Sa, 05.05.01: Der Wildniskurs ...

7:30 Uhr: Das Frühstücksbuffet in der Gaststätte des Campingplatzes erwartet uns - da kann man wirklich nicht meckern, das Personal bemüht sich sehr und auch das Frühstück selbst ist sehr ordentlich. Das Wetter draußen ist allerdings nicht gerade berauschend, aber doch sicherlich ausreichend für einen mehrstündigen Waldspaziergang, denn so was soll dieser Wildniskurs wohl werden, wenn man den Ankündigungen vom Vortag Glauben schenkt.

Was wir ebenfalls am Vorabend erfahren hatten: Um zum Gelände dieses Kurses zu kommen, muss man zunächst eine längere Autofahrt hinter sich bringen - ca. 1 Stunde Anfahrt (!) soll einkalkuliert werden! Zu diesem Zweck hatten sich ebenfalls bereits am Vorabend Fahrgemeinschaften gebildet - "unser" Fahrer wollte uns bereits vor 9:00 Uhr abholen, da es gegen 10:00 Uhr los gehen soll. Pünktlich fahren wir ab, das Auto ist mit 4 Personen voll besetzt. Wir haben einen "Anreiseplan zum faszinatour Outdoorzentrum Pfunds" erhalten, worauf eine Anfahrt über Imst, Landeck und Prutz bis Pfunds skizziert ist - allerdings fehlt eine wichtige Abzweiginfo, so dass wir unterwegs doch noch zu einer zusätzlichen Karte greifen müssen.

Native Spirit: Natur und Wildnisschule am Inn ...Die Überraschung ist groß, als wir im Outdoorzentrum Pfunds ankommen: Man zeigt uns im nächsten Plan, wo wir nun hin fahren müssen - der Weg auf dieser Skizze soll uns zum "Schalklhof" führen, einem Hof zwischen der Grenze von Schweiz und Österreich, wenige Minuten von Italien im sogenannten Dreiländereck oder im "magischen Räterischen Dreieck".

Plant man mit uns eine Schnitzeljagd oder ist das bereits ein Adventuretrip? Erste Fragen sind an Bord zu hören, ob wir heute noch nach Gibraltar müssen? Irgend wie führt die Strecke über die Grenze wieder auf österreichisches Gebiet, allerdings soll man auf dem Rückweg dann doch am Schweizer Zoll vorbei müssen, wie wir erfahren.

Wie soll das funktionieren, fragt man sich zu Recht im Explorer Team, da ein Personalausweis nach echtem österreichischem Brauch auf dem Campingplatz zurück geblieben ist - wird da etwa einer im Kofferraum zurück reisen müssen?

Wir verpassen die winzige Abfahrt zum Schalklhof, die einer im Auto nur zufällig sieht, und müssen wenden. Auf einem schmalen Weg geht es von der Straße hinunter, nach kurzer Strecke stehen wir vor einem Gebäude, der enge Pfad vor uns ist versperrt von einem Fahrzeug, das nicht mehr wenden kann. Die Insassen sind ebenfalls Kursteilnehmer, einer von ihnen hat bereits sichtlich die Nerven verloren und ruft irgend etwas, wir wären hier alle falsch, die wollten uns wohl alle auf den Arm nehmen usw. Aufgeregt springt er hin und her, bis sich nach kurzer Zeit heraus stellt, dass wir hier doch richtig sind: Ein gewisser Peter begrüßt uns, ein recht sympathischer Typ, auf den ersten Blick erkennbar als der "Naturbursche", bei dem wir den heutigen Wildniskurs machen wollen ...

Peter Kirschner, der Gründer von "Native Spirit", auf deren Gelände mit dem Schalklhof wir hier stehen, betreibt in dieser idyllischen Umgebung direkt am Inn seine eigene "Natur und Wildnisschule". Offensichtlich arbeitet er aber auch intensiv mit faszinatour zusammen, wo er früher als Guide bei den Raftern tätig war, bevor er vom Management in die Wildnis geschickt wurde. 

Wir gehen einen schmalen Weg weiter in Richtung auf einige Holztipis zu - wie uns Peter erläutert, laufen wir soeben auf der berühmten Via Claudia, einem alten Römerweg, der von Rom nach Augsburg führte und auf dem Gelände des Schalklhofs direkt am Inn vorbei führt.

Holz sammeln ist angesagt zum Auftakt für das Feuer, das die zunftgerechte Einstimmung durch Peter im halbdunklen Tipi ausleuchten soll ...

Einstimmung im Tipi ...

Die Veranstalter wissen scheinbar nur wenig über seinen Kurs: Dass dieser nicht nur den ganzen Tag dauern soll, sondern auch durchaus kein Waldspaziergang mit Pflanzenkurs werden wird, wie anfangs der Eindruck vermittelt wurde, stellt sich schon bald heraus.

Peter Kirschner erläutert sein Verhältnis zur Natur und den Dingen, er wirkt dabei durchaus überzeugend und nicht nur von der faszinatour-Geschäftsleitung "zum Schamanen ernannt".

Der Bau eines Shelters nimmt seinen Lauf ...Vieles stützt sich bei ihm auf indianische Weisheiten, auch er selbst ist nach seiner Zeit als Wildwasser-Spezialist unterrichtet worden, wie das Infoblatt zu Native Spirit weiß: "Auf seinen Wegen in die verschiedensten Teile der Erde wurde ihm von unterschiedlichen Lehrern das uralte Wissen über die Beziehung zwischen Mensch und Natur nahegebracht. Zu seinen bekanntesten Lehrern gehört Tom Brown (Scout, Fährtenleser und Schamane in den USA). Unter anderem ist er im Bereich Teamtraining für Führungskräfte und erlebnispädagogische Arbeit mit Jugendlichen ... tätig."

Und etwas von den Wildniskünsten sollen auch wir heute mit nach Hause nehmen - was müssen wir können, wenn wir irgendwo in der Wildnis mit dem Boot kentern und die gesamte Ausrüstung verloren haben? Alles weg? Alles! "Wenn du ein Messer hast, ist das schon Camping!" Mit diesem Spruch seines alten Lehrers beeindruckt Peter seine Zuhörer heute durchaus, das Explorer Team inbegriffen: Ein Messer hatten wir doch bisher immer dabei, oder?

Nun ja, das erste, was wir heute in der Wildnissituation lernen sollen, ist uns einen "Shelter" zu bauen, in dem wir zumindest draußen die nächste Nacht überleben können. Und mit dieser Aufgabe vor Augen stehen wir schon bald wieder draußen vor dem Tipi und wieder ist Holz sammeln angesagt: Diesmal muss das "maßgeschneiderte" Gerüst für unsere Schutz"hütte" gebaut werden - je genauer dort eine Person hinein passt, um so besser soll die Schutzfunktion schließlich werden.

Im leichten Nieselregen nimmt das Bauwerk Gestalt an, und alle, alle, arbeiten mit ...

Eine erste Anprobe gefällig ... ... bevor die Heuschichten kommen ...
Das Bauwerk kann sich sehen lassen ... ... und wird zunehmend gemütlich - Shelter fertig!

Es wird ein sehr schöner Shelter, aber er muss leider nach seiner Fertigstellung wieder abgerissen werden: Auch der nächste Kurs soll so was vermutlich in Kürze wieder machen ...

Vor dem Mittagessen machen wir noch einen Rundgang auf Peters Gelände: Diesmal geht es tatsächlich um Pflanzen und man staunt immer wieder, wozu sich hier alles Mögliche verwenden lässt. Schönes Beispiel ist die Schafgarbe und ihre Heilwirkung: Kauen und auf die Wunde legen und Hansaplast vergessen, oder ..?

Rundgang mit Peter: Nützliche Pflanzen soweit das Auge reicht ...

Schade, dass nach diesem Rundgang der Mittagsimbiss mehr als konventionell ist in der Gaststube des Schalklhofs: Kein Wildnisessen, keine frisch gefangenen Pflanzen kommen auf den Tisch des Hauses. Es wäre sicher aber mal was anderes gewesen, die vorher angesprochenen Kräuter auch zuzubereiten, aber so gibt es eben keinen Brennessel-Burger an Salbei und Beifuß - sicher hätte da der eine oder andere sein "Vollpensionsgeld" zurück verlangt - wir nicht!

Nach dem Essen: Es geht wieder in das Tipi, Peter will nun mit uns herausarbeiten, was als nächstes zu tun ist. Mit Shelter und Wasser kommt man schon etliche Tage lang aus, wenn man dazu noch ein paar Kräuter findet, ist man schon fast aus dem Gröbsten raus, wie jeder weiß, der schon mal 10-20 Tage Heilfasten hinter sich gebracht hat.

Kein Wildnisessen, aber schmackhafte Schmalzbrote ...Schön wäre es natürlich, noch ein Feuer zu haben, denn dann kann man sich ja schon tolle Kräutertees und -suppen zubereiten. Wie? Nun, man erhitzt halt ein paar Steine und gibt die in das Wasser, das man natürlich in seinen mit Feuer ausgeglühten Holznapf geschüttet hat - so macht man sich eine "heiße Tasse"! Aber woher das Feuer nehmen, wenn natürlich auch die letzten Streichhölzer mitsamt der Ausrüstung abhanden gekommen sind?

Peter Kirschner als Kettenraucher müsste allein schon deshalb etwas unternehmen, um sich in einer solchen Situation die dann sicher aus Wildnisgräsern selbst gedrehten Zigaretten anzünden zu können. Wenn man sieht, wieviel er während des Kurses so raucht, weiß man: Der Mann muss in jeder Situation Feuer machen können!

Und so ist dies auch unser nächstes Thema: Feuer machen mit dem "Handdrill": Eine Spindel muss geschnitzt werden, zwei Holzplatten (eine, auf der die Spindel Glut erzeugen soll und eine als Gegenlager, das man mit der Hand auf die Spindel drückt - natürlich alles noch mit unterschiedlichen Spitzen usw. wegen der Reibung). Es verwundert nicht, dass man in der unteren Platte noch eine trickreiche Rinne anbringen muss, durch die die Glut auf den Zunder fallen soll. Und dann ist da natürlich noch der Bogen mit einem Strick, mit dessen Hilfe man die Spindel als Drill verwenden kann - wir werden alles tun, um nie unser Feuerzeug zu verlieren!!

Als wir in mittlerweile strahlendem Sonnenschein draußen sitzen, heftig schnitzen, Holz für Bogen suchen usw. usw., werden erste Stimmen laut, die eigentlich anderes erwartet hatten. So z.B. tatsächlich eine ausgedehnte Wanderung durch die Umgebung - ein Wunsch, den man nach den erfolgten Ankündigungen auch verstehen kann. Die sind nun etwas enttäuscht, hier den ganzen Nachmittag lang bei diesem Wetter Spindeln schnitzen zu müssen - und nur einer schafft es beim ersten Versuch, sein Feuer brennt tatsächlich! Gerade das ist Übungssache, beruhigt uns Peter, schließlich hätte man ja in der Wildnis dann Zeit genug. Wer denkt da nicht gleich an den Tom-Hanks-Filmschmarrn "Outcast" ..!

Spindeln schnitzen ist angesagt ... ... und mit dem Bogen den Drill bewegen ...

Es wird Zeit, den Schalklhof wieder zu verlassen. Alles in allem ein angenehmer Tag, zumindest unsere Erwartungen haben sich erfüllt. Peter stellt zum Ausklang noch kurz seine weiteren Veranstaltungen vor: Da ist zunächst einmal der Wildnis 4-Tageskurs, wo es etwas mehr ins Eingemachte geht als bei unserem "Schnupperkurs". Wir überlegen - werden wir irgend wann daran noch teilnehmen? Weitere Kurse bei den Er-inn-erern vom Schalklhof beschäftigen sich z.B. mit dem Bau indianischer Flachbögen, mit dem natürlichen Gerben von Tierhäuten, dem Bau von Pfeifen oder der Zeremonie einer Schwitzhütte - sicherlich interessante Aktivitäten in der Idylle bei Native Spirit! 

Für diejenigen, die sich für das Programm interessieren, noch die Adresse:

Native Spirit
A-6424 Roppen Hnr 112
Österreich - Tirol
Email: nativespirit8@t-online.at.

Wir verabschieden uns von Peter und kehren zurück nach Haiming - niemand muss an der Schweizer Grenze in den Kofferraum mangels Personalausweis, die uns aufgegebene Formel "wir kommen vom Schalklhof" wirkt Wunder und die Schweizer Grenzbeamten winken uns tatsächlich durch.

Als wir auf dem Rückweg am Outdoorzentrum von faszinatour in Pfunds vorbei fahren, fällt unser Blick auf die nahe Anlage des Hochseilgartens: Voller Betrieb herrscht hier, offensichtlich war doch alles anders als noch gestern abend angekündigt ... 

Insgesamt ein gelungener Tag, auch wenn das zeitweise entstandene Chaos bei der Anreise mit geringen Mitteln hätte vermieden werden können. Der Abend sieht wieder "volles Werbeprogramm", man kann bei einer Tombola etwas gewinnen, wenn man verschiedene Fragen zu Produkten der anwesenden Hersteller richtig beantwortet. Dazu laufen diverse (Werbe)videos von faszinatour, die vom Rafting bis zum Canyoning alles zeigen. Beim Betrachten der Videos kommen uns am Tisch noch jede Menge weiterer Ideen für Events: Vorgeschlagen werden in zunehmender Bierlaune und inspiriert von den Filmen neue heiße Aktivitäten wie Eiszapfening, Schneestapfing, ExtremCowwatching und vieles andere ...

Wir sind froh, als uns abends der Manager von Süd-West verspricht, dass ein Bus-Shuttle halbstündig zum Camp fahren soll, und tatsächlich: Es kommt ein Bus, mit dem wir dann ganz allein zum Camp zurückkehren - ein gelungener Abschluss eines angenehmen Abends ...

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© 2001  J. de Haas