Part 2 - The Mediterranean Sea

Wir hatten unsere Kabine nun glücklich erreicht, uns häuslich eingerichtet und waren bereit, einen Rundgang auf unserem Luxusliner zu unternehmen. Die Ikarus Palace ist ein schönes Schiff und entspricht in etwa und genau allen anderen Mittelmeerfähren, die man so kennt. Wenn man die Augen zu macht, erkennt man keinen Unterschied zur Carthage oder Splendid, die ihrerseits wiederum zwischen Genua und Tunis verkehren. Es gab einen leeren Pool am Heck, eine obligatorische Außenbar, zwei Innenbars, ein Self-Service Restaurant und ein À la Carte-Restaurant.

Unsere Mitreisenden waren zu 99% Marokkaner: Die meisten schienen ein Fahrzeug mit italienischem Kennzeichen und einigen Kubikmetern Füllung zu überführen. Das Schiff war voll, laut der Rezeption gab es keine Kabinen mehr. Albine und Wolfgang waren clever und führten im Schiff eine eigene Kühlbox mit. Wir hatten nur einige Sachen in die Tasche gepackt und waren so nicht wirklich in der Lage, uns autark zu verpflegen.

Verpflegung auf der Ikarus Palace - dem widme ich ein eigenes Kapitel. Walkabout, das Reisebüro unseres Vertrauens, hatte uns schon vorher gewarnt: Nehmt euch was mit. Die Preise sind überzogen, die Qualität eher mies. OK, how bad can it be? Very bad!

Die Bar ... Es sieht nur lecker aus ...

Die preiswerte Vorspeise ...

Sandwiches: Fertig abgepackt in Frischhaltefolie - 4 Euro. Bestehend aus einem trockenen Baguettebrötchen, belegt mit dicken Scheiben holländischer Wassertomate und Thunfisch aus der Dose. Stopp, das war´s. Tomate und Thunfisch. Mehr nicht. Einige wenige wurden auch mit Tomate + Industriemozarella belegt. Geschmacklich waren beide im Blindtest nicht unterscheidbar: Keine Remoulade, kein Gewürz, kein nix dazu ...

Mittag: Es gab für 12 Euro ein Menü. Das bestand aus einer Nudelvorspeise mit der Dichte von Wolfram und dem Geschmack der Tomaten, und einem Hauptgang mit Fleisch oder Fisch, ebenfalls salz- und gewürzfrei. Dazu zwei kleine Brötchen und ein Softdrink. Die wenigsten gesunden Mägen waren in der Lage, so ein Essen komplett runter zu würgen. Witzigerweise gab es auch Wahlvorspeisen für einen kleinen Aufpreis, z.B. drei halbe Scheiben Billigkäse, gab´s für flockige 5 Euro. Drei Bruschetta in der "ich kann zwar nicht kochen, probier´s aber trotzdem"-Version für nur 7,50 Euro.

Die Hinfahrt dauerte über zwei Tage und die Zeit wollte einfach nicht vergehen. Langeweile en bloc: Patrick begann ein Buch zu lesen und ich übte mich in Demut gegenüber der Zeit. Wir schliefen viel. Ein Highlight war das Anlegen in Barcelona. Es war dunkel, es dauerte ewig und das war´s auch schon. Die Schiffsfahrt war einfach nur uuaaaaaahhhh - wir hofften auf baldige Ankunft in Tanger Med ...

Am ersten Abend übrigens bot man uns an der Bar Cocktails an. Also natürlich gegen Geld, aber da die anderen Mitreisenden grundsätzlich nur Kaffee orderten, wollte das Personal scheinbar mal etwas anderes machen. So bestellten Patrick und ich zwei Caipis: Man nehme einen Eiswürfel, schütte etwas Rohrzucker aus einem Kaffeezuckerpäckchen drauf, dazu Zitronensaft, Wasser, Alkohol, etwas Minzblatt (die Aktion brauchte 10 Minuten und drei Barkeeper) ... Das Ergebnis war sicher unter allen Gesichtspunkten kein Caipi und schmeckte auch eher wie Minz-Zitronen-Wodka.

Die Meerenge von Gibraltar - es war bereits angenehm warm. Ehrfürchtig standen wir an Deck und beäugten jene sagenumwobene Wasserstraße, die Orient und Okzident miteinander verbindet. Wir tuckerten dort mit 25 km/h durch und es war, als würde sich unser Schiff kaum bewegen. Es war Dienstag und ich hatte für heute einen eigentlich strammen Kilometerplan ausgearbeitet. Wir wollten es bis Erfurt schaffen. Erfurt? Ja ... aber der Ort heißt eigentlich Erfoud und liegt im Südosten Marokkos. Er ist fast das Tor zur Wüste dort und ist 700 km vom Hafen entfernt. Leider war es schon Mittag und wir legten gerade mal in Tanger Med an ...

Hafer Tanger Med Wartebereich zum Zoll ...

Was nun folgte, kann man mit Worten nicht erklären. Dafür braucht es unter anderem eine Hupe. Kaum waren wir auf dem Fahrzeugdeck angekommen, starteten alle Mitreisenden ihre Fahrzeuge. Gut, es würde noch eine ganze Weile dauern, aber auch der zugeparkteste Citroen in der hintersten Ecke lief nun schon, so dass die Luft sich mit wohlriechenden Abgasen fühlte. Glücklicherweise war das Deck gut belüftet.

Irgendwann bewegte sich die Schlange und wir kamen vom Schiff: Marokko - wir waren dort. Vor uns lag der Zoll. Halleluja. Wir hatten bereits an Board einige Formalitäten erledigt. Man füllt einen Fiches aus, kriegt einen Stempel und fragt sich, wieso alle, außer einem selber, noch so ein grünes Formular haben. Die Lösung: Zum Schluss standen sechs Deutsche beim Beamten mit Sonderbehandlung und bekamen dann auch so ein Formular ausgefüllt ...

Im Zoll steht man in Reihen, genau wie in Tunesien auch. Leute mit Uniform und Rangabzeichen übernehmen die Kontrolle. Leute in Anzügen überwachen sie. Wir hatten einen komplett demotivierten Opa (sorry, aber genau das war er), der uns komplett ignorierte und mit seinem Job mehr als überfordert war. Er hatte Zettel mit Nummernschildern, fand aber die Autos nicht. Sein Vorgesetzter kam dauernd und machte ihm Druck, etwas sinnvoller zu arbeiten. Wir trafen ein junges Pärchen aus Deutschland mit marokkanischer Herkunft, das ebenfalls unter dem Opa litt und trotz dutzendfachem Aufenthalt in Marokko überrascht über sein Vorgehen war. Sie gaben uns aber wertvolle Tipps. Gegen 13:30 Uhr waren wir "drin". Natürlich ohne irgend eine Kontrolle, Opi hatte nicht mal ins Auto gekuckt.

Wieso aber jetzt der Hinweis mit der Hupe? Nun, es warteten viele Fahrzeuge auf die Abfertigung. Und der Einheimische neigt scheinbar zum Glauben, dass akkustische Motivation etwas bringt. Leider neigt der Einheimische aber auch zum kollektiven Handeln. Beides zusammen heißt: Ein Typ hupt. Drei weitere finden das gut und hupen auch, 5 Sekunden später hupen alle und zwar auf Dauerton. Nein, kein Scherz. Man braucht Lärmschutz, um nicht aus den Latschen zu kippen.

13:30 Uhr - Frei. Die Autobahn, die erste Mautstelle, 100 m später der nächste Stopp - die nächste Umlenkrolle von Patrick wollte nicht mehr. Wir begannen auf dem Seitenstreifen der Autobahn mit der Reparatur. 5 Minuten später kam die Gendarmerie Royale und baute 100 m vor uns eine Straßenkontrolle auf - ohne sich aber auch nur ansatzweise für uns zu interessieren. Wir packten nach Fertigstellung alles zusammen und brachen auf gen Süden bzw. Südosten.

Wir fuhren durch viele Dörfer und kleine Städte. In einem Ort wollten wir nach neuen Lagern für Patricks Umlenkrollen schauen. Da kam dann ein Typ auf dem Mofa, nahm Patrick das alte Lager weg, war 4 Minuten später mit zwei neuen da, die er uns leicht überteuert (10 Euro) verkaufte. Aber wir waren happy und fuhren direkt weiter ...

Mitternachtsfresschen ... Unser Hotel in Errachidia ...

Als es dunkel wurde, hatten wir gerade einmal die halbe Strecke geschafft und waren in Meknes, einer schon relativ großen Stadt. Wir konnten erleben, wie viel Leben abends in die Städte einkehrt: Die Straßen waren brechend voll, Tausende von Leuten unternahmen etwas, trafen sich, aßen in den kleinen Cafes und Restaurants der Stadt. Faszinierend. Wir waren gut drauf und beschlossen, in die Nacht hinein zu fahren. Und vor uns lag ja auch nur die Querung vom Hohen Atlas. Es muss kurz vor Mitternacht gewesen sein, als wir in eine kleinere, aber sehr hell erleuchtete Stadt kamen. Wir stoppten am Straßenrand und machten erstmal "Vesper": Gute italienische Wurst und Brot, Nutella, das alles baute uns wieder auf. Wir fuhren weiter und erreichten kurz vor 1:00 Uhr Errachidia. Der Ort liegt etwa 70 km vor Erfoud und wir waren kurz vor dem Ziel. Passenderweise entschied nun Patricks Motor erneut, seine Umlenkrolle nicht mehr zu mögen, bzw. das Lager. Selbiges kollabierte mit dem Verlust des Käfigs, die Rolle kam schräg, der Riemen rutschte runter, verklemmte sich und zerbarst: Game over.

Wir erfuhren kurz vorher von einem Einheimischen, dass es ein gutes Hotel in der Stadt gäbe: "The Riad". Dank der hochauflösenden Google Sat-Imagery war das Hotel auch eingezeichnet. Ich schleppte Patrick zum Hotel. Wir bekamen Einlass, parkten, bezogen luxuriöse Einzelappartments auf dem Gelände und schliefen uns erstmal aus. Am nächsten Morgen würden wir mit den unterwegs gekauften Lagern die Spann- / Umlenkrollen reparieren ...


© 2011 Andreas Pflug