Aus für die "Selective Availability" (SA)!


Jeder GPS-Nutzer kennt sie: SA, die "Selective Availability", eine künstliche Verfälschung der GPS-Signale durch das amerikanische Militär für den zivilen Nutzer. Die Zentimetergenauigkeit wurde bislang hierdurch in den 100 m Bereich verfälscht.

Am 1. Mai 2000 beglückte Präsident Bill Clinton alle GPS-Benutzer mit seinem Erlass, die SA für zivile Nutzer in der Walpurgisnacht abzuschalten. Aufgrund der Abschaltung der SA messen GPS-Geräte nun auf ca. 10 m genau.

So war es vorher ... ... und so jetzt: Ein Bild läutet die Revolution ein ..!

Doch wieso kommen wir in diesen Genuss? Die Veröffentlichung des White House Office of the Press Secretary gibt darüber Aufschluss, dass dieses "Geschenk" überwiegend wirtschaftlich motiviert ist:

  1. Der Markt ziviler GPS-basierter Systeme (Navigation, Rettungswesen, Transport, ...) ist in den USA mittlerweile ein wichtiger Wirtschaftsfaktor mit derzeit 8 Milliarden Dollar Umsatz pro Jahr und der Prognose, sich innerhalb der nächsten drei Jahre zu verdoppeln. Diese Entwicklung soll von der US-Regierung nicht ausgebremst werden.
  2. Die Militärs - schon immer recht findige Burschen - haben neue Technologien entwickelt, mit denen sie die SA regional wieder aktivieren können, z.B. in Krisengebieten.
  3. GPS ist der weltweite Navigationsstandard und kostenlos für die Nutzer. Das ist ein Seitenhieb auf die geplante europäische GPS-Variante Galileo. Galileo sollte ja erheblich genauer werden als GPS und dafür kostenpflichtig. Nun muss sich das Galileo-Konsortium was Neues ausdenken. Immerhin wurde unter dem Druck des Clinton-Erlasses bereits über einen Galileo-Starttermin in 2006 nachgedacht ...

Neben den altbekannten Anwendungsgebieten wie

  • Autonavigation
  • Outdooraktivitäten
  • Fischerei usw.

gibt es zwei Anwendungsgebiete, die recht interessant sind:

  • Rettungswesen: Hier ist geplant, alle neuen Handys mit zusätzlicher Technologie auszurüsten, damit beim Aktivieren der Notfalltaste die Rettungsdienste den Rufer schneller und genauer lokalisieren können.

Nachtrag, 12/2012

Mehr als ein Jahrzehnt nach Abschaltung der "Selective Availability" wurde insbesondere dieses Anwendungsgebiet mittlerweile Realität. Das Handy ist inzwischen ein Alltagsgegenstand geworden, der sehr oft mit einem GPS-Empfänger ausgerüstet ist, der ein Navigationsgerät sowohl "online" als auch "offline" ersetzen kann. Ein modernes Gerät kann darüber hinaus auch über Sonderfunktionen verfügen wie z.B. eine Notfalltaste, mit der auf Knopfdruck voreingestellte Kontakte angerufen werden. Zusatzfunktionen, die auf dem GPS-Empfang basieren, können bei Mobiltelefonen darüber hinaus Meldungen an Servicezentralen absetzen, aus denen sich die Position des Besitzers ermitteln lässt. Derartige Informationen zum Standort und auch zu der im Notfall befindlichen Person werden dann direkt an die Rettungsdienste weiter geleitet, ggf. ergänzt durch zuvor hinterlegte medizinische Daten für die Notärzte.

  • Bereitstellung von genauer Zeit: GPS wird die UTC (Universal Time Coordinated) nun auf 40*10-9 sec genau liefern. Damit können elektromagnetische Signale erheblich besser und kostengünstiger synchronisiert werden, was z.B. für höhere Datentransferraten im Netzwerk oder Telekommunikationsbereich genutzt werden kann. Das gibt sicher Umsatzrückgänge in der Atomuhrenindustrie ...

Klar, dass Clinton auch nach Abschaltung der SA den Schalter nicht abmontieren ließ. Sein Erlass ist gültig bis 2006 und es wird angabegemäß künftig jedes Jahr erneut überprüft, ob SA abgeschaltet bleibt. Und wann immer es nötig erscheint, wird man SA wieder aktivieren, denn GPS untersteht der alleinigen Kontrolle der US-Armee (Nachtrag: Im Jahr 2007 teilte die US-Verwaltung mit, man würde künftige GPS-Satelliten des Systems GPS III garantiert ohne die "SA"-Funktion betreiben).

Kaum haben wir von diesem Erlass erfahren, begannen wir unsere Versuche:

  1. Das GPS Garmin 12XL wurde im Garten deponiert und nach 2 Stunden war keinerlei Bewegung zu bemerken.
  2. Wir liefen mehrfach ums Haus und es wurde ein wunderschöner Vollkreis aufgezeichnet, bei mehreren Hausumrundungen waren die Kreise sogar deckungsgleich.
  3. Selbst kleinste Strecken, Wechsel der Wegseite (3 m) wurden korrekt angezeigt.

Die Genauigkeit von deutlich unter 10 m ist keineswegs garantiert und erklärt sich aus folgenden Gründen:

  • Wir haben nachts gemessen, der Elektrosmog (Jamming-Effekte) war geringer als tagsüber
  • Die Satelliten standen optimal, unser GPS hat so viele berücksichtigen können, wie noch nie.

DGPS ist dadurch noch nicht zu ersetzen, denn bei DGPS wird eine Genauigkeit von 1-5 m erreicht und garantiert.

Für den "normalen" Navigator ist das GPS jedoch nun ein ausreichend genaues Navigationsgerät. Und nun haben wir noch einen Grund mehr, alle schönen Plätze der Welt erneut aufzusuchen:

Wir müssen doch jetzt die "genaue" Koordinate ermitteln ...


Eine Mitteilung von R. Gerlach, der uns bei diesem Thema weiterhelfen wollte:

Hallo,
auf Ihrer Homepage schreiben Sie:..." 2. Die Militärs - schon immer recht findige Burschen - haben neue Technologien entwickelt, mit denen sie die SA regional wieder aktivieren können, z.B. in Krisengebieten. "..... und weiter:....."Klar, dass Clinton nach Abschaltung der SA den Schalter nicht abmontieren ließ. Sein Erlass ist gültig bis 2006 und es wird jedes Jahr erneut überprüft, ob SA abgeschaltet bleibt. Und wann immer es nötig erscheint, wird man SA wieder aktivieren, denn GPS untersteht der alleinigen Kontrolle der US-Armee. ".....

Dies ist schlichtweg falsch. Schauen Sie mal bitte auf die offizielle Seite der US-Regierung: "http://www.igeb.gov/sa/faq.shtml". Dort finden Sie folgende Hinweise:"Will SA ever be turned back on? The United States has no intent to ever use SA again. To ensure that potential adversaries do not use GPS, the military is dedicated to the development and deployment of regional denial capabilities in lieu of global degradation. " und weiter: "I heard that SA will be left on in certain parts of the world. Is it still on in my country? No. You have been misinformed. Selective Availability was a global degradation of the GPS service. It could not be applied on a regional basis. By turning it off, the President immediately improved GPS accuracy for the entire world. The United States has no intention of reactivating SA ever again. "

Ich hoffe, ich konnte ein Wenig weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüssen, R.Gerlach

Da wir nicht allen FAQs dieser Welt bedingungslos glauben, unsere Meinung dazu:

"Hallo Herr Gerlach,
vielen Dank für Ihre Information. Wir beziehen uns mit unseren Schlussfolgerungen auf den Erlass, den Mr. Clinton unterschrieben hat:

Zitate aus dem Originalerlass:
.... To meet these goals, I committed the U.S. to discontinuing the use of SA by 2006 with an annual assessment of its continued use beginning this year. ....Additionally, we have demonstrated the capability to selectively deny GPS signals on a regional basis when our national security is threatened....

Darüber hinaus gehende Zusagen sind in dem Erlass nicht enthalten.

Außerdem sind wir der Meinung, dass die amerikanischen Militärs SA wieder einschalten werden, wann immer sie es für opportun halten - getreu dem Motto, was kümmern uns die FAQs von igeb.gov ...


Und noch eine Anmerkung und den Email-Austausch dazu anlässlich aktueller Meldungen und Gerüchte rund um den Clinton-Besuch in Berlin im Juni 2000:

Am 06.06.2000 nämlich meldete der Deutschlandfunk, dass aufgrund des Clinton-Besuchs in Berlin (!) SA kurzzeitig wieder lokal zum Einsatz kam: So wollte man nämlich potentielle Attentäter bei allzu genauer Navigation stören!

Wir haben den Autor des DLF-Beitrags mittlerweile zu seiner Quelle befragt, nachdem uns vom IGEB Executive Secretariat mitgeteilt wurde, man wisse von keiner temporären SA-Einschaltung während des Clinton Besuchs in Berlin.

Der Autor Hr. Noelke teilte uns daraufhin am 15.06.00 mit, er wäre wohl zum ersten Mal seit 35 Jahren einer Ente aufgesessen.

Offensichtlich aber auch diejenigen, die nach dem DLF-Beitrag und der Anfrage im GPS-Forum meinten, an diesen Tagen wieder 100 m Streuung gehabt zu haben - das muss dann wohl so was wie eine persönliche SA gewesen sein und die ist sicher am schwierigsten abzuschalten ...

Und noch eine Mail von R. Gerlach zu diesem Thema:

Hallo,
ich hatte bereits am Samstag 10. Juni mit dem Autor ein längeres Telefonat wobei er mir ebenfalls bestätigte diese Angaben ungeprüft übernommen zu haben (wie sollte er es auch im Nachhinein überprüfen können?). Da die Quelle offensichtlich von der "Verunsicherungs-Fraktion" kommt, ist eine solche Aussage von dieser Seite mehr als logisch, steht ja mit "Galileo" ein Milliarden Euro Projekt vor dem eventuellen Aus ...

Bitte bedenken Sie noch dass in naher Zukunft Mobiltelefone mit GPS ausgerüstet werden um bei Notrufen mit den Hilfeleistungen schneller und genauer zur Stelle zu sein. Was würde passieren, wenn ein US Bürger, auch im Ausland, durch nachweislich ungenaue Positionsbestimmung zu Schaden käme? Bei der Klagebereitschaft in den USA würden Millionenklagen gegen die Regierung eingehen.

Nochmals
Jruuss aus Köln
R.Gerlach


© 2000 Sixta Zerlauth