Aufbruch und zum Basislager ...

31.12.2011, Los Puquios, 2.700 m Höhe.

 05:30 Uhr aufstehen, mit dem Bus von Mendoza vier Stunden unterwegs gewesen.

Juan Manuel hat uns noch ein Pulsoximeter mitgegeben, um unseren Sauerstoffgehalt im Blut zu messen: Das ist in der Höhe sehr wichtig. Daneben hat er uns noch ein Funkgerät ausgeliehen, um im Notfall mit den Parkrangern in Kontakt treten zu können.

Unterwegs mit dem Bus ... Das Abenteuer kann beginnen ...

Nach unserer Ankunft haben wir uns den Friedhof der Andenbergsteiger angesehen, die nicht vom Aconcagua zurückgekehrt sind - das war schon sehr bedrückend für uns. Es ist wirklich eine ernsthafte Angelegenheit. Hier sterben Menschen …

Ansonsten empfinden wir große Vorfreude für die nächsten Tage in den Bergen: Wir haben bei Aconcaguatrek, einem lokalen Anbieter, unsere Gepäckstücke für die Mulis aufgegeben. Begleiter Dirk 29 Kg, ich 26 Kg. Der Transport kostet hin und zurück 600 US $. Jeder von uns ist trotz allem noch mit 20-25 Kg auf dem Rücken unterwegs. Die nächsten drei Tage werden wir damit beschäftigt sein, ins Basislager zu kommen. Vor uns liegen erst einmal 42 Km und 2.132 Höhenmeter (Hm).

Gegen 18:00 Uhr argentinischer Zeit und 24:00 Uhr deutscher Zeit haben wir uns und unseren Lieben zuhause (im Gedanken) ein frohes Neues Jahr gewünscht und uns langsam in die Schlafsäcke verkrochen.

Sauerstoffsättigung (O2): 98%, Herzfrequenz (Hf): 80 S/M.

01.01.2012, Pampa de Lenas, 2.864 m Höhe.

4h 20 min. unterwegs, 599 Hm, 14 Km, entlang des Rio de las Vacas.

Ein enges V-Tal mit hohen Felswänden links und rechts von uns. Aconcaguatrek hat den Transfer von Los Puquios zum Startpunkt unseres Abenteuers organisiert: 18 Km in einem alten, fragwürdigen Transporter. Einchecken, Permit überprüfen, Verhaltenskodex abnicken, Mülltüte mit persönlicher Kennnummer entgegennehmen und los geht´s.

Es ist 10:37h: Der Weg führt uns von Punta de Vacas, dem Eingang des Aconcagua Nationalparks für die "Polenroute", nach Pampa de Lenas. Die Temperaturen sind erdrückend: 35°C. Der Weg wechselt zwischen staubigem Untergrund und scharfem Geröll. Wo anfangs noch Bäume waren, ist später nur noch Dornengestrüpp. Der Rucksack drückt unangenehm auf den Hüften und Schultern. Ich kenne das - in spätestens drei Tagen habe ich mich an das Gewicht und den Druck gewöhnt ...

Bereit zum Mulitransport ... Über staubigen Untergrund und scharfes Geröll ... Überholt von Mulis ...

Eidechsen in schillernden Farben begleiten uns auf dem Weg: Hier und da überholen uns Mulis mit Massen an Expeditionsgepäck. Jede Stunde machen wir eine kurze Trinkpause von maximal 5 Minuten. Dann geht es weiter.

Nach unserer Ankunft gegen 14:40 Uhr bauen wir unser Zelt im Windschatten eines Felsblocks auf. Anschließend suchen wir uns ein schattiges Plätzchen zwischen großen Geröllbrocken. Schatten ist wichtig, denn die Sonne brennt unbarmherzig. Dann stellen unseren MSR Kocher "Reactor" auf und setzen Mate an, ein typisch argentinisches Teegetränk. Juan Manuel hat uns drei Regeln mit auf den Weg gegeben: 1. "drink a lot", 2. "rest enough", 3. "drink a lot" … in diesem Sinne: Salute Juan Manuel!

O2: 90%, Hf: 79 S/M.

02.01.2012: Casa de Piedra, das steinerne Haus, 3.245 m Höhe.

 4h 40 Min., 521 Hm, 17 Km.

Der Weg kommt uns ewig vor: Ein scheinbar nicht enden wollendes Tal. Die Höhenmeter sammeln sich schleichend, da der Anstieg sehr sachte ist. Immer weniger Dornengestrüpp, dafür ausgetrocknete Bachbetten, sandiger, staubtrockener Boden.

Ein scheinbar nicht enden wollendes Tal ...Wir sehen aus, als wären wir in einem Sandsturm unterwegs gewesen. Jede Stunde haben wir wieder eine kurze Trinkpause gemacht. Unterwegs ist uns eine geführte Gruppe von Belgiern begegnet. Sie haben das gleiche Ziel wie wir. Später wollen sie allerdings die "Falsche Polenroute" gehen.

Kurz vor dem Ziel, der erste Blick auf den Giganten: Beeindruckend und mächtig dieser Berg. Der Polengletscher liegt in seiner ganzen Pracht und Größe in weiter Ferne vor uns. Endlich angekommen! Diesmal kein Schatten! Sonnenschutz Faktor 60 (für Babys) schützt unsere Haut. 5 Liter Wasser jeden Tag. Mir scheint es, als läuft es auf dem gleichen Wege raus, wie es rein kommt. Gerade der Mate treibt sehr stark den Urinfluss an.

Am steinernen Haus ...Dirk und ich funktionieren gut als Team. Wir haben ein sehr ähnliche Tempo, brauchen etwas die gleichen Pausenabstände und haben uns von Anfang an darauf geeinigt, dass jeder von uns sein Tempo geht, Pausen macht, wann er sie braucht und wir uns spätestens im Lager wiedersehen. Das wäre gar nicht nötig gewesen, entspannt uns allerdings beide im Umgang miteinander. Wir sind ein gutes Team: Wenn jemand nichts sagen möchte, dann ist das völlig ok. Sprechen aus Verlegenheit gibt es bei uns nicht. Auch die Lebenseinstellung passt gut. Dirk ist wie ich ständig guter Laune und sieht die Dinge positiv ...

Nachdem wir das Zelt aufgebaut haben, stellen wir fest, dass der Reißverschluss des Außenzeltes kaputt ist. Wegen dem abendlich aufkommenden Wind und Gewitter ist es wichtig, dass der Schaden behoben wird. Zum Glück habe ich Nähzeug dabei: Der untere Zipper-Schlitten ist defekt. Ich vernähe den Zipper unten. Er ist fixiert und kann keinen Schaden mehr anrichten. Das Außenzelt lässt sich nun mit dem oberen Zipper öffnen. Unten ist es fixiert. Das ist zwar weniger bequem beim Ein- und Ausstieg, allerdings besser als nichts. Wind und Wetter können uns nun nichts mehr anhaben.

Beim Öffnen meines Rucksackes stelle ich fest, dass eine Schnalle kaputt ist … heute ist ein guter Tag!

Lager ... Nähzeug erforderlich ...

Ersatzschnallen sind auch in meinem Reparatur-Set: Mit dem Multitool trenne ich die alte Schnalle vom Rucksack und nähe mit einer starken Nadel die neue Schnalle an. Sonst noch etwas, das Bedarf hat, repariert zu werden? Dirks Matte lässt Luft. Er möchte sie allerdings nicht flicken. Zweimal pro Nacht muss er wieder etwas Luft in die Matte geben. So geht es auch ...

Das Abendessen besteht aus sehr schmackhafter Expeditionsnahrung von Lyofood. Schmeckt völlig natürlich. Ganz im Gegenteil zu vielen anderen Herstellern werden nur natürliche Zutaten verwendet. Kein Brühwürfelgeschmack. Unter den vielen Expeditionsnahrungsherstellern wirklich eine ausgezeichnete Wahl! Noch einmal danke an Wioletta und Jeremy von Lyo für das tolle Essen!

O2: 94%, Hf: 78 S/M.

03.01.2012: BaseCamp, Plaza Argentina 4.200 m Höhe.

 4h 56 Min., 1.012 Hm, 12 Km.

Um 8:14 Uhr geht es los: Die Sonne hat noch nicht die volle Kraft entwickelt. Heute geht es steiler bergauf: Schmale, ausgetretene, staubige Pfade. Mulispuren und Geröll. Kein Dornengestrüpp mehr. Hier und da noch ein minimaler Fleck Grün … Die Luft wird langsam dünner. Den Füßen in den Turnschuhen geht es gut. Undenkbar, die Strecke in den schweren Hochgebirgsstiefeln mit Innenschuh zu gehen. Das wäre viel zu warm und die Haut an den Füßen wäre bereits nach kurzer Zeit aufgeweicht.

Wieder jede Stunde eine Pause: Das "Mittagessen" besteht aus zwei bis maximal drei Müsliriegel. Das gibt Energie, belastet den Magen allerdings nicht zu sehr. Morgens gibt es Müsli mit Eiweißpulver. Zur Regeneration der Muskulatur. Insgesamt 2000 Kcal/Tag. Nicht gerade viel im Vergleich zu den Anstrengungen. Ab dem Basislager ist abends noch ein Nachtisch drin. Milchreis, Amarettocreme oder Mousse au Chocolat. Auch Beef Jerky, getrocknetes Rindfleisch sowie gefriergetrocknetes Obst von Lyofood werten unseren Speiseplan auf.

Als wir um 13:06 Uhr im Basislager ankommen, erwarten uns schon Sebi und Simone aus München. Beide sind etwa zur gleichen Zeit unterwegs wie wir. Auch sie wollen die "Polenroute" begehen ...

Die Luft wird langsam dünner ... Angekommen: Im BaseCamp ... Camp-Komfort ...

Das Zelt ist schnell aufgebaut, mit den Sturmleinen gegen starken Wind gesichert und durch eine Mauer aus aufeinander geschichteten Steinen nochmals gegen den Wind geschützt. Nach dem Check-In bei der Lagerverwaltung kocht schon das erste Wasser für den Mate. Sebi und Simone sind noch etwas kritisch wegen des Geschmacks, allerdings auch bald mit von der Partie. Leichte Kopfschmerzen stellen sich ein: Dirk bekommt stärkere Kopfschmerzen, muss sich übergeben und ist erst mal im Zelt verschwunden. Scheinbar vertrage ich die Höhe gut. Die Sonne brennt weiter unbarmherzig. Zum Glück geht etwas Wind. Gegen Nachmittag zieht der Himmel wieder zu. Dicke Kumuluswolken und Gewitter in der Ferne. Morgen setzen wir einen Tag Pause an.

O2: 90%, Hf: 105 S/M.

04.01.2012: BaseCamp, Plaza Argentina, 4.200 m Höhe.

Ruhetag. Mit Sebi und Simone aus München ...Der erste Morgen im Basislager. Dirk ging es gegen Abend bereits wieder besser. Die Nacht war bei uns beiden komplikationslos. Simone und Sebi bringen heute einen Teil ihrer Ausrüstung ins erste Hochlager. Wir werden die beiden heute Abend dann beim Abendessen wiedersehen.

Im Laufe des Tages entschließen Dirk und ich uns dazu, doch ein paar Höhenmeter zu gehen: Wir entscheiden uns dafür, einen nahen Gipfel auf etwas über 4.600 m Höhe zu besteigen. Das Rumsitzen bin ich nicht gewohnt und es fällt mir entsprechend schwer, den ganzen Tag im oder vor dem Zelt zu sitzen und mich auszuruhen.

Dank Manfred Frank, eines sehr lieben Freundes, habe ich ein Buch über die "Transaktionsanalyse" dabei. So bekomme ich einen Teil des Tages sinnvoll rum. Der Weg zum Gipfel führt uns zuerst wieder ein Stück auf dem gleichen Weg, den wir gestern gekommen waren, aus dem Basislager heraus. Anschließend ca. 400 Hm über einen Schotterhang.

Schließlich erreichen wir einen Sattel und gehen die letzten 60 Höhenmeter links weiter zum Gipfel. Die Temperaturen sind hier oben immer noch sehr hoch. Es weht ein leichter Wind, der uns etwas Kühlung verschafft. Schnell noch etwas trinken, den Blick auf das Basislager von hier oben in sich aufnehmen, ein Bild mit unseren beiden strahlenden Gesichtern und dann geht es auch schon wieder an den Abstieg.

DDirk geht vor: Nach kurzer Zeit ist er bereits so weit entfernt, dass ich ihn fast nicht mehr sehe. Er genießt das hinab rennen im weichen Schotter; es ist eine Freude, ihm dabei zuzusehen. Für den Abstieg habe ich mich für die langsamere Variante entschieden, da ich mich in der Höhe nicht allzu sehr außer Atem bringen möchte. Schließlich war ich noch nie in dieser Höhe unterwegs. Ich möchte meinem Körper eine faire Chance geben, sich an die neuen, erweiterten Grenzen zu gewöhnen ...

Ein paar Höhenmeter müssen sein ... Aufstieg ... Zurück im verschneiten BaseCamp ...

Gegen Abend beginnt es zu schneien: Die allabendlichen Regenwolken haben sich verdichtet und bringen nun erstmals Schnee ins Basislager. Ich hoffe, mein Tunnelzelt hält dem nassen, schweren Schnee stand. Jede halbe Stunde schlage ich von innen gegen die Zeltwände, um sie von den Schneemassen zu befreien. Immer wieder gehe ich raus und spanne die Zeltwände nach und verschiebe die schweren Steine, an denen die Sturmleinen des Zeltes fixiert sind. Die restlichen Zelte im Basislager lachen eher über den Schnee: Die stabilen geodätischen Expeditionszelte, die Großteils von dem amerikanischen Bergsporthersteller "The North Face" stammen, sind so aufgebaut, dass der Schnee leicht von den Wänden abrutscht.

Die Gestängekonstruktion dieser "Geodäten" stabilisiert sich selbst, indem sie kleine Dreiecke bildet, die dem Gewicht des Schnees und selbst sehr starkem Wind leicht trotzen. Diese Konstruktion wirkt sich natürlich auf das Gewicht der Zelte aus. Unser Tunnelzelt wiegt mit gerade einmal 2,3 Kg weniger als die Hälfte der Geodäten. Richtig abgespannt kann auch ein Tunnelzelt sehr stabil sein. Allerdings würde es im Extremfall schlechter abschneiden als ein geodätisches Zelt ...

O2: 92%, Hf: 67 S/M.


© 2012 Marco Plass