Ein Wikingerschiff aus dem Arktikum ...


Wir hatten es mitgebracht von unserer Tour Skandinavien ´99: Das Wikingerschiff aus dem Arktikum in Rovaniemi!

Und lange lag es in unserem Modellkeller. Bis neulich halt. Da wurde entschieden, das Papiermodell endlich mal zu bauen - auch ein Beitrag zu unserer neuen Rubrik. Und was zeigte der Blick auf die Rückseite des Modellbaubogens? Nun, hier hatten wir offensichtlich in der "Hauptstadt Lapplands" in Finnland ein Teil gekauft, das aus dem Verlag des Britischen Museums stammte und sogar eine ISBN Nummer hat: 0 7141 1786 2; auch der Originalpreis von 3,5 Britischen Pfund ist noch zu sehen.

Aber was soll´s - das Teil wird gebaut. Das Papiermodell basiert auf dem angeblich berühmtesten Wikingerschiff, das je gefunden wurde: Dem "Oseberg-Schiff" vom Rande des Oslo-Fjords, heute zu besichtigen im Osloer Museum ...

Das Oseberg-Schiff aus dem Modellkeller ...

Doch zunächst zu den Wikingern, die etwa in der Zeit von 800 - 1250 n.Chr. ihre große Zeit hatten. In einem Beitrag von Prof. Dr. Arne Emil Christensen vom Universitätsmuseum für nationale Altertümer in Oslo heißt es dazu: 

"Das Bild änderte sich kurz vor 800. .. Chroniken und Berichte über die nächsten 200 Jahre strotzen von Schreckenstaten der Wikinger. Kleinere und größere Gruppen von Schiffen griffen sämtliche Küsten Europas an. Die Wikinger segelten die Flüsse Frankreichs und Spaniens hinauf, eroberten den größten Teil Irlands und weite Gebiete von England und besetzten Gebiete entlang den Flüssen in Russland und an der Ostseeküste. Es wird von Beutezügen im Mittelmeerraum berichtet, die weit nach Osten bis zum Kaspischen Meer vordrangen. Von Kiew kommende Nordleute waren sogar so tollkühn, einen Angriff auf Konstantinopel, die Hauptstadt des Oströmischen Reiches, zu versuchen.

Mit der Zeit wurden die reinen Beutezüge durch Kolonisation ersetzt. Ortsnamen erzählen von einer großen Wikingerbevölkerung in Nordengland, mit York als Zentrum. .. In Frankreich erhielt ein Wikingerhäuptling vom französischen König die Normandie als Lehen, um andere Wikinger fernzuhalten. Die Inseln nördlich von Schottland bekamen eine gemischte keltisch-altnordische Bevölkerung, und auf Island und Grönland entstanden blühende Gemeinschaften."

... mit voller Besegelung ...

Und weiter zum Oseberg-Schiff:

"Entlang dem Oslofjord liegt direkt unter der Grasnarbe Tonerde, die so dicht ist, dass weder Luft noch Wasser durchdringen können. Einige Gräber sind nach tausend Jahren noch gut erhalten, und hier finden wir die ganze Palette von Gegenständen, die dem Verstorbenen einst mitgegeben wurden. Die Schätze der enormen Wikingerschiffgräber von Oseberg, Tune und Gokstad ­ ausgestellt im Wikingerschiff-Museum auf Bygdøy in Oslo ­ sind ein Paradebeispiel dafür, was unter günstigen Umständen an Material für die Nachzeit erhalten bleiben kann. Wir wissen nicht, wer die Toten sind, aber der Pracht nach zu urteilen müssen sie Standespersonen gewesen sein. Vielleicht waren sie sogar Mitglieder der königlichen Familie, unter der Norwegen später eine geeinte Nation wurde.

... und zweidimensionaler Mannschaft ...Die Gräber von Oseberg, Gokstad und Tune hat man kürzlich anhand einer Analyse der Jahresringe im Eichenholz datieren können. Das Osebergschiff wurde um etwa 815-820 n.Chr. gebaut, und die Beisetzung kann aufs Jahr genau datiert werden, nämlich 834. Die Schiffe von Gokstad und Tune wurden in den 890er Jahren gebaut und unmittelbar nach 900 in die Erde versenkt. In diesen drei Gräbern dienten große Schiffe als Grabraum. ... das Osebergschiff ist ungefähr 22 m lang und das Gokstadschiff etwa 24 m.

Zur Beisetzung wurde das Schiff an Land gezogen und in eine in die Erde gegrabene Grube hinuntergelassen. Hinter den Mast wurde eine Grabkammer gebaut, und hier wurde der Tote in seinen besten Kleidern in ein Bett gelegt. Reichliche Vorräte wurden an Bord gebracht, Pferde und Hunde wurden geopfert, und dann wurde ein großer Grabhügel über dem Schiff aufgetürmt. ... Im Gokstadschiff wurde ein Mann gefunden, und höchstwahrscheinlich hat es auch im Tuneschiff ein Männergrab gegeben, während im Osebergschiff zwei Frauen bestattet waren. Die Skelette lassen darauf schließen, dass die eine Frau zwischen 50 und 60 Jahre alt war und die andere zwischen 20 und 30 Jahre. Wir werden nie wissen, welche von ihnen die Hauptperson und welche die Begleiterin war.

Sowohl das Oseberg- als auch das Gokstadgrab haben Besuch von Grabschändern gehabt; Schmuck und Luxuswaffen, die es ursprünglich in diesen Gräbern gegeben haben muss, sind verschwunden. Gegenstände aus Holz, Leder und Textil, an denen die Grabschänder nicht interessiert waren, sind demgegenüber bis in unsere Tage erhalten. An anderen Orten haben wir Überreste von ähnlichen Schiffsgräbern, und es scheint Brauch gewesen zu sein, geopferte Hunde und Pferde mitzugeben sowie feine Waffen, ein gut Teil Schiffsausrüstung wie etwa Ruder und Landungsplanken, außerdem Schöpfkellen und Kochtöpfe für die Schiffsbesatzung, Landzelte und häufig importierte schöne Bronzegefäße, die ursprünglich sicher Essen und Trinken für den Toten enthalten haben.

Wildes Wikingergetümmel an Deck ...Im Oseberggrab gab es keine Spuren von Waffen, was verständlich ist, da es sich um ein Frauengrab handelt. Alle übrige Ausstattung war jedoch vorhanden. Außerdem wurden der toten Hauptperson Gegenstände mitgegeben, die ihre Würde als Verwalterin und Hausfrau auf einem großen Hof symbolisieren. Es ist anzunehmen, dass die Frauen die Verantwortung für den landwirtschaftlichen Betrieb hatten, während die Männer auf Wikingerzug waren.

Die Hausfrau auf Oseberg war sicher wie viele andere ihrer Mitschwestern eine sehr bestimmte und höchst geachtete Dame, ob sie nun gemeinsam mit anderen Frauen am Spinnrad oder Webstuhl saß oder die Aufsicht über die Landarbeit oder die Herstellung von Milch, Käse und Butter hatte. Außer dem Schiff wurden ihr ein Wagen und drei Schlitten mitgegeben. Ob sie ihre Reise ins Totenreich zu Land oder zu Wasser antrat ­ Hauptsache war, dass es standesgemäß geschah. Genug Pferde waren geopfert worden, um sowohl vor die Schlitten als auch den Wagen gespannt zu werden. ... 

Das Gokstadschiff war sehr seetüchtig und besser als das Osebergschiff. Das haben Kopien bewiesen, die über den Atlantik gesegelt sind. Dank der Form seines Rumpfes ist das Schiff sowohl unter Segeln als auch mit 32 Männern an den Rudern ein schnelles Schiff gewesen. Selbst bei vollzähliger Mannschaft ragt das Schiff nur etwa einen Meter tief ins Wasser. Somit eignete es sich gut für rasche Angriffe auf fremde Küsten. Möglicherweise haben die Erfahrungen, die die Wikinger im frühen 9. Jahrhundert auf ihren zahlreichen Seereisen gesammelt hatten, eine rapide Weiterentwicklung des Schiffskörpers bewirkt. Wenn das stimmt, könnte der Unterschied zwischen dem Osebergschiff und dem Gokstadschiff das Ergebnis der Erfahrungen aus drei Generationen Nordsee-Schifffahrt und stundenlanger Diskussionen zwischen Schiffbauern sein, die Verbesserungen anstrebten."

Leicht verständliche Anleitung ...Soviel zur Vorgeschichte unseres Modells. Die Mannschaft ist nur zweidimensional, aber die vielen Figuren an Deck bieten aus der Schräge eine Kulisse, die man durchaus noch akzeptieren kann. In den Mast haben wir noch ein Plastikteil eines Revell-Modells eingebracht, so ist er recht stabil und auch die Segelabspannung hält ...

Die Anleitung ist leicht verständlich und so kann das Geschnibbel bald los gehen. 

Wer Spaß hat mit Papiermodellen und entsprechenden Modellbaubogen, die manchmal noch interessanter sein können als Plastikmodelle (gilt aber sicher nicht für dieses recht einfache Teil!), der wird das Oseberg-Schiff sicher gern zusammen bauen.

Und beim Ausschneiden der zahlreichen Einzelteile und beim Fluchen über den wieder mal ausgetrockneten Alleskleber an die große Zeit der Wikinger oder auch an seinen letzten Skandinavien-Trip denken - sicher alles gute Gründe, zur Schere und zum Klebstoff zu greifen, oder?


© 2001 J. de Haas, Textzitat Wikinger: Prof. Dr. A. E. Christensen, Universitätsmuseum für nationale Altertümer, Oslo