Können Geparden schnurren?

Wir wollen zeitig aufbrechen und so sparen wir Zeit, indem wir das Frühstücksbuffet im Restaurant aufsuchen.

Das ist dann weitaus reichhaltiger als erwartet: Der Bauch hat sich wieder erholt und traut sich auch wieder an Unbekanntes. Hier findet sich, wie auf jedem Frühstücksbuffet, das wir in Namibia besucht haben, ein würziges Hackfleischgericht. Es erinnert an Bobotie, einen traditionellen Hackfleischauflauf mit wunderbaren Aromen von Ingwer, Knoblauch, Zimt, Kurkuma und vielem mehr. Zum Frühstück wird es aber nicht als überbackener Auflauf präsentiert, sondern eher als "Gröstl".

An der C40 ...

Wir packen zusammen und legen die Formulare bereit, die man uns bei der Einreise in den Etosha Nationalpark gegeben hat: Die Ausreise am Anderson's Gate ist nämlich genauso aufwändig wie die Einreise.

Wir machen einen Fehler und halten nicht direkt am Stopschild, sondern rollen wenige Meter weiter, näher an die Abfertigungsbaracke. Sofort kommt eine uniformierte Dame eiligen Schrittes an unser Fahrzeug und weist uns zurecht. Sie nimmt unsere Papiere entgegen und prüft sie ausführlich. Dann schaut sie sich auch im Cockpit um und wir müssen sogar die Kabine öffnen: Schränke und Kühlbox werden gründlich inspiziert, sie sucht offensichtlich nach gewildertem Fleisch und nach Tieren, die man etwa aus dem Nationalpark schmuggeln könnte. Sie wird allerdings nicht fündig und so können wir endlich weiter fahren ...

Abzweig nach Kamanjab ... endlose Weite ...
Hinkelsteine in der Landschaft ... Weitblick von oben ...

Zunächst geht es wieder auf die B1, diesmal nach Süden und man hat bei hervorragender Sicht den Eindruck, heute bis Südafrika schauen zu können. Aber bald kommt der Abzweig Richtung Kamanjab auf der C40, die auf unserer heutigen Strecke noch asphaltiert ist.

Diese C40 verläuft durch die "Kunene" Region: Sie ist eine Mischung aus Savanne und felsiger Wüste. Ackerbau ist hier kaum möglich und so bleiben den Einheimischen nur Viehzucht und Tourismus als wirtschaftliche Faktoren.

Immer häufiger sehen wir eigenartige Felsformationen in der Landschaft: Überreste gigantischer Lavaausbrüche, die eine Milliarde Jahre alt sind. Grund genug, kurz anzuhalten und sich einen ersten Eindruck der Felsen zu verschaffen. Es wirkt, als ob Obelix hier Hinkelsteine verloren hätte ...

Allzulange mag man aber nicht in der Glutsonne herumlaufen, also geht es weiter wie geplant zur Farm Otjitotongwe: Auf dieser Farm kümmern sich die Besitzer um wilde und zahme Geparden. Wer die Farm besuchen will, muss vorher buchen, Spontanbesuche sind nicht möglich.

Weltweit gibt es geschätzt nur noch 7.000 wild lebende Geparde, die meisten sind in Namibia zuhause. Geparden sind effziente Raubtiere und leben von der Jagd, da machen sie keinen Unterschied zwischen echten Wildtieren oder den Herden der Farmer. Das birgt Konfliktpotenzial: In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts haben deshalb Farmer den Gepardenbestand halbiert.

Organisationen wie CCF (Cheetah Conservation Fund) versuchen die Konflikte mit den Farmern zu schlichten. Zum Schutz der Ziegen und Rinder statten sie die Farmer mit Anatolischen Hirtenhunden aus, eine spezielle Rasse, die mit den Herden aufwächst und instinktiv die Tiere schützt. Mit diesen Hunden konnten nicht nur in Namibia, sondern auch in Südafrika gute Erfolge erzielt werden.

Die private Haltung von Geparden ist in Namibia nur mit speziellen Genehmigungen erlaubt und eigentlich ist der Kontakt mit zahmen Geparden und das Posten von "Schmusebildern" verpönt. Aber die Farm Otjitotongwe ist eine der wenigen Ausnahmen, wo Gepardenkontakt noch möglich ist, und deshalb wollen wir hier davon auch Gebrauch machen ...

Spontan Besuche nicht möglich ... Das etwas andere Wachpersonal ...

Wir biegen ab von der Asphaltstraße, öffnen das Tor mit unübersehbaren Warnhinweisen: Es geht fast einen Kilometer über einen holprigen Weg, bis man das Farmhaus erreicht. Dort erwarten uns am Zaun bereits zwei Geparden - offensichtlich die Wachmannschaft. Sie wirken gelangweilt, schreiten elegant am Zaun entlang und würdigen uns kaum eines Blicks. So Touris wie uns sehen sie wohl fast jeden Tag ...

Schon bald kommt Farmer Tollie aus seiner Behausung, der uns ganz herzlich begrüßt: Wir sollen schon mal runter zum Camp fahren - immer den Schildern nach - und uns einen schönen Stellplatz suchen. Er käme gegen 16:00 Uhr vorbei, um uns abzuholen für das Geparden "Meet & Greet".

Was für ein wunderschönes Camp, die Entscheidung, wo es am Schönsten ist, fällt schwer! Mit so viel Liebe wurden hier ein Restaurant mit Bar und mehrere kleine Lodges gebaut. Es gibt sogar einen Pool und einen Aussichtsturm, außer uns aber offenbar niemanden sonst weit und breit.

Wir wählen einen überdachten schattigen Stellplatz. Zunächst sind wir weiter allein im Camp, später aber kommt dann doch noch ein Pärchen und bezieht entfernt von unserem Stellplatz eine Lodge ...

Wunderschönes Camp ... ... mit Aussichtsturm ...
... Restaurant, Bar und Pool ...

Pünktlich um 16:00 Uhr kommt Tollie mit dem Pickup, wir klettern zu viert auf die Ladefläche und fahren wieder zurück zur Farm: Dort werden wir erwartet von den beiden zahmen Geparden, die Tollie zusammen mit seiner Frau Roeleen einst aufgezogen hat. Er erzählt, dass die Farm bereits im Jahr 1923 von seinen Eltern errichtet wurde und er sich hier neben der normalen Viehzucht auch dem Gepardenschutz widmet. Mittlerweile ist die zahme "Gepardengruppe" auf zwei Tiere reduziert, aber er unterhält noch ein riesiges abgezäuntes Gelände, in dem weitere wilde Geparden gehalten werden, die verletzt wurden oder aus sonstigen Gründen ihr ursprüngliches wildes Zuhause verlassen mussten.

Bei dem Tête-à-Tête (im wahrsten Sinne des Wortes) muss man einige Verhaltensregeln beachten: Geparden mögen es nicht, am Bauch oder an den Beinen gestreichelt zu werden und man kann damit rechnen, dass sie einen (bei Gefallen) ablecken. Wer das nicht mag, muss sich von ihnen fernhalten ...

Es liegt an den Geparden, ob sie zu einem kommen oder nicht. Sie werden nicht gezwungen und können entscheiden, ob sie Kontakt zu den Menschen haben möchten. Vermutlich merken sie auch ganz genau, ob die Menschen unsicher sind und ob sie positiv auf sie wirken. Das Pärchen aus der Lodge, das bei diesem Treffen wirklich nicht entspannt wirkt, wird von ihnen sichtlich gemieden.

Dann ist es schon eine besondere Erfahrung, wenn die Tiere auf einen zukommen, um die Beine streichen und sich genussvoll den Kopf streicheln lassen. Und genauso wie Hauskatzen beginnen sie bei Sympathie laut zu schnurren - was für ein schönes vertrautes Geräusch! Wenn sie Hände und Beine abschlecken, ist die Zunge übrigens weniger rauh als bei Hauskatzen ...

Nach ausgiebigem Schmusen machen wir uns auf zu einer Wiese. Mittendrin ein kleiner Hund: Ob der nicht als Beute angesehen wird? Nein, meint Tollie, Geparden lernen sehr schnell, was sie tun und lassen dürfen.

Schmusige Gepardin ... ... nach dem Schmusen kommt das Futter ...
... Fahrt durch das Gepardengebiet ... ... scheu, aber hungrig ..

Wer nun erwartet hat, dass die Geparden deshalb so friedlich sind, weil sie satt sind, staunt nun: Denn erst nach dem Schmusen gibt es Futter. Da ist es nicht ratsam, sich den Fleischbrocken zu nähern. Der kleine Hund probiert es trotzdem und wird mit eindeutigen Lauten und Körpersprache zur Raison gebracht, wie man auf unserem Video unten erkennen kann.

Nach dem Füttern kommen die Geparden erneut zum Schmusen und gehen dann zu einem Platz, von dem aus sie eine Rinderherde der Farm beobachten können. Sie legen sich hin und man denkt: "Oh, das ist wohl das Fernsehprogramm für Geparden nach dem Abendessen" ...

Wohnküche im Busch ...Aber nun geht es wieder rauf auf den Pickup und wir holpern über die Schotterwege zum Gehege mit den wilden Geparden, die auch gefüttert werden sollen. Drei solche vierbeinigen "Gäste" beherbergt das Gelände derzeit und es beginnt die Suche: Das Gelände ist so riesig, dass wir fast eine Stunde kreuz und quer fahren und eigentlich fast schon aufgeben.

Tollie erzählt, dass zwei der Geparden schon länger auf dem weitläufigen Gelände wohnen und genau wissen, dass nun Futter kommt. Den dritten - neuen - Bewohner hat er auch schon einige Tage nicht mehr gesehen. Das macht aber nichts, denn hier können die Geparden kleine Tiere jagen und sich so ernähren, und auch in freier Wildbahn fressen sie nicht jeden Tag.

Dann endlich erscheint ein "Altbewohner" und zur großen Überraschung auch der Neue. Sie sind so gut getarnt, dass man leicht an ihnen vorbeifahren könnte. Das Verhalten ist deutlich anders als das der Zahmen auf der Farm: Mißtrauisch beäugen sie den Pickup. Man nähert sich, kehrt wieder zurück in die Büsche und wartet ab. Als dann der Fleischbrocken geworfen wird, rast man zum Futter, um dann stolz mit der Beute wieder von dannen zu rennen. Da der andere Altbewohner - eine Gepardin - sich nicht sehen lässt, verfüttert Tollie das gesamte mitgenommene Fleisch.

Wir fahren zurück zum Gatter und aus dem Unterholz kommt nun plötzlich die dritte Bewohnerin und nähert sich dem Pickup, deutlich weniger ängstlich als die beiden anderen zuvor. Sie möchte nun auch Fleisch, hat aber Pech - zu spät!

Da die Gepardin nun am Gatter lauert, müssen wir vorsichtig das Gelände verlassen und das Gatter auch direkt bei der Durchfahrt zuwerfen. Da gelingt hinten am Heck des Pickups rechtzeitig, das Gatter knallt zu und zurück bleibt eine Gepardin mit einem endlos enttäuschten Blick - es bricht einem fast das Herz ...

Wir erreichen unser Camp kurz vor Sonnenuntergang und es ist Premiere - es wird bei dieser Reise zum ersten Mal selbst gekocht! Neben einem guten südafrikanischen Rotwein gibt es allerdings ein obligatorisches Camperessen: Penne Arrabiata ...

Still ist es hier nicht, rings herum sind Tiere zu hören, die durch das Unterholz streifen und auch das Geschrei von Hyänen, die offensichtlich Beute gemacht haben. Dem ungewohnten Buschkonzert lauschend und dank des Rotweins schläft man bald ein und träumt sicher auch ein wenig vom Schnurren der Geparden ...

... und von der enttäuschten Gepardin ..?


© 2025 Sixta Zerlauth