Buschreparaturen: "Da leckt Öl raus!"    


Buschreparaturen mag ich irgendwie besonders gerne: Sie halten oft so lange ... man kann sich manchmal gar nicht dagegen wehren. Es gibt nix Tolleres, als nach einem halben Jahr zu sagen "Schau mal ... geht immer noch!"

Denn nichts ist dauerhafter als ein gut funktionierendes Provisorium. Das hat man als Land Rover Fahrer verinnerlicht ...

Jaaja ... ich weiß schon ... es gibt seit langem schon die dem allgemeinen Geschmack entsprechenden und deshalb rundgelutschten Autos, auf denen auch "Land Rover" steht. Aber die echten sind natürlich nur die Eckigen. Nur sie können Wasser, das oben rein läuft, in Öl verwandeln, das unten wieder raus läuft. Dabei ist ein Land Rover gar nicht undicht: Er markiert nur sein Revier! Ein Auto mit Charakter eben.

Trotzdem sollte man diese Markierungen von Zeit zu Zeit beseitigen, auch wenn andere despektierlich meinen "Da leckt Öl raus!" Dieses ständige Genörgel der Unwissenden nervt ja auch. Außerdem sollen ja auch andere Fabrikate nicht von Lecks verschont bleiben und ab und zu undicht werden.

Also habe ich meinen Mut zusammengefasst und experimentiert:

Vermutlich ist Bremsflüssigkeit das gleiche wie teure Hydraulik Leckstoppmittelchen ... zu einem Bruchteil des Preises und quasi immer bei der Hand.

Aus dem wird kein Neues mehr ...Ich gebe zu, das ist nicht naheliegend. Aus allgemeiner Schraubererfahrung weiß ich aber, dass man in Anlagen für Bremsflüssigkeit kein Öl benutzt und umgekehrt. Warum ist das so? Der Grund ist, dass die Dichtungsmaterialien, die "Gummis", unterschiedlich sind. Normale Wellendichtringe aus NBR für Öle quellen durch Bremsflüssigkeit geringfügig auf. Genau das kann man sich aber zu Nutzen machen: Wenn ein Getriebe an einem Wellendichtring oder einem anderen Gummiteil undicht ist, kann man durch Beifügen von Bremsflüssigkeit ins Öl solche Dichtungen etwas quellen lassen und damit wieder Dichtheit herstellen. Soweit die Theorie.

Nun kann man sich fragen, ob die Bremsflüssigkeit im Öl nicht mehr schadet, als sie nutzt? Um ein Beispiel zu nennen: Mein Lenkgetriebe war undicht. Ich schüttete als Test zwei Schnapsgläser voll Bremsflüssigkeit in den Vorratsbehälter für die Hydraulikflüssigkeit (ATF-Öl) der Servolenkung hinein. Innerhalb eines Tages war das Lenkgetriebe wieder dicht. Ich war mehr als erstaunt und rechnete gar nicht mit einem so schnellen Effekt. Vorher verlor es ca. 0,5 l pro Woche, also durchaus eine nennenswerte Menge, die mich auch zu dem Test veranlasst hatte, denn ich musste ja sowieso aktiv werden. Ich war mir aufgrund der Theorie im Klaren, dass es sich nur um einen Aufschub handeln konnte. Eine endgültige "Reparatur" war das sicher nicht. Zu meinem eigenen Erstaunen hielt diese Versuchs- und Notreparatur aber fast drei Jahre lang dicht! Eine provisorische Buschreparatur verschaffte mir in diesem Fall einen Zeitaufschub von fast drei Jahren ... nicht schlecht.

Da mein Auto ja sowieso restaurationsbedürftig war, hatte ich später keine Skrupel, das auch bei den Getrieben und zum Schluss sogar beim Motor (200Tdi ohne Abgasreinigung!) zu machen. Beim Motor hatte ich die meisten Skrupel, denn es gibt ja auch interne Gummidichtungen. Was passiert mit denen? Was machen die hohen Temperaturen mit der Bremsflüssigkeit? Was geschieht mit der Turbolagerung? Modernere Motoren, die sowieso höhere Anforderungen an das Öl stellen, sind da sicher erheblich heikler.

Bei den Getrieben und Achsen funktionierte das jedoch wunderbar. Selbst Undichtigkeiten, durch die etwas Öl tropfte, wurden wieder völlig trocken. Hier war ich mutiger, denn die Temperaturen halten sich ja in Grenzen und deshalb vermutete ich keine Folgeschäden durch die Bremsflüssigkeit. Beim Motor benutzte ich angesichts der großen Ölmenge natürlich viel mehr und nicht nur Schnapsgläser ...

Rund 200 ml empfand ich als angemessen: Der Motor wurde eindeutig dichter, aber nicht vollständig. Immerhin verkleinerten sich die Flecken unter dem alten Motor von insgesamt der Fläche einer Hand in Summe zur Größe einer kleinen Postkarte. Da war aber auch einfach zu viel undicht. Das Ganze konnte wirklich nur ein Versuch zur Methode mit der Bremsflüssigkeit am heißen Motor sein, aber kein Versuch, das im Rahmen einer Notreparatur wieder dicht zu bekommen. Auch nach einigen Wochen hat sich der Motor jedoch nicht verabschiedet, obwohl täglich in Betrieb. Die Temperaturen scheinen nicht gestört zu haben. Es mag aber sein, dass sich nach einigen Monaten doch noch etwas gezeigt hätte. Jedoch bleibt festzustellen, dass es sogar beim Motor wirkte.

Eine gern undichte Stelle beim Lenkgetriebe ...Man darf also nicht erwarten, dass Bremsflüssigkeit die Probleme endgültig lösen kann und aus einem alten Auto ein neues macht, aber sie verschafft einen merklichen zeitlichen Aufschub, ohne Folgeschäden zu verursachen. Insofern bleibt das hier eine Buschreparatur und soll keinesfalls als finale Lösung propagiert werden.

Beim Motor muss man das aber sicher anders als bei Getrieben und Achsen sehen, denn eine nachgeschaltete Abgasreinigung wie Kat oder DPF kann durch solche "Öl-Additive" natürlich nachhaltig vergiftet oder zumindest kontaminiert und damit funktionsuntüchtig werden. Folgeschäden, die man nicht sofort entdeckt, wären dann also möglich (um nicht zu sagen wahrscheinlich), ganz abgesehen davon, dass die Abgasreinigung dann nicht mehr arbeitet, weil Katalysator und Partikelfilter möglicherweise defekt sind.

Bei modernen Motoren also nur auf eigene Verantwortung machen!

Eine wirklich finale Reparatur ist sowieso nur der Austausch von allen Gummidichtungen und Wellendichtringen. Ob nun durch Bremsflüssigkeit aufgequollen oder nicht spielt dann keine Rolle. In Achsen und Getrieben kann ich das als Notreparatur aber uneingeschränkt empfehlen. Bei modernen Motoren aber besser bleiben lassen. Zu groß können mögliche Folgeschäden sein.

Anzumerken bleibt, dass Altölrecycler keine Bremsflüssigkeit im Altöl mögen. Dessen sollte man sich bewusst sein. Als Resümee bleibt zum Schluss: Bremsflüssigkeit IST das Gleiche wie teure Leckstoppmittelchen und die Funktionsweise ist damit auch klar geworden.

Einigermaßen schwierig ist es hier leider auch Bilder zu zeigen, denn jeder weiß, wie ein öliges und wie ein trockenes Getriebe aussieht.

Markiert er schon wieder ..? ;-))Beispielhaft sieht man (im Bild oben links) die gerne undichte Stelle beim Lenkgetriebe eines Land Rover Defender an der vertikalen Ausgangswelle. Hier ist der Wellendichtring (in diesem Fall eine Hydraulik-Stangendichtung) undicht und es tritt ATF-Öl aus der Servolenkung aus. Die korrekte Reparatur ist das nicht triviale Abziehen des waagrechten Lenkarmes (er sitzt gewöhnlich bombenfest) und der anschließende Austausch des Dichtungspaketes von unten. Den Lenkarm kann man unterwegs mit eigenem Werkzeug kaum demontieren. Das Bild zeigt genau die Stelle, die bei mir undicht war und die nach der Applikation von zwei Schnapsgläsern Bremsflüssigkeit in das Servoöl für sage und schreibe drei Jahre lang dicht war.

Trotzdem noch ein Tipp, wie man eine undichte Stelle gut finden kann: Der Fahrtwind verbläst ausgetretene Öltropfen gerne großflächig und verschleiert damit den Ort der Undichtigkeit, indem eine große Fläche dann eingesaut ist und das Öl scheinbar von überall kommt. Eine Dose Bremsenreiniger aus dem Baumarkt (in dem es auch gleich Bremsflüssigkeit gibt) beseitigt mit gutem und gezielten Strahl das verteilte Öl. Nach einer kurzen Ablüftphase ist alles schön sauber und trocken, so dass fast der Eindruck entsteht, man müsse gar nichts mehr tun. Leider falsch. Nach einer Probefahrt lässt sich dann meist gut erkennen, wo das Öl wirklich her kommt.

Meine Bremsflüssigkeitsexperimente möchte ich aus all den genannten Gründen als erfolgreiche Buschreparatur deklarieren. Für Leute, die sich im Klaren sind, dass dies nur einen Aufschub bewirkt, kann das eine sinnvolle Methode sein ..!


© 2023 Sigi Heider  


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