Hühner und Wandervögel
"Philosophie" nicht nur für Reisemobilbesitzer ...
Vorbemerkung der Red.: Unser Autor Karsten Franke gehört zu denjenigen, die beim Explorer Magazin von Anfang an dabei waren. Seine letzten Berichte verfasste er aber bereits als Schottland-Auswanderer vor mehr als einem Jahrzehnt, also zu einer Zeit, als vielen die Alternative "Auswanderung" im Gegensatz zu heute noch deutlich fremder war.
Ebenfalls äußerte
er sich seinerzeit fast schon prophetisch,
als er zu Beginn unserer Beitragsreihe "Euro-Tour"
bereits im Oktober 2011
ausführte, dass ihm der Gedanke an eine große
Freihandelszone zwischen ansonsten unabhängigen Staaten wesentlich
realistischer erschien "als die ´United States of
Europe´-Schnapsidee". Damals sah er sich damit noch als
Außenseiter, heute dagegen regen sich selbst im Bereich der Politik
verbreitet derartige Bestrebungen, die mit Großbritanniens BREXIT
erst ihren Anfang nahmen.
In einer Fortsetzung berichtete Karsten schließlich vor zwei
Jahren erneut aus seiner Wahlheimat mit
einem Artikel, der ebenfalls wieder den Blick auch auf das
europäische Umfeld richtete. In seinem aktuellen Beitrag befasst er
sich nun mit einem noch umfassenderen Thema, nämlich den derzeit
erkennbaren Entwicklungen, die sich nicht nur auf die EU
beschränken, sondern auch global wirken. Selbstverständlich
betrachtet er das Ganze in unserem Magazin aus der Sicht eines
freiheitsliebenden Reisenden, der aber nicht zwingend auch ein
Reisemobil besitzen muss ...
Tipp: Für die englischsprachigen Links, die in Karstens Beitrag verwendet werden, kann man mit automatischer Übersetzung eine deutsche Fassung erhalten, wenn man auf das hinter dem Link stehende (->DF) klickt.
Frei steht noch grossen Seelen ein freies Leben. Wahrlich,
wer wenig besitzt,
wird um so weniger besessen: gelobt sei die
kleine Armuth! (Friedrich Nietzsche,
Also Sprach Zarathustra
Welcome To 2030: I Own Nothing, Have No Privacy And Life Has Never Been Better (World Economic Forum) (->DF)
Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit ...
Reisemobile in allen erdenklichen Varianten sind zweifellos populär, und in den letzten Jahren scheint ein regelrechter Boom ausgebrochen zu sein. Man sieht sie auf fast jedem Parkplatz, in den Einfahrten von Privathäusern und natürlich wenn sie gemächlich auf einer Landstraße vor einem herzuckeln. Die Frage ist, warum? Warum wollen so viele Leute relativ eingeschränkt auf kleinem Raum die Welt erkunden, anstatt einfach daheim zu bleiben oder eine Pauschalreise zu buchen? Interessant ist auch, wie viele verschiedene Bevölkerungsgruppen sich eine fahrbare Unterkunft zulegen; angefangen vom Spießbürger, wundervoll verkörpert von Ottfried Fischer im Film Superstau, bis hin zu den modernen Nomaden in Nomadland.
Was haben diese ansonsten so unterschiedlichen Menschen
gemeinsam? Was ist es, wenn nicht ein Drang nach Freiheit und
Unabhängigkeit, entweder bewusst oder unbewusst? Für manche ist
das Wohnmobil ein Fluchtfahrzeug, um einer eintönigen Existenz daheim
zu entkommen, zumindest für ein paar Tage oder Wochen. Für andere
ist es ein (semi-) permanenter Ausweg aus einem stressigen und
unbefriedigten Leben, in dem der
Bullshit Job
die Seele zerstört und das Gehalt nicht zum leben reicht. Ein
relativ freies Leben in "Kleiner Armut" scheint inzwischen für viele
attraktiver zu sein als die Alternative, zumindest für ein paar
Jahre ...
Ein nomadischer Lebenswandel ist ein Weg das "System" zu verlassen und oft auch eine Rebellion: Ob Zigeuner, New Age Travellers (->DF) oder Perpetual Traveler (->DF), alle wollen den unangenehmen Seiten einer geregelten Existenz entkommen und ein freies Leben genießen.
Natürlich macht man sich damit nicht unbedingt beliebt und kann im Extremfall - wie viele Zigeuner im Dritten Reich - in ein Konzentrationslager gelangen, oder auch wie die New Age Travellers im Battle of the Beanfield (->DF) von der Polizei verprügelt werden. Die meisten Reisemobilbesitzer sind natürlich rechtschaffende Bürger und werden nicht ernsthaft von der Staatsgewalt bedroht. Aber steckt nicht in allen von uns ein kleiner Zigeuner, der den Autoritäten hin und wieder mal den Mittelfinger zeigen will? Selbst wenn es nur ein symbolischer Widerstandsakt ist? Wenn man zum Beispiel das "Parken über Nacht verboten"-Schild am Wanderparkplatz ignoriert, dort übernachtet und ohne Strafe davonkommt ..?
Das Spektrum der
Reisemobilbesitzer reicht also von den Spießern bis zu den
Crusties, vom gut betuchten
Bürgertum bis zum Punk ohne festen Wohnsitz. Die Mehrheit wird
natürlich irgendwo dazwischen fallen. Aber alle haben einen
gewissen, wenn auch sehr unterschiedlich ausgeprägten
Freiheitsdrang, auch wenn sie ansonsten wenig zu
verbinden scheint.
Die Freiheit zu reisen, egal ob mit Reisemobil, Rucksack oder als Pauschaltourist, ist etwas, das fast jeder Bürger in der westlichen Welt wertschätzt. Man sollte allerdings nicht vergessen, dass diese Freiheit, so wie wir sie zur Zeit genießen, historisch eher ungewöhnlich und keinesfalls garantiert ist.
Es mag im Moment unvorstellbar erscheinen, dass unsere Freiheit, beliebig fast überall in der Welt herumzureisen und viele andere Annehmlichkeiten des 21. Jahrhunderts, plötzlich verloren gehen. Aber das könnte sich schnell ändern: Europäer konnten während der Belle Époque bis 1914 auch relativ problemlos die ganze Welt bereisen und sich überall niederlassen. Niemand hätte gedacht, dass kurze Zeit später zwei Weltkriege, Faschismus und Kommunismus Freiheit und Wohlstand zerstören und für die nächsten 40 Jahre ein "Eiserner Vorhang" die Welt teilen würde ...
Geschichte wiederholt sich nicht ..?
Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich, wie es in
einem Bonmot heißt. Gemeint ist, dass sie sich zwar nicht in selber
Form
wiederholt, aber zumindest in ihren Mechanismen.
Und die Parallelen zwischen der heutigen Zeit und der Periode vor den beiden Weltkriegen sind in der Tat nicht zu übersehen. Der Konflikt zwischen USA/NATO und China/Russland, in dem beide Seiten ihre Armeen ausbauen und immer mehr Geld für Waffen ausgeben, hat bereits weite Teile der Ukraine zerstört und könnte schnell weiter eskalieren.
Aber selbst wenn dieser Konflikt irgendwie gelöst werden kann, hat die westliche Welt noch ein ganz anderes Problem, nämlich einen gigantischen Schuldenberg sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor. Darüber hinaus eine demographische Situation, die es mehr oder weniger unmöglich macht, die Situation durch Wirtschaftswachstum zu stabilisieren.
Die Dominanz der westlichen Demokratien unter der Führung der USA scheint ebenfalls nicht mehr gesichert: Der Rest der Welt bildet neue Allianzen in Organisationen wie BRICS oder Shanghai Cooperation Organisation und will Zentralbankreserven mit Gold statt US Dollars (->DF) aufstocken. Ob diese Länder es schaffen, in absehbarer Zeit eine multipolare Weltordnung zu etablieren, bleibt abzuwarten. Der Wille dazu scheint jedenfalls da zu sein.
Man muss kein Schwarzmaler sein um zu
sehen, dass sich das westliche Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell
der Nachkriegszeit, nämlich schuldenfinanziertes Wirtschaftswachstum oder
"Consumerism" sowie durch Massenmedien gesteuerte Demokratien,
langsam aber sicher dem Ende zuneigt.
Niemand weiß wie lange es noch es überleben wird und Vorhersagen sind schwierig. Vielleicht noch zwei, fünf oder zehn Jahre? Alles ist möglich. Kaum jemand hat das Ende der Sowjetunion korrekt vorausgesagt, kaum jemand wird korrekt vorhersagen, wie lange das derzeitiges System noch überleben wird. Eines ist klar, es wird sich ändern und unsere Lebensumstände könnten sich in kurzer Zeit radikal verschlechtern.
Corona als Warnsignal
Die Corona Krise hat uns alle wachgerüttelt und gezeigt, wie schnell sich eine relativ freie Gesellschaft über Nacht in eine technokratische Diktatur verwandeln kann, in der gleichgeschaltete Massenmedien die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen, während Regierungen demokratische Grundrechte außer Kraft setzen und jede kritische Stimme als Spinnerei ("Schwurbelei") oder als extremistisch diskreditiert und diffamiert werden kann.
Wie konnte das
passieren? Die Denkweise ist in etwa wie folgt: Dieses oder jenes
ist schrecklich, ETWAS muss dagegen getan werden! XY ist ETWAS,
deshalb muss es getan werden. Man(n) kann nicht einfach zusehen und
nichts tun. Ausgangssperren sind etwas. Gesichtsmasken sind
etwas. Sanktionen gegen Russland sind etwas. Elektroautos sind
etwas. Internet Zensur und Überwachung sind etwas. Wärmepumpen
sind etwas. Wer dagegen ist oder nur unangenehme Fragen stellt,
muss entweder dumm, bösartig, ein Freund der Russischen Regierung
("Putin-Versteher") oder ein rechter Extremist sein. Im Zweifelsfall wahrscheinlich
alles. Ob dieses ETWAS auch effektiv ist oder die unerwünschten
Nebeneffekte eventuell schlimmer als das eigentliche Problem sein
könnten, wird nicht gefragt ...
Diese engstirnige, mechanistische Denkweise in Verbindung mit Gruppendynamiken und einem oft naiven Glauben, dass wissenschaftlicher Fortschritt alle Probleme der Welt lösen kann, führt oft zu der Illusion, dass Eliten und Experten das Weltgeschehen feinsteuern können. Das Problem dabei ist, dass die Welt in der Realität deutlich komplexer ist als es in den Theorien und Computermodellen jemals abgebildet werden kann. Die Zentralbanker, die versuchen Preissteigerungen durch Leitzinsen und andere Maßnahmen zu kontrollieren, um die magische und vollkommen willkürliche Inflationsrate von 2% zu erreichen, sind bei genauerer Betrachtung genauso lächerlich wie die Apparatschiks, die versuchten, den Bedarf von Damenunterwäsche und Zahnbürsten für die nächsten 5 Jahre für die gesamte Sowjetunion vorher zu sagen und zentral gesteuert zu produzieren.
Die meisten Vorhersagen von
Ökonomen stellen sich als falsch heraus; erstaunlich oft passiert
genau das Gegenteil. Die Idee, dass Computermodelle - egal ob für
Klimaforschung oder Covid - Sterblichkeit in jedem Fall korrekt
oder zumindest nah an der Wahrheit sind, ist leider auch nur
Wunschdenken. Bei Covid wissen wir bereits, dass die Modelle
vollkommen falsche Vorhersagen
(->DF) geliefert haben. Wie gut die nun unaufhörlich
beschworenen Computermodelle der Klimaforscher wirklich sind, werden
die nächsten Jahre und Jahrzehnte zeigen, genügend Zweifel daran
werden aber bereits jetzt ebenfalls von (anderer) wissenschaftlicher
Seite geäußert. Trotzdem bilden die
Vorhersagen dieser Modelle die Basis für zum Teil extreme
politische Maßnahmen, wie z.B. die geplante Enteignung
von Bauern in den Niederlanden, Pläne hunderttausende Rinder in
Irland zu schlachten, sowie Pläne Verbrennungsmotoren und
Gasheizungen zu verbieten ...
Das Verhaltensmuster ist immer
dasselbe: Irgendetwas ist ein Problem und Politiker und/oder
Experten behaupten eine schlaue Lösung gefunden zu haben. Super
Idee, mit den besten Absichten. Was kann da schon schief gehen? Jede
Menge, wie eine YouTube Serie der amerikanischen Zeitschrift Reason
eindrucksvoll dokumentiert.
Das Verhältnis zwischen den Bevölkerungen und ihren Regierungen
in den westlichen Demokratien ist kompliziert und voller
Widersprüche. Vertrauen und Zufriedenheit hinsichtlich Politikern und
staatlichen Institutionen sinken zunehmend, aber trotzdem
erwarten weite Teile der Bevölkerung noch, dass der Staat in immer
mehr Lebensbereichen aktiv wird. Die Erwartungen sind dabei oft
widersprüchlich, kostspielig und Maßnahmen sollen fast immer von
anderen bezahlt werden. Es ist für die Bevölkerung einfach,
Forderungen zu stellen und Politiker müssen Versprechen machen,
die sie nicht halten können, ansonsten hätten sie keine Chance
gewählt zu werden. Es ist deshalb verständlich, dass vernünftige
Menschen heutzutage oft nur wenig Interesse an einem politischen Amt
zeigen ...
© 2023 Karsten Franke