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Vorbemerkung der Redaktion
Autor Jürgen Sattler, einst Kapitän des Tierschutzschiffes "pacifico", das mittlerweile Geschichte ist, hatten wir bereits bei seinen ersten größeren Touren an Land kennengelernt: Rund um sein "Mini-Womo" begleiteten wir ihn bei vier Touren gegen Jahresende 2020 in Deutschland.
Inzwischen ist Jürgen auf ein "richtiges" Womo umgestiegen, in dem er derzeit auch wohnt. Unser erster Bericht von ihm und "LERRY", wie er sein Fahrzeug in Anlehnung an das Kennzeichen vom ehemaligen emsländischen Wohnort getauft hat, ist mittlerweile bereits seine sechste Tour. Diesmal heißt es "Kurs Portugal" mit dem Neuen und der führt uns zur ehemaligen Römerstadt Conimbriga direkt in der Nähe des heutigen Ortes Condeixa-a-Nova.
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Wie wir im Folgenden sehen werden, ist Jürgen auch diesmal sehr ausführlich durch die Ruinen gestapft ...
Und noch etwas: Nicht nur in dieser Ausgabe, sondern auch
beim nächsten Mal werden wir über weitere Abenteuer "unseres"
Kapitäns - jetzt der Landstraße
- berichten!
Zurück in die Römerzeit ...
Bei der mittlerweile sechsten Fahrt mit LERRY schreiben wir heute den 11. Dezember 2021: Auf den Straßen in Portugal gelang es mir bisher, dem Winter in Deutschland zu entfliehen. Im Moment bin ich sehr neugierig, viele Jahrhunderte zurückzureisen: Der Grund ist eine Art "dreidimensionale Monographie", die hier entdeckt werden kann - die Darstellung eines antiken Ortes anhand von Ausgrabungen aus jener Zeit. Um dies zu tun, besuche ich nun die historische Römerstadt Conimbriga ...
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Bevor ich etwas tue, lasse ich
in der Regel gern meiner Fantasie freien Lauf:
Das bringt oft unerwartete Ideen! Auf meinem Streifzug durch die ersten
fünf Jahrhunderte wird mir dabei klar, dass die Menschen jener Zeit
offenbar möchten, dass ich hier und heute wieder verschwinde. Warum? Nun, einfach
wegen meiner Größe! Die früheren Bewohner dieser Stadt waren maximal um die
1,60 Meter groß. Und dann komme nun ich mit meinen 1,90 Metern!
Heutzutage geht so etwas, aber für damalige Verhältnisse eine mittlere
Katastrophe: Alle Türen, Zimmer und Flure wären viel zu klein für
mich gewesen. Okay, die Männer hätte ich damit vielleicht beeindrucken können,
aber sonst? Was die Frauen betrifft: Nun, sie hätten mich wohl
interessant gefunden. Aber für sie war alles an mir zu
groß ..!
Ich stellte mir eine ältere Dame vor, die rief: "Nein, er muss
wieder gehen, wir werden ihn nie satt bekommen!" Aber zum Abschied
hätten sie mir alles über die Häuser und Räume erzählt, die ich mir
dann in unserer Zeit angeschaut und fotografiert habe. So muss es
gewesen sein. Sonst wüsste ich viele der Details, die hier zu lesen
sind, sicher nicht ..!
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Die Stadt Conimbriga, die ich heute besuche, stammt aus der Römerzeit und liegt etwa 20 km südlich der portugiesischen Stadt Coimbra. Die ersten archäologischen Funde von hier stammen aus der Eisenzeit, sind keltischen Ursprungs und datieren Jahrhunderte v.Chr. Weitere Teile der Stadt wurden im 2. Jh. v.Chr. errichtet. Im Jahr 139 v.Chr. wurde Conimbriga schließlich von römischen Truppen erobert und Teil der Provinz Lusitania im Römischen Reich. Die Einwohner brachte man auf die "Linie" der Römer, was man auch als "Romanisierung" bezeichnet und die Stadt zugleich in ihre Blütezeit führte. Bereits zur Zeit des ersten römischen Kaisers Augustus errichtete man hier öffentliche Thermen, ein Forum sowie eine Stadtmauer.
In der Zeit, als das Römische Reich im 5. Jh. wegen der mittlerweile erreichten Größe und in Folge der damaligen Völkerwanderung unterging, wurde eine monumentale Verteidigungsmauer (Bilder oben) gebaut. Das Bild oben rechts zeigt den Haupteingang, ein Tor zur Stadt, das damals doppelt so hoch gewesen ist. Die Mauer sollte Feinde abwehren, aber es war bereits zu spät, Conimbriga wurde beim Ansturm der germanischen Sueben (auch Sueven genannt) im Jahr 486 erobert und zerstört. Die Bewohner zogen in die Umgebung und die ehemalige Römerstadt verschwand im Laufe der Zeit unter der Erde und geriet in Vergessenheit ...
Erst Ausgrabungen im Laufe des 20. Jh. brachten Conimbriga wieder ans Licht: Man kann sich sicherlich den archäologischen Wert dieser Stadt heute vorstellen ...

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Bevor ich in die Stadt darf, soll ich mir zunächst wohl einen Bereich anschauen, der für die vielen Besucher vorbereitet ist – einen Frühstückspark (Bildreihe oben): Zwischen Felskanten und alten Mauerresten wurde hier ein Picknickplatz im Grünen geschaffen. Einfach, aber sehr gemütlich. Im Moment ist hier ebenfalls der Winter eingezogen und alles etwas feucht. Wegen der Corona-Pandemie gibt es kaum öffentlichen Verkehr. Wieder einmal habe ich fast alles für mich allein. Aber Vorsicht: Während in Deutschland jeder Grashalm, der im Weg steht, weg muss und jede Unebenheit wegen der "Unfallgefahr" platt gemacht wird, ist dies hier nicht der Fall. Hier muss jeder darauf achten, wohin er tritt. Es gibt auch keine Barrieren an den Rändern des Felsens ...
Gleich links vom Haupteingang der Großen Mauer wurden bei den Ausgrabungen Räume entdeckt, die einst als Geschäfte oder für die Produktion dienten, das Handwerk war hier ebenfalls untergebracht (Bild unten Mitte). Die Böden waren praktisch und ohne besondere Dekorationen. Die Räume wurden im 1. Jh. erbaut in einem der ersten Gebäude des gesamten Komplexes. Wenn man sich die Gemäuer ansieht, wird klar, dass die Arbeit der Handwerker unten stattfand, also eher unterirdisch. Überhaupt war das Gelände im Wesentlichen über unterirdische Gänge zu erreichen.
Im Laufe der Zeit wurden diese Räumlichkeiten immer mehr aufgegeben und schließlich nicht mehr für ihren ursprünglichen Zweck genutzt. Die Zerstörung erfolgte etwa während des Baus der hier befindlichen Großen Mauer. Diese Räume wurden in den 1940er Jahren wiederentdeckt, als auch die Ausgrabungen der Zufahrtsstraße zur Mauer begannen ...
Auf den Bildern unten nähern wir uns dem sogenannten Swastika Haus:
Das
ehemaliges Zuhause einer ziemlich wohlhabenden Familie. Auch die ersten Stockwerke
verfügen über eine Mosaikdekoration. Die
dafür verwendeten Steine sind sehr klein, die Entstehung des Bodens entsprechend
komplex. Der Bau eines solchen Hauses wurde im 1. Jh. begonnen, letzte Details reichen bis ins 2. Jh. zurück. Der Boden
mit den Mosaiksteinen wurde erst im 3. Jh. verlegt und das
Muster der Mosaikfliesen ist nicht zufällig gewählt. Im Bild erkennt man eine Art Kreuzmuster, das sogenannte Swastika-Kreuz.
Dieses Kreuzsymbol wurde von den Römern als sonnenähnliches Symbol
verwendet, das Glück bringen sollte. Nun, wenn man sich das Haus so
ansieht, glaubt man glatt, dass es funktionierte ...
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Ein weiteres Haus hier wird das "Haus der Skelette" genannt (Bilder oben). Das klingt zunächst beängstigend, hat aber nur mit seiner Bauart zu tun: Um eine Mittelachse, ähnlich der Wirbelsäule, sind hier die einzelnen Räume des Hauses angeordnet. Erbaut in der Übergangszeit vom 2. bis zum 3. Jh. wurde es dann ebenfalls rund um den Bau der Großen Mauer zerstört. Auch diese sehr aufwendigen Mosaikböden stammen aus dem 3. Jh. und die Wiederentdeckung erfolgte wie zuvor bei den Ausgrabungen der 1940er Jahre. Dennoch dauerte es weitere gut 20 Jahre, bis der nun sichtbare Restaurationszustand erreicht war.
Bei dem, was auf den beiden Bildern unten links zu sehen ist, handelt es sich um eine teilweise ausgegrabene Badeanlage: Gebaut wurde diese ziemlich genau gegen Ende des 1. Jh., sie befand sich innerhalb einer reichen Wohngegend. Auf eine besondere und schöne Inneneinrichtung wurde dadurch Wert gelegt. Es gab hier zwei getrennte Bereiche, integriert war aber auch ein weiterer Bereich, der von beiden Geschlechtern zur selben Zeit benutzt werden konnte. Sehenswert die winzigen Gänge, die wirken, als könne man dort hilflos stecken bleiben ...
Als der Bau der Großen Mauer begann, wurde auch die Schließung dieses Badebereiches veranlasst, kurz darauf verursachte offenbar eine geologische Verwerfung eine größere Zerstörung des Bades.
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Beim weiteren Rundgang trifft man auf die Reste einer christlichen Basilika (Bilder oben rechts), die in einem derart schlechten Zustand sind, dass nur sehr schwer etwas über dieses Gebäude herauszufinden ist. Die Reste befinden sich auf einem ehemaligen Privathaus, das etwa im 5. oder 6. Jh. errichtet und später in eine Basilika umgebaut wurde. Ein großer, quadratischer Steinblock, der im Gebäude gefunden wurde, diente wohl als Altar. Am Ostende des Gebäudes war der Hauptteil der Kapelle angesiedelt. Die Grabungen und Forschungen hierzu haben etwa im Jahr 1940 begonnen und dauern bis heute an.
Um die Wende vom 1. zum 2. Jh. lebte in Conimbriga ein Aristokrat namens Cantaber. Das, was auf dem Bild unten links zu sehen ist, sind die Reste seines Hauses, mit fast 3.300 qm das größte der Stadt und eines der größten des weströmischen Imperiums. Das Haus war in fünf Bereiche unterteilt, jeder davon hatte einen eigenen Säulenstil. Es entstand im letzten Viertel des 1. Jh. und hat offenbar alle Probleme der Stadt überlebt. Erst mit der Aufgabe der Stadt wurde auch dieses Gebäude geräumt, es war eines der ersten, das mit dem Beginn der Ausgrabungen freigelegt wurde.
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Der Weg führt weiter vorbei an den Resten eines Äquaduktes (Bilder oben rechts), das der Wasserversorgung mehrerer kleiner Behausungen und Einrichtungen der Stadt diente. Leider ist nicht mehr sehr viel von dem alten Leitungssystem zu erkennen. Die Anlage entstand bereits im 1. Jh. und wurde später auch für die ganze Stadt verwendet. Es war eines der ersten Bauwerke, das mit Hilfe römischer Konstruktion und Technik gebaut wurde. Im Laufe der Zeit wurde es umgewandelt in eine Anlage mit Zisternen, um auch eine Speichermöglichkeit für das Wasser zu schaffen.
Als nächstes erwartet den Besucher eine richtig große Anlage, ein komplettes
Bad. Heutzutage würden man eine solche Anlage
eher als ein Freibad
bezeichnen, es bestand einst aus drei Teilen. Die Bereiche der
Becken wurden mit modernen Steinen wieder aufgebaut, um einen
besseren Überblick über die gesamte Anlage zu erhalten. Dieses erste
öffentliche Bad von Conimbriga entstand unter der Herrschaft des
bereits erwähnten ersten römischen Kaisers Augustus in den Jahren seiner Amtszeit von 31 v.Chr.
bis 14 n.Chr. Die beiden Bilder unten links zeigen den
Bereich des normalen Badebeckens: Mit modernen Steinen wurden die
Umrisse, Flächen um das Becken und Höhe des Beckens von damals
wieder hergestellt. Im Becken selbst kann man in den unteren
Bereichen der Wandung noch die Originalsteine erkennen. Die Flächen um
das Becken herum sind begehbar, um auch in das Becken selbst
hinein sehen zu können. Badesachen mitzubringen lohnt sich
allerdings nicht: Die
Becken sind heutzutage ohne Wasser ...
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Im Folgenden der mittlere Teil der Anlage (Bild obere Reihe rechts und darunter links), wo sich Bereiche und kleine Becken für die verschiedensten Anwendungen sowie der Eingang zur Anlage befanden. Kalt-, Warm- und sogar Heißwasserbereiche waren hier zu finden, außerdem auch Bereiche für Sauna und Massagen mit und ohne Öl. Ebenfalls zu sehen sind hier die ältesten Mosaikverzierungen von Conimbriga.
Unter dieser Badeanlage fand man auch Spuren einer noch älteren sowie kleineren Anlage, über der im Auftrag von Augustus die neue errichtet wurde mit dem Ziel einer Modernisierung von Conimbriga.
Das andere Ende des Bades ist auf den beiden Bildern oben rechts zu sehen: Das Mittelteil mit den Anwendungen liegt zwischen den beiden großen Becken. Wie leicht zu erkennen ist, hat dieses Becken riesige Ausmaße. Reste des ehemaligen Beckens sind ebenfalls gut zu erkennen und wurden wieder mit modernen Steinen aufgebaut, um die ursprüngliche Höhe und Weite des Beckens zu erhalten. Diese Größe ermöglichte auch die Nutzung für weitere Veranstaltungen: Betrieben wurde hier richtiger Schwimmsport, außerdem wurden Wettkämpfe veranstaltet und es erfolgte Training für die militärische Fitness von Soldaten. Als Besucher kann man das Becken problemlos über die etwas steile Treppe betreten, den Abschluss der Badeanlage bildet eine bewaldete Schlucht ...

Was wir beim Rundgang in dieser Stadt bisher noch nicht gesehen
haben, ist auf dem Bild oben zu erkennen: Ein Platz
für Veranstaltungen, genannt Forum. Die Mauerreste hier stammen von ehemaligen Gebäuden,
für die der Platz genutzt wurde. Sicherlich fände man dort
heutzutage Pommesbuden, Kioske und Toiletten ...
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Die Stadtbesichtigung geht langsam dem Ende entgegen, doch eine Besonderheit hat sie noch zu bieten, wenn man sich wieder in Richtung des Ausgangs begibt: Das Haus der Brunnen, genannt "Casa dos Rupoxos". Es ist in den Grundrissen und Mosaikböden so gut erhalten, das es eine eigene moderne Überdachung zum Schutz bekam (Bilder unten).
Die gesamte Fläche der in Mosaik gefassten Bilder liegt bei rund 570 qm: Es werden Bilder aus der Mythologie und des Alltags dargestellt, es lohnt sich, sie anzusehen und in Gedanken in der Zeit zurück zu gehen - das hat etwas! Auch dieses Gebäude war zu seiner Zeit das Haus eines Aristokraten, unter ihm befanden sich Gänge und Räume, die bereits beim Bau konzipiert wurden. Zu was der Unterbau einst diente, ist heute unbekannt. Die Springbrunnen, das dazu gehörige System an Leitungen und die Böden mit dem Mosaik stammen aus dem Beginn des 1. Jh. Das Springbrunnensystem des Hauses kann man heutzutage wieder besichtigen ...
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Herausgefunden hat man inzwischen, dass in der ersten Hälfte des 2. Jh. noch einmal größere Umbauten an dem Haus vorgenommen wurden: Steine können mitunter dazu viel erzählen. Im Verlauf der späteren Geschichte musste schließlich auch dieses Gebäude aufgegeben werden. Wie man bereits ahnt, geschah das ebenfalls zur Zeit des Baus der Großen Mauer. Das Haus wurde erst bei Ausgrabungen im Jahr 1939 wiederentdeckt: Bis heute wurde es nicht komplett ausgegraben. Ein Teil des Gebäudes liegt derzeit noch unter der angrenzenden Straße verborgen. Die schützende Überdachung wurde im Jahr 1991 errichtet.
Für diesen Besuch waren es erst einmal genug Einzelheiten zur Stadt und den Gebäuden,
die Reise zurück in das Leben der früheren Bewohner hat viele
Eindrücke der Jahrhunderte zurückliegenden Geschichte vermittelt.
Nun ist wieder Zeit, mit "LERRY" neue Ziele anzusteuern: Wir werden
sehen, welche sich als nächste anbieten, aber
vielleicht die Küste hier, die ist doch
nahe ..?
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© 2022 Jürgen Sattler
Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Jürgen Sattler finden sich in unserer Autorenübersicht!
Neuer Kurs: Portugal 2021































