Grillen am Gletscherrand ...

Die nächste Exkursion hatte mit großen Erwartungen begonnen, denn wie stand es in unserem "Roadbook" für den heutigen Tag: "Wir werden abgeholt zu einer Walrosssafari auf der Insel "Prince Karls Forland". Die erfolgt mit einem geschlossenen, beheizten Speedboot mit Bar und Toilette. Wir fahren entlang der Westküste durch den Icefjord bis Poolepynten. Dort können die Walrösser beobachtet werden und es wird ein Lunch serviert."

Auf zum Wahlenberg GletscherAll das bleibt nur Planung, im Svalbard Hotell erhalten wir stattdessen einen Anruf: Die Tour ist abgesagt. Nähere Begründungen werden nicht geliefert, es ist zu vermuten, dass sich vielleicht zu wenige Teilnehmer eingefunden haben. Aber als Ersatz für diesen Ausflug macht man uns ein anderes Angebot: Statt eines frühen Aufbruchs um 9:00 Uhr morgens könnten wir auch erst am späten Nachmittag starten, und zwar zu einer rund sechsstündigen Schiffstour mit Barbecue zu einer nordwestlich von Longyearbyen liegenden Gletscherbucht (Übersicht (2) und Karte rechts).

Dieses Angebot nehmen wir gerne an: Henningsen Transport, ein Unternehmen, das mit den nördlichsten Fjord-Kreuzfahrten der Welt wirbt, wird uns nun also heute zum Wahlenberg Gletscher fahren. Der ist nicht nur als sehr aktiv kalbender Gletscher bekannt, sondern auch durch ein Konzert, bei dem erst im Juni der italienische Pianist Ludovico Einaudi an dieser Stelle das "Klagelied für die Arktis" aufgeführt hat, um zusammen mit der Umweltschutzorganisation Greenpeace auf Probleme des Klimawandels in der Arktis aufmerksam zu machen. Von diesem  Auftritt auf einer künstlichen Eisscholle gibt es ein sehr beeindruckendes Video.

Wir werden auch heute wieder vor dem Svbalbard Hotell abgeholt und es ist schließlich schon fast 19:00 Uhr, als wir unser Schiff, die MS Langøysund entern und vom Guide in die Tour eingewiesen werden. Erst Monate später erfahren wir, dass dieses Schiff zwei Jahre zuvor bei einer seiner Touren aufgelaufen ist und der Eigner sich damals auch mit Vorwürfen angeblicher Dumpinglöhne auseinandersetzen musste ...

Einweisung an Bord Der Philippino muss herhalten Die Sval-Bar wartet ...

Unser Guide demonstriert zunächst einmal anschaulich an einem philippinischen Besatzungsmitglied, wie man im Ernstfall den lebensrettenden Schutzanzug besteigt - derartige Schwimmeinlagen zwischen Eisschollen haben wir allerdings für heute nicht unbedingt eingeplant ...

Schließlich wird der Motor angelassen, wir legen ab und einige Passagiere begeben sich bereits schnell an die Sval-Bar unter Deck, da es oben doch recht schnell recht zugig wird, als die Langøysund Kurs auf die entfernte Gletscherbucht nimmt.

Die überwiegend philippinische Besatzung ist äußerst freundlich, das Mädel an der Bar erzählt uns, dass einige von ihnen - so auch sie - derzeit auf den Booten wohnen und der interessante Job ihnen sehr gut gefällt, auch wenn die Umstellung auf die örtlichen Temperaturverhältnisse zunächst nicht einfach war. Inzwischen herrscht an der Bar reger Betrieb, der Alkoholpegel einiger Passagiere nimmt in bereits bedenklichem Umfang zu. Auch Residenten sind an Bord, wie wir in später Nacht noch erfahren werden ...

Es ist sehr angenehm zu wissen, dass wir auch bei der Rückkehr deutlich nach Mitternacht wieder bei strahlendem Sonnenschein von Bord gehen werden, der uns jetzt bereits während der ganzen Fahrt mehr als erfreut und mit für die äußerst positivee Stimmung an Bord sorgt.

Die Seereise beginnt ... Flugbegleiter sind zahlreich vorhanden Kapitän ahoi!
Zwergwal gesichtet Will er mit uns spielen?

Die Aussicht während der Fahrt ist grandios, die teils verschneiten entfernten Bergketten verleihen dem ganzen Ambiente einen fast schon märchenhaften Anstrich, der kalte Gegenwind vermag an diesem Gefühl auch nichts zu ändern. Großes "Aah" und "Ooh" bei der Sichtung von Zwergwalen, die in diesen Fjorden mittlerweile ab und zu auftauchen, so auch kurzzeitig rund um unser Schiff, das sie zu interessieren scheint. 

Nach jahrhundertelangem intensiven Walfang waren die Gewässer um Spitzbergen in der Vergangenheit nicht gerade ideal für Walbeobachtungen, was sich aber aufgrund der mittlerweile bestehenden Naturschutzgesetze wieder deutlich gebessert hat. Heute ist Fischfang rund um Spitzbergen nicht mehr erlaubt, weshalb alles vom Festland importiert werden muss - sehr zum Bedauern manch eines hier vor Ort ...

Fantastische Aussicht Bizarre Bergstrukturen ... ... und entfernte Gletscher Erste Eisschollen voraus
Größere folgen ... ... und treiben auch dichter vorbei Unwirkliches Szenario Lagebericht vom Tourguide
Der Wahlenberg Gletscher naht Ausweichen ist angesagt Annäherung wie weit? Gletscher-Kälbchen folgen ...

Die rund um uns schwimmenden Eisschollen werden nun langsam häufiger, je näher wir unserem Ziel kommen. Nach knapp drei Stunden Fahrt wird jetzt der große Grill an Bord angeworfen, auf dem die Philippinos diverse Dinge zu brutzeln beginnen. Unangenehm fällt uns dabei auch Walfleisch auf, von dem wir aber die Finger lassen. Von dem mit echtem Gletschereis gekühlten Whisky kann man aber eher kosten, was beim Anblick des inzwischen nahen Wahlenberg Gletschers nicht schwerfällt.

Der Gletscher kalbt erwartungsgemäß auch mehrfach, während sich der Kapitän so weit möglich dem Gletscherrand nähert. Es gibt hier Annäherungsregeln, die kein Schiffsführer missachten sollte, wenn ihm die Sicherheit seines Schiffs oder Bootes lieb ist, was wir besonders am kommenden Tag noch erfahren werden ...

Der Aufenthalt in Gletschernähe bringt uns in den Genuss fantastischer Bilder. Die vermitteln einem fast schon die Einsicht,  dass man sich danach den immer so sehr beschworenen künftigen Antarktis-Trip nun eigentlich sparen kann - mal sehen, wie lange das anhält!

Der Grill wird befeuert Barbecue-Time! Köche bei der Arbeit Die Gäste können zugreifen
Ausreichend Eis für Getränke Whiskey mit Gletschereis Gute Stimmung an Bord

Irgendwann muss allerdings auch die tollste Exkursion einmal enden und so nimmt die Langøysund schließlich wieder Kurs zurück Richtung Longyearbyen. In der Sval-Bar unter Deck wird es jetzt richtig voll, denn man hat ja schon viel gesehen inzwischen und kann sich nun verstärkt der alkoholischen Versorgung wirdmen, wovon einige Passagiere besonders gern Gebrauch machen, bevor sie wieder nach Hause kommen, wie wir erfahren. Die Bar beginnt sich erst wieder zu leeren, nachdem einige weibliche philippinische Besatzungsmitglieder eine größere Musikbox aufbauen. Sie sind schließlich nicht davon abzuhalten, den Rest der Reise mit mehr oder minder schwer erträglichen Karaoke-Gesängen anzureichern.

Die Mädels erleichtern es ungemein, wieder an Deck zu gehen und sich die frische Meeresluft um die Ohren wehen zu lassen, immerhin ist dabei das Geheul unter Deck kaum noch zu hören. Die Zeit verfliegt auch bei dieser Rückfahrt und es ist mittlerweile mal wieder Mitternacht, als wir uns bei unverändert strahlendem Sonnenschein unserem Ziel nähern.

Aus der Ferne erscheinen die Felsen rund um Lonyearbyen in einem unwirklichen Licht der irgendwie doch anders als gewohnt stehenden Sonne. Sie wirft lange Schatten von uns mittlerweile vertrauten Anlagen und Gebäuden: So die vielen kugelförmigen Antennen der SvalSat-Satellitenstation auf dem Platåberget oberhalb der bereits bekannten Gruve 3. Die Empfangsstation soll der Kommunikation und Kontrolle von Satelliten dienen, u.a. auch in Verbindung mit dem Navigationssystem Galileo ...

SvalSat-Satellitenstation Der Flughafen naht Longyearbyen voraus! Wieder mal vorbei an der Ladebrücke
Karaoke kann sogar die Bar leeren Mit dem Bus zurück

Ebenfalls aus der Ferne gut erkennbar ist nach Annäherung an den Adventfjord vor Longyearbyen der Flughafen und darüber die Gebäude der bekannten Gruve 3. Wie auch die Fabrikanlagen von Longyearbyen liegen Hänge, Bergspitzen und spielzeuggroße Gebäude in nahezu unwirklicher Beleuchtung und verleihen der gesamten Einfahrt einen fast magischen Anstrich.

Wir erreichen den Hafen und verlassen die die Langøysund nach einer wirklich wirklich gelungenen Exkursion. Die Rückfahrt zum Hotel, wo wir erst lange nach Mitternacht ankommen, machen wir diesmal mit einem großen Bus von Henningsen Transport. Die heute Nacht gemeinsam mit uns wieder heimkehrenden Residenten sorgen dabei in stark aufgeheitertem Zustand für jede Menge weiterer Erkenntnisse über das ganz besondere Inselleben auf Spitzbergen ...


© 2017 J. de Haas