11. - 13. November 2008: Minsk - Grenze Belarus/Russland - Moskau

Grenzübergang im Schlaf: Der Start in den Dienstag kam uns sehr entgegen - die langwierige Grenzquerung Polen/Weißrussland noch in den Knochen, waren wir alle froh, in Minsk direkt im Hotel des IBB, in dem auch die Pressekonferenz stattfand, zu übernachten. Von den Mitarbeitern der Deutschen Botschaft und dem IBB-Team bestens betreut und vorbereitet, fand unsere Projekt-Präsentation mit Simultanübersetzung im gut gefüllten großen Konferenzsaal statt. 

Das Interesse der weißrussischen Medien und anderer Interessierter war groß - die Verbreitung der News über die Expedition ging entsprechend schnell: Schon auf dem Weg zur russischen Grenze trafen wir auf eine Tankwartin, die gerade zuvor eine Meldung über uns im Fernsehen gesehen hatte. Sie war absolut begeistert, dass wir nun an ihrer Tankstelle Benzin nachtankten.

Matthias tauschte sich nach der Pressekonferenz in einem interessanten Termin mit dem stellvertretenden Umweltminister und seinen Mitarbeitern über erneuerbare Energien aus. Spontan lud das Umweltministerium weitere Pressevertreter zu unserem nachmittäglichen Besuch der Nationalbibliothek ein.

Hier gab es für Matthias außerdem spontan einen überaus interessanten Erfahrungstausch unter Expeditionsleitern: Vladimir Drabo, ein Expeditions-Kommandeur aus Minsk, hatte bereits viermal versucht, die Beringstraße zu überfahren. Kurzfristig war er zur Nationalbibliothek geeilt, um Matthias und Evgeny persönlich kennen zu lernen. Er schenkte unseren beiden Fahrern jeweils ein Buch über seine Expedition. Und er lud Matthias spontan zur Durchführung einer gemeinsamen Expedition ein - zur Durchquerung des Südpols. War dieses Zusammentreffen der beiden Expeditionsleiter etwa der Startschuss für ein neues großes Projekt ..?!

Die weißrussische Nationalbibliothek, die wir nachmittags mit einer individuellen Führung besuchten, war ein Lehrstück in Symbolik: Das faszinierende Gebäude in Form eines Diamanten ist Symbol für den überaus großen Wert des Wissens. Zum Abschluss der Besichtigung fanden wir uns auf dem höchsten Punkt in ganz Weißrussland wieder, auf der 74 Meter hohen Dachterrasse der beeindruckenden Bibliothek. Begeistert über den erfolgreichen Verlauf des Tages, die wirklich interessanten Gespräche und Kontakte und das schöne Besichtigungsprogramm, machten wir uns am frühen Abend auf den Weg zur weißrussischen Grenze, an der wir gegen Mitternacht ankamen.

Nach einer kurzen Schlafpause erfuhren wir, dass die Carnets ATA erst morgens um neun Uhr bearbeitet werden könnten - wir schliefen direkt weiter, allerdings ohne unsere Uhren um eine weitere Stunde auf die russische Zeit vorzustellen. Das Klopfen eines Grenzbeamten an die Scheiben des F1 weckte uns. Er nahm unsere Formulare zur Bearbeitung mit. "Manchmal klappt Grenzabfertigung im Schlaf", dachten wir zu dem Zeitpunkt positiv überrascht. Kurze Zeit später wurden wir zum etwa 80 Kilometer entfernten Hauptzollamt in Smolensk eskortiert. 

Wir erhielten Anweisung, die Fahrzeuge auf einem umzäunten Areal im hinteren Teil des Hofes abzustellen, die Jeeps zu schließen und diesen Teil des Zollhofes umgehend zu verlassen. Hinter uns fiel eine Tür ins Schloss des hohen Drahtzaunes. Jetzt waren die Fahrzeuge vom russischen Zoll sichergestellt. Spätestens jetzt war uns allen klar, dass auch diese Grenzpassage keine einfache Angelegenheit werden würde ...

Matthias´ erstes Verhandlungsergebnis war wenig erfreulich: Uns wurde die Einreise verweigert. Mit intensiver Unterstützung der Deutschen Botschaft, Intervention auf höchster Ebene und wohlwollenden Grenzbeamten ist es auch an dieser Grenze gelungen, unseren zunächst schlechten Ausgangspunkt in einen Grenzgang zu verwandeln.

Allein die lange Wartezeit für das Team und die anstrengenden Verhandlungen für Matthias machten diese beiden letzten Grenzdurchfahrten zu schwierigen Angelegenheiten. Unser Fazit: 80 Stunden, zwei Grenzen, 30 Stunden Warten.

Wie gut, dass im Expeditions-Zeitplan für diese kritischen Punkte von Anfang an genug Zeitpuffer vorgesehen war ..!

14. - 17. November 2008: Moskau - Kazan

Unverdächtig Fahren: "Eine vierte Runde fahren wir lieber nicht, sonst wirken wir vielleicht irgendwie verdächtig", ermahnen wir uns bei unserem dritten Einkehrschwung in die Touristen-Runde um den Kreml und die Basilica in Moskaus Zentrum. Also übten wir uns im "unverdächtigen Fahren" und genossen die Moskauer Sehenswürdigkeiten bei herrlichem Sonnenschein während unseres Fotoshootings. Selbst den Stretch-Limousinen, die in einer für uns Westeuropäer außergewöhnlichen Dichte mit Hochzeitspaaren darin rund um die Basilica cruisen, ist es nicht gelungen, die Aufmerksamkeit der Moskauer Passanten von unseren Expeditions-Gespannen abzulenken ...

Die Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums, der Deutschen Botschaft und hochrangige Vertreter unserer Partner Jeep und Goodyear haben uns einen wirklich angenehmen Aufenthalt und eine sehr gut besuchte Pressekonferenz bereitet. Die Präsentation der Expedition bot gerade für die zahlreichen Automobil-Journalisten im Zusammenhang mit Informationen über die Einführung des Jeep Wrangler Rubicon in Russland eine Fülle von berichtenswerten News - erste Ergebnisse waren schon abends auf russischen Homepages zu sehen. Eine ganz besondere Ehre war für uns alle die zwei Nächte in den Wohnungen auf dem Botschaftsgelände, eine weltweit einmalige Übernachtungsmöglichkeit. Für die starke Unterstützung und die große Hilfsbereitschaft in Moskau möchten wir uns auf diesem Weg unbedingt noch einmal bedanken!

Ansonsten wurden die zwei Tage in der russischen Hauptstadt von Veränderungen im Team und aktuellen Lageberichten zum Wetter geprägt. Lena, die Fotografin der ersten sechs Expeditionswochen, wurde von Joachim Stretz, dem neuen Fotografen an Bord, abgelöst. Darüber hinaus sind Nastja Zilich und Jürgen Graf von Moskau aus am Samstag wieder nach Hause geflogen. Nastja Zilich hatte die Expedition von Warschau nach Moskau begleitet, um vor allem bei den Grenzübergängen zu dolmetschen. Jürgen Graf hatte die große Pressekonferenz in Moskau mit vorbereitet und weitere administrative Angelegenheiten geregelt.

Evgeny nutzte die Auszeit, um seine Mutter zum 90ten Geburtstag zu besuchen und sich richtig auszuschlafen. Ausgeruht und voller Elan ist er gestern wieder zum Team gestoßen. Außerdem werden wir bis Novosibirsk von einem Praktikanten der Deutschen Botschaft in Moskau begleitet. Er spricht Russisch und unterstützt uns insbesondere bei den zahlreichen Polizeikontrollen auf der Strecke.

Das Wetter ist immer wieder Thema: Während wir in Moskau in quasi jedem Gespräch hören, dass es für diese Jahreszeit viel, viel zu warm ist und es normalerweise längst überall weiß und klirrend kalt sein müsste, erreichen uns über das Altaigebirge erste Schneeberichte. Im Altai liegt so viel Schnee wie schon seit Jahren nicht mehr. Diese Informationen fließen neben unseren bisherigen Grenzerfahrungen schon jetzt in die weitere Planung unserer Tour ein - Matthias unternimmt aktuell Anstrengungen, das Treffen mit unserem Guide neu zu terminieren und die Grenzdurchfahrten vorzubereiten. Unser Ziel dabei ist ein Zeitplan, der möglichst alle Rahmenbedingungen berücksichtigt und dann tatsächlich auch bei extremer Schneelage von uns eingehalten werden kann.

Von Moskau aus sind wir Sonntagnacht - nachdem wir das Gepäck aller neuen und alten Fahrer und das gesamte Equipment komplett neu gestaut haben - in Richtung Ekatarinenburg gestartet. Unser Weg zur ersten Zwischenstation, der alten Tartarenstadt Kazan, führt uns entlang der Volga, die mit 3.700 Kilometern der längste Fluss Europas ist. Das leicht hügelige Volga-Delta hält für uns vor allem eine Erkenntnis bereit: Die beiden Trailer sind einsame Spitze! Mit Schwimmpontons und deren Aufhängung, jeweils 1.000 Litern Bioethanol in den Tanks und weiteren verzurrten Materialen wie beispielsweise Ersatzreifen, bringt jeder Hänger ein Gewicht von 4,5 Tonnen auf die Waage. Bei Straßenverhältnissen, die von extremsten Bodenwellen und Spurrillen bis hin zu unbefestigten und plötzlich abfallenden Straßenrändern alle möglichen Erschütterungen und Unebenheiten für uns parat halten, ist es unglaublich, wie gut die Trailer hinter unseren Jeeps herlaufen. Von Kazan aus führt uns unser Weg über Perm nach Ekatarinburg - die Straßen werden sicherlich nicht besser werden ...

17. - 19. November 2008: Kazan - Ekatarinburg

Erste kontinentale Grenzüberfahrt: Von Kazan aus sind wir anders als zunächst geplant nicht über Perm, sondern über die Stadt Ufa nach Ekatarinburg gefahren. Auf uns warteten 1.200 Kilometer, die wir in einem Stück zurücklegen wollten, um wirklich am Donnerstagmorgen unser Projekt in Ekatarinburg präsentieren zu können. Ein erneuter Blick auf die Karte und Gespräche mit den Journalisten, die Chrysler Russland in einem Begleit-Commander mit uns auf die Reise geschickt hatte, haben uns zur Routenänderung bewogen. Der Grund: Hier sollten die Straßen besser sein, als bei dem Weg über Perm.

Unterwegs erwartete uns ein echtes Russland-Highlight: Wir haben den Ural überquert. Zwar lagen nur die südlichen Ausläufer dieses bis zu 3.000 Meter hohen Gebirges auf der Strecke, aber es hatte gereicht, um immer wieder im zweiten Gang im Schneckentempo die Berge hochkrabbeln zu müssen.

Wie gut, dass die Straßen noch schnee- und eisfrei waren und wir den Großteil des Urals nachts bewältigt haben! Das übliche tagtägliche Aufkommen an Lastern gepaart mit schlechten Witterungsbedingungen hätte vermutlich bedeutet, dass wir die gesamten ca. 800 Kilometer Gebirge in Abgaswolken und im ersten Gang hätten zurücklegen müssen. So haben wir wenigstens Berg runter ein bisschen Tempo zulegen können. Und wir wurden gegen Morgen von einem wunderschönen Sonnenaufgang hinter den Bergen für die langsame nächtliche Fahrt vollends entschädigt. Die Berglandschaft und die braune, herbstliche Tundra waren eine gute Gelegenheit für unseren Fotografen, beeindruckende Landschaftsaufnahmen zu machen ...

Vielleicht noch kurz ein Wort zu den besseren Straßen auf der Strecke Kazan - Ekatarinburg: Wie die schlechteren Straßen ausgesehen hätten, wissen wir erfreulicherweise nicht. Die Strecke, auf der wir unseren Weg zurückgelegt haben, hat sich durch extreme Spurrillen, Bodenwellen und zum Teil heftigste Schlaglöcher ausgezeichnet. Insbesondere an den Brücken in den Tälern wurden wir bei schnellerem Tempo durch schwere Unebenheiten regelmäßig erschüttert. Erstaunlich, dass trotzdem immer einer von uns schlafen konnte. Unterwegs haben wir mit dem F1 ein gigantisches Schlagloch getroffen, erfreulicherweise ohne Konsequenzen für das Fahrzeug. Als wir anhielten, um unsere Situation zu checken, stand direkt am Straßenrand ein Russe, der an seinem Pkw den hinteren linken Reifen wechselte. Ganz offensichtlich war er unmittelbar vor uns durch dieses Riesenloch gefahren.

Eigentlich ist der Höhepunkt der Expedition ja die Überfahrung der Grenze zwischen zwei Kontinenten. Wir haben diese Idee schon einmal von der Beringstraße vorgezogen und die Kontinentverbindung geübt: Am frühen Morgen haben wir die Kontinentgrenze zwischen Europa und Asien überfahren - allerdings ohne Eis, ohne Wasser, ohne montiertes Sicherheitssystem, sondern gefahrlos auf einer ganz normalen Bergstraße: Ein haushohes Steinmonument mit zwei Hinweisschildern "Europa" und "Asien" hat an der Straße die Linie markiert, an der die Kontinentgrenze liegt ...

Nachdem wir am frühen Morgen bei einem Tankstopp einen schnellen Kaffee getrunken und beschlossen hatten, erst noch ein bisschen zu fahren und später zu frühstücken, gab es gegen zehn Uhr, zahlreiche Foto-Stopps später, eine richtige Rast. Die vier Fahrer - im F1 das Team Matthias und Astrid, im F2 Evgeny und Jockel - hatten sich die ganze Nacht hindurch mit Fahren und Schlafen abgewechselt, so dass sich alle auf ein richtiges Frühstück freuten. Allerdings hatten wir die Rechnung ohne die erneute Zeitverschiebung gemacht. Tourplan und ein Handy mit aktivierter Zeitzonen-Automatik ließen keinen Zweifel: Der Morgen war rum, es war bereits zwölf Uhr mittags. Kurzerhand wurde der Frühstückstermin übersprungen und mit Schaschlik, Salat und Borschtsch in ein kräftigendes Mittagsessen verwandelt ...

Jetzt sind wir in Ekatarinburg, wo wir am Donnerstag in der Technischen Hochschule die Expedition vorstellen. Von hier aus geht es am Freitagmorgen weiter auf eine kürzere Etappe nach Tjumen. Wir werden wiederum von dem Jeep Commander und zwei von Chrysler eingeladenen Journalisten begleitet. Darüber hinaus nimmt ein weiterer Journalist auf Einladung unseres Partners Goodyear im F1 Platz ...


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