Mo. 22.09.1997 Ierapetra

Nach einigen Kilometern Fahrt auf noch engeren Wegen als gestern erreichen wir Tripti. Ein wunderschön gelegenes Dorf, daß sich heute allerdings nicht von seiner besten Seite zeigt, da sich noch nicht alle Wolken verzogen haben. Fahrer größerer Fahrzeuge sollten den Ort allerdings nicht durchfahren; selbst wir müssen schon ein wenig "zirkeln", um keine Ecken rund zu fahren.

Hinter Tripti führt die Strecke Richtung Kato Chorio durch einen Kiefernwald, eine Seltenheit auf dieser Insel. Auf halber Höhe halten wir an und genießen den atemberaubenden Blick. Links erstreckt sich die Mirambello Bucht bis Agios Nikolaos, rechts die libysche See bis zum Horizont. Und direkt vor uns zieht sich im Tal das dunkle Band der Straße von Agios Nikolaos nach Ierapetra, der südlichsten und wie man sagt bereits ein wenig afrikanischen Stadt Kretas.

Die Wolken haben sich inzwischen verzogen, doch der Wind bläst mit unverminderter Stärke weiter. So gönnen wir uns einen geschützten Platz auf dem Campingplatz Koutsouri 7 km östlich von Ierapetra. Man merkt deutlich, daß das Saisonende naht. Positiv ist, daß lediglich 5 Fahrzeug auf dem gesamten Platz sind, nachteilig ist, daß weder Bar noch Restaurant geöffnet haben. Wir haben jedoch Glück, direkt gegenüber der Einfahrt zum Campingplatz hat noch eine Taverne Notdienst. So bleibt der Coleman heute kalt und wir genießen den windstillen Platz und das Essen.

Di. 23.09.1997 Arvi

Nach einem Bummel durch Ierapetra fahren wir auf der Hauptstraße westlich bis Mirtos, wo wir wieder zum Strand abbiegen. Nach einigen Kilometern Schotterstraße legen wir kurz hinter Tertsa an einer traumhaften Bucht eine Badepause ein.

Von Tertsa aus soll eine Straße parallel zur Küste nach Keratokambos führen, doch auch hier hat die Realität unsere Karte längst überholt. Lediglich der Küstenverlauf trifft noch zu. So hangeln wir uns von Feldweg zu Feldweg die Steilküste entlang mit wunderbaren Ausblicken, teilweise aus dem Seitenfenster nach unten sogar mit atemberaubenden. Hier sorgt nicht nur die landschaftliche Schönheit für Herzklopfen. Nur gut, daß der Abgrund auf der Fahrerseite ist. In Arvi ist schließlich überhaupt kein Weiterkommen mehr. Also weg von der Küste durch die Berge, vielleicht geht's ja da irgendwo östlich weiter.

Nach kurzer Weiterfahrt läuft sich der Weg in einem Steinbruch tot. Doch der Blick von diesem künstlichen Plateau ist überwältigend. Vor einem ein weites Tal, im Hintergrund die Berge. Mit Einbruch der Dämmerung gehen in dem Dorf unten im Tal die Lichter an und bilden den irdischen Kontrapunkt zu dem von Sternen übersäten Himmel. Ich sitze bis Mitternacht vor dem Auto und gebe mich der Stimmung hin.

Mi. 24.9.1997 Keratokambos / Tsoutsouros

Heute morgen verzögert sich die Abfahrt etwas. Ich habe in der Nacht doch zu lange draußen gesessen und mein Kopf sagt mir, daß die romantische Stimmungslage wahrscheinlich nicht allein durch die Landschaft, sondern wohl auch durch das ein oder andere Gläschen Ouzo hervorgerufen worden ist.

Durch das vor uns liegende Tal halten wir uns meerwärts und erreichen - Arvi. Jetzt haben wir endgültig die Faxen dick und beschließen zurück auf die Hauptstraße und hinter Ano Viannos wieder zurück zur Küste zu fahren.

Auf dieser Straße, die auf der Karte zu Recht mit einer grünen Markierung für besondere landschaftliche Schönheit versehen ist, gelangen wir nach Ano Viannos, einem eigentlich recht schönen Straßendorf, wie wir von unserer letzten Tour vor zwei Jahren noch wissen. Doch jetzt trifft uns der Schlag. Busse über Busse haben für eine Invasion der TUIs gesorgt. Gnadenlose Jahrmarktsstimmung hat sich breit gemacht. Schwatzende TUI Pulks bevölkern die Straße und regen sich zu allem Überfluß noch künstlich auf, wenn man die Straße auch zum Fahren benutzen will. "Man gönnt sich ja sonst nichts." - da kann man Kreta schon für sich beanspruchen, "schließlich laß´ ich ja mein gutes Geld hier".

Das sind die Situationen, die mir wieder klar vor Augen führen, warum ich nicht in einem solchen Haufen, sondern mit dem Explorer unterwegs bin.

Hinter dem Trubel geht es dann sogleich südwärts nach Keratokambos, einem netten Dorf, wo wir unmittelbar am Strand eine ausgiebige Mittagspause einlegen, so daß der Große noch ein wenig im Sand buddeln kann, während ich die Kleine im Buggy über die "Promenade" schiebe in der vergeblichen Hoffnung, sie zum Schlafen zu bringen. Auch hier haben bereits die meisten Tavernen geschlossen und in den geöffneten sitzen ausschließlich Einheimische.

Am frühen Nachmittag setzen wir unsere Fahrt Richtung Tsoutsouros fort. An einem ausgetrockneten Flußbett verpassen wir erst die Abzweigung zur Brücke und folgen dem Verlauf der Hauptfahrtrichtung nordwärts, sehen allerdings bald, daß keine Abzweigung nach Westen folgt, so daß wir zurückkehren und auf der geländerlosen Brücke den fälschlicherweise als ganzjährig fließend eingezeichneten, ausgetrockneten Anapodaris überqueren.

Nur noch wenige Kilometer trennen uns von Tsoutsouros, da fällt uns bei einem Blick zurück ein wunderschönes Stück Sandstrand ins Auge. Büsche erleichtern das Verstecken und Bäume spenden Schatten. Die Horde Geländerowdies, die mit ihrem Miet Suzukis zur Zeit den Strand unsicher machen, formieren sich zum Abflug, so daß unsere Entscheidung feststeht: das ist unser Platz für die Nacht. Also wenden und zurück. Unten kommt uns in einer Staubwolke der wilde Haufen, im richtigen Leben wohl Mantafahrer, mit passenden Blondinen in Bikinioberteilen entgegen.

Als offensichtlich der Letzte vorbei ist, fahre ich in die Zufahrt und steige sofort voll in die Eisen. Da kommt noch ein Irrer hinterher geheizt und ist nun fürchterlich erschrocken, daß es noch andere Autos auf dieser Welt gibt. Zu seinem Glück bekommt er den SJ ebenfalls rechtzeitig zum Stehen; seit meinem letzten Urlaub ziert ein südafrikanischer Bullbar, 8 mm Stahl fest am Rahmen verschraubt, meinen Kühler. Wo der hinlangt ...

Als Schreck und Ärger verflogen sind, genießen wir die Ruhe und die Nachmittagssonne. Klappspaten und Sandförmchen frei ...

Do. 25.09.1997 Pitsidia

Den Vormittag verbringen wir mit dem Bau weiterer Festungsanlagen. Danach wollen wir über Tsoutsouros auf ungeteerter Straße nach Kato Kasteliana und von dort über die Hauptstraße via Mires nach Pitsidia, kurz vor Matala.

Doch auch hier hat der Bauboom seine Spuren hinterlassen. Die Straße ist inzwischen ausgebaut und geteert. Jetzt wird uns klar, wo die Geländerowdies herkamen. Ein bißchen Wehmut beschleicht uns schon, wenn wir daran denken wie toll die Strecke früher gewesen sein muß, und wie schnell in Horden einfallende TUIs das idyllische Fleckchen Strand okkupieren werden.

Andrerseits kann ich nachvollziehen, daß die Einwohner von Tsoutsouros selbst die Teerstraße als Segen betrachten, schließlich fahren sie diese Strecke ja nicht zum Vergnügen. Außerdem dürften sie aus verständlichen wirtschaftlichen Erwägungen eine Erhöhung der Besucherzahl anders werten, als zwei Einsamkeit suchende Individualtouristen.

Das interessante und schöne Ausgrabungsgelände von Gortis lassen wir diesmal unbesichtigt, da es uns von unserem letzten Besuch gut in Erinnerung ist. Außerdem schlafen die Kinder gerade und uns zieht es zum Campingplatz Kommos von Pitsidia und seinen heißen Duschen.

Der Platz liegt wunderbar auf der Anhöhe hinter Pitsidia, Richtung Matala an der Abzweigung nach Kommos, der ehemaligen Hafenanlage von Phaistos. Vom Swimming Pool hat man einen traumhaften Blick über die Bucht von Messara und die gleichnamige Ebene hin zum Psiloritis Gebirge. Zur Zeit unseres Aufenthaltes verfügt der Platz noch über eine weitere Attraktion, einen Karton mit 10 Küken, die unser Großer mindestens zweimal täglich besuchen muß.

Wir haben jetzt knapp Halbzeit, so beschließen wir drei Ruhetage einzulegen, in denen wir Phaistos und Agia Triada, ebenfalls Höhepunkte minoischer Kulturreste, besichtigen und abends in dem kleinen Restaurant "Sunset" essen wollen. Um es kurz zu machen, dort haben wir das mit Abstand beste Essen in ganz Kreta vorgesetzt bekommen.

Dabei ist das Restaurant noch echt griechisch geblieben, das heißt, die gesamte Großfamilie kümmert sich um den Betrieb. Speisekarten gibt´s nicht, das Essen wird in der Küche ausgesucht. Überflüssig zu erwähnen, daß Kinder dort ebenfalls gern gesehene Gäste sind und dort auch Kinder sein dürfen. Ich kann also jedem, der in die Nähe von Pitsidia kommt, dieses Restaurant wärmstens empfehlen. Der Besuch von Matala dagegen fällt recht kurz aus, da uns der dortige Rummel nicht sonderlich liegt ...


© 1998 H. Quadflieg