Dienstag, 19.10.99:  Urwaldtour - "Almidylle auf sanften Hügeln"

Auch heute Nacht gibt es wieder Frost. Wir zahlen bei Sascha den günstigen Nachsaison-Preis - billiger gehts mit offiziellem Campen nicht mehr! Überhaupt zu den Preisen in Slowenien: Sie machen das Land noch sympathischer, als es schon ist, selbst das Tanken ist befreit von unserem gewohnten Zusatz-Obolus - ca. 1,10 DM reichen für den Liter Normalbenzin, offensichtlich hat noch keine staatlich organisierte Mafia, sei sie "nur normal" oder aber "ökologisch verbrämt" tätig, hier ihre Hand drauf!

Vor unserer heutigen "Geländewagen Tour" wollen wir zuerst ein touristisches "Highlight" besichtigen, wenn wir schon mal in der Nähe von Bled sind: Die Vintgar-Klamm (N46°23.55553´ E014°05.11985´)! Dieser ebenfalls von der uns bereits bekannten Radovna geschaffene, mehr als 1,5 km lange "Wildwasser-Lehrpfad" bietet - übrigens gebührenpflichtig - einen einzigartigen Weg über Stege und Holzbrücken, wir haben kaum einen anderen Ort bisher besucht, an dem man einem Wildbach derart auf "Tuchfühlung" folgen kann - in der Tat empfehlenswert!

... über Holzstege und Brücken ... ... bis man Aug in Aug mit der Forelle steht ...
... vorbei an verwunschenen Wasserfällen ... ... unter einem das Wildwasser ...

Gegen Mittag erfolgt von Lesce aus der Einstieg  in unsere nächste "Roadbook-Tour": Unter dem Motto "Almidylle auf sanften Hügeln" machen wir die "Urwaldtour" Nr. 3 aus unserem Führer. Weniger kompliziert als im Buch beschrieben findet man den Einstiegspunkt in Zg. Lipnica gegenüber der Pension Crona (N46°19.44821´ E014°10.51496´).

Von hier aus führt eine wirklich schöne Piste kreuz und quer knappe 40 km offroad durchs Gelände, und wir halten es für einen Witz, als der vorausfahrende Kurt plötzlich über CB-Funk durchgibt: Ein Riesen-Lkw kommt uns entgegen! Allerdings kein Witz - der Transporter mit Baumstämmen kommt uns tatsächlich auf dem schmalen Weg entgegen, so dass wir uns mit einigen Manövern hintereinander in eine Ausweiche einfädeln müssen ...

... am Gostice Planinski Dom (Wegpunkt 8) ..."Wir folgen den Tafeln, die den Weg zur "Gostice Planinski Dom" (Anm. der Redaktion: Wegpunkt 8 im Roadbook, N46°18.99599´ E014°08.01664´) weisen. ... Auf 1.001 Meter Höhe lichtet sich der dichte Mischwald, stattdessen erstrecken sich saftige Almwiesen über ein Hochplateau und mittendrin steht auf einer Kuppe die alte Berghütte, deren Holzwände von den Witterungseinflüssen der Jahrzehnte schwarz gefärbt sind ... 

Das Besondere an den Offroad-Strecken hier in Slowenien besteht darin, dass sie normale Verbindungsstraßen zwischen Ortschaften ... sind. Gleichzeitig unterscheidet sich die Landschaft in weiten Teilen stark von dem, was wir zuhause gewohnt sind. Die Wälder sind keine intensiv genutzten Forste, sondern noch dicht bewachsene Urwälder. Natürlich sind auch sie Bestandteil der Agrarwirtschaft, folglich zweigen auch immer wieder Wege von der Hauptpiste ab. Diese sind teilweise am Beginn noch in recht gutem Zustand, oft werden sie dann aber zunehmend schlechter, um schließlich abenteuerlich als Sackgasse auf einer gerodeten Waldlichtung zu enden."

Besser als unser Führer können wir nicht beschreiben, wie es um uns herum aussieht. Wir haben nun eine zusätzliche 1:50.000er-Karte dabei, die wir an der Hütte der Vintgar-Klamm gekauft haben. Sie verfügt zwar über ein Grid, aber natürlich wie so oft über keinerlei Angaben zum Map Datum - die Karte bietet später Anlass zu einer Stellungnahme zum Geheimnis des "Map Datums" in unserer GPS-Rubrik ...

Am Wegpunkt 9 kommen wir durch eine verlassene Feriensiedlung. Da alle Campingplätze der Umgebung schon geschlossen sind, müssen wir uns bald eine Stelle zur Übernachtung suchen, aber der Verwalter der Anlage (er ist auch Jäger, wie wir am umhängenden Gewehr unschwer erkennen können) verweigert uns kategorisch einen Aufenthalt auf dem Gelände, als Kurt ihn nach einer Übernachtungsmöglichkeit fragt.

Ausblick vom Hochstand: wieder mal wildes Campen im wilden Wald ...Wir fahren weiter, nur noch eine Stunde trennt uns von Sunset, wir überqueren mittlerweile eine Höhe von 1.100 m und  müssen nun bald hier mitten in der Wildnis etwas unternehmen, Verbot von "wildem" Campen hin oder her! Ca. 100 m hinter dem Wegpunkt 15, mittlerweile erst bei km 14 unserer Tour, sehen wir auf der linken Seite einen der oben erwähnten Waldwege von der Hauptpiste abzweigen (N46°17.47615´ E014°09.69710´). In leichtem Schneegriesel erkunden wir den Pfad erst mal zu Fuß - wer weiß, was man hinter den nächsten Kurven vorfindet!

Als wir nach einigen hundert Metern (N46°17.37476´ E014°09.83711´) einen wildromantischen Platz finden, wissen wir: Hier werden wir heute nächtigen! In einer Höhe von 1.235 m, nur noch wenige Grad über 0° C, die sich aber heute abend noch bei Einbruch der Dunkelheit einstellen, stehen wir scheinbar am Ende einer der oben erwähnten Sackgassen, direkt neben einem verlassenen Hochstand. Wie ich jedoch nach Erkunden des weiterführenden steilen Wegs hinter uns feststelle, geht es hier noch weiter, allerdings sicher nicht mit unseren Fahrzeugen zu befahren!

Es wird dunkel, das Schneetreiben verdichtet sich (müssen Kurts Schneeschaufeln noch eingesetzt werden?), der Thermoschutz im Explorer wird nicht nur wegen der Frostnacht mit zu erwartenden Temperaturen unter dem Gefrierpunkt eingeknöpft, sondern auch vor allem wegen der Verdunklung - auf diese Weise ist selbst bei Innenbeleuchtung keines unserer Fahrzeuge im nachtdunklen Wald mehr erkennbar!

Geheimnisvolles geschieht an diesem Abend: merkwürdige Stimmen um die Fahrzeuge werden gehört, jemand vernimmt auch eine vermeintliche Autotür - bei einem Spähtrupp vor bis zur Hauptpiste ist in der Dunkelheit jedoch weder ein Fahrzeug noch sonst jemand zu sehen - wir werden wohl niemals erfahren, ob und was hier vorging ...

Mittwoch, 20.10.99:

Nach den Ereignissen des Vorabends sind wir bereits kurz nach sieben Uhr am Morgen beim Aufstehen. Ein erster und letzter Eiszapfen dieser Saison hängt an der Heckklappe des Explorers. Und, man glaubt es kaum, hier in der Einsamkeit, ausgerechnet zu unserem Stellplatz, fährt an diesem Morgen tatsächlich gegen 7:15 Uhr ein Trupp Waldarbeiter, der hier und nirgendwo anders im "Urwald" der Umgebung seiner Arbeit nachkommen will!

Wie Kurt schnell herausfindet, haben sie zwar nichts gegen unseren Stellplatz, aber gehen dann ohne Verzögerung ihrer Tätigkeit mit wahrhaft infernalischer Lautstärke nach und sägen sich an uns vorbei - wir klappen nur kurz das Dach ein, um unseren Frühstücksplatz einige hundert Meter weiter zum Abzweig an die Hauptpiste zu verlegen - hier herrscht Ruhe und nur ein einziges Fahrzeug passiert unseren immer noch einsamen Ausweichplatz ...

Wir folgen der Tour weiter gemäß unserem Roadbook, ein z.T. sonniger Morgen mit Hochnebelresten begleitet unseren weiteren Weg, der uns weiter auf fast 1.400 m führt. Unser 12-Kanal 12XL GPS erweist sich als ok, kein einziges Mal bekommen wir die Meldung "Poor GPS coverage", trotz des dichten Waldes. Wir haben den Scheitelpunkt unserer Tour überschritten und von nun an geht´s bergab ...    

... Naturschönheiten auch am Rande des Wegs ...

... am Wegpunkt 22 ... ... der Abzweig nach Boh. Bistrica ...

Wir erreichen das "Ende der Tour an der Kreuzung zur Hauptstraße in Zelezniki. (Anm. der Redaktion: Wegpunkt 28, N46°13.67975´ E014°10.18698´). Rechts geht es zum Isonzo (Soca), rechts zur Autobahn nach Lubljana." 

Wir beschließen, heute noch zum Campingplatz in Kobarid zu fahren, ein Platz, der noch bis Ende Oktober geöffnet ist. Wir folgen der malerischen 314, die sich z.T. als enges Sträßchen mit wenig Verkehr präsentiert. In Richtung Zali Log zeigt sich auch diese Gegend als Zentrum früherer Eisenverarbeitung, ein Anhalten am alten Ofen empfiehlt sich ...

Am Ende einer landschaftlich wie touristisch reizvollen Tour über Tolmin Richtung Kobarid erwartet uns ein angenehmes Kamp Koren (N46°15.0348´ E013°35.21022´), ein schöner Platz direkt am Ende der Soca-Schlucht (der faszinierend grüne Fluss hinter dem Platz wird - italienisch! - auch Isonzo genannt, je nachdem, welcher Landsmann über ihn spricht, doch die Schlacht am Isonzo ist lange her ...). 

Lauschige 13°C empfangen uns, niedrige ca. 250 m lassen nach Blick in den Himmel den Aufbau der Plane wieder mal ratsam erscheinen.

Dieser Campingplatz gehört zu den wenigen, die noch offiziell bis zum Monatsende geöffnet sind und er liegt günstig zum Einstiegspunkt unserer nächsten Tour - also hätten wir auch kaum eine Alternative gehabt, wenn der Platz nicht so idyllisch gelegen wäre. Übrigens: Sunset in diesen Tagen ist hier bereits gegen 18:00 Uhr!

... Öfen ehemaliger Eisenhütten am Wegesrand ... ... Kamp Koren Kobarid - hinter uns die Soca-Schlucht ...

Ein hervorragendes Essen erwartet uns im Kobarider Hotel Hvala In Restavracija Topli Val an der Trg svobode 1. Etliche Gäste sind im Lokal - durchweg Franzosen-, die wirken, als seien sie touristisch-beruflich hier. Sie geben dem ganzen ein besonderes Ambiente. Mit einigen Gläsern der hervorragenden einheimischen Spirituosen tröste ich mich darüber hinweg, dass ich heute auf dem Weg hierher am Ufer der grünen Soca meinen Skandinavien 99-Polarkreis-Sticker verloren habe - was soll´s, nächstes Jahr gibt´s einen neuen!


© Text/Bilder 1999 J. de Haas, Textauszüge aus "Geländewagen Touren Band 3: Slowenien und Istrien"