3. Tag: Fr 23.07.99 22:41 03:54

5:00 Uhr morgens. Es ist taghell. Auf das Explorer-Dach ergießen sich sintflutartige Regenfälle, wie sie dieses Fahrzeug bisher noch nicht erlebt hat. Und das in der ersten Nacht? Es knallt und trommelt von oben, ist es nur Regen oder mehr?

Während sich der Berichterstatter noch nicht entschließen kann, was jetzt zu tun ist - zweifellos Ausnahmesituation! - wird es plötzlich gleißend hell hinter dem Zeltbalg der Kabine - während sich noch das morgendliche Gehirn mit der Verarbeitung des gesamten Geschehens abquält, folgt bereits ein Dröhnen und Krachen, das das gesamte Fahrzeug erbeben lässt - ein einzelner Blitzeinschlag in weniger als 300 m Entfernung, vielleicht im nahen See?!

Während sich noch die Schallwellen des ungeheuren Knalls in der Umgebung verteilen, sich unheimliche Stille inmitten des unverändert heftigen Regenfalls einzustellen scheint, kein weiteres Gewitter nach diesem einzigen Einschlag hörbar ist, formen sich langsam die Gedanken: ein Gewitter offensichtlich ohne Zweifel, das aber kein richtiges Gewitter zu sein scheint. Außer Regen war ja nichts, sogenannte "embedded Charly Bravos" (fliegerdeutsche Gewitterwolken) konnte man aus seinem nächtlichen Schlafsack schließlich vorher auch nicht ausmachen, was war das nun eigentlich - immerhin ein unheimlicher Vorgang!

Der Regen lässt im Laufe der kommenden Stunden deutlich nach, das unheimliche Erlebnis bleibt und prägt sich in die Erinnerung ein. Als das Explorer Team am Morgen das Fahrzeug verlässt, sind sie bereits da: erste Mücken umkreisen den Berichterstatter in der Feuchtigkeit des Camps, so dass er sich entschließt, heute morgen wieder zu "Autan light" (und neu!) zu greifen, das Mittel mit dem angenehmen Geruch!

Wir verlassen das Camp -  ungern wie immer in solchen Gegenden, aber wir haben ja noch viel vor! Wir folgen zuerst der 616, später dann der 447 Richtung Nordosten (ja wo tanken wir denn???), überwiegend Nebenstraßen sollen uns wie üblich soweit wie möglich nach Norden bringen.

Irgendwo auf der Strecke tanken wir dann doch das erste Mal - über DM 2,- kostet hier der Sprit, und darauf sind wir sind wir schließlich mental vorbereitet ...

Ungefähr ca. 270 km wollen wir heute fahren zu unserem nächsten Camp, wieder mal stellen wir fest, dass die Leute weniger Englisch als vielmehr Deutsch sprechen, insbesondere für die Älteren scheint Englisch keine verbreitete Fremdsprache zu sein. Dies wird uns erneut deutlich, als uns ein überaus freundlicher Finne den Weg an einem Infoplan zu erklären versucht - eigentlich hatten wir ihn gar nicht gefragt, aber er wollte uns dennoch helfen, wo würden wir bei uns "zuhause" noch so etwas antreffen?

Wir kaufen an der Tankstellen eine geräucherte Lachsforelle, die nicht nur sehr billig ist für hiesige Verhältnisse, sondern später auch noch hervorragend schmecken wird - was will man mehr!

Vorbei an Kuopio, die "Stadtautobahn" ist kein Problem, wir lassen sie sozusagen links liegen, fahren einfach durch, sind wieder in der Wildnis, danach wieder nur die nun schon fast übliche Abfolge von Straße bis zum Horizont und einem See nach dem anderen - einfach traumhaft und echt virtuell!

Wir erreichen unser nächstes Camp - nordöstlich von Iisalmi liegt der Campingplatz Koljonvirta (Camp2, N63°35.67965´ E027°09.65151´) am gleichnamigen Fluss, der im Krieg 1808-09 zwischen Russland und Finnland (darüber später mehr) eine Waffenstillstandslinie war und dann doch wieder Schauplatz einer Auseinandersetzung der finnischen und der russischen Armee - ein Folder am Campingplatz erzählt über den mehrstündigen heldenhaften Kampf des legendärsten Verteidigers Sven Dufva des Vaasa Regiments ...

Nur drei deutsche Autos haben wir gesehen seit unserer Ankunft in Helsinki, auch weiter nördlich werden wir bei unserer Tour kaum weitere sehen wie auch kaum andere Touris - wo mögen die sein? Diese Fragen wollen wir heute wirklich nicht beantwortet sehen und so fahren wir in bester Stimmung weiter ...

Wieder empfängt uns ein heftiges Gewitter, die gerade aufgebaute Plane wird fluchend wieder eingeholt und der Deckel bleibt zunächst mal zu - zum ersten Mal sitzen wir bei geschlossenem Explorer-Dach und warten, bis heftigster Regen und die "Squall Line", die Böen-Walze des Gewitters, vorbeigezogen sind - geht das ab jetzt so weiter?

Irgendwann wird es freundlicher (Rückseiten-Wetter!) und alles wird endlich aufgebaut - doch dann: ein stahlhartes Wurzelwerk lässt den Berichterstatter und seine Bodenanker fast verzweifeln - verbogen und kaum noch zu entfernen!

... ein Redakteur beim Tiefbau ... ... doch die angenehme Perspektive wartet schon ...

Ins Boot trauen wir uns erst nicht, der heutige Morgen mit seinem "Überraschungsblitz" ist noch in bester Erinnerung - wie hatte man noch vor kurzem einen Experten ausführen hören: ein Blitzeinschlag auf einem See kann noch in großem Umkreis Bootsfahrer treffen - Lähmungen nicht ausgeschlossen!

Später entschließen wir uns dann doch noch, das Schlauchboot aus der Topbox zu holen und eine Fahrt auf "unserem" See und seinem Seitenarm hinter der Eisenbahnbrücke zu unternehmen - eine wunderschöne Bootstour vor unwirklich grünen Baumreihen im späten Sonnenlicht am Ufer erwartet uns, so unglaublich und eigentlich wieder virtuell, dass man sich auf einem fernen Planeten wähnt - die Mavica ist leider nicht an Bord, so dass nichts von diesen Augenblicken festgehalten werden kann ...

Um 21:45 Uhr Ortszeit erwartet uns ein finnischer "Biergarten" am Campingplatz, eine Schankstätte, die sich "Tupapubi" nennt und bei ca. 62,5° Nord ein fremdartiges Biergartenidyll bietet - wir sind die einzigen hier draußen, während sich im Inneren des "Pubs" merkwürdige, zigeunerähnliche Mädels zusammengefunden haben ...

... und dann in den Biergarten, wohin sonst??!

Wir verlassen den Biergarten, nicht ohne noch einen Rundgang gemacht zu haben über den Platz von Holzschnitzern, die hier ihre merkwürdig anmutenden Gebilde erschaffen haben - von vollbusigen Trollweibern bis zu Riesenvögeln lungert hier alles herum, was man sich denken kann. Im einsetzenden Nieselregen schlendern wir zurück zum Explorer - die ersten zwei Tage in Finnland lassen noch viel erwarten ...

... wilde Trollweiber soweit das Auge reicht ? ... darf man die ungestraft betatschen??

© 1999 J. de Haas