Der Weg in die Cevennen
Über den gut ausgebauten Col de Montgenevre passieren wir die
Grenze nach Frankreich und kommen erst einmal in die ehemalige
französische Garnisonstadt Briancon, die seit der Römerzeit von
mehreren Festungsbauten geschützt wurde, längst aber ein friedlicher
Touristenort geworden ist.
Wir wollen die Autobahn und den Moloch
Grenoble im Norden meiden und fahren deshalb südlich am
Parc National
des Écrins vorbei. Die Strecke über die Provizhauptstadt Gap und die
Olivenregion bei Nyons bis ins Rhonetal erweist sich als sehr schöne
und abwechslungsreiche Fahrt. Im breiten Tal der Dourance geht es an
dem großen Stausee Serre-Poncon vorbei bis Gap. Dort kommen wir zum
ersten Mal in den Genuss der ausgezeichneten französischen Küche:
Das preiswerte Menu de Jour bietet eine sehr schmackhafte Terrine
aus Meeresfrüchten, und mir schräg gegenüber beobachte ich die
charmanteste, natürlich auch hübscheste Französin, die ich auf der
ganzen Reise sehen werde. Ihre entspannten und oft lachenden
Gesichtsausdrücke zeigen eine bestimmt glückliche junge Frau. Meine
Knipse muss taktvoll pausieren ...
Wir trödeln die Straße weiter, immer Richtung Orange haltend und suchen zeitig am Nachmittag und noch einige Kilometer vor Nyons einen Nachtplatz in der Natur, also weg von der Staatsstraße. Etwa nach einem Drittel der Strecke Serres - Nyons ragt ein imposanter Felsengipfel in die Höhe und lockt uns an seine Südseite. Durch das pittoreske Bauerndörflein St.Andre de Rosans geht es hindurch, danach eine kleine Anhöhe hinauf und so finden wir zu einer Wiese mit ebenem Stellplatz, schön gelegen unter der Felswand. Schon beim Einweisen an einem waagrechten Standplatz fallen uns riesige Vögel auf, die wir wohl versehentlich aufgescheucht haben. Zuerst einer, dann zwei, zuletzt fünf große Gänsegeier kreisen dicht über unsere Köpfe und gewinnen in der letzten guten Thermik des Tages zunehmend an Höhe.
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In der steilen Südwand des Berges sehe ich im Fernglas einige unzugängliche Felsvorsprünge mit weißlichen Verfärbungen darunter. Typisch für Sitz- oder sogar Brutplätze von Geiern und den richtungsweisenden Kotspuren. Aber lange muss ich suchen und am Spektiv die stärkste Vergrößerung "60x" einstellen, bis ich endlich einen der Vögel und später zwei weitere in der Felswand erkenne. Bei langsam einsetzender Dämmerung kann ich lange einem Fuchs zuschauen, der den Waldrand unter dem Geierfelsen aufmerksam absucht, mehrfach nach Beute im Gras springt und danach ein paar mal mit dem Maul kaut und schluckt. Heuschrecken wird er wohl erbeutet haben, mit einer Maus hätte er viel länger zu tun gehabt ...
Später kommt noch der Bauer in seinem Pickup angedüst: Er fährt
an uns vorbei und wirft irgend ein befelltes Fleisch über den
Abhang, der hinter der Wiese beginnt. Aha, das Frühstück für die
Geier. Auf dem Rückweg hält er auf ein Wort kurz bei uns an und ich
staune nicht schlecht: Ein französischer Bauer, der besser Englisch
spricht als ich!
Das ist eine Seltenheit, nicht etwa, weil ich
die englische Sprache so
gut beherrsche, sondern weil die Franzosen zumeist nur eine Sprache
kennen, nämlich ihre eigene ... Wie sich herausstellt, war er früher viel beruflich unterwegs, hat auf
Schiffen die ganze Welt kennengelernt, freut sich über unseren
Besuch und wünscht uns eine gute Übernachtung.
Nach einem gemütlichen Frühstück und ganz gemächlich brechen wir auf nach Nyons, der Olivenstadt: Kurz vor dem Ort können wir an einem Bioladen neben der Straße noch lokale Produkte kaufen und sind dann auch schon im Stadtverkehr und auf Parkplatzsuche. Da bin ich immer froh, dass mein Bremach die Abmessungen eines Sprinters hat und fast überall ohne Anstrengung durchkommt.
Die zentrumsnahen Parkplätze
sind trotzdem alle besetzt und wir finden nur in der Peripherie noch
etwas. Die Stadt ist aber klein genug und ein paar Meter können wir
auch gehen (meint Hund Kasper
).
Neben der antiken Römischen Brücke steht eine alte Ölmühle, die
inzwischen als Touristenfalle fungiert und meine Frau zum Kauf von
Olivenöl, Seifen und diversen anderen netten Produkten verführt. In
Nyons gefallen mir besonders die originellen Reklameschilder, die
sehr charmant auf kleine Geschäfte oder Betriebe hinweisen. Das ist
überhaupt ein entscheidender Unterschied zu einer deutschen Kleinstadt: In
Südfrankreich gibt es überall noch die vielen kleinen Läden oder
Boutiquen, während bei uns zu Hause die Innenstädte veröden, weil die
Geschäfte aufgegeben werden. Die Südeuropäer haben das Handeln
einfach mehr im Blut als die nüchternen Nordeuropäer, Ladenbesitzer
zu sein ist dort noch eine attraktive Tätigkeit ...
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Weiter geht es ins Rhonetal, bei Pont-Saint-Esprit überqueren wir die Rhone und fahren den Fluss Ardeche 20 Kilometer hoch bis zu den bekannten Schluchten Gorges de l´Ardeche. Träge fließt das wenige Wasser dahin und erinnert an den sehr trockenen Sommer in diesem Jahr. Auf einem grob geschotterten Areal inmitten von Gestrüpp finden wir einen ruhigen Nachtplatz ...
© 2019 Sepp Reithmeier