Mo. 29.09.1997 Kali Limenes

Von Pitsidia aus steuern wir Kali Limenes ("Schöner Strand") an. Der Strand wäre wirklich wunderschön, würde er nicht durch den Blick auf zwei riesige Erdölbunker verschandelt. Auch der ziemlich "wilde Campingplatz" kurz hinter dem Ort lädt nicht zum Verweilen ein; zu viele Hinterlassenschaften der vorherigen Besucher machen uns die Weiterfahrt Richtung Lendas leicht.

Ein Stück weit geht es auf geteerter Straße, die nach Pombia führt, nach Osten. Doch schon nach ca. 300 Metern macht die Straße eine scharfe Rechtskurve und geradeaus führt eine Schotterstraße geradewegs zu einer Taverne und dahinter nach einer Spitzkehre parallel der Küste nach Lendas. Direkt unterhalb der Taverne geht eine Fahrspur durch eine breite Bucht zum Strand, der wir folgen um dann am Strand links abzubiegen, bis wir wieder die Steilküste im Rücken haben.

Zwar führt dort auch die Straße entlang, doch sind bei dem zu erwartenden Verkehrsaufkommen von dort keine Störungen zu erwarten. Da ich für die paar Meter den Luftdruck nicht absenken wollte, hat der L 200 seine liebe Mühe, sein Gewicht durch den weichen Sand und Grieß zu schieben. Teilweise vollkommen unkontrollierbar wühlt er sich durch den Strand, bis wir die Wasserlinie erreichen, wo der Sand fester ist, und er wieder Tritt faßt.

Di. 30.09.1997 Lendas

Der nächste Morgen beginnt für mich sehr früh, da ich den Sonnenaufgang photographieren will. Und ich muß sagen, es hat sich gelohnt.

Nach dem Frühstück machen wir uns der Küste entlang auf den Weg nach Lendas. Kurz vor dem Ort hat sich ein wilder Campingplatz etabliert, auf dem sich Hunderte Freaks tummeln. Es stehen zahlreiche Zelte da, man hat sogar schon einen Donnerbalken eingerichtet. Doch zum einen ist der Platz nur zu Fuß erreichbar und zum anderen ist er für unseren Geschmack schon zu überfüllt. Im übrigen sind die Bewohner des Platzes praktizierende FKK Anhänger, wogegen ich grundsätzlich gar nichts habe, aber in Griechenland und vor allem auf Kreta halte ich Nacktbaden für mehr als unangemessen.

Nach meiner Auffassung habe ich als Gast die Sitten und religiösen Gefühle meiner Gastgeber zu respektieren und keinen Erziehungsauftrag. Es kann nicht Aufgabe von Touristen sein, den Kretern die Segnungen der Freikörperkultur aufzudrängen. Wer offensiv für die Verbreitung des Nacktbadens eintreten will, soll dies bei sich zu Hause tun. Zu allem Überfluß halten sich diese Typen auch noch für besonders toll, progressiv und "alternativ"; dabei vergewaltigen sie die Traditionen der Griechen weitaus mehr, als der spießigste Pauschaltourist.

Unmittelbar hinter Lendas führt in einer Linkskurve eine Schotterstraße geradeaus an der Küste entlang zu mehreren ausgeschilderten Tavernen. Nach ca. 4 Kilometern liegt linker Hand eine Taverne, hinter der die Straße eine Linkskurve macht und nach einer Spitzkehre nach rechts zu einer kleinen Badebucht führt. Bäume spenden Schatten und ein Schlauch, der regelmäßig ab 18:00 Uhr zu tröpfeln beginnt, stellt die Versorgung mit Brauchwasser und dank Katadyn Filter auch mit Trinkwasser sicher.

Als wir ankommen, packt die Besatzung eines Stuttgarter VW Syncro gerade zusammen. Für einen kleinen Erfahrungsaustausch reicht es aber noch. So erfahren wir, daß man von 17:00 Uhr bis 11:00 Uhr den Platz für sich hat, danach kämen wohl noch 7 - 10 Urlauber aus Lendas. Da die Bucht jedoch ziemlich weitläufig ist, fiele das nicht weiter auf ...

Auch uns gefällt die Bucht sehr gut. So beschließen wir zu bleiben. Und tatsächlich, vom späten Nachmittag bis zum frühen Morgen haben wir das gesamte Gelände für uns. Lediglich ein paar Ziegen leisten uns ab und zu Gesellschaft. Dieser Stellplatz ist einfach ein Traum.

Do. 02.10.1997 Agia Galini

Nach 2 Tagen brechen wir, wie wir am Abend auf dem Campingplatz in Agia Galini feststellen, viel zu früh wieder auf. Nicht daß der Campingplatz schlecht wäre, er ist griechischer Durchschnitt, aber nach 2 Nächten auf einem solchen Stellplatz wie dem vorigen läßt so ein parzellierter Platz nicht die richtige Stimmung aufkommen.

Entgegen der Karte endet der Weg nicht mitten im Gelände, sondern macht an der Spitze der Landzunge eine 90° Kurve und führt über Leto nach Vagonia.

Über Mires und Timbaki steuern wir dann Agia Galini an.

Fr. 03.10.1997 Preveli / Frangokastello

Bevor wir unser nächstes Tagesziel, Frangokastelli, ansteuern, wollen wir dem berühmten Strand von Preveli einen Besuch abstatten. Die Kletterpartie dorthin mit einem Kleinkind auf dem Arm und einem 4jährigen an der Hand ist reichlich aufregend, aber machbar.

Die Flußmündung selbst sowie der Strand liegen wunderschön, ein Wermutstropfen sind lediglich die in Reih und Glied aufgestellten Liegen und Sonnenschirme. Zelte von Rucksacktouristen stehen jetzt in der Nachsaison keine mehr da, ich bezweifle allerdings, daß das Campen überhaupt noch geduldet wird.

Über Sellia, Rodakino und Skalou erreichen wir auf der Küstenstraße mit wunderschönen Aussichten und durch eine traumhaft schöne Schlucht am späten Nachmittag Frangokastello. Das Kastell wirkt von außen ganz nett, die inneren Werte sind eher bescheiden. Leider hat sich über den Nachmittag hinweg der Himmel immer weiter zugezogen und es ist ein frischer Wind aufgekommen. Da in der landwirtschaftlich genutzten Ebene kein vernünftiger Stellplatz zu finden ist, stellen wir den Wagen kurzer Hand in den Windschatten eines Eckturmes des Kastells und hoffen, zumindest am nächsten Tag baden zu können. Der besondere Vorteil des Strandes von Frangokastello besteht in seiner extremen Kinderfreundlichkeit. Bis zu 200 Metern vom Ufer entfernt erreicht da Wasser gerade mal Knietiefe.

Sa. 04.10.1997 Rethimnon / Iraklion

Als wir am nächsten Morgen aufstehen, lösen sich die dunklen Wolken gerade auf, indem sie sich abregnen. Da der Wind weiterhin reichlich Regenwolken heranbringt, entschließen wir uns, bereits heute nach Rethimnon aufzubrechen, in der optimistischen Vorstellung, auf der Nordseite könne das Wetter besser sein. Leider erfüllt sich unsere Hoffnung nicht, das Wetter bleibt bescheiden. So entscheiden wir uns in Rethimnon, bereits heute bis Iraklion durchzufahren und dort zu übernachten.

Das Fahren hat an diesem Tage seinen besonderen Reiz. Ist der Straßenbelag bereits bei trockenem Wetter schon oft tückisch glatt, so hat sich durch Reifenabrieb, Ölreste usw. und den Regen eine schmierseifenähnliche Schicht auf der Straße gebildet. Es begleiten uns Unfälle über die gesamte Strecke. Überwiegend sind es Leihwagen, die von der Straße abgekommen sind. Auf der Autobahn nach Iraklion geraten wir in einen größeren Auffahrunfall, der zu allem Überfluß auch noch in einer Kurve liegt. Obwohl ich nicht schneller als 80 km/h schnell bin, bekomme ich das Fahrzeug nur mit Mühe quer stehend vor der Unfallstelle zum Halten. Ebenso schaffe ich die Abfahrt Iraklion nur mit Mühe, ohne von der Bahn zu rutschen. Als dann noch an der letzten Kreuzung vor dem Hafen ein Rollerfahrer vor der roten Ampel stürzt und mir auf meiner Spur entgegen rutscht, ist mein Bedarf am Fahren gedeckt.

Spontan entschließen wir uns, bereits heute auf die Peloponnes überzusetzen und die Passage umzubuchen, was auch klappt. Wir lassen das Auto stehen und nutzen die Zeit für einen Besuch des Archäologischen Museums in Iraklion. Vorher beobachten wir allerdings noch einige Läufe der Jetski Europameisterschaft.

Mit untergehender Sonne laufen wir aus. Wehmütig fällt mein Blick noch einmal auf die Straße nach Knossos und den Juchtas im Hintergrund, wo wir vor knapp 3 Wochen unsere Rundtour begonnen haben. Daß der Besuch Kretas kulturhistorisch interessant sein würde, war mir vorher schon klar, daß uns aber hier noch eine solche landschaftliche Schönheit und soviel Ursprünglichkeit und Einsamkeit, sowie fahrerisch anspruchsvolle Strecken begegnen würden, hat mich im Hinblick auf die touristische Erschlossenheit dieser Insel aufs Angenehmste überrascht.


© 1998 H. Quadflieg