Rundfahrt im Apennin, 11.10.07

Wieder habe ich um 10 Uhr alles verstaut und fahre los: Auf der Straße SS63 in Richtung Süden zum Passo di Cerreto sehe ich die Hinweise in Richtung La Spezia. Nur noch 90 Km, dann wäre ich am Meer. Gleich westlich von La Spezia lockt der Nationalpark Cinque Terre mit seinen pittoresken Fischerdörfern. Ich rechne kurz durch, wie ich meinen Rückweg gestalten müsste und entscheide mich dann doch dafür, in der Emilia Romagna zu bleiben. La Spezia läuft ja nicht weg, oder ..?

Über unterschiedlich ausgebaute Straßen ... ... wieder ins Secchia-Tal

Ich verlasse die Straße in Richtung Ligonchio und Passo di Pradarena. Hier wird es richtig alpin. Die Straße in das obere Secchia-Tal macht auf mich einen sehr alpinen Eindruck und ein Blick in die Karte erklärt warum: Die umliegenden Berge sind teilweise über 2000 Meter hoch. Zuerst geht es jedoch bergab und ich überquere die Secchia, die hier noch ein kleiner Wildbach ist. Über viele Kurven und Serpentinen fahre ich weiter und die Aussicht auf einen guten Cappuccino führt mich zielstrebig in das Bergdorf Ligonchio, das nahe am Passo di Pradarena liegt. 

Hier oben gibt es ein relativ großes Wasserkraftwerk, das wohl schon seit der Jahrhundertwende existiert. Natürlich entdecke ich auch die ersehnte Bar und bestelle mir bei der charmanten Barista einen guten Cappuccino. Den genieße ich dann auf der verglasten Aussichtsterrasse mit direktem Blick auf Ligonchio und das Wasserkraftwerk. Anschließend geht es wieder bergab und ich gelange auf unterschiedlich ausgebauten Straßen () über Cerré und Sologno wieder ins Secchia-Tal.

Hier gibt es einen leichten Eingang zum Flusstal und ich lasse es mir nicht nehmen, mit dem Landrover auf Entdeckungstour zu gehen: Viele Fahrspuren durchziehen das breite Tal und deuten darauf hin, dass ich nicht der Einzige bin, der hier unterwegs ist. Hoffentlich gibt es an dieser Stelle nicht bald ähnlich ausufernde Offroadparties wie am Tagliamento: Dort ist es seit einiger Zeit nicht mehr ohne weiteres möglich offroad zu fahren, weil es einige kräftig übertrieben haben. Nach kurzer Rast geht es weiter, denn ich möchte noch die Pietra di Bismantova umrunden, bevor ich über Castelnovo weiter nach Westen fahre. 

Weiter nach Westen ... ... ... bis zu Pietra di Bismantova ...

Die erwarteten Postkartenmotive bleiben leider aus und ich komme ohne bessere Karten auch nicht näher an die senkrecht abfallenden Felswände der Pietra heran. Dennoch finde ich einen Rastplatz für meine Brotzeit mit direktem Blick auf den Berg. Sollte ich wieder einmal hierher kommen, dann mit Wanderkarte und Bergschuhen!

Mein Tagesziel, der Camping Arizona in Tabiano, liegt etwa 5-6 Flusstäler weiter westlich. Was das an Fahrtzeit bedeutet, wird mir erst unterwegs klar. Die schnellste Verbindung nach Salsomaggiore Terme (gleich daneben liegt Tabiano Bagni) wäre bestimmt die SS63 nach Reggio und dann über Parma nach Fidenza. Ich hatte mir aber eine landschaftlich reizvollere Strecke ausgesucht und so ist kräftige Arbeit hinter dem Lenkrad angesagt. Die Fahrt geht über S. Polo und Collechio nach Fornovo di Taro. Dort überquere ich das Taro-Tal und schraube mich über den Monte Pelato nach Pellegrino Parmense hoch, um dann nach Salsomaggiore wieder hinunter zu fahren. In Varano sehe ich erstmals eine trutzige Burg im Stil der Region, leider habe ich kaum Zeit um das Gemäuer näher zu erkunden, denn ich möchte noch vor Anbruch der Dunkelheit in Tabiano sein. Die Serpentinen nach Pellegrino, wo ich glatt die malerisch gelegene Burg übersehe, und vor allem wieder hinunter nach Salsomaggiore fordern dann noch meine ganze Aufmerksamkeit ...

Landschaftlich reizvolle Strecke ... ... hinunter nach Salsomaggiore ...

In Salsomaggiore mache ich dann eine unfreiwillige Stadtrundfahrt, denn der Abzweig nach Tabiano ist nicht leicht zu finden. Dafür entschädigt aber die alte Bäderstadt mit der außergewöhnlichen Architektur ihrer ehrwürdigen Badeanstalten und Hotels: Einen Nachmittag könnte man hier sicher gut verbringen, nur ist der schon vorbei und die Dämmerung zieht herauf. Leider ist der Campingplatz viel zu weit weg von Salsomaggiore und ich werde wohl morgen nicht wieder hierher kommen. Am Camping-Arizona angekommen kann ich mir einen Stellplatz aussuchen: Die Dauercamper sind fast alle schon im Winterschlaf und nach mir kommen nur noch 4 Wohnmobile auf den Platz. Die im Prospekt beschriebenen modernen und hygienischen Sanitäranlagen beeindrucken mich allerdings schwer: Ich werde ganz sicher morgen Früh auf meine Dusche verzichten, denn die Einrichtungen wurden offenbar in den Fünzigerjahren gebaut und sehen aus, als wäre seither nicht allzu oft geputzt worden ...

Nach dem letzten Bier ins Dachzelt ...Heute Abend gibt es Chili con Carne und mein letztes mitgebrachtes Bier. Bald darauf verschwinde ich hundemüde in meinem Dachzelt ...

Tabiano - Castel´Arquato - Rückfahrt, 12.10.07

Nach einer ruhigen und milden Nacht bestreite ich das Frühstück aus meinen letzten Vorräten, denn einen Laden gibt es hier in der Nähe nicht. Das Wetter meint es gut mit mir und das Dachzelt kann ich trocken einpacken. Als ich meine Rechnung bezahle, empfiehlt mir der Platzwart einige Sehenswürdigkeiten in der Umgebung.

Die Gegend ist sehr musikalisch und so gibt es ganz in der Nähe z.B. das Geburtshaus von Verdi und seine Villa. Auch nach Cremona, der Stadt der Geigenbauer, ist es nicht weit. Dass Pavarotti in Modena seine Heimat hatte, ist auch hinlänglich bekannt und es wäre ein Leichtes, noch viele Komponisten und Musiker der Emilia Romagna aufzuführen.

Als ich dem Platzwart dann erzähle, dass ich nach Castel´ Arquato will, gibt er mir den Rat über Fidenza zu fahren. Zudem wäre der Dom in Fidenza eine absolute Sehenswürdigkeit. Also fahre ich geradewegs dorthin.

In Fidenza ist mächtig viel los: Gerade werden Bühnen und Straßenschmuck vom Vortag abgebaut. Offensichtlich gab es gestern so etwas wie einen Feiertag (den Grund dafür kann ich aber auch nachträglich nicht finden). Ich parke den Landrover nahe an der Fußgängerzone und mache ein Foto von meinem Parkplatz, um sicher zu gehen, dass ich auch wieder zurückfinde. Dann ziehe ich los, um den Dom zu suchen: Auf dem belebten Rathausplatz frage ich einen älteren Herrn nach dem Weg und erreiche kurz darauf den etwas versteckt liegenden Dom. Das romanische Portal ist wirklich eine Sehenswürdigkeit. Die Figuren sind sehr gut erhalten und ich komme mir fast vor wie in einem Museum. Nach einem kurzen Rundgang in der Kirche mache ich mich dann schon wieder auf den Rückweg ...               

Rathausplatz von Fidenza ...

Romanisches Portal ... ... am Dom ... ... wie im Museum ...

In den Auslagen der Geschäfte wird hier der teuerste Schinken der Region angeboten: "Culatello". Das Kilo kostet, wenn man einen ganzen Schinken kauft, schlappe 68 EUR! Aufgeschnitten natürlich erheblich mehr. Auch alle möglichen Parmesansorten und Salami nostrani sind zu kaufen. Vielleicht sollte man einmal nur zum Essen hierher kommen? Ich kaufe nur etwas Obst und fahre weiter auf der Via Francigana nach Castel´ Arquato.

Die Burg taucht plötzlich am Berghang vor mir auf und ich bleibe einfach am Straßenrand stehen, um ein Foto zu machen: Die Burg sieht aus wie aus einem Hollywoodfilm und unweigerlich wartet man auf einen schwarzen Ritter, der einem in gestrecktem Galopp entgegen reitet. Stattdessen muss ich aufpassen, dass ich nicht von irgendwelchen Fiat-Transportern oder LKW angefahren werde ... 

Direkt unterhalb der Burg gibt es einen großen Parkplatz und ich mache mich gleich auf den Weg nach oben: Die eigentliche Burg ist relativ klein, aber die Häuser rundherum und die Stadtmauer wirken aus der Ferne wie eine große Anlage. Oben bei der Burg machen ein kleiner Park und eine sehr schöne romanische Kirche das Ensemble perfekt. Jetzt um die Mittagszeit ist kaum jemand unterwegs und ich komme mir vor, als würde ich in einer Filmkulisse herumlaufen. Auf dem Weg zurück kaufe ich in einem originellen Kramerladen Prosciutto und Formaggio aus der Region. Nicht ganz billig, aber mit dem in Tabiano gekauften frischen Brot ein Genuss. Sogar, wenn man es sich auf einem Parkplatz schmecken lässt! Es ist etwa 12:30 Uhr, als ich wieder losfahre. Mein Ziel: Südtirol!               

Castel´ Arquato

Ein kleiner Park ... ... und eine romanische Kirche ... ... machen das Ensemble perfekt ...

Bereits nach 20 Minuten bin ich auf der Autobahn Richtung Cremona und Brescia. Der Verkehr läuft zügig und ich komme gut voran. Sogar auf der Autobahn nach Verona läuft es gut, obwohl hier viel mehr los ist. Bereits nach 1,5 Stunden Fahrt bin ich am Autobahnkreuz bei Verona und um kurz nach 15 Uhr habe ich Südtirol erreicht. Vor der Postkartenkulisse, Berge - blauer Himmel - Südtiroler Bauernhäuser, weiß ich nun nicht recht wie mir geschieht. Warum sollte ich hier noch eine Nacht verbringen? Was würde ich morgen noch unternehmen? Durch zahlreiche Urlaube in Südtirol kenne ich fast jeden Winkel auswendig und finde nach meinen Eindrücken aus der Emilia Romagna keine Argumente, um hier zu bleiben. Also fahre ich kurz entschlossen nur mit einem Tankstopp in Innsbruck nach Hause. Hier endet um 20 Uhr meine Entdeckungsreise.

Mir schwirrt der Kopf von den vielen Eindrücken der vergangenen Tage. Zudem macht mich der Gedanke, heute Morgen noch am Rande des Apennins aufgewacht zu sein und jetzt schon wieder in den familiären Alltag einzutauchen, nachdenklich. Eines weiß ich aber jetzt schon: Es war nicht das letzte Mal, dass ich im nördlichen Apennin unterwegs war! Die neuen Ziele stehen schon auf meiner Wunschliste ...

Nachtrag:

Mücken

In Peschiera wundere ich mich über schwarz-weiss-gestreifte Mücken, die mich dort umschwirren. So eine Art hatte ich zuvor noch nie bewusst gesehen. Die Biester sind glücklicherweise nicht allzu zahlreich und so hält sich die Belästigung in Grenzen. Auch gestochen werde ich nicht. Zu Hause suche ich dann im Wikipedia nach diesen Mücken und finde sie: Es handelt sich dabei um asiatische Tigermücken, die unter anderem die gefährlichen Viren von Gelbfieber und Dengue-Fieber übertragen können. Seit 1985 wird beobachtet, dass sich diese Tierchen auch in gemäßigten Regionen aufhalten können. Damals wurden sie in den USA entdeckt. Das milde Klima und warme Winter begünstigen die Ausbreitung. Erst seit 2006 sind sie in Europa nachgewiesen worden, unter anderem in Italien, der Schweiz und Belgien (!). Demnächst vielleicht auch an unserem Badesee? Willkommen in der globalen Erwärmung!

Dachzelt

Mein in ebay ersteigertes Dachzelt hat sich bei dieser Reise durchaus bewährt: Die Konstruktion ist mit einer Liegefläche von 240 x 135 cm für meine Größe besser geeignet als Modelle, die nur 200 cm lang sind. Die Matratze ist sehr dünn und der Stoff ist zwar wasserdicht, aber leider nicht besonders atmungsaktiv und es bildet sich innen schnell Kondenswasser. Das gemäßigte Klima in Italien war so aber kein Problem und ich konnte das Zelt immer trocken einpacken. Alleine ist der Auf- und Abbau zwar etwas anstrengend, aber in einer knappen Viertelstunde ist alles an seinem Platz. Das genialste Teil ist aber das zusätzlich gekaufte Vorzelt: Hier kann man zur Not auch zu Zweit sitzen und ist vor Nässe und Wind einigermaßen geschützt. Das Zelt hat mich nur ein knappes Drittel vom Preis eines vergleichbaren "Markendachzeltes" gekostet. Für meine Zwecke ist es absolut ausreichend ...


© 2008 Text / Bilder Matthias Bernhard


Anm. der Redaktion: Weitere Beiträge von Matthias Bernhard finden sich unter 

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