auch gar nichts abgewinnen.

Es ist ein echter Mega-Flop, was wir hier antreffen. Ein paar Stellplätze sind auf diesem Campground  (N68°54.135´ E027°02.254´) ordentlich nebeneinander angeordnet, es herrscht absolute Flaute wie üblich in den letzten Tagen. Ein deutscher Womo-Fahrer erzählt uns aus dem Fahrzeuginneren seine traurige, mückenreiche Geschichte. Wir bleiben trotz eines festgemachten Wasserflugzeugs nicht hier, zum ersten (aber nicht  zum letzten!) Mal auf dieser Tour erhalten wir auf dem Campingplatz problemlos das Geld zurück, das wir wohl voreilig gezahlt haben ...

Wir folgen der E75 bis nach Jokitörmä (Camp 4) (N69°05.495´ E027°11.025´). Hier scheint ein wenig Wind zu gehen, auch verdecken ein paar Wolken mittlerweile die Sonne. Allerdings herrscht dennoch Misstrauen im Cockpit, als wir zum Stellplatz rollen. Zu recht! Es muss kaum erwähnt werden, dass sich die Wolken, kaum dass wir zum Stehen gekommen sind, wieder vollständig verziehen und der Wind auch wieder genau so vollständig abflaut. Was bleibt, stellen wir schon nach wenigen Minuten fest: Eine echte Mückenhölle in der Sonnenglut, wieder auch nur eine Flautenbadewanne neben der Straße, erneut fast 30°C, Horror perfekt ..? Heute soll eine Geburtstagsfeier stattfinden an Bord, natürlich optimal in abgedichteter Umgebung. Der kurze, verzweifelte Ausbruch von Widerstand gegen die Umwelt mit Goretexjacke, Mütze und Handschuhen draußen wird durch sofortige extreme Schweißausbrüche und noch mehr aggressive Mückenweibchen geahndet, bis alles wieder ausgezogen wird - erschöpft wird die ins Innere gerettete Dose "Geburtstags-Bier" geleert - leider kaum eine dritte, vierte, fünfte, sechste, x-te vorhanden, die man eigentlich heute bräuchte ...

Am Abend noch beeindruckende Erlebnisse: Mücken fliegen auch den Nackten unter der Dusche an - sie erinnern dabei irgend wie an Kamikaze-Flieger, allerdings erwischt man sie unter der Dusche nicht alle, und so warten sie, bis man wieder rauskommt - mit der einen Hand am Handtuch, mit der anderen an der Mücke versucht man den nackten Hintern oder noch wichtigere Teile zu retten, was bei dieser Dichte allerdings schon ein Problem ist. Duschen ist fortan nicht mehr so in dieser Tage ...

Ab heute gibt es keinen Sunset mehr (siehe hierzu zum Beweis auch unseren neuen Sonnenaufgangs- und -untergangsrechner - umrechnen muss man nicht, weil wir die Koordinaten für Camp 4 ausnahmsweise mal zusätzlich in Dezimalgrad angeben: N69,0916° E027,184°) - wir sind nun doch schon deutlich im Norden ...

Die Kurzwelle auf 6075 kHz ist tot, um 23:30 Uhr ist keinerlei Empfang möglich, sollte es mit der nicht mehr stattfindenden Dämmerung zu tun haben oder nur mit der inzwischen doch recht beachtlichen Entfernung bei dieser nördlichen Breite oder etwa mit beidem? Um 23:45 Uhr ist es taghell, draußen kann man noch +21°C messen - leider kein Grund, auch draußen zu sitzen!

Die neuen, vor wenigen Monaten in Zellerreit vorgestellten pyrethrischen Netze, von denen die Mücken nur so abfallen nach der Landung, wären heute Abend glatt das richtige, auch wenn SIE keine Malaria-Mücken sind ...

Obwohl unsere Verteidigungslinie recht gut ist, haben wir irgendwo einen Einbruch, ein Leck, das uns noch die nächsten Tage beschäftigen wird und auf das wir nur wegen der hier herrschenden "Moskito-Dichte" erstmalig aufmerksam werden. Da wir es heute Nacht nicht finden, müssen wir uns auch vor heftigen Frusteinbrüchen wehren in Anbetracht der scheinbar nicht zu gewinnenden Hitzeschlacht gegen die Monster ...


Mi. 19.07.00

Eigentlich sollten es heute ca. 280 km werden, die wir fahren wollten. Doch um 8:00 Uhr Ortszeit heißt es: Heute erstmalig Flucht vom Camp mit offenen Türen und Fenstern, das Dach wird noch schnell runter geholt, aber kein Frühstück ist mehr angesagt, nur weg von hier ist die Losung!

Man möge es sich mal vorstellen: Da rollt man in aller Frühe auf einer völlig leeren E75 nach Norden, teilweise im guten Schritttempo, weil man zwischendurch immer wieder mal während der Fahrt die Türen aufreißt, um wieder einigen Hundertschaften aus dem Cockpit die Freiheit in ihren angestammten Lebensraum zu gewähren. Und diejenigen, die davon einfach keinen Gebrauch machen wollen, muss man dann halt während der Fahrt an der Frontscheibe von innen erschlagen - so zockeln wir dahin und versauen alles - Verkehr brauchen wir wirklich nicht auch noch!

Auf der Eismeerstraße ... Ortsschilder am Wegesrand ...

Irgendwann scheint das Cockpit zurück erobert - wir fahren fast ganz normal dahin. Beim nächsten Halt sind wir alarmiert, als sich nicht innerhalb von Sekunden neue Trauben bilden - wo mögen sie sein? Weiter geht´s auf der E75 - die Flucht nach Norwegen ist in vollem Gange!

Wir erreichen Utsjoki, den finnischen Grenzort. Das soll der einzige Ort sein, an dem mehr Samen als Finnen leben, er erstreckt sich auf drei qkm für 1400 Einwohner und hat 2(!) Tankstellen.

Die Stahlkonstruktion des Jahres 1994 an der finnischen Grenze ...Wir holen unser Frühstück nach in einem Cafe am Anfang des Straßendorfs - so gemütlich kann es sein, drinnen zu sitzen! Besteht draußen keine Gefahr mehr? Wir sehen eine Mutter mit Kinderwagen auf der Straße entlang laufen, doch dass sie einen Spezialüberzug auf ihrem Kinderwagen hat, entgeht uns nicht: Ein Mückennetz! Derartige Überzüge werden wir in der nächsten Zeit noch überall entdecken, nicht nur auf Kinderwagen ...

In Utsjoki verlassen wir Finnland, indem wir über die 316 m lange Brücke des Tanajoki fahren (ernannt zur Stahlkonstruktion des Jahres 1994) (N69°54.653´ E027°01.922´).

Die Cockpit-Temperatur beträgt nach unserer Überquerung noch unverändert: +34°C!

Die Uhr muss nun wieder eine Stunde zurückgestellt werden. Wir verlassen die E75, der wir - abgesehen von ein paar Ausweichrouten - seit Helsinki folgen. Doch ihren richtigen Anfang hat die E75 auf Kreta - eine echte Europastraße! Am Ende der Brücke erwartet uns die alte Bekannte: Die berühmte E6 (hier auch E75) ...

Man glaubt es kaum, aber es ist wahr und verleitet uns zu etlichen falschen Hoffnungen während der nächsten Stunden: Die finnische (Moskito-)Luftwaffe hat abgedreht, die norwegische uns offenbar noch nicht entdeckt - einige wenige "schwirrfreie" Minuten, die wir intensiv genießen!

Die E6 ist hier eine kleine Landstraße, gerade breit genug für zwei Fahrzeuge, kein Mittelstrich wurde dieser Asphaltpiste spendiert - aber wir sind glücklich: Kein Fahrzeug weit und breit und die erste "Straße" Norwegens gehört uns allein!

Wir erreichen Tana Bru: Hier verläuft die Eismeerstraße, aber die Kühlbox gibt ihr letztes, gegen Mittag wird es immer heißer ... Der Ort hat ca. 3.500 Einwohner und liegt am drittlängsten Fluss Norwegens, dem Tanaelvs. Wir hätten auch auf der finnischen Seite fahren können, denn hier gibt es eine parallele Straße auf der anderen Seite, aber sie erscheint nach all den Finnland-Kilometern nun nicht mehr so attraktiv und deshalb wählen wir die einfachere norwegische Seite ...

Wir folgen dem Straßenverlauf, von Tana Bru bis Ifjord erwartet uns eine wunderschöne Strecke, ein Großteil verläuft durch den Ifjord-Fjell, man schlängelt sich auf einer Höhe von ca. 300 - 370 m durch eine karge Landschaft mit vielen Seen und noch einigen Rest-Schneefeldern - und das bei den gegenwärtigen Temperaturen!

Endlich in Norwegen!Zwar herrscht draußen im Moment eine kühle Brise, im Cockpit haben wir jedoch wieder unsere vertrauten +36°C: Hört das überhaupt nicht mehr auf?

Nahe Ifjord gibt es eine Touriststation, die für ihre Lachsforellen berühmt ist. Wir erreichen den dortigen Campingplatz (N 70° 27,661´ E 027° 06,462´). Erst erscheint es hier echt idyllisch, toller Ausblick am Fluss und auch jede Menge wildromantischer Landschaft, es ist windig und mückenfrei. Doch kaum ist der Explorer geparkt, bricht wie gewohnt die Flaute aus und jede Menge verdächtiges Getier nähert sich, diesmal scheinen sogar noch die uns seit Schottland bestens bekannten Kriebelmücken dabei zu sein!

Wieder heißt es nach kurzem Überlegen: Geld zurück und weiter - um ehrlich zu sein, wir sind es mehr als gestrichen leid, bei dieser blödsinnigen Hitze inmitten der verdammten Plagegeister die Helden zu spielen! Wieder fällt das tiefe Verständnis des Campground-Verwalters auf, als er bedauernd auf das Wetter und die Insekten verweist und ohne zu Zögern die voreilig gezahlten Übernachtungsgebühren zurück erstattet - wir scheinen nicht die ersten zu sein, aber auf jeden Fall die einzigen, die sich auf den Platz am Fluss verirrt haben!

Mit einigen norwegischen Kronen zusätzlich besteigen wir wieder das Fahrzeug - unser Blick fällt auf das Thermometer - heute erreichen wir die Rekordtemperatur im Cockpit (Thermometer nicht in der direkten Sonne): +44°C! Wer kann uns verdenken, dass sich nur noch Fluchtinstinkte breit machen im Fahrzeug, während wir uns weiter aufmachen nach Norden??

Es geht Richtung Nordwesten bis Lebesby, vorbei am Laksefjord.

Vor der Kirche in Lebesby steht ein Monument, das Anton Johanson darstellt, der den 2. Weltkrieg geweissagt haben soll. Doch nichts hält uns hier, wo sollten wir auch bleiben? Spekulationen im Cockpit: Was würde wohl passieren, wenn sich irgend welche wahnsinnigen Touris (alles möglich!) zum wilden Camping auf das Friedhofsgelände vor die Kirche stellen würden?

Wir folgen der Straße 888 in die Höhe, es wird noch wesentlich einsamer, und dann erreichen wir nördlich von Bekkarfjord eine traumhafte Höhe mit See- und Fernblick (Camp 5) - dies soll nicht nur unser erstes Camp in Norwegen werden, sondern auch noch ein echt wildes! (N70°36.584´ E027°21.569´). Erst im Jahr 1989 ist die Straße zwischen Bekkarfjord und Hopseidet, das wir morgen erreichen werden, überhaupt an das norwegische Verkehrsnetz angeschlossen worden. Viele Jahre nach unserer heutigen Tour wird uns Leser Alexander Meinersmann nach Lektüre einer alten Motorrad Revue von 1984/1985 über einen Bericht von Bikern darin informieren, die zum Befahren dieser Strecke noch die Sondergenehmigung des Gemeinderats von Gamvik einholen mussten, die damals normalerweise für Touristen nicht erteilt wurde. 

Wildes Campen bei +28°C und Weitblick ...Heute kommen wir uns hier vor wie nach der Flucht aus der Vorhölle: Auf die Höhe sind wir gelangt, über 210 m zeigt der Suunto, sehr schön gelegen ist der Platz hier, insgesamt sehr empfehlenswert - in Sichtweite am Horizont haben sich noch etliche andere Camper nieder gelassen ....

Es herrscht ein recht starker Wind, der mit ca. +28°C den Aufenthalt angenehm macht (kein Thema für unseren Windchill-Rechner!) - außerdem scheinen SIE hier NICHT vertreten zu sein!

21:00 Uhr: Der Wind hat nur(!) noch +27°C, aber die Mücken sind wieder da! Interessante Versuche und wichtige Erkenntnisse folgen: Man sitzt mit dem Rücken zum Wind, da sie gern in den Windschatten einfliegen und damit von vorne kommen müssen - nur so kann man sie dann erfolgreich jagen und auch erlegen - was man nicht alles so lernt!

Abends sind sie trotz allem wieder übermächtig - nördlich des 70° Breitengrads herrschen um 20:34 Uhr Ortszeit über 32°C in der Kabine und: Die ganze blöde Explorer-Mannschaft hat im Stress tatsächlich vergessen, die Uhr um eine Stunde zurück zu stellen - wir sind wieder in Norwegen und damit dem MESZ-Gebiet ...

Der für heute gewählte Untertitel unserer Reise: Zwischen Hitzschlag und Mückenstich, oder: Nie wieder im Juli nach Lappland!

Was wir heute Abend erstmalig erleben: Ein Geräusch ähnlich wie Regen, wenn die Mücken an den Zeltbalg des Explorers prallen - selbst das jetzt streng rationierte Bier (1-2 Dosen) macht es schwer, diese Geräusche zu überhören. Nun ist sie wieder da, die letzte Hoffnung, die in den letzten Tagen nur selten ausgesprochen wurde: IN GAMVIK WIRD ALLES BESSER ..!


© Text/Bilder 2000 J. de Haas