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Zurück in Petersburg und seinen Märkten

Am 15. März bin ich wieder zurück in der Stadt: Hotel Margarita, 3 Sterne, sehr gepflegt mit hervorragendem Frühstücksbuffet und gutem Service, eine Übernachtung kostet ca. 29 EUR. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Hotels soll sich laut Rezeptionist das Haus der Pfandleiherin aus dem Roman von Dostojewskis Schuld und Sühne befinden ...

Es gibt einige Märkte in Petersburg, allerdings sind die viel kleiner als der große Markt in Riga.

Auf einem davon im Zentrum wollten sie von mir drei Euro für zwei Tomaten und zwei Mandarinen haben, ich sagte nur - vergesst es. Dann wollte er einen besseren Preis machen, aber das Thema war für mich durch. Die Tomaten kommen meist aus Aserbaidschan oder Südrussland wie eben auch viele der Früchte.

Allerdings erscheint der Markt sehr leer, er ist vermutlich mehr für Touristen bestimmt, die zur Zeit hier nicht gerade in Horden herumlaufen. Ein Markt im Außenbezirk von Petersburg (Staraya Derevnya) sieht da schon belebter aus.

Auf einem anderen Markt in der Nähe der Spasskaja Metro Station, der mehr ein etwas heruntergekommener Klamottenmarkt ist, wo sich viele aus Südrussland bzw. Armenien, Turkmenistan und Aserbaidschan tummeln, merkt man den muslimischen Einschlag. Ich verspüre irgendwann den Geruch von gegrilltem Schaschlik, fand heraus, dass in einem alten, ziemlich abgewrackten Gebäude im dritten Stock eine Bude war, wo Schaschlik frisch gegrillt wurde.

Dort gab es auch Baran Schaschlik, was Schaschlik vom Lamm heißt: Ich sagte zu dem Aserbaidschaner, habt ihr auch Bier? Er meinte, nein, haben wir hier nicht, ich sagte, was ist Schaschlik ohne Bier? Er meinte, wenn du gerne Bier zum Schaschlik trinken willst, dann geh doch einfach in den nächsten Laden und kauf dir ein paar Dosen Bier, die kannst du hier auch zum Schaschlik gerne trinken ...

Die Straßen am Ufer in Petersburg zu überqueren ist wie die Geschichte aus dem Buch von James Graham Ballard: Der Block ...

Ethnographisches Museum

Später habe ich das Ethnographische Museum inspiziert, man findet nichts über die Deutschen in Russland, auch nichts über die Republik der Wolgadeutschen, obwohl es eine große Abteilung über die Bewohner der Wolgaregion gibt. Was man allerdings findet, ist eine kleine Abteilung über das ukrainische, moldawische und weißrussische Volk.

In der zweiten Hälfte des 18. und im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts kam es zu einem intensiven Besiedlungsprozess im Süden Russlands, speziell der Region Noworossijsk, in der verschiedene Völker lebten, darunter Russen, Ukrainer, Moldauer sowie orthodoxe bulgarische und gagausische Einwanderer.

Ebenso findet man zum Thema Baltikum immerhin noch ein paar Ausstellungsstücke über die Letten, Esten und Litauer. Auch das jüdische Volk hat dort einen Ausstellungsraum.

Später in einer Kneipe, wo es Burger und Bier gab, habe ich mit dem Inhaber gesprochen: Das Bier kostete stolze 250 Rubel, aber er konnte kein Geld herausgeben, somit bekam ich es für 150 Rubel, den Rest Kleingeld, den ich noch in der Tasche hatte. Er meinte, bis Russland und Europa wieder normal miteinander umgehen, das kann 10 bis 20 Jahre dauern. Die Geschichte ist wichtig, aber viele junge Leute würden sie nicht mehr kennen, ich musste ihm zustimmen. Auch er sieht beide Seiten: Europa und Russland haben Fehler gemacht ...

Wahlen

Die Wahlbeteiligung lag laut André in seinem Bezirk in Petersburg etwa bei 60%, er selber hat Putin gewählt. Warum fragte ich, es gab keine wirkliche Antwort ...

Die Wahlen waren sowieso völlig überflüssig, man hätte sich die Kosten und Mühen sparen und stattdessen eine Volksabstimmung machen können, schon vor Jahren, ob die Bürger Russlands Putin bis an sein Lebensende als Präsident haben wollen oder gleich per Dekret in der Duma so entscheiden können. Denn alternative Gegner standen gar nicht auf dem Programm, und zwei, die eventuell eine größere Zustimmung hätten erlangen können, wurden wohl kaltgestellt.

Dafür wurden die Wahltage, wie man an der Peter-und-Paul-Festung sehen konnte, in ein Volksfest umgewandelt, Brot und Spiele. Lange Schlangen standen an Ständen, um kostenlos etwas zu essen oder zu trinken, während auf Bühnen Live Musik gespielt wurde ...

Kriegsschiff Aurora und die Revolution

Der Panzerkreuzer Aurora wurde im Jahr 1897 in Bau gegeben und 1900 fertiggestellt. Heute ist er als Abteilung des Museums der Schifffahrt umgestaltet worden. Er ist das Wahrzeichen für die beginnende Oktoberrevolution 1917 unter der maßgeblichen Beteiligung der Matrosen in Petersburg.

Es wird sowohl die zaristische Zeit des Schiffes ausführlich dargestellt, als auch seine Funktion in der Revolutionszeit und späteren Sowjetära. Was hingegen unerwähnt bleibt, ist der zweite Matrosenaufstand in Kronstadt 1921, als man mit der Umsetzung der Revolution unzufrieden war und versuchte, eine wirkliche sozialistisch anarchistische Revolution zu fordern gegen eine sich bis dahin brutal durchgesetzte Diktatur der Bolschewiki.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie die Zeit des Kommunismus in Russland hochgehalten wird, durch Denkmäler, Monumente und andere Symbole. Andererseits sind aber auch von Putin Zweifel an Lenin vorgetragen worden, und auch das gesamte wirtschaftliche Leben in Russland ist ganz klar kapitalistisch ausgerichtet. Jedoch war auch der sogenannte Kommunismus bei weitem kein wirklicher, es war zu Beginn eine kleine Parteiclique, welche die Macht gegen den Allrussischen Sowjetkongress brutal durchsetzte, das kapitalistische Symbol des Geldes beibehielt und die Politgrößen in Saus und Braus leben ließ.

Die Verbindung erklärt sich wohl aus letztem Bild: Im Jahr 2019 kamen auf dem Schiff Putin und Xi Jinping zusammen, um ein Abkommen zu unterzeichnen, wobei sich zwei Parteiführer im entsprechenden historischen Ambiente getroffen haben ...


© 2024 Michael Gallmeister