Kultur ade - Pisten, wir kommen ...

Nun müssen wir Strecke machen: Von Gjirokastra nach Nordwesten und über Tepelene östlich ins Tal von Permet. Das ist ein nettes Städtchen zum Bummeln, Einkaufen und Einkehren. Mitten darin steht ein etwa 50 Meter hoher Fels, der als Aussichtsturm begehbar gemacht wurde. Auf der Suche nach einer ehemals kommunistischen Kooperative, die bis heute eingelegte Früchte oder Gemüse in Kleinmengen verkauft, kommen wir am Friedhof vorbei: Dort überrascht uns eine große Neuanlage neben dem bisherigen Friedhof mit lauter Gräbern aus den Jahren 2020 und 2021.

Blick auf Permet Richtung Osten Der alte Friedhof links hinten reichte bis zum Jahr 2020 ... Entspannung im warmen Wasser ... Über die alte Steinbrücke zurück zum Platz ...

Albanien hat inzwischen fast keine Corona-Fälle mehr und die dritte Welle deutlich früher überwunden als wir in Westeuropa. Aber im Dezember 2020 und im März 2021 waren die beiden Wellen auch stark und forderten ihre Opfer, die öffentlichen Einschränkungen waren strenger als in Deutschland.

Von Permet aus sind es nur noch 15 km in Richtung Osten zu unserem nächsten Nachtplatz an der Thermalquelle in Benjes. Bis dahin ist die Straße geteert und ein Campingplatz im Aufbau, die Sanitäranlagen sind bereits fertig. Auf dem weitläufigen Platz stehen schon einige interessante Fahrzeuge: Zwei junge Familien im Mercedes Rundhauber und Iveco sowie ein Wiener Single mit Sprinter, die wir einige Tage später wieder treffen werden.

Mit der Thermalquelle mache ich erst am nächsten Tag Bekanntschaft. Für ein entspanntes Morgenbad sind die 25°C eine ideale Temperatur und ich kann mich lange im Wasser aufhalten, bin aber danach trotzdem nicht zu müde für die folgenden Aktivitäten. Und die kommen bald in Form unserer ersten anspruchsvollen Offroadtour, der sogenannten "Frashër Runde" ...

Bis zur Thermalquelle war die Straße noch geteert. Wir folgen dem weiteren Verlauf, der bis zu einem kleinen Staudamm geschottert, aber noch voll LKW-tauglich ist. Danach wird es enger, steiler und ausgesetzter, spannende Ausblicke und schöne Bilder gibt es dazu ...

Nach dem Staudamm wird es sportlicher ... Zügig nach oben ... Nicht jeder passt da durch!
Konzentriert geht es weiter ... ... und weiter ... Zwischendrin Almweiden, früher sogar besiedelt ... Schönes Fahren ... ;-))
Hier wackelt das Fundament unter dem rechten Hinterrad ... Die Nachfolgenden sind gewarnt und nehmen es sehr genau ... Vorsicht, ruppiger Belag!
Langsames Fahren reduziert die Kippgefahr ... Und wieder: Schönes Fahren! ;-))

Die objektiven Schwierigkeiten sind nicht groß, aber man fährt ständig in diesem Gelände und hat nicht nur einzelne Stellen davon. Nach Studium des Pistenkuh Führers hatte ich aber mehr Probleme erwartet: Die beschriebene leichte Seitneigung der Piste (die allergrößte Gefahr für unsere schmalen und hohen Autos) ist von wenigen Stellen abgesehen wirklich nur leicht und der lehmige Boden ist griffig, solange der Regen, der für den Nachmittag angesagt ist, nicht einsetzt. Aber wir fahren langsam und konzentriert, brauchen dadurch über 4 Stunden für 30 Kilometer einschließlich Fotopausen und diese kontinuierliche Anspannung strengt sehr an. Die Gefahren der Strecke für große Mobile liegen in den Innenkurven, also Steilrinnen von Bergbächen, von denen zahllose überwunden werden müssen. Sie sind recht eng und talseitig manchmal mit geschichteten kleinen Steinplatten mäßig befestigt, offensichtlich nicht auf höhere Gewichte ausgelegt ...

Erich bei uns am Steuer schneidet eine Kurve wohl etwas zu sorglos und bringt mit dem rechten Hinterrad die Steinmauer ins Schwingen. Wir vorne spüren das nicht einmal, aber Andi im nachfolgenden Fahrzeug sieht es deutlich. Die beiden "Weißen" nehmen diese Kurve deshalb besonders weit und lassen die Beifahrer einweisen ...

Eine interessante Begegnung im oberen Drittel der Strecke: Zwei Einheimische kommen uns mit Eseln entgegen, wohl Vater und Sohn. Während der Junge begeistert das "Daumen-hoch" Zeichen gibt, macht der Vater ein zweifelndes Gesicht und zeigt uns den Vogel. Allerdings haben auch wir schon bemerkt, dass unsere Fahrzeuge für diese Strecke tendenziell wohl etwas zu groß sind ...

Als wir dann nach knapp 30 km endlich oben sind, machen wir eine kurze Pause vor dem Museum, gewidmet den aus diesem Ort stammenden Frashër-Brüdern, die im osmanischen Reich als Dichter zu Ruhm gekommen sind. Zum Übernachten finden wir aber einen viel schöneren Platz mitten in einer blühenden Wiese und nahe am See, einem Wasserreservoir für das Dorf. Das Wetter hatte es tagsüber gut gemeint mit uns und mit dem Regen gewartet, bis wir sicher stehen. Nun fängt es aber an zu tröpfeln. Andis Fahrzeug mit der größten Kabine wird deshalb zur Mannschaftskantine umfunktioniert: Sechs Personen, kein Problem. Roland, der Siebte, macht sich dünn und sitzt in einer Ecke.

  Erneut ein sehr schöner Nachtplatz! Genug Platz in der Kabine ...

Die landschaftlich schöne Abfahrt ist technisch ziemlich einfach. Der Ort Frashër wird von dieser Seite her versorgt und die Piste ist gut gepflegt. Fast unten im Tal, an der Abzweigung Richtung Corovode, treffen wir auf ein Schweizer Radlerpaar, das über den Bergrücken aus dem Osumital letztlich aus Berat herübergekommen ist und die Nacht oben auf dem Berg bei dem netten Café im Zelt verbracht hat. Die beiden sind jung und fit und haben die steilen Bergstraßen gut gepackt. Das was sie in den nächsten zwei Monaten alles fahren wollen, ist noch beeindruckender: Durch die Türkei und bis nach Georgien wollen sie mit dem Velo kommen. Ein wenig beneiden wir sie schon darum ...


© 2021 Sepp Reithmeier,  Fotos: Sonja Ertl, Erich Junker, Marie Schömer