Schwerpunktthema Verkehr: 

 

"The Art of Driving" in isländischen Furten ... :-)
Ein Anliegen des Icelandic Traffic Councils ...

Ist von Island die Rede, ist von Autos die Rede: Von den Geländewagen der Touristen, mit denen man bestens ausgerüstet ins Hochland vordringt, von den Bigfoots der Einheimischen, von meterlangen Antennen auf deren Dächern. Ein verklärter Blick zeigt den Islandkenner, der schwärmerisch von Herausforderungen erzählt, die Pisten und Furten für den Unerschrockenen bereithalten.

Schafe haben Vorfahrt ...Was oftmals in der ganzen Island-Schwärmerei untergeht, ist die Tatsache, dass Jahr für Jahr immer wieder auf eben diesen Straßen und Pisten und in den oft gefährlichen Furten etliche verunglücken - ein Schicksal, das nicht sein muss und mitten in der Wildnis in der Regel mit erheblichen Risiken und Kosten verbunden ist. Nicht umsonst verteilte der "Icelandic Traffic Council" schon vor vielen Jahren ein Merkblatt unter den Touristen, das auf diese Gefahren hinweisen soll - und in der Tat ein berechtigtes Anliegen, wie wir bei unseren vielen Touren auf der Insel feststellen konnten.

So trifft man recht oft auf Tiere, insbesondere Schafe auf der Straße. Und wenn auch die Jungmöwen, wie wir berichtet haben, zu den wenigen "weichen Zielen" in Island gehören, die den Autofahrer in der Regel nicht bedrohen, sollte man jedoch auch auf diese Tiere achten. Falls man etwas Größeres überfährt, hat der Eigentümer des Tieres übrigens ein Recht auf Schadensersatz, was auch nicht allen Touristen bekannt ist. Unter anderem deshalb ist Vorsicht geboten vor jedem BLINDHAED, also einer nicht einsehbaren Kuppe ..!

Doch auf welche hauptsächlichen Risiken trifft nun der Autofahrer auf der Insel im Nordatlantik?

Furten bis zur Motorhaube ...

Viel ist zu lesen zu den sicherlich interessantesten "Hindernissen" Islands für Offroader: den Furten. Unzählige Regeln kennen wir, wenn wir uns den diversen Gewässern nähern: Suchen des Furtverlaufs, Fahren mit der Strömung, kein Anhalten oder Schalten im Fluss, Achten auf den Untergrund, Schützen von Motorblock und Fahrzeugelektrik usw. usw. lauten die Ratschläge, die allerorten zu lesen sind. 

Auch die Warnungen vor dem sich schnell ändernden Wasserstand isländischer Flüsse in Abhängigkeit von Witterung und Tageszeit sind zahlreich, ebenso wie die Ratschläge, schwierige Furten niemals allein zu durchqueren, sondern nur im Konvoi und notfalls zu warten, bis ein weiteres Fahrzeug eintrifft. Auch die Geschichten über die Auskünfte von Isländern zur Befahrbarkeit von Furten sind Legion, ebenso wie die hierbei zu beachtenden Grundregeln: "Problemlos" bedeutet z.B., dass man es schaffen könnte und "es könnte gehen" heißt völlig unmöglich ...

Warnungen allerorten ...
Island 95: Mit Mazda und Scamper bei Landmannalaugar ...
Island 97: Mit dem Explorer nördlich vom Vatnajökull ...

Wir befolgen immer eine ganz einfache Regel: Furten, die wir nicht mehr durchwaten können, durchfahren wir auch nicht allein - ganz einfach! Bedeutet natürlich, dass einer voraus geht in Gummistiefeln mit wasserdichter Hose, so dass auch mal ein Eintauchen bis zur Hüfte möglich ist - nur die Strömung sollte das auch problemlos erlauben, denn wenn ein Anseilen erforderlich ist, hört sicher schon bald der Spaß auf.

Und wer in so einer Situation dann ganz einfach auf gut Glück hinein fährt, wenn der "Vorfurter" dort nicht mehr gehen kann, nimmt eben ein nicht unerhebliches Risiko auf sich - und sei es, dass der Adrenalinstoß kommt, wenn plötzlich das ganze Fahrzeug in der Strömung versetzt wird. Von einem derartigen Erlebnis berichtet z.B. Rainer Seefried in unserem aktuellen Reisebericht ...  

So kommt man in isländische Zeitungen ... Warnschild am nördlichen Kjölur ...

Während unseres Trips erwischte es auch wieder deutsche Touristen: Sogar in die Zeitung brachten sie es dabei, denn das Morgunblaðið vom 29.08.03 druckte ihre Geschichte, die sich recht schnell unter den Touris herumsprach: Nördlich vom Hofsjökull waren sie unterwegs gewesen mit zwei Fahrzeugen. Nachdem sie eines davon versenkt hatten, musste das andere Hilfe holen: Es dauerte Tage, bis Helfer das Fahrzeug wieder bergen konnten - ein teueres Urlaubsvergnügen! Dass wir die U-Bootfahrer unterwegs auch noch getroffen haben, ist ein weiterer Treppenwitz: Aber mehr dazu weiter unten ...

Harmlose Pisten?

Oftmals sehen sie ganz harmlos aus: Vergleichsweise wenige Schlaglöcher, eine annehmbare Kies-, Sand- oder Schotterpiste, vielleicht sogar eine recht glatte Lehmpiste. Wer würde da nicht ein wenig auf´s Gas drücken, vor allem, wenn man vorher vielleicht ewig lange nur im Fußgängertempo voran gekommen ist, sich zentimeterweise über Felsplatten, Lavauntergrund oder Steinblöcke voran gearbeitet hat?

Schöner Rutschen bei Island 97 ...

Dass man sich auf letzterem Untergrund leicht einen Rahmenbruch zuziehen kann oder sich die Ladefläche abzulösen beginnt, wenn man noch eine tonnenschwere Wohnkabine mit sich herum trägt, mag einleuchten und all die "Schlechtwege-Allradler" mit ihren überladenen Überhang-Riesenkisten huckepack auf der Ringstraße halten. Aber eine solch schöne Piste?

Nun, man staunt manchmal, wenn der Gegenverkehr auf der Schotterpiste die Geschwindigkeit kein bisschen drosselt, staunt so lange, bis ein Stein die Windschutzscheibe zerschlägt und kein Fluch dieser Welt den anderen Fahrer tot umfallen lässt - er wird so weiter fahren und garantiert nicht anhalten. 

Also wird man ausweichen und selbst deutlich langsamer werden, wenn einem sein eigenes Fahrzeug lieb und teuer ist - eine Regel, die auch den Reifen auf scharfkantigem Untergrund stets gut bekommt und von denen beherzigt werden sollte, die Reifenwechsel bei waagerechtem Regen hassen ...

Steinschlag, Glasbruch, geplatzte Reifen und tiefer Morast bei Regen. Plötzlich dann wird es rutschig, wie wir selbst bei Island 97 nach stundenlanger Fahrt ganz plötzlich feststellen mussten: Man fuhr so seinen Stiefel am äußersten Wegesrand, um den Schlaglöchern auszuweichen und dazu noch ohne zugeschalteten Allradantrieb - eines unserer längsten Abrutschmanöver nahm seinen Lauf ...

Die Pisten fordern ihren Tribut auch von Einheimischen ...

Mit 4L ging´s zwar später wieder raus aus dem Graben, aber so etwas passiert heute garantiert nicht noch einmal: Bei solchen Straßenverhältnissen ist 4H inzwischen Pflicht und auch die Pistenränder genießen besondere Aufmerksamkeit des Fahrers ...

Leichtsinn war immer schon einer der größten Feinde der Islandfahrer - und auch der Einheimischen. Wenn man diese manchmal in den Bigfoots durch die Gegend brettern sieht, fragt man sich doch, was so ein Fahrzeug in Island wohl kosten mag - wenn man es dann weiß, erbleicht man kurz ...

Dennoch alles oft kein Hindernis: Davon zeugt dann schon mal das eine oder andere Fahrzeugopfer am Wegesrand ...

Gefährlicher Leichtsinn

Begegnung der anderen Art ...Aber dennoch sind die Touris natürlich führend, wenn es um den Leichtsinn geht. Und damit sind wir auch schon bei der Geschichte der oben erwähnten Landy-Versenker: In unserem Reisebericht Island 2003 hatten wir bereits erwähnt, dass uns auf dem Kjölur ein Fahrzeug mit einer Überzahl von Passagieren entgegen kam - darin auch die Insassen eines verunfallten Mietwagens.

Wenig später erreichen wir das Autowrack: Das Fahrzeug liegt noch dort mit eingeschaltetem Licht, die Lutschbonbons davor verteilt auf dem Kjölur, offenbar ist man Hals über Kopf geflüchtet: Auf gerader Strecke sieht man noch die Spuren, die der Wagen auf seinem Weg von der Piste herunter hinterlassen hat. 

Zwar geht ein extrem starker Wind, aber auf der Piste ist absolut nichts zu erkennen, was auf die Unfallursache schließen lässt: Vielleicht hat der Fahrer die Piste unterschätzt und war ganz einfach mit stark überhöhter Geschwindigkeit unterwegs, als vor ihm plötzlich Gegenverkehr auftauchte - der Abflug war besiegelt ...

Abflug auf dem Kjölur ...

... Unfälle, die nicht nötig sind ...

Und die Welt ist doch klein ...

Die Geschichte ist noch nicht zu Ende, denn der Zufall setzt noch einen drauf. Wir stehen am Wrack, als sich zwei Fahrzeuge nähern: Eines mit deutschem Kennzeichen und ein Mietwagen. 

Die Touristin, die aus dem Mietwagen steigt, ist ebenfalls Deutsche: Sie erzählt uns im Vorbeilaufen, sie hätten auch einen Unfall gehabt und ihr Fahrzeug in einer Furt versenkt - vor uns stehen tatsächlich die Landy-Versenker, die Glückspilze aus der Zeitung, die nun mit einem Mietwagen wieder nach Norden unterwegs sind ..! 


Vom ADAC und deutschen Problemlösungen ...

Wir wollen unsere nachdenkliche Geschichte über das Fahren auf Islands Straßen nicht beenden, ohne noch die traurige Geschichte des bereits erwähnten deutschen Touristen aus Vik erzählt zu haben: 

Es ist ein junger Mann aus Bayern, der hier neben seinem heftig im Wind flatternden Zelt im Auto sitzt und hochschreckt, als wir an die Scheibe klopfen. Er hatte ungefähr die Hälfte seiner Urlaubsreise zurückgelegt, als es im Nordwesten Islands plötzlich passiert: Etwas knallt mit unglaublicher Wucht vor seinen Seitenholm, er verliert die Kontrolle über das Fahrzeug und knallt unkontrolliert irgendwo vor. 

Erstaunlich gelassen erzählt er von dem Vorgang, meint immer noch, es könne vielleicht ein Vogel gewesen sein. Ein Vogel? Wir schauen uns das Fahrzeug an und äußern unsere Zweifel: Der Vogel müsste wohl schon ein zäher Brocken gewesen sein, der am Holm derartige Spuren hinterlässt. Auch die Polizei war nicht dieser Meinung, erzählt er uns darauf hin, auch die meinten, es wäre wohl eher ein Steinschlag gewesen ...

Gestrandet in Vik ... Nach über 2.000 Kilometern: Das Aus für das bayerische Auto ...

Er fährt danach weiter mit seinem Wrack, nach dem Unfall, der vielleicht auch auf etwas überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen war, wie er einräumt - ansonsten wären die Folgen kaum derart heftig gewesen. Er schafft sage und schreibe noch 2.100 km mit diesem Auto, bleibt nirgendwo länger als eine Nacht, bei 11 Übernachtungen springt sein Auto an jedem Morgen wieder an. Und dann kommt Vik: Hier wagt er zwei Übernachtungen - mit der Folge, dass das Auto nun endgültig den Geist aufgibt. Es macht keinerlei Anstalten mehr, noch einmal anzuspringen, wovon wir uns bei mehreren Versuchen überzeugen können. 

Der Gute hat keinerlei Geld mehr auf dem Trip, eine Werkstatt anzurufen scheut er in Hinblick auf die drohenden Kosten. Dann doch lieber den ADAC in Deutschland anrufen, meint er, die haben ihrem Mitglied schon zugesagt, alles zu regeln: Das Fahrzeug wird abgeschleppt und er wird den Rückweg mit dem Flieger antreten. Dass sich eine heimische Werkstatt um dieses Problem kümmert, davon hält man offenbar auch beim ADAC nichts - so eine nahe liegende, einfache und vermutlich enorme Kosten sparende Lösung scheint wie bei vielen anderen "deutschen Lösungen" nicht in Erwägung gezogen zu werden. Und so läuft es dann eben, wenn die "Art of Driving on Icelandic Roads" zusammentrifft mit der deutschen Kunst, Probleme pragmatisch, kostengünstig und unbürokratisch zu lösen ...


Nachträge: Zu diesem Beitrag erhielten wir Lesermails, die wir gesondert veröffentlichen:


© 2004-2005 Text/Bilder J. de Haas; Bild oben und Titel: Icelandic Traffic Council. 
Zeitungsausschnitt: Morgunblaðið