4. Tag (Mo, 26.08.96)

Der nächste Morgen erwartet uns mit einem Traumwetter und los geht's zuerst durch den Wald nach Nes. Dort nehmen wir den Abzweig der Straße 243 nach Hedal. An der dortigen Stabkirche halten wir und sehen uns fasziniert die tolle Holzarchitektur der Kirche und des Pfarrhauses an. Die satte dunkle Honigfarbe des Holzes mit dem Pechgeruch leuchtet in der Sonne. Weit und breit keine Touristen, wir haben das Areal für uns.

In Hedal füllen wir unsere Vorräte in einem winzigen Laden auf, der jedoch von Lebensmitteln über Werkzeug bis hin zum Angel- und Campingbedarf alles bereithält (bis auf "Nahtdicht" natürlich, mit dem wir die nicht ganz wasserdichten Nähte der Kabinen-Plane abdichten wollen).

Ab hier beginnt eine wunderschöne Landschaft mit Hochebene und vielen Seen, aber eben auch vielen gebührenpflichtigen Wegen mit noch mehr Schafen, die dort ihre Siesta halten. An die Gebührenpflicht haben wir uns noch immer nicht ganz gewöhnt und füllen die diversen Briefumschläge, Tüten und Kästen nur widerwillig ...

bei Hedal ...

Landschaft zum Beerenpflücken ...

An den reifen Heidelbeeren, die hier tonnenweise an den Büschen hängen, können wir nicht vorbeifahren. Wir suchen uns einen idyllischen See für eine Pflückpause. Der Nachtisch für das Abendessen ist gesichert!

Begeistert von der Landschaft beschließen wir in Nesbyen zu übernachten. Doch Schock! Von der Hochebene aus erblicken wir Nesbyen, es erinnert mehr an deutsche Moselidylle mit Autobahnkreuz. Wir müssen durch, aber bleiben wollen wir hier auf keinen Fall!

Hinter Nesbyen geht es wieder in die Hochebene. Wir wollen nun zu einem Campingplatz am Tunnhovdforden. Der Straßenverlauf stimmt irgendwie wieder nicht mit der Karte überein und kein Weg führt am Tunnhovdfjorden zum eingezeichneten Campingplatz. Also fahren wir direkt nach Tunnhovd. Ein einsamer, schön gelegener Campingplatz mit Bootsverleih erwartet uns dort. Wir stellen uns ans Ufer eines kleinen Weihers, bauen Vorzelt und Schlauchboot auf. Schließlich muß laut Karte der Weiher eine Verbindung zum Tunnhovdfjorden haben ...

Lager- und Campingplatz am Tunnhovdfjorden

Badewanne zum Schiffeln ...

Nach wenigen Paddelschlägen ist Schluß - einige Schritte vorher um die Kurve hätten das Aufpumpen des Bootes erspart! Die Verbindung existiert nicht mehr, wegen Wasserknappheit, wie wir später erfahren. Vom Bootsverleih ist übrigens auch nur das Schild und ein verrottetes Boot am Ufer übriggeblieben.

Nun wird deutlich, warum der Campingplatz so einsam ist und wirkt, als ob er schon bessere Tage gesehen hätte. Als es noch ausreichend Wasser gab, hat man dort mit Dauercampern und Ferienhütten wohl bessere Geschäfte gemacht.

Wir genießen unseren einsamen Stellplatz am Ufer, das Wetter bleibt traumhaft. Im Spülhaus treffen wir abends ein nettes Pärchen aus Ostdeutschland, die früher schon einmal da waren und von den Zeiten erzählen können, als es hier noch Wasser "satt" gab.

5. Tag (Di, 27.08.96)

Wir brechen auf Richtung Geilo, um unsere Fahrt nach Aurland fortzusetzen. Ab Hol beginnt die wunderschöne Hochstraße 50, die gut ausgebaut, jedoch relativ unbefahren ist. Die Landschaft wird karger und am Strandafjorden machen wir kurz Rast. Eine fast isländische Stimmung breitet sich sich über dem See aus.

Die Tunnelstrecken beginnen kurz danach. Sie sind lang, oft pechschwarz, da unbeleuchtet, eng und kurvig - ein Traum für Klaustrophobiker! Selbst unsere Zusatzscheinwerfer können im Tunnel kaum für zusätzliche Helligkeit sorgen, der grob behauene Fels absorbiert das gesamte Licht. Sofern der Gegenverkehr es zuläßt, durchfahren wir die Tunnel mittig und flott, um möglichst schnell wieder draußen zu sein. Am Ende muß das Tempo jedoch schnell wieder reduziert werden. Tunnelein- und -ausfahrten werden gerne als "Stallersatz" von Ziegen- und Schafherden genutzt - wovon auch mal eine Ziege kündet, die das nicht überlebt hat.

Die Abfahrt nach Aurland (von ca. 1000 m auf 50 m innerhalb von 4 km) ist optisch ein Traum, jedoch fahrtechnisch weniger erholsam, denn die Tunnel werden hier einspurig, noch dunkler und noch kurviger. Jedoch der Blick auf den Vassbygdvatnet, der schwarzblau am Fuß des Bergkessels in der Sonne glänzt, entschädigt für alles.

Blick auf den Vassbygdvatnet

An der Ortseinfahrt von Aurland liegt unser Campingplatz sehr schön am Fluß. Kaum ist das Zeltdach aufgebaut, schüttet es wieder wie aus Kübeln. Im Laufe des Abends findet sich neben uns ein Hamburger Busfahrer mit seiner Frau ein. Sie sind mit einem Minibus unterwegs und er zeigt uns stolz, was er alles auf geringstem Platz eingebaut hat. Er hat sogar Zeitungsartikel und Fotos dabei. Der Minibus ist wirklich liebevoll ausgestattet, selbst die Radkappen sind mit Drachen verziert!

Einige andere Touristen sind am Explorer interessiert und so machen auch wir Führungen mit Vorführung. Das Wetter bessert sich wieder und der Abend endet mit einer Frisbeeschlacht und einem idyllischen Abendessen bei Kerzenlicht im Freien. 

6. Tag (Mi, 28.08.96)

... im Schneefeld entsteht unser langjähriges Titelfoto ... In Aurland zweigen wir auf die Straße nach Laerdal ab. Die Straße ist eng und steil und gleich zu Beginn kommt uns ein großes Wohnmobil entgegen, dem Fahrer ist anzusehen, daß seine Nervenkraft aufgezehrt ist. Kurze Zeit später können wir es verstehen. In endlosen, teilweise einspurigen Serpentinen windet sich die Straße bis auf eine Höhe von 1500 m. Wir bleiben von Gegenverkehr weitgehend verschont und müssen deshalb keine Ausweichmanöver fahren. 

Die steinige Hochebene liegt wunderschön in der Sonne. Die Steine haben allerlei Farben, von weiß über rosa bis zu grün und schwarz ist die gesamte Palette vorhanden. An einem Schneefeld halten wir an und sammeln einige der bunten Steine auf ...

Kurze Zeit später sind wir bei Laerdal und wählen den Campingplatz am Laerdalsfjord - schließlich wollen wir endlich mal richtig schlauchbootfahren! Schnell pumpen wir unser Boot auf für eine ausgiebige Paddeltour.

Für die Pleite am Tunnhovdfjorden werden wir hier ausgiebig entschädigt. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, ganz einsam im Fjord zu paddeln, der von hohen senkrechten Felswänden eingeschlossen ist. Weiter gehts zu einem Fluß, der in den Fjord mündet. Ein Stück schaffen wir es gegen die Strömung, doch dann wird es doch zu anstrengend.

Da ein ganz leichter Wind weht, packen wir nach der Rückkehr unseren OKD (Open Keel Delta = extremer Leichtwind-Drachen) aus. Er hebt ab und fliegt hoch hinaus. Was mag er wohl beim Anblick des Fjords fühlen?

Drachenidyll Laerdal ... Im Endanflug ...

Das Wetter bleibt gut und abends machen wir einen Rundgang durch die historische Altstadt von Laerdal. Die wunderschönen Holzhäuser sind beleuchtet und der Ort wirkt fast unwirklich ...


© Text/Bilder 1996, 1997 J. de Haas