Frankreich   Südfrankreich 2018

Wenn der Wettergott die Reise bestimmt ...


Erstes Zwischenziel: Westalpen

Wir (Frau Renate, Hund Kasper und ich) können im Herbst immer erst ab der zweiten Oktoberwoche verreisen und nach einer Regenpleite an der Ostsee im vergangenen Jahr wollen wir dieses Mal wirklich kein Wetterrisiko eingehen und haben somit innerhalb Europas eigentlich nur die Wahl zwischen Südost (Griechenland), Süd (Italien) und Südwest (Spanien). Nordafrika oder der Nahe Osten kämen für uns nur bei einem größeren Zeitkontingent in Frage. Diesmal also nicht!

Zwischenziele: Westalpen und CevennenDie letzten Jahre waren wir oft in Süditalien, auch der Balkan wurde mehrfach besucht. Deshalb soll in diesem Jahr eine Reise zur iberischen Halbinsel vorbereitet werden, speziell die spanischen Pyrenäen und deren Vorgebirge haben es mir angetan, Offroaden kann man da sehr gut ...

Mit bis zu 5 Wochen Zeit im Gepäck kann man es sich leisten, sowohl die Anreise als auch die Rückfahrt kreativ zu gestalten, das heißt einige Zwischenziele genauer unter die Lupe zu nehmen. Wegen des derzeitigen Verkehrschaos in Genua - Brückeneinsturz - und weil in den Alpen der Winter noch nicht begonnen hat, wählen wir den Hinweg über Mailand, Turin und Susa im Piemont.

In der Geländewagenszene kennt man diese Region als Teil der Westalpen und schätzt sie ganz besonders wegen der zahlreichen frei befahrbaren ehemaligen Militärstraßen auf alle möglichen Bergkämme, Gipfel und exponierte Orte der damaligen Kriegsführung. Diese Straßen stammen großteils aus dem Ersten Weltkrieg, der in manchen Regionen wie Südtirol zwischen Italien und Österreich sehr intensiv von Berg zu Berg geführt wurde.

Im Piemont gab es nur eine Konfliktgrenze, nämlich die zwischen Italien und Frankreich. Doch kurz nach Kriegsbeginn wechselte Italien 1915 auf die Seite Frankreichs. Die Grenze war damit zwar kein Kriegsgebiet mehr, aber die Militärstraßen waren schon gebaut. Im Jahr 1940 glaubte Mussolini jedoch an einen schnellen Sieg an der piemontesischen Grenze, ein Feuergefecht zwischen Franzosen und im Fort Chaberton stationierten Italienern entwickelte sich allerdings für diese zum totalen Flop ...

Mont Chaberton mit seinen 8 Stummelzähnchen ...Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs kam es im Piemont wie auch in ganz Norditalien zu intensiven Partisanenkämpfen freiheitsliebender Einwohner gegen die deutsche Besatzungsmacht und ihren faschistischen italienischen Verbündeten. Mussolini selbst war zu dieser Zeit bereits aus Rom vertrieben und später von einer deutschen Eliteeinheit aus seiner Gefangenschaft in den Abruzzen befreit und nach Bozen geflogen worden.

,
,

Er beherrschte als Marionette Hitlers von dort aus ganz Norditalien. In zahlreichen lokalen Gruppen organisierten sich antifaschistische Kämpfer gegen ihn und die Besatzungsmacht. Sie bedrohten dadurch auch die für die deutsche Kriegsführung in Südfrankreich strategisch enorm wichtige Eisenbahnlinie durch das Susatal. Blutige Auseinandersetzungen und Greueltaten waren die Folge ...

Ein interessanter Wanderführer auf den Spuren dieser norditalienischen Widerstandsbewegung während des Zweiten Weltkriegs dient uns als geschichtliche Einführung in das Thema und gibt Wandervorschläge zu Schauplätzen des damaligen Guerillakrieges (siehe rechts).

Entspannt beginnen wir die Reise am späten Vormittag und machen bei Ala auf Höhe des Gardasees den ersten Übernachtungsstopp. Am nächsten Tag sind wir schon gegen Mittag in Turin und staunen wenig später am Anfang des Susatales über die exponierte, monumentale Festungsanlage des Klosters Sacra di San Michele, das Umberto Ecco als Vorbild des Klosters im Roman "Der Name der Rose" gedient haben soll. Die Auffahrt zur Klosteranlage zieht sich ganz schön hin und lohnt auch kaum, da heute das Kloster geschlossen ist und der erwartete Ausblick auf das tief unter uns liegende breite Susatal nur vom abgesperrten Klosterbereich möglich wäre. Aber egal, wir haben ja Zeit und der geplante Nachtplatz am Lac de Mont Cenis erfordert kein langes Suchen!

San Michele Kloster vom Susatal aus, Position 1 Karte rechts Susatal mit den 4 Orten aus dem Bericht Abendstimmung am Lac du Mont Cenis, Position 2 Karte links Die Sonne begrüßt uns am Morgen ...

Aber dann wird es zeitlich doch etwas knapp: Die kleinen kurvigen Straßen dort hoch, vom Ort Susa aus etwa 1.600 Höhenmeter zum Cenis-See, bremsen einen ganz schön aus. Gerade noch rechtzeitig vor Beginn der Dämmerung kommen wir am See an und finden schnell einen Platz für die Nacht. Das graue Licht des ausgehenden Tages und der sehr tiefe Wasserstand dieses Stausees ergeben zusammen ein wenig idyllisches, eher düsteres Bild dieses vielgepriesenen Ortes ...

Am nächsten Morgen lacht wieder die Sonne und lädt uns zu einer Wanderung auf den Spuren der Partisanen ein: 1944/45 gehörte das Cenistal noch zu Italien, hieß Val del Moncenisio und diente dem Comandante Laghi und seiner Partisanendivision Stellina als Operations- und Rückzugsgebiet. Nach einer kurzen Wegstrecke kommen wir an einem relativ großen verfallenem Gebäude vorbei, der ehemaligen Kaserne Ricovero Finestre, und sehen oberhalb am Bergkamm Ruinen einer Geschützstellung, von wo aus sich ein schöner Blick hinab auf den See bietet.

Offensichtlich gesprengte Geschützstellungen ... Blick über den Kamm zum Stausee Lac de Mont Cenis
Kurz vor der "paradiesischen Batterie", Position 3 Karte oben Enttäuschung im "Paradies" ... Bizarre Baumskelette

Nach dieser lohnenden Wanderung fahren wir wieder hinunter ins Tal nach Susa und anschließend am Fuße des berühmten Pilgerberges Rocciamelone, der mit 3.538 Meter Höhe das Susatal beherrscht, die schmale und gewundene, aber komplett geteerte Pilgerstraße Richtung Refugio la Riposa erneut hoch. Etwa 700 Höhenmeter oberhalb von Susa findet sich in der 25.000-er Karte der Hinweis auf eine "Batteria Paradiso", die ich als Nachtlager eingeplant habe und wo ich auch einen herrlichen Tiefblick auf die beleuchtete Stadt erwarte. Aber Pech gehabt: Hässliche Baumskelette nach einem kürzlich erfolgten Waldbrand versperren die Sicht nach unten. Doch wenigstens können wir da waagerecht stehen und eine ruhige Nacht verbringen ...

Über Nacht verschlechtert sich das Wetter erheblich, wir sitzen nun mitten in einer dichten Wolke und können den Plan vergessen, weiter hoch und unter der Rifugio la Riposa vorbei zur Alpe Arcella zu fahren und von da aus zur Grange Sevine zu wandern. Dort fand nämlich am 26.August 1944 ein Gefecht zwischen den Kämpfern der Divisione Stellina und 250 italienischen SS-Männern statt, das die Partisanen wegen ihrer besseren Stellungen für sich entscheiden sowie die Feinde entwaffnen und davonjagen konnten. Tote und Verletzte gab es dabei wohl nicht ...

Wir kurven also zurück nach Susa, laufen in der Stadt etwas ziellos herum und fahren nach dem Mittagessen zum Übernachten auf den Campingplatz Gran Bosco in Salbertrand. Dort treffen sich traditionell motorisierte Alpinisten wie Motorradler, Quadler, Allradler und natürlich alle Bremachs der Region (wir! ).

Mitten in "Wolke 7"? Camping Salbertrand zwischen zwei Regenschauern, Position 4 Karte oben Regen nur bei uns? Von uns gebuchte Regenwolke über dem Piemont ...

Berühmte Ziele sind von hier aus gut erreichbar: Jeder ambitionierte Westalpenfahrer kennt die Assietta Kammstraße, oder den Pramand, Jafferau, Sommeiller etc. Höchster anfahrbarer Punkt mit 3.136 Meter war früher eindeutig der Mont Chaberton mit der schon erwähnten ruhmlosen Gipfelfestung. Die Straße dort hoch wurde jedoch nicht unterhalten, verfiel in Folge und ist nur noch Wanderern und wagemutigen Bikern vorenthalten, die sich über die Verbotsschilder hinwegsetzen ...

Das Wetter wird leider nicht besser und die fahrtechnischen Leckerbissen der Umgebung liegen in den Wolken und sind für mich unerreichbar - nicht ganz zum Leidwesen meiner höhenängstlichen Renate. Da aber die Westalpen für uns ja nur ein Nebenschauplatz sein sollten, warten wir nicht tagelang auf besseres Wetter, sondern brechen auf zu unserem zweiten Zwischenziel vor den Pyrenäen, den Cevennen - dem südlichsten Teil des französischen Zentralgebirges ...


© 2019 Sepp Reithmeier